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Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen - Wie beeinflußt das Singen das Instrumentalspiel+A -A |
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Autor |
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flutedevoix
Stammgast |
#1 erstellt: 31. Jan 2011, 15:09 | ||||||||
Im größten Teil aller Instrumentalschulen des 16. - 19. Jahrhunderts wird immer wieder darauf hingewiesen, wie essentiell das Singen für alle Insturmentalisten ist. Vielleicht am eindeutgisten und verbal am geschliffensten hat dies Georg Philip Telemann 1718 in einem Brief an Johann Mattheson geäußert: "Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen. Wer die Composition ergreifft / muß in seinen Sätzen singen. Wer auf Instrumenten spielt / muß des Singens kündig seyn. Also präge man das Singen jungen Leuten fleißig ein." So soll also in diesem Thread unter anderem der Einfluß des Singens auf Interpretation erörtert werden, auch der Frage nachgespürt werden, ob man die Provenienz eines Dirigenten aus dem vokalen Bereich oder instrumentalen Bereich seinen Aufführungen und Einspielungen anhört. Vielleicht noch eine Anmerkung: Der Titel hört sich sehr speziell auch das oben skizzierte könnte schnell den Eindruck aufkommen lassen, es gehe hier um eine Expertenrunde. Das soll in keinem Fall so sein. Schreibt bitte Eure Eindrücke, es gibt in der persönlichen Wahrnehmung kein richtig oder falsch! |
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Hüb'
Moderator |
#2 erstellt: 31. Jan 2011, 15:36 | ||||||||
Hallo,
Hieraus "abgetrennt". Grüße Hüb' -Moderation- [Beitrag von Hüb' am 31. Jan 2011, 15:39 bearbeitet] |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#3 erstellt: 31. Jan 2011, 17:30 | ||||||||
ja, und nun hab ich lange mit einer ganz lieben Freundin telefoniert- und deren Freund ist ganz begeistert von Simone Kermes. Eine Begeisterung, die ich nicht teile, denn sie singt ja oft nicht. Elisabeth Schwarzkopf hat sie aus einem Seminar geworfen, weil sie eben nicht mit dem Arsch wackeln solle, sondern singen. Das ist eben das Atmen, den Körper der Musik dienstzumachen. Man kann es nicht schöner formulieren als Telemann, danke Johannes, daß Du das Zitat hier vollständig angebracht hast. All die Schönheit der Musik kommt da aus dem Körper, aus dem Gefühl, daß die Stimme Ausdruck des Körpers sei, in aller Sinnlichkeit, auch Erotik, die man nur immer perfektionieren muß und kann, um auch einen alterndenden Körper schön sein sein zu lassen. Ist das off topic? Nein! Warum wohl mußte Gould immer mitsingen? Warum Barbirolli. Und auch "mein" Szell, wenn ihm wirklich etwas wichtig war. Aber, tut mir leydt, ich habe mal wieder meine Brille verlegt, und wie Telemanns Augen sind meine nur "von pappicht Quark". Jeder, der hier zweifelt, singe mal mit bei verschiedendsten Platten: da, wo es gelingt, stellt sich sehr schnell eine Verbindung her. Wo es nicht gelingt, stimmt auch 'was nicht. Herzliche Grüße, Mike |
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flutedevoix
Stammgast |
#4 erstellt: 31. Jan 2011, 17:55 | ||||||||
