Furtwängler, Wilhelm: Eine Ikone

+A -A
Autor
Beitrag
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 08. Mrz 2004, 03:53
Liebe Forianer,



Kaum hält man es für möglich, und dennoch ist es so:
Obwohl bei der Abstimmung explizit nach Dirigenten aus der Stereo-Ära gefragt wurde, wurden desungeachtet zwei Namen immer wieder genannt: Arturo Toscanini und Wilhelm Furtwängler. Allein daran kann man ermessen welchen Stellen wert diese Dirigenten einst hatten, und --- teilweise immer noch haben.
Das war nicht immer so: Als Furtwängler, eine erbitterter Gegner Karajans, 1954 starb wählten die Berliner Philharmoniker gerade diesen zu ihrem Nachfolger. Sie sandten ihm ein Telegramm folgenden Inhalts: "Der König ist tot - Es lebe der König.
Ich erinnere mich gut als EMI in den frühen siebzigern einen aus rechtlichen Gründen 20 Jahre unter Verschluß gehaltenen "Ring" als "Sensation" publizierte, ich bei mir dachte: Was wollen die mit diesem rauschenden Mono-Uralt-Schrott aus der Schellackzeit ? Kauft das überhaupt noch jemand? Ja man kaufte. (zur Erklärung: Ich bin kein Wagnerianer )
Aber abgesehen davon gab es damals nur wenige Platten Furtwänglers am Markt: Die Stereowelle hatte alles hinweggespült.
Doch nach und nach tauchten seine Platten wieder auf, und heute dürfte das Angebot auch auf CD recht groß sein.
Furtwängler war aber nicht nur Dirigent, sondern auch Komponist. Er selbst betrachtete sich nicht als komponierenden Dirigenten, sondern als dirigierenden Komponisten. Unter anderem komponierte er 3 Sinfonien die man als spätromantisch einstufen könnte, seine Werke bleiben tonal.
Einiges wurde vom Label marco polo veröffentlicht.
Jedoch sieht man ihn heute doch mehrheitlich als einen der großen Dirigenten des vergangenen Jahrhunderts.




Grüße aus Wien
Alfred
Oliver67
Inventar
#2 erstellt: 11. Mrz 2004, 13:24
Eine Ikone (also ein Kultbild) ist Furtwängler sicher nicht, jedoch wie Du sagst, einer der ganz großen Dirigenten im letzten Jahrhundert.

Furtwängler hatte es nach dem Krieg aus politischen Gründen nicht leicht. Das er Deutschland nicht verließ, sondern (so die Meinung der Kritiker) Nazideutschland durch sein kulturelles Engagement aufwertete, nahmen ihm viele übel. Furtwängler hatte es sich bestimmt nicht leicht gemacht, hat auch während des 3. Reiches viel getan um jüdische Orchestermitglieder (und andere jüdische Mitbürger) zu schützen. Aber schwarz-weiß Denken ist auch damals beliebter gewesen als genau hinschauen.

Oliver
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 11. Mrz 2004, 14:15
Hallo,

Immer wieder bin ich verwundert, mit welcher Hartnäckigkeit man sich am "politischen Verhalten" dieses und anderer Dirigenten festbeisst. (vorweg, ich bin persönlich nicht betroffen, da Nachkriegsgeneration)
In den siebziger Jahren, (und auch in den sechzigern), wo ich meine musikalische Prägung erhielt, hat sich *niemand* mehr, oder sollte ich besser sagen *noch* für die politische Vergangenheit von Dirigenten interessiert, lediglich für ihre Aufnahmen etc.
Ihr "Verbrechen" bestand lediglich darin, daß sie Ihren Beruf ausübten.
Bei Furtwängler liegt die Sache anders. Immerhin war er Vizepräsident der Reichsmusikkammer.
Allerdings sollte man nicht vergessen, daß er trotzdem, oder gerade deshalb, mehr oder weniger andauernd auf Kollisionskurs mit Goebbels war.
Allein schon seine damals veröffentlichten Artikel im Fall Hindemith waren eigentlich nicht mehr mutig, sondern schon fast ein Selbstmordversuch.
Goebbels aber brauchte diesen Mann. Daher akzeptierte er Furwänglers Rücktritt als Vicepräsident der Reichsmusikkammer, und sagte ihm zu, daß man ihn auch künftig in Ruhe lassen würde, - - wenn er nur dirigiere.
Es war auch so, daß Emigranten, die, ohne direkt verfolgt worden zu sein, ins Ausland gingen, oft gar nicht mit offenen Armen empfangen wurde. Erstens mißtraute man ihnen, (Deutscher Spion?)zweitens war "beruflich" gar nicht Platz für alle.
Erfreulicherweise ist die alles in neutralen Quellen gut dokumentiert.


