Endröhren im Zero-Bias-Betrieb in Audioverstärkern - Teil 1 von 3

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meanthink
Schaut ab und zu mal vorbei
#1 erstellt: 12. Sep 2019, 17:24
Liebes Forum,

ich bin (neben einigen anderen Dingen) an einem Langzeitprojekt, von dem ich annehme daß sich der Eine oder Andere hier vielleicht dafür interessieren könnte.

Um einmal vorzugreifen: vieles daran deutet darauf hin daß hierin vielleicht eine Möglichkeit liegen könnte Endpenthoden (insbesondere TV-Zeilenendröhren) in Audioverstärkern SINNVOLL und mit wirklich hoher Ausgangsleistung (ich meine hiermit Leistungen in der Ecke zwischen etwa 50~150W pro Röhrenpaar) als Trioden einsetzen zu können.

Gleich vorneweg: es geht hierbei um die sogenannte "Zero-Bias"-Schaltung, also ein durchaus altbekanntes Prinzip, das in Sachen Audioqualität allerdings meist nicht sehr gut beleumundet ist. Bereits allgemeine Informationen hierüber sind dünn gesät, im Laufe der Jahrzehnte bin ich jedoch immer wieder einmal über etwas zu diesem Thema gestolpert -unter anderem nun auch darüber wie man es ordentlich mit guter Qualität zum laufen kriegt. Vielleicht ist ja auch jemand von Euch irgendwann durch Zufall einmal über den "heiligen Gral" dieser Schaltungstopologie gestolpert und kann "sachdienliche Hinweise" geben oder weiß sonst irgendetwas, denn viele Puzzlesteine sind inzwischen zwar vorhanden aber noch bei weitem nicht alle.

"Zero-Bias"-Betrieb meint dabei NICHT daß die Endröhren ohne Ruhestrom (also Klasse B) laufen würden, sondern daß die Steuergitter im Ruhezustand keinerlei Vorspannung erhalten und somit auf Kathodenpotential liegen. Hierbei fließt dann der genannte Ruhestrom durch die Röhren.

Da ich selbst auch noch nicht in allen Teilen den wirklichen Überblick habe "nehme ich Euch einfach mal mit" und fange ganz am Anfang an:

In den frühen 80ern stolperte ich in einem alten RCA-Handbuch über die 6N7. Die kennt man aus alten Geräten als NF-Doppeltriode aus Vorstufen. In dem Buch war von der 6N7 nun aber im wesentlichen nicht die Rede als Vorstufe, sondern als Endstufe: satte 10W im Gegentakt an 300V als Zero-Bias an Raa 10kΩ. Auch wenn die sonstigen Angaben in dem Buch dazu eher spärlich waren wollte ich das unbedingt ausprobieren -als Endstufe in einem alten AM-Octal-Super an Stelle der originalen 6L6G.

Die Gitterspannung bei voller Aussteuerung war angegeben (70Vs wenn ich mich recht erinnere), die erforderliche Treiberleistung auch. Ausgangsübertrager mit Raa 10kΩ hatte ich, Treiberübertrager wurde berechnet und gewickelt. Zunächst hatte ich als Treiberröhre eine EL32 als Triode (G2 an A) eingebaut. Voller Erwartung eingeschaltet -und es ging. Schaurig-schön, aber richtig laut. Irgendwas schien nicht wirklich zu stimmen, ich hatte die EL32 in Verdacht. Also wurde auf eine 6J5 umgerüstet (Schaltung siehe unten) -und damit funktionierte das Ganze sofort einwandfrei. Zumindest bei der Verwendung als Endstufe in einem (großen) AM-Empfänger war da auch nichts von irgendwelchen Verzerrungen zu hören (zumindest keine an die ich mich erinnern könnte) und Ausgangsleistung kam tatsächlich "satt".

6N7

Schon damals wurde mir nach der Episode mit der EL32 klar, daß eine Zero-Bias-Endstufe mit dem Treiber steht und fällt.


Etwa gegen Ende der 80er bekam ich von einer ortsansässigen, alten Schaustellerfamilie die beiden Verstärker ihres Autoscooters zur 'schnellen Reparatur' auf den Tisch, die würden keine Leistung mehr bringen und nur noch verzerren. Als Hersteller stand GOUGEON drauf (Französischer Hersteller für Schausteller-PA), vom Aussehen her haben die Dinger aber irgendwie an BOUYER erinnert (vor allem wegen dem "Survolteur" und dem typischen Netzspannungs-Anzeigeinstrument). "Eisenschweine" par excellence, im wahrsten Sinne des Wortes, jeder etwa 40kg schwer -und mit 150W-Ausgangsleistung angegeben.
Schaltbild war natürlich nicht, Internet gab's noch nicht, also: aufgeschraubt und schaun mer mal.

Im Inneren massenhaft "dickes Eisen" verbaut, ganze Elkobatterien (witzigerweise Frolyt, keine SIC), viele dicke Siliziumdioden, einige Relais, meterweise Rundbund-Verdrahtung, ein paar EF86 und ECC83, zwei EL503 (!) und 4x 807 (!!!). Häääh?!

Gut. Lastwiderstand dran, Lautstärke zu, Strom drauf. Es knurrt leicht, aber nichts blitzt oder raucht. Fein. Anodenspannung an den 'Hörnern' der 807 gemessen -ein gutes Kilovolt. Satt. Da kommen also die 150W her. Tongenerator dran, ein bisschen Signal drauf. Auf der Frontplatte finden sich 4 mit "Modulation" beschriftete Kontrollampen. Sowas kennt man von Bouyer als Signalanzeige (nicht Clipping!), nur hier gab's 4 davon von 1...4 durchnummeriert. Neben den 807 fanden sich ebenfalls die Ziffern 1...4 -also Kontrollanzeigen für die Endröhren, praktisch! Signal hochgefahren -ja es wird Licht in den Modulationsanzeigen, mehr oder weniger. Eine hell, zwei deutlich dunkler, die letzte bleibt gleich ganz aus. 807 fertig? Vorspannung? Ansteuerung?? Die Kiste rumgewuchtet, an den Fassungen der 807 gemessen: Signal an allen Fassungen, dafür aber keine Vorspannung (!) und keine Schirmgitterspannung, sondern mit einem Längswiderstand auf die Schirmgitter gebrückte Steuergitter an allen Röhren! Dank Rundbund und mangels Schaltbild auf die schnelle nicht nachzuvollziehende Schaltung, doch es lief ja, sogar eher mehr als weniger, muß also anscheinend irgendwie so sein. Also neue Endröhren rein, Strom drauf -alles bestens. In beiden Geräten.

Etwa zwei Jahrzehnte danach bin ich im Internet über die Schaltung eines ST150 von Bouyer gestolpert, nämlich diese hier:

ST1500

Als ich dieses Schaltbild gesehen habe wurde mir schlagartig klar was es damals mit den Gougeon-Kisten auf sich hatte. Das waren sozusagen "bessere" ST150 (EL503 statt 6L6GC im Treiber), also der Anwendung entsprechend etwas mehr "auf Sound" gebaut. Die Gougeons hatte ich ein paar Monate nach der Reparatur übrigens im Einsatz auf der "Kermesse" an 4 Stück 15/3er Zeck-Boxen, die oben im Gebälk des Scooters hingen, nochmals live erlebt. Klar, das war kein Hai-End, doch es war richtig laut und hat soweit sauber geklungen -und es war eine Freude die 8 Modulationsanzeigen hell im Takt leuchten zu sehen.

Fortsetzung in Teil 2.

Wichtig: Antworten bitte nur im letzten Teil posten!
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