Die Frage ist ja, warum das Singen so wichtig ist. Nun, die menschlichste Stimme ist das direkteste Instrument. Sie hat die unmittelbarste Verbindung zum Atem. Gleichzeitig ist sie aber auch das sensibelste Instrument, weil eben nichts kaschierendes dazwischen ist. Sooft wir Holzbläser über unsere Rohre schimpfen, wenn sie nicht so wollen wie wir, so von Vorteil sind sie doch auch manchmal. Wenn ein Sänger erkältet ist, dann geht nichts mehr. Als Bläser dagegen kann man sich doch noch durch das Instrument retten. Grundsätzlich ist es so, daß man auf dem Blasinstrument eine Stelle sehr gut spielen, sprich intonieren und phrasieren kann, wenn man sie auch singen kann. Sprich, dann stimmt die Atemführung und das Timing. In Musik des 18. Jarhunderts und früher hilft uns die Stimme auch sehr unter rhetorischen Gesichtspunkten. Wenn wir eine Phrase zu Übezwecken textieren, dann gliedern wir sie, wir führen sozusagen Punkt und Komma ein. Auch hier ist das Singen sehr heilsam! |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#5 erstellt: 31. Jan 2011, 20:14 | ||||||||
.. ja, es geht eben nicht um ein "Durchrasen", sondern wirklich ganz simpel um Zäsuren, die sein müssen. Bei allem "schneller, höher, weiter" kommt das schlichte Atmen oft zu kurz. es geht um eine organische Entwicklung, die eigentlich immer in den Kompositionen angelegt ist. Rhetorisch bei Bach, bis hin in die Romantik, gezwungenermaßen auch noch bei Wagner, weil die Stimme kein Instrument im technischen Sinne ist. Und, etwas pathetisch, die Stimme ist dem Herzen näher gelegen als jedes andere Instrument. Herzliche Grüße, Mike |
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Martin2
Inventar |
#6 erstellt: 01. Feb 2011, 11:16 | ||||||||
Mir fällt zu diesem Thema ein, daß die menschliche Stimme sicher gewissermaßen etwas "Magisches" ist. Instrumente sind Folgen einer Wahl, sie sind vom Menschen "erfunden" worden, in ihnen mag auch eine Magie liegen, die aber von der Magie der menschlichen Stimme vollkommen zu unterscheiden ist. Religiös gesprochen kann man dann sagen: Dem Menschen ist von Gott die Stimme gegeben worden. Denn die Stimme hat sich der Mensch ja nicht selbst gewählt und nicht selbst geschaffen, sie ist einfach "da". So religiös möchte ich gar nicht reden, aber daß in dieser Tatsache selbst "Magie" liegt oder eventuell Spiritualität - das kann man doch nicht leugnen. Was wäre aus der Musik geworden, wenn der Mensch nur irgendwie hätte grunzen können? Zum eigentlichen Thema des Threads kann ich allerdings nichts beitragen. Allerdings ist das Singen die Basis jeglicher Musikalität. Trotzdem weiß ich nicht, ob man nicht auch ein ziemlich schlechter Sänger sein kann - und trotzdem ganz gut Klavier spielen. Mich zu diesem Thema zu äußern, wäre von meiner Seite aus reinste Spekulation. Gruß Martin |
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Pilotcutter
Administrator |
#7 erstellt: 01. Feb 2011, 13:36 | ||||||||
Das kann wohl nur der Instrumentalist oder Dirigent selber beantworten, oder?! Ich weiß ja nicht in wie weit Julia Fischer's Instrumentalspiel beeinflusst ist vom Singen, oder Nicolaus Harnoncourt's Dirigat. "Heraushören" wird man das ohne weiteres nicht. Ich denke nicht, dass ein Dirigent ein orchestrales Werk merklich "cantabile" dirigiert, weil seine Herkunft oder seine Wurzel im Vokalwerk liegt. Die Antwort kann wohl nur ein Interview liefern... Wie müsste man sich denn - einmal rückfragend - einen Unterschied in der Interpretation des Dirigenten gemäß seiner Vokal- oder Orchester only Herkunft vorstellen? Grundsätzlich haben einige Dirigenten nach Jahren ihr persönliches "Ressort", was ihnen nahe und am Herzen liegt - DAS vielleicht aus Gründen ihrer Herkunft. Helmuth Rilling wäre imho nicht der Richtige Dirigent für eine rasante Le Sacre du Printemps Aufführung... Darüberhinaus würde ich auch schon sagen - gemäß dem Telemannschem Zitat - "Im Anfang war der Gesang" und "aller Anfang ist der Gesang". Ich kenne schon einige gute Violin- und KlavierspielerInnen im Familien- und Freundeskreis, deren (mutmaßliche) Grundlage im Gesang in der Kindheit innerhalb der Familie liegt. Aber im Grunde wird durch den frühen kindlich/jugendlichen Gesang nur die Tür zu der (angeborenen) schon anwesenden musikalischen Begabung aufgestossen... Gruß. Olaf [Beitrag von Pilotcutter am 01. Feb 2011, 13:42 bearbeitet] |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#8 erstellt: 01. Feb 2011, 16:20 | ||||||||