Auszug aus einem Portrait im Internet:
Er wird aber auch zunächst Vizepräsident der Reichsmusikkammer. Im Dezember 1934 tritt er von seinen Ämtern zurück, dirigiert aber weiterhin das Berliner Philharmonische Orchester und ist immer wieder Gegenstand öffentlicher Kontroversen. Immerhin ist er der Einzige innerhalb des deutschen Musiklebens, der mehrfach und öffentlich gegen das NS-Regime Stellung bezieht.


Quelle:
Furtwängler - Eine Ehre für jedes Orchester


Daß Furtwängler andererseits aber auch nicht zimperlich war, wenn es um seine Machtansprüche ging, belegt die Rivalität mit Karajan. Karajan verehrte Furwängler, dieser jedoch fühlte sich von ihm verdrängt. Das ging so weit, daß er
Der EMI ein Utlimatum stellte, das man verkürzt so darstellen könnte: "Karajan oder ich"
Die EMI war eher auf seiten Furtwänglers, mit Ausnahme von Walter Legge, der Karajan "durchdrückte"

Aber eigentlich wollte ich an dieser Stelle eher etwas über "unverzichtbare" Aufnahmen von Furtwängler hören....


Gruß aus Wien
Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 11. Mrz 2004, 14:17 bearbeitet]
op111
Moderator
#4 erstellt: 11. Mrz 2004, 15:25
Hallo Mitdisputanten,

Alfred:
Immer wieder bin ich verwundert, mit welcher Hartnäckigkeit man sich am "politischen Verhalten" dieses und anderer Dirigenten festbeisst.


Das liegt häufig an der glorifizierenden Selbstdarstellung dieser Herren in der Nachkriegszeit und der gläubigen Anbetung dieser Dichtungen durch einige Fans, die sehr oft auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden müssen.

Furtwängler ist da allerdings der falsche Adressat, weil eher widerständig und bei der damaligen Führungsclique unbeliebt.
Der Weihrauch dagegen, der aus den autobiografischen Dichtungen mancher propagandistisch überhöhten Wunderdirigenten qualmt, verdient eher unseren korrigierenden Widerspruch.

Glücklicherweise hat sich der Qualm weitgehend verzogen und wir haben die Chance die musikalischen Ergebnisse losgelöst von damaligen Moden und dem damaligen Zeitungeist betrachten.


Aber eigentlich wollte ich an dieser Stelle eher etwas über "unverzichtbare" Aufnahmen von Furtwängler hören....


Da gibt es eine Menge, und ich mache mal den Anfang mit einigen Dokumenten, die nicht nur die HIP-Fans erschauern lassen werden, die aber die fesselnde Spannung des Phänomens W.F. vermitteln:

Beethoven: 9. Sinfonie 1942 live
Tilla Briem, Elisabeth Höngen, Peter Anders, Rudolf Watzke,
Berliner P.O., 22/24 März 1942 UPC# 0-17685-40492-4.

(dagegen ist die 51er EMI-Aufnahme geradezu preussisch korrekt und normal)

Anton Bruckner: 9. Sinfonie, Berliner Philharmoniker, 7.10.44, Berlin, Beethovensaal
Franz Schubert: 9. Sinfonie, Berliner Ph., 12/1951, DG
Robert Schumann: 4. Sinfonie, Berliner Ph., 14..5.1953 DG


Gruß
Franz

PS: Zur schillernden Person des einflußreichen EMI-Produzenten Walter Legge (oder wie immer dessen echter Name gewesen sein mag) hab ich schon eine Menge gehört. Der wäre auch mal eine Recherche wert.


[Beitrag von op111 am 11. Mrz 2004, 18:59 bearbeitet]
itzi
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 11. Mrz 2004, 15:45
Hallo!
Nicht zu vergessen:

1. Wagner, Der Ring des Nibelungen (Gesamtaufnahme), Mailand, 1950/51, Gebhardt
2. Wagner, Der Ring des Nibelungen (Gesamtaufnahme), Turin, 1953, EMI
3. Wagner, Tristan und Isolde, London, 1953, EMI
4. Wagner, Tristan und Isolde, Berlin, 1947 (1. Aufzug fehlt), Archipel
5. Wagner, Die Walküre, Wiener Philharmoniker, 1954, EMI
5. Bruckner, Symphonie Nr. 7, Berliner Philharmoniker, 1949,Berlin, Urania (bei EMI gestrichen!!)
6. Beethoven, Symphonie Nr. 3 (Eroica), Wiener Philharmoniker, Wien, 1944, Preiser

Gruß

Itzi
op111
Moderator
#6 erstellt: 11. Mrz 2004, 21:16
Kleiner aber wichtiger Nachtrag, da ich die CD gerade nach langer Zeit mit Entsetzen und Verwunderung höre:

Franz Schubert: Sinfonie Nr. 9 C-Dur D. 944
Berliner Philharmoniker, Wilhelm Furtwängler
Berlin 8.12.1942, DG


Das ist mehr noch als die 51er Studioaufnahme ein Höhepunkt der Interpretationsgeschichte. Furtwängler at his best. Dagegen ist manche andere auch Karajans 9. nur kalter Kaffee.
Vergleichbar allenfalls mit Horowitz/Toscanini 1943 bei Tschaikowskys 1-b moll .

Mit den Opernaufnahmen konnte ich mich nicht so recht anfreunden, am ehesten mit dem späten Tristan. Beim Ring hört man ja kaum was.

Franz
itzi
Ist häufiger hier
#7 erstellt: 12. Mrz 2004, 11:12
Hallo Franz-J.,

ich bin vollkommen einverstanden. Diese Aufnahme ist einfach mitreißend und von keinem anderen Dirigenten erreicht. Das gleiche gilt, meiner Meinung nach, auch für eine spätere Nachkriegsaufnahme mit den Berliner Philharmonikern (Studio, Jesus Christus Kirche, Berlin Dahlem) von 1951, die auch klanglich sehr gut restauriert ist. Was den Ring anbetrifft, so muss ich sagen dass der Mailänder Ring von Gebhardt vorbildlich restauriert ist. Das ist auch die letzte geschlossene Aufnahme mit Kirsten Flagstat als Brünnhilde. Das Spiel des Orchesters ist sehr akzeptabel. Das Orchester der RAI Turin (EMI)spielt recht schlampig, dagegen ist aber auch hier die Besetzung hochkarätig.

Gruss

Itzi
op111
Moderator
#8 erstellt: 15. Mrz 2004, 01:57
Hallo zusammen,

Furtwängler wird gern hauptsächlich wegen des auf Tonträgern konservierten Materials mit deutscher Klassik assoziiert.

Zeitzeugen hingegen erwähnen, er sei ein überragender Dirigent der Werke von Debussy u. Ravel und zeitgenössischer Werke gewesen, die aus politischen Gründen zeitweise nicht aufgeführt geschweige denn aufgenommen worden sind.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 15. Mrz 2004, 01:58 bearbeitet]
op111
Moderator
#9 erstellt: 17. Mrz 2004, 18:47
Hallo zusammen,

Ich habe gerade in Georg Soltis Autobiografie folgende Anekdote über Wilhelm Furtwängler und dessen unklare Schlagtechnik gefunden:

Jemand hat mal die Berliner Philharmoniker gefragt, woher sie denn wüßten wann sie anfangen müßten, da Furtwänglers Schlag doch so unklar sei.
Antwort: "Wir beobachten den Kontrabassisten -
er zählt bis fünf und dann fangen wir an."


Gruß
Franz
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 17. Mrz 2004, 22:30
einne eine andere Version, entnommen einer Anekdotensammlung veröffentlicht von Georg Marcus dessen
Buch an dieser Stelle jedermann empfohlen sei:

Furtwängler

Seine Taktschläge waren bei allen Orchestern gefürchtet. Wilhelm Furtwängler soll 15 Kreise gezogen haben, ehe er endlich den Einsatz gab. Niemand wußte genau, wie dieser Einsatz zustandekam, aber er war einfach da.

