Endröhren im Zero-Bias-Betrieb in Audioverstärkern - Teil 2 von 3

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meanthink
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 12. Sep 2019, 17:29
Fortsetzung von Teil 1

Nachdem ich das Schaltbild des ST150 hatte, habe ich mir erstmal Gedanken darüber gemacht WARUM die Ingenieure bei Bouyer diese bizarre Schaltungstopologie gewählt hatten. Um Material oder Kosten zu sparen sicherlich nicht, immerhin hätten 6 Stück 6L6GC die 150W ebenfalls geliefert -und im Treiber saßen ja schon zwei. Die 807 war garantiert auch nicht billiger als die 6L6GC, dafür braucht diese Schaltung noch einen aufwändigen Treibertrafo und exorbitant hohe Anodenspannung.

Die Antwort war schnell gefunden: Betriebssicherheit. So bizarr es klingt. Wenn in einer Röhrenendstufe was schief geht, sind meist auf irgendeine Weise die Steuer- oder Schirmgitter der Endröhren involviert, sei es daß die negative Gitterverspannung ausfällt, die Röhre anfängt Gitterstrom zu ziehen und daher die Anode leuchtet, das Schirmgitter vielleicht einfach mal meint glühen zu müssen -oder gleich schmilzt weil die Lautsprecherleitung abgerissen ist.
All das kann im Zero-Bias-Betrieb prinzipbedingt gar nicht erst vorkommen. Insofern war die Mimik gar nicht so blöde, zumal die 807 die 1000V Anodenspannung tatsächlich problemlos wegstecken können (die Besitzer des "Gigant" von Dynacord dürften aus leidvoller Erfahrung genau wissen was ich meine).

Nun war klar, daß sich "normale" Endpenthoden offensichtlich als Zero-Bias-Endtrioden nutzen lassen, nur müssen diese dafür als Hi-μ-Trioden geschaltet werden (G1 an G2, ggfs. über einen Längswiderstand).

So weit, so gut. Bliebe das Problem mit dem Treiber, mit dem alles steht und fällt. Vor nicht allzu langer Zeit habe ich genau hierzu in einem alten Lehrbuch der GEC ("An Approach to Audio Frequency Amplifier Design", London, 1957) tatsächlich "handfestes" Material genau dazu gefunden.

Dort wird exakt ausgeführt, daß der -meist hohe- Klirrfaktor der Zero-Bias-Schaltungen seine Ursache mitnichten in den Endröhren hat, sondern im Treiber, um genau zu sein in dessen Ausgangswiderstand. Je höher desto schlimmer. Entsprechend wurde auf die eigentlich prinzipiell erforderliche Schaltung der Treiberröhren in Anodenbasisschaltung, sowie auf größere Probleme mit den Treibertransformatoren verwiesen.

Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, daß es aus technischer Sicht im Jahr 2019 weder ein Problem gibt einen Treiber mit einem Quellwiderstand von etwa 0Ω ohne großen Aufwand fertigzukriegen noch daß hierbei die prinzipielle Verwendung eines Treibertrafos überhaupt erforderlich wäre.

Doch weiter mit der GEC. Das Problem des Quellwiderstandes war also durch Kathodenfolger zu lösen, das des Treibertrafos wurde wie folgt gelöst:

Es findet prinzipiell ein Treibertrafo mit einem Übersetzungsverhältnis 1+1 :1+1 Verwendung. Anfang und Ende der Primär- und Sekundärwicklung werden jedoch einfach durch Koppel-Cs überbrückt, so daß das Signal eigentlich am Trafo "vorbeiläuft". Der Trafo verhindert somit nur noch daß sich die Kondensatoren durch den Stromfluss in nur einer Halbwelle aufladen.

Schaltung siehe unten:

Gec1


Ganz nebenbei wird im Text angemerkt daß es in dieser Schaltung eigentlich keinen Trafo brauchen würde -zwei Drosseln mit Mittelanzapfung oder zwei Ausgangsübertrager deren Lautsprecherwicklung man ignoriert würden es auch tun -sie müßten nichtmals gleich sein. Ferner wird gesagt daß für die Koppelkondensatoren problemlos Elkos verwendet werden können.

Schaltung siehe unten.

GEC2

Mit Treibern in dieser Konfiguration werden diverse Verstärkerschaltungen mit Ausgangsleistungen bis >1kW beschrieben. Der Klirrfaktor liegt bei allen bei max. ~5% bei Nennleistung, was sich hinter keinem anderen PA-Verstärker (mit "normaler" Schaltung und Endpenthoden) aus dieser Zeit zu verstecken braucht. Die Klirrprobleme der Zero-Bias-Schaltung waren offensichtlich wirklich gelöst.

Warum finde ich nun gerade diese Schaltungstopologie so interessant bzw. was soll das Ganze?

Rein aus technischer Sicht ist bei der REPRODUKTION von Musik eine Penthode eigentlich das Letzte, was man in einer Endstufe haben möchte, da sich diese wie eine fast perfekte Stromquelle verhält. Um das wirklich gescheit ins Laufen zu bringen muß man sich schaltungstechnisch ganz schön auf die Hinterfüße stellen.

Da Endtrioden sich nun aber im Gegensatz dazu mehr wie Spannungsquellen verhalten macht dies viele Dinge einfacher, der Haken dabei ist jedoch die hohe Restspannung der Trioden bei Vollaussteuerung und der damit verbundene schlechte Wirkungsgrad -sofern man nicht mit gigantischen Anodenspannungen arbeitet.

Dies gilt nun aber nur für Trioden die im negativen Gitterspannungsbereich ausgesteuert werden, bei der Steuerung im positiven Gitterspannungsbereich steuert eine Triode genausoweit durch wie eine normal betriebene Endpenthode, so daß dieser Nachteil entfällt. Damit hätte man den geringen Innenwiderstand einer Triodenendstufe mit dem guten Wirkungsgrad und der hohen Ausgangsleistung einer Penthodenendstufe kombiniert.

Bliebe die Frage nach den verwendbaren Endröhren. Wie oben dargelegt bedarf es eben keiner speziellen Endröhren, da in entsprechender Schaltung normale Endpenthoden verwendet werden können. Ich möchte in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Verwendung von gut erhältlichen Zeilenendröhren hinweisen. Durch deren Auslegung auf den Betrieb mit niedrigen Schirmgitterspannungen sind diese sogar besonders vorteilhaft da nur relativ geringe Ansteuerspannungen sehr hohe Anodenströme auslösen.

Fortsetzung in Teil 3

Wichtig: Bitte nur am Ende von Teil 3 Antworten!
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