Hallo. nach meiner Meinung kann man bei vielen Dirigenten tatsächlich doch heraushören, von welchem Instrument sie herkommen. Oder ob von der Stimme. Ausnahmen bestätigen die Regel, wei Gardiner käme ich nicht darauf, wenn ich seine Instrumentaleinspielungen höre, daß er eigentlich als Chorleiter arbeitet. Aber bei Brüggen hört man doch deutlich das Atmen in seiner Orchesterarbeit. Und ob sie nun eine gute Sängerin war, weiß ich nicht, aber Maria Yudina hat Gesang studiert um besser Klavierspielen zu können. Besonders dieser wundervollen Aufnahme der Goldberg- Variationen hört man das auch an. Ich denke wirklich, daß oft hörbar ist. Herzliche Grüße, Mike |
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Joachim49
Inventar |
#9 erstellt: 01. Feb 2011, 18:53 | ||||||||
Ich entsinne mich an eine Szene aus dem Film "From Mao to Mozart" in der eine kleine Chinesin eine Melodie auf der Geige wenig überzeugend phrasierte. Isaac Stern nahm ihr die Geige weg, frug sie, die Melodie zu singen und dann so zu spielen, wie sie sie gesungen hatte. Das hat verblüffend gut funktioniert. J |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#10 erstellt: 02. Feb 2011, 09:14 | ||||||||
..und ich erinnere mich immer wieder gern an eine Unterrichtsstunde von Leon Fleisher. Auch da spielte eine junge Asiatin, Ravel "La Valse". Hochvirtuos, aber "leer". Fleiher hat sie gefragt, ob sie jemals einen Walzer getanzt hätte, was sie verneint hat. Er nahm sie beiseite, tanzte mit ihr- und ihr "La Valse" hatte dann den Charme, der ihm auch zusteht. Gewiß, kein Singen, aber hat auch mit diesem Körpergefühl zu tun, darum schreibe ich hier davon und meine es nicht off topic. Aber Leon Fleisher für mich sowieso Herzliche Grüße, Mike |
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flutedevoix
Stammgast |
#11 erstellt: 02. Feb 2011, 09:35 | ||||||||
@Martin2
Man kann! Viele Instrumentalisten, die ich kenne sind keine guten Sänger. Meines Erachtens kommt es auch nicht auf die künstlerische, stimmliche oder intonatorische Qualität einer Stimme an. Wichtig ist lediglich, daß man von der Stimme aus denkt. Manche Phrasierungen, die rein instrumental her gedacht zweifelhaft sind, wo man einfach zunächst mehrere überzeugende Möglichkeiten hat, werden sofort klar, wenn man die Stelle singt. Aus meinem Fachgebiet erinnere ich mich spontan an eine Aufnahme der Suite a-moll für Blockflöte, Streicher und B.c. von Maurice Steeger und der Akademie für Alte Musik. In dieser Suite gibt es ein sehr cantables Air Italien. In dessen Thema gibt es durchaus auch größere Intervallsprünge, die man zunächst mit gutem Grund nach barocker Auffassung auch kurz und getrennt artikuliert spielen könnte. Dies tut nun Marutice Steeger mit einem fatalen Ergebnis. Der Fluß der Solostimme ist dahin, die Töne stehen beziehungslos nebeneinander, eine organische Phrase kann sich nicht mehr entwickeln. Ich nehme doch stark an, daß die Künstler sich die Aufnahme vor der Veröffentlichung angehört haben. Daher wundert es mich sehr, daß die Stelle so blieb. Aber vielleicht war wieder einmal der Drang, alles anders machen zu müssen stärker, als die notