Tapedeck neu kaufen für Digitalisierung, altes nehmen oder altes restaurieren? - Bitte um Rat

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noMainstream
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 23. Dez 2021, 07:38
Hallo,

ich habe bereits 2015 einen Thread hier eröffnet, in dem ich um Rat für die geplante Digitalisierung meiner Kassetten mit Sprachaufnahmen und Hörspielen gefragt habe. Hauptsächlich wollte ich damals wissen, ob ich eins der beiden älteren Tapedecks dafür verwenden kann, die mein Vater noch besitzt. Es hat aber tatsächlich noch bis dieses Jahr gedauert, dass ich mich der Sache annehmen konnte. Jetzt bin ich allerdings sehr motiviert und möchte das Ganze so schnell wie möglich durchziehen. Sind immerhin 143 Kassetten.

Ich habe das Ganze nun wie damals empfohlen mit dem Tapedeck Technics RS-B 405 probiert. Das Deck läuft noch einwandfrei und hat keine Aussetzer oder Ähnliches. Ich habe es natürlich gründlich mit purem Alkohol aus der Apotheke gereinigt und auch schon entmagnetisiert. Nun habe ich mehrere Fragen, die vor allem darauf abzielen, ob ich die ganze Aktion eurer Meinung nach nun tatsächlich mit dem Deck im aktuellen Zustand durchziehen soll oder ob ich noch neue Teile einbauen (Tonkopf gegen neuen ersetzen, Andruckrolle und Antriebsriemen erneuern) oder die Abspielgeschwindigkeit einstellen soll. Oder ob ihr meint, dass das alles verschwendete Zeit ist und ich lieber ein generalüberholtes und bereits eingestelltes Tapedeck bei ebay kaufen soll.

Folgendes ist nämlich festzustellen:
1. Zunächst habe ich gemerkt, dass das Gerät Kassetten leicht zu schnell abspielt. Das kann ich deshalb sicher sagen, weil ich ein Band mit Musik digitalisiert habe und hinterher die digitalisierte Fassung mit dem Original MP3 auf dem PC in Audacity verglichen habe. Dabei zeigte sich, dass bei einem Lied, welches im Original 3:51 Minuten lang ist, das Tapedeck dieses in 3:49 Minuten abspielt. Also ca. 2,38 Sekunden oder umgerechnet 1,03 Prozent zu schnell. Es ist allerdings erst so richtig aufgefallen, als ich die beiden Versionen im direkten Vergleich gehört habe. Da merkt man dann, dass das digitalisierte leicht schneller und höher klingt.
Interessanterweise hatte ich auch vor der Entmagnetisierung schon ein Band digitalisiert und das gleiche dann auch nach der Entmagnetisierung noch mal getan. Habe die Aufnahmen verglichen und auch hier zeigt sich, dass die Version nach der Entmagnetisierung plötzlich schneller abgespielt wird.
Länge vor der Entmagnetisierung: 22:58 Minuten
Länge nach der Entmagnetisierung: 22:55 Minuten, also rund 3 Sekunden schneller als vorher.
Meine Frage wäre hier also: Lohnt es sich eurer Ansicht nach, die Geschwindigkeit einzustellen und ist das bei dem Gerät überhaupt problemlos und ohne großen Aufwand für einen Laien möglich?

2. Weiterhin ist aufgefallen, dass alles ziemlich rauschig klingt. Weiter unten findet ihr einen Link zu einer Beispielaufnahme, wo man das beim Reden der Sprecher gut hört. Auch mit angeschlossenen Kopfhörern kann man das Hintergrund-Rauschen sowie das Rauschen bei der Sprache sehr gut hören. Wenn ich Dolby B oder C einschalte, hört das auf, jedoch ist der Klang der Sprachaufnahme dann ziemlich dumpf.
Meine Frage ist hier: Führt ihr das Rauschige auf das Tapedeck zurück oder kann es sein, dass das schlicht auf das Alter der Hörspielkassetten zurückzuführen ist? Bei den Hörbeispielen handelt es sich um eine Masters- (He-Man) und eine MASK-Kassette, soweit ich weiß, beide aus den 80er Jahren.