Als einmal ein Wiener und ein Berliner Philharmoniker an einem ihrer Musikstammtische zusammentrafen, fragte der Wiener:

"Sag, Kollege, wann setzt´s ihr beim Furtwängler ein ??"

"Wir haben das genau berechnet", sagte der Berliner. "Wir warten so lange, bis der Taktstock des Maestro mit dem Pultrand exakt einen rechten Winkel bildet - und dann zack!

Und wann setzt ihr ein ?"

Darauf der Wiener:" Wann´s uns z´blöd wird !"



(c) Georg Markus

(Ich hab das mal erzählt gehört.
Der Berliner wurde extrem zackig, preussisch dargestellt, der Wiener eher mürrisch, gelangweilt ( etwa wie das Münchner Original Sedlmayer)
mefisto
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 10. Jun 2004, 12:40
Ich habe aus diversen Meinungen zu diesem großem Dirigenten,der für mich die Nr.1 der Dirigenten seiner Zeit ist und aufgrund der Aufnahmen,die vorliegen herausgelesen,dass seine Aufnahmen von vielen Hörern zum Teil(glaube ich)MEHR NACH DER TECHNISCHEN,denn INTERPRETATORISCHEN Qualität beurteilt werden; mir als FURTWÄNGLER-Verehrer ist(z.B.Bruckners 5.von 1942 live lieber als Celibidache´s undifferenzierter Klangbrei).Welcher Furtwängler-Verehrer schreibt mir:ggpbathe@aol.com/Gruss Guido.
zoe
Ist häufiger hier
#12 erstellt: 10. Jun 2004, 15:02
Ha,
da haben wir die beiden Extreme der Schlagtechnik beisammen.
Bei Solti fühle ich mich immer wieder auf dem Kasernenhof: ist eine zackige Einsatzgebung in jedem Falle wünschenswert? Auch wenn vielleicht die Orchestermitglieder sich bei eindeutigen Schlägen wohlfühlen. Undeutliche Schlagtechnik mit höheren Absichten.
Beispiel ist die schon erwähnte 9. von Beethoven von 1943: der Anfang, wo aus einem Gebräu von Tönen, die vielleicht gar nicht so synchronisiert sein sollen die Musik hervorkommt. Ich ziehe das Unklare, unsynchronisierte Furtwänglers an dieser Stelle allen so eindeutig definierten Streicherklängen vor.

Für die Beethovenliebhaber: es existiert eine grosse relativ schnelle 5. mit den Berlinern von 1937, meine Lieblingsaufnahme.

Grüsse


Hallo zusammen,

Ich habe gerade in Georg Soltis Autobiografie folgende Anekdote über Wilhelm Furtwängler und dessen unklare Schlagtechnik gefunden:

Jemand hat mal die Berliner Philharmoniker gefragt, woher sie denn wüßten wann sie anfangen müßten, da Furtwänglers Schlag doch so unklar sei.
Antwort: "Wir beobachten den Kontrabassisten -
er zählt bis fünf und dann fangen wir an."


Gruß
Franz
Albus
Inventar
#13 erstellt: 10. Jun 2004, 15:50
Tag,

die 5. Beethoven beginnt mit einer großen Pause (Stille!). Furtwängler stellte - so könnte man sagen - das Hervorbrechen der Musik aus der Stille dar durch seine flatterhafte Aufwärtsbewegung von Armen und Händen. Oben angekommen, gab der Anriss der Abwärtsbewegung das Zeichen zum Werden der Musik. Der Einsatz kam präzis.

MfG
Albus

NS: Meine Erinnerung von einem Konzert aus 1953 in Hamburg. Seine 5. Beethoven halte ich in Ehren; andere rümpfen darüber die Nase: "Das Ding, Herr ... ." Ich hatte verstanden, dank Wilhelm Furtwängler.