3. Vermutlich durch das Rauschige empfinde ich den Sound an manchen Stellen auch als kratzig oder als ob kleine Aussetzer zu hören wären. Vielleicht auch so, als wäre es leicht übersteuert.
Meine Frage: Würde ich eurer Erfahrung nach einen großen Qualitätssprung beim Klang machen, wenn ich ein restauriertes Tapedeck bei ebay kaufe oder wenn ich an meinem Teile austausche? Oder kann man das ausschließlich beantworten, wenn man die gleichen Kassetten mit einem anderen Deck ausprobiert?

Nachfolgend die beiden Links zu der Tonqualität bei den Hörspielkassetten:
https://youtu.be/pPoRCj8cOiU
https://youtu.be/QMTTlN0l4Fs

Außerdem habe ich euch mal ein Foto mit angehängt, wie Tonkopf etc. von dem Gerät aussehen.

Ich freue mich auf eure Ratschläge und Einschätzungen und wünsche auf jeden Fall allen schon mal schöne Feiertage!

Beste Grüße

Wie es im Kassettenfach des Kassettendecks aussieht
Rabia_sorda
Inventar
#2 erstellt: 23. Dez 2021, 18:23
Hallo,


Das Deck läuft noch einwandfrei und hat keine Aussetzer oder Ähnliches. Ich habe es natürlich gründlich mit purem Alkohol aus der Apotheke gereinigt und auch schon entmagnetisiert.


Der Tonkopf und die Capstanwelle sind stark verschmutzt und wohl nur mit Alk nicht mehr gut sauber zu bekommen. Evtl ist das auch schon Oxidation auf dem Tonkopf, aber das Bild kann täuschen. Hierzu würde ich nun mit Lackreiniger/-Politur (Kfz-Bereich) die Köpfe und die Welle reinigen. Die Andruckrolle sollte man mal mit Walzenreiniger (Drucker) reinigen.


Nun habe ich mehrere Fragen, die vor allem darauf abzielen, ob ich die ganze Aktion eurer Meinung nach nun tatsächlich mit dem Deck im aktuellen Zustand durchziehen soll oder ob ich noch neue Teile einbauen (Tonkopf gegen neuen ersetzen, Andruckrolle und Antriebsriemen erneuern) oder die Abspielgeschwindigkeit einstellen soll


Neue Tonköpfe findet man kaum/eher nicht und wenn, dann muss es genau der gleiche TK sein.

Antriebsriemen sind Verschleißteile und wenn sie ausgeleiert sein sollten dann sollten sie erneuert werden.


Oder ob ihr meint, dass das alles verschwendete Zeit ist und ich lieber ein generalüberholtes und bereits eingestelltes Tapedeck bei ebay kaufen soll.


Damit kann man sich auch eine andere Baustelle ins Haus holen.
Nicht selten werden "generalüberholte" Tapedecks angeboten, woran eigentlich gar nichts gemacht wurde.
Letztens erst noch eine Anzeige von einem Technics RS-BX626 gesehen, wo beschrieben stand, dass daran sämtliche Riemen erneuert wurden.
Sehr seltsam, denn das Deck hat Dank eines Direktantriebes keinen einzigen Riemen verbaut


Zunächst habe ich gemerkt, dass das Gerät Kassetten leicht zu schnell abspielt


Diese minimalen Unterschiede muss man hinnehmen, denn durch Erwärmungen (Riemen, Lager, Fette) der internen Bauteile kann es hier öfter zu Geschwindigkeitsunterschieden führen.


Weiterhin ist aufgefallen, dass alles ziemlich rauschig klingt.


Dolby-Systeme werden ausschließlich beim Abspielen verwendet, wenn auch der damalige Aufnahmevorgang mit diesem System gewählt wurde. Hier ist dann die bei der Aufnahme verwendete Dolby-Art zu wählen (B/C/S).

Evtl sind die Aufnahmen schon selbst schlecht, die Bänder schon gealtert oder der Azimuth des Kopfes passt nicht.
Eine ausgiebige Reinigung ist natürlich immer das A & O.


Würde ich eurer Erfahrung nach einen großen Qualitätssprung beim Klang machen, wenn ich ein restauriertes Tapedeck bei ebay kaufe oder wenn ich an meinem Teile austausche? Oder kann man das ausschließlich beantworten, wenn man die gleichen Kassetten mit einem anderen Deck ausprobiert?


Nein, es kann keinen großen Qualitätssprung beim Klang ergeben wenn dein Deck soweit gereinigt und evtl eingestellt wurde.
Ansonsten s.o..


Nachfolgend die beiden Links zu der Tonqualität bei den Hörspielkassetten:
https://youtu.be/pPoRCj8cOiU
[url]https://youtu.be/QMTTlN0l4Fs
[/url]

File 1 klingt in den "S"-Lauten zischelnd und ist eher eines minderwertigen Bandes und/oder einer Übersteuerung bei der Aufnahme zuzuschreiben. Evtl wurde es auf dem Recorder auch nicht richtig eingemessen.

File 2 klingt dumpf. Das können auch mehrere Faktoren sein, wie z.B. auch die von File 1 und zudem noch eine fehlerhafte Azimuth-Einstellung.
Oder sie wurde mit einem Dolby-Verfahren abgespielt, jedoch ohne Aufgenommen.
Ingor
Inventar
#3 erstellt: 23. Dez 2021, 20:02
Für Sprachaufnahmen würde ich nicht an der Geschwindigkeit herumstellen. 1% sind da immer noch im Rahmen. Alle Kinofilme werden in der PAL-Welt alle mit 25 Bildern/s anstatt mit 24 abgespielt. Das ist deutlich mehr als 1 %.
Ich würde unter keinen Umständen mit Lackpolitur am Tonkopf herumwerkeln. Aber auf jeden Fall die Gummirolle und vor allem die Tonwelle nochmal reinigen. Du kannst auch probieren die Aufnahmen, nachdem du sie digitalisiert hast, aufzubereiten, Digital geht da so einiges. Wenn es Originalkassetten sind, erkennst kannst du schauen, ob Dolby B eingeschaltet war. Das steht dann auf der Kassette. Für Hörspiele wohl eher nicht. Es ist aber immer so, dass wenn man Dolby B einstellt, die Wiedergabe dumpfer wird. Das ist normal und hängt mit der Funktionsweise von Dolby B zusammen.
Rabia_sorda
Inventar
#4 erstellt: 23. Dez 2021, 20:22

Ich würde unter keinen Umständen mit Lackpolitur am Tonkopf herumwerkeln.


So scheiden sich die Geister.
Ich habe damit ausnahmslos immer "defekte" Tonköpfe retten können.
hf500
Moderator
#5 erstellt: 23. Dez 2021, 21:26
Moin,
man kann es mit Politur versuchen, aber erst, wenn man mit Kontakt WL nichts mehr ausrichten kann. Und das ist selten, denn nach meiner Erfahrung ist WL bei Magnetbandgeraeten aller Art anderen ueblichen Mitteln weit ueberlegen. Isoprop und Spiritus, vergiss es....

73
Peter
Rabia_sorda
Inventar
#6 erstellt: 23. Dez 2021, 21:51
Ich rede jetzt nicht über normalen aber hartnäckigen Bandabrieb, sondern über "pickelig" oxidierte, oder auch eingeschliffene Tonköpfe.
Dennoch musste ich auch schon zwei Mal mit Politur ran, weil der Bandabrieb mit sämtlichen anderen Mitteln nicht lösbar war.
Ingor
Inventar
#7 erstellt: 24. Dez 2021, 11:40
Man kann mit Lackpolitur einen Tonkopf behandeln. Aber m.E. erst als letztes Mittel. Ich sehe im Bereich des Kopfspaltes und des Bandkontaktes nichts problematisches.
analognerd
Stammgast
#8 erstellt: 08. Jan 2022, 10:15
Man muss abwägen ob es weitere Eingriffe etc. bringen.
Die Geschwindigkeit des Bands lässt sich einer 1000/3000Hz-Kassette und einem Regler am Motor bzw. auf der Platine einstellen.
Bei starken Verschmutzungen würde ich aber dann absehen, dieses Gerät wurde vielleicht lange stehen gelassen, vielleicht auch nie gut behandelt und es können sich noch weiter Überraschungen ergeben.
Besser vielleicht ein Gerät von einem Sammler erstehen der es abstösst, da kann man sicher sein das es im Wohnzimmer und nicht in der Garage gelagert wurde.
Habe hier ein Luxman K-100 und ein Nakamichi BX-100 von ebensolchen Leuten erstanden.
Ein bischen reinigen und die Riemen erneuert, einwandfreie Ware für 50 und 100 Euro.
noMainstream
Schaut ab und zu mal vorbei
#9 erstellt: 22. Apr 2022, 11:26
Hallo an dieser Stelle noch mal.