[Beitrag von Albus am 11. Jun 2004, 08:07 bearbeitet]
op111
Moderator
#14 erstellt: 10. Jun 2004, 17:46
Hallo zusammen,

Albus danke für deine Anmerkungen.
zoe:
Bei Solti fühle ich mich immer wieder auf dem Kasernenhof:

Ich absolut nicht, die Präzision dient bei Solti der Orientierung der Musiker, mithin dem klaren durchsichtigen Orchesterspiel, vielleicht ist das aber auch ein höheres Ziel.
Albus:
... Der Einsatz kam präzis.

Direkt aus der Präzision der Schlagtechnik auf ein präzises klingendes Ergebnis zu schließen, halte ich wie Albus für gewagt und kaum gerechtfertigt.
Dem Berliner Phil. Orchester sollte man wohl auch zutrauen, daß es seinen Chefdirigenten trotz unpräziser Technik versteht, ja sogar notfalls so ein bekanntes Stück auch gegen oder ohne Dirigenten präzise spielt.

Die 1937er Aufnahme der 5. Beethoven ist in der Tat gemessen an seinen älteren schnell:
7.34, 10.10, 5.05 8.23 (III/IV ohne Wdh.)
Toscanini NBC S.O. 1939:
7.21, 9.47, 5.09, 9.04 (III/IV ohne Wdh.).
Die Klangqualität ist zwar bemerkenswert gut (bei Toscanini sogar deutlich besser), aber doch für heutige Hörer kaum zumutbar, man muß schon viel Phantasie aufbringen, um sich einen Orchesterklang vorzustellen.
Trotz der gleichen Spielzeiten wirkt Toscanini viel schneller, akzentuierter und dramatischer, Furtwängler dagegen dort recht routiniert beinahe glatt (blind geraten klingt es wie eine sehr glatte (nicht gelungene) B. Walter Aufnahme), an die 5. aus den 40er Jahren erinnert die nicht.

Dennoch oder gerade: Beide sollten m.E. in einer Sammlung historischer Aufnahmen nicht fehlen.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 10. Jun 2004, 18:06 bearbeitet]
zoe
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 11. Jun 2004, 08:17
HojoHojoo,
Da scheinen wir ja verschiedene CD-Quellen zu haben:
meine Aussagen beziehen sich auf die Tahra Veröffentlichung
des Furtwängler Konzertes und auf eine cedarisierte italienische CD von Toscanini mit dem NBC Orchester:
da kann ich die Bemerkung zur Klangqualität nicht nachvollziehen. Im direkten Vergleich hat Furt mehr Bässe und die Streicher wirken weniger metallisch, ausserdem hat mein Toscanini kaum Nachhall (was vielleicht Toscanini "viel schneller wirken lässt), dagegen besitzt die Furt Aufnahme den Nachhall wahrscheinlich der Berliner Philharmonie. Und die Trompeten schmettern bei Toscanini...
Natürlich der Klang historischer Aufnahmen, aber wenn man sich darauf einlässt, dann erzeugt das Ganze bei Furt eine Wucht mit den entsprechende Emotionen, wie ich sie nur bei wenigen anderen Aufnahmen spüre. Die 1943 Furt Aufnahme kommt mir dann zu langsam vor.
Interessant wäre ein Vergleich der Tempi mit Norrington/Stuttgart, die mir unter den moderneren Aufnahmen am meisten zusagt.



Die 1937er Aufnahme der 5. Beethoven ist in der Tat gemessen an seinen älteren schnell:
7.34, 10.10, 5.05 8.23 (III/IV ohne Wdh.)
Toscanini NBC S.O. 1939:
7.21, 9.47, 5.09, 9.04 (III/IV ohne Wdh.).
Die Klangqualität ist zwar bemerkenswert gut (bei Toscanini sogar deutlich besser), aber doch für heutige Hörer kaum zumutbar, man muß schon viel Phantasie aufbringen, um sich einen Orchesterklang vorzustellen.
Trotz der gleichen Spielzeiten wirkt Toscanini viel schneller, akzentuierter und dramatischer, Furtwängler dagegen dort recht routiniert beinahe glatt (blind geraten klingt es wie eine sehr glatte (nicht gelungene) B. Walter Aufnahme), an die 5. aus den 40er Jahren erinnert die nicht.

Dennoch oder gerade: Beide sollten m.E. in einer Sammlung historischer Aufnahmen nicht fehlen.