Auch wenn es jetzt schon länger her ist, wollte ich doch noch mal ein abschließendes Feedback zu diesem Thema geben. Tut mir erst mal sehr leid, dass ich so lange nicht mehr geantwortet habe. Bin leider erst im März zu der ganzen Aktion gekommen. Ich wollte mich aber auf jeden Fall noch mal ganz herzlich für eure ganzen Antworten und Einschätzungen bedanken! Das hatte mir damals weiter geholfen, so dass ich letztlich eine Entscheidung treffen konnte. Was ich jedoch zwischenzeitlich noch gemacht hatte, war das Folgende: Und zwar habe ich mir zum Vergleich ein aktuelles TEAC-Gerät bestellt. Wohl das einzige Kassettendeck, was aktuell noch produziert wird. Durch den Vergleich konnte ich mehrere Dinge herausfinden:

1. Der kratzige, rauschige Ton klang beim TEAC bei den betreffenden Kassetten ganz genauso. Das bedeutet, es hat nichts mit dem Abspielgerät zu tun gehabt, sondern lag eben schlicht und einfach am Zustand der digitalisierten Kassette. Die ist ja schließlich auch schon um die 35-40 Jahre alt gewesen und wurde schon ziemlich oft abgespielt.
Ich konnte das Ergebnis, dass es kein Problem meines alten Rekorders ist, auch noch durch andere Kassetten bestätigen. Bei denen traten die negativen Toneindrücke nämlich nicht auf, sondern der Ton war eigentlich durchweg ziemlich gut. Sowohl auf meinem alten Gerät als auch auf dem TEAC. Nichts Kratziges oder stärker Rauschiges zu hören.

2. Das TEAC-Gerät hat deutlich mehr Höhen in seinen Aufnahmen. Im ersten Moment denkt man dadurch, die Tonqualität ist besser als bei meinem alten Deck. Dann probierte ich jedoch mal bei einer digitalisierten Aufnahme über das alte Deck, mit dem EQ meines Bearbeitungsprogramms rumzuspielen. Wenn ich dort die Höhen (meist bei etwa 6K) hochdrehte, konnte ich ein Ergebnis erzielen, das man im Grunde nicht von der TEAC-Aufnahme unterscheiden konnte.

Weiterhin habe ich nach den Höreindrücken durch mehrere verschiedene Kassetten gemerkt, dass die Aufnahmen mit dem TEAC vielleicht sogar etwas zu höhenlastig sind. Mein altes Gerät hat wohl scheinbar grundsätzlich etwas mehr Tiefen. Zudem konnte ich beim alten Deck Dolby nach Belieben ein- oder ausschalten. Das geht beim TEAC nicht.

(Nebenbei bemerkt: Mit Dolby habe ich bei keiner meiner Aufnahmen gearbeitet, weil ich finde, dass es jede Kassette viel zu dumpf klingen lässt. Stattdessen kann man das Rauschen anschließend über den EQ ganz gut wegbekommen, ohne dabei jedoch die Klarheit in Sprachaufnahmen zu verlieren.)

Durch diese Ergebnisse konnte ich dann eine endgültige Entschedidung treffen: Ich führte die Digitalisierung meiner rund 140 Kassetten mit meinem alten Gerät durch. Besonders die Erkenntnis, dass die festgestellten Tonbeeinträchtigungen nicht vom Abspielgerät stammten, sondern durch den Zustand der Kassetten entstanden waren, hat mir sehr weitergeholfen. Falls also jemand vor einer ähnlichen Frage wie ich stehen sollte, probiert einfach mal, die Kassetten in anderen Geräten abzuspielen. Dadurch könnt ihr mit Sicherheit feststellen, ob die Tonprobleme vom Gerät oder von der Kassette kommen. Sachen wie Geschwindigkeit, Rauschen oder Höhen/Tiefen kann man bis zu einem gewissen Grad auch noch nachträglich verändern, ohne dass einem eine Bearbeitung groß auffallen würde. Aber das muss man eben einfach ausprobieren und bestenfalls vergleichen.

Wie ich bereits sagte: Nochmal vielen Dank an dieser Stelle für eure Beiträge und allen ein schönes Wochenende!


[Beitrag von noMainstream am 22. Apr 2022, 11:36 bearbeitet]
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