Gruß
Franz
Albus
Inventar
#16 erstellt: 11. Jun 2004, 08:24
Morgen,

die Einsätze unter der Zeichengebung Furtwänglers kommen - was naheliegt - präzis, weil auf einer Versammlung von Puls und Atmen wesentlich beruhend. Die Zeitspanne, die etwa die flatterhafte Aufwärtsbewegung der Arme und offenen Hände ausmacht, dient der Vereinigung von Atem und Puls aller Beteiligter. In den Aufzeichnungen: Wilhelm Furtwängler, Gespräche über Musik, Atlantis Verlag A.G., Zürich, 1949, 3. Aufl. 1950 (Gesprächspartner Walter Abendroth), gibt der Dirigent über die Grundlagen seiner Auffassung Auskunft (Trieb, Drama, Form - was ich nannte vegetativ-animalisch, Psyche-Leidenschaften, seelisch-geistig). Das Zwanghafte an Beethovens Komponieren spricht er als erkannt aus, was das Dramatische angeht verweist er auf Aristoteles (wunderbar begriffen). Es, das Vieldimensionale, gehört von daher mit zur Darstellung von absoluter Musik als Kunst. Das Publikum begreift es entweder nicht oder erst nach sehr langer Zeit (geschichtlicher Dauer), wird auch feststellend ausgesagt.

MfG
Albus

NS: Das Konzert in Hamburg war am 15.01.1953; ich habe noch Zeitungsausschnitte von Vorankündigung und Kritiken. Bei dieser Gelegenheit dirigierte Furtwängler auch seine 2. Sinfonie.
A.


[Beitrag von Albus am 11. Jun 2004, 08:33 bearbeitet]
op111
Moderator
#17 erstellt: 11. Jun 2004, 11:51
zoe:
Da scheinen wir ja verschiedene CD-Quellen zu haben:
meine Aussagen beziehen sich auf die Tahra Veröffentlichung
des Furtwängler Konzertes und auf eine cedarisierte italienische CD von Toscanini mit dem NBC Orchester:

Mein Furtw. kommt von einer EMI-LP, der Toscanini ist v. RCA aus der älteren Gesamtaufn.
Bearbeitete (zum Teil auch dubiose) und unterschiedlich klingende CD-Transfers gibt es ja in Mengen. M&A/Tahra ist wohl eines der besseren Labels.


den Nachhall wahrscheinlich der Berliner Philharmonie.

Wobei 1937 im kleineren Beethovensaal aufgenommen wurde, 39 dann im großen Saal.
1937 hatte Furtwängler seinen Stilwandel zum Langsamen wohl noch nicht ganz vollzogen - R. Strauss (1. Satz 6min) , B. Walter etc. gingen in den 30er Jahren ebenfalls noch bemerkenswert zügig zur Sache.

Gruß, Franz
zoe
Ist häufiger hier
#18 erstellt: 12. Jun 2004, 15:09

. M&A/Tahra ist wohl eines der besseren Labels.
Gruß, Franz


Tahra ist das (französische) Label von Miriam Scherchen, der Tochter von Hermann, des grossen Dirigenten und Cholerikers.
M&A music and arts (http://musicandarts.com) ist ein amerikanisches Label, Fred Maroth macht CDs historischer Aufnahmen mit hoher Qualität und vertreibt die von Tahra.

Gruss aus Strasbourg
zoe
op111
Moderator
#19 erstellt: 14. Feb 2019, 13:57
Die Die zwischen 1939 und 1945 entstandenen Rundfunkmitschnitte mit den Berliner Philharmonikern und Wilhelm Furtwängler, darunter auch die auf Tonband aufgenommenen, jetzt auf dem eigenen Label der Berliner:

Wilhelm Furtwängler - The Radio Recordings 1939-1945

mit Edwin Fischer, Peter Anders, Walter Gieseking, Tilla Briem, Elisabeth Höngen, Rudolf Watzke, Erna Berger, Walther Ludwig, Fritz Heitmann, Georg Kulenkampff, Conrad Hansen, Pierre Fournier, Adrian Aeschbacher, Berliner Philharmoniker,
Wilhelm Furtwängler
Label: BPHR, ADD/m, 1939-1945
22 Super Audio CDs Tonformat: mono (Hybrid)
jpc.de


jpc schrieb:
Deluxe-Ausgabe mit einem 180-seitigen Buch.
Alle Aufnahmen wurden neu digitalisiert und in 24-Bit-Auflösung remastert.
Die zwischen 1939 und 1945 entstandenen Rundfunkmitschnitte mit den Berliner Philharmonikern und Wilhelm Furtwängler gehören zu den eindringlichsten Aufzeichnungen klassischer Musik überhaupt. Entstanden auf dem Höhepunkt der Zusammenarbeit von Orchester und Dirigent, vermittelt sich Furtwänglers Künstlerpersönlichkeit hier so profiliert wie nirgendwo sonst. Zu erleben ist ein Musizieren, in dem Inspiration und Ausdruckswille keine Grenzen kennen und in dem nicht zuletzt die existenzielle Erfahrung des Zweiten Weltkriegs nachhallt. Die Berliner Philharmoniker veröffentlichen nun zum ersten Mal eine Gesamtausgabe aller heute noch erhaltenen Aufnahmen auf 22 CD/SACD....


Meine Furtwängler Highlights sind selbstverständlich enthalten:

Konzert Nr. 5 (1.-3. März 1942, Alte Philharmonie Berlin) - Schumann: Klavierkonzert op. 54; Beethoven: Symphonie Nr. 7

Konzert Nr. 9 (6.-8. Dezember 1942, Alte Philharmonie Berlin) - Heinz Schubert: Hymnisches Konzert für Orgel & Orchester mit Sopran- und Tenorsolo; Schubert: Symphonie Nr. 8 C-Dur "Die Große"

Konzert Nr. 12 (28.-30. Juni 1943, Alte Philharmonie Berlin) - Beethoven: Symphonie Nr. 4 (in zwei Aufnahmen: mit und ohne Publikum); Coriolan-Ouvertüre op. 62; Symphonie Nr. 5

Konzert Nr. 19 (3.-7. Oktober 1944, Alte Philharmonie Berlin, Beethovensaal) - Bruckner: Symphonie Nr. 9


Suche:
Das könnte Dich auch interessieren:
Toscanini, Furtwängler - dirigieren die Alten besser?
Mariusz35 am 29.06.2004  –  Letzte Antwort am 30.06.2004  –  5 Beiträge
Furtwängler: 50.Todestag
mefisto am 04.12.2004  –  Letzte Antwort am 04.12.2004  –  2 Beiträge
Mustonen , Olli: Gould--Verschnitt oder Musik-Ikone?
Alfred_Schmidt am 02.04.2004  –  Letzte Antwort am 01.07.2004  –  6 Beiträge
Furtwängler: Maestro Classico Vol 1. und 2
ruhri am 23.03.2005  –  Letzte Antwort am 31.01.2011  –  16 Beiträge
Orchester: Die Berliner Philharmoniker und ihr Chef - Eine Simulation
Alfred_Schmidt am 28.04.2004  –  Letzte Antwort am 30.06.2015  –  29 Beiträge
Furtwänglers Erben?
Martin2 am 11.05.2005  –  Letzte Antwort am 14.05.2005  –  8 Beiträge
Welche Dirigenten arbeiten mit variablen Tempi?
Martin2 am 17.10.2008  –  Letzte Antwort am 20.10.2010  –  21 Beiträge
Dirigentinnen - eine Rarität -
op111 am 24.02.2010  –  Letzte Antwort am 15.03.2010  –  6 Beiträge
Ricar, Pavel: CDs gesucht
solo2 am 11.09.2004  –  Letzte Antwort am 07.02.2005  –  4 Beiträge
van Beinum, Eduard
Mariusz35 am 06.07.2004  –  Letzte Antwort am 06.07.2004  –  3 Beiträge

Anzeige

Aktuelle Aktion

Partner Widget schließen

  • beyerdynamic Logo
  • DALI Logo
  • SAMSUNG Logo
  • TCL Logo

Forumsstatistik Widget schließen

  • Registrierte Mitglieder925.765 ( Heute: 3 )
  • Neuestes Mitgliedfranzjosef123
  • Gesamtzahl an Themen1.551.163
  • Gesamtzahl an Beiträgen21.539.688

Hersteller in diesem Thread Widget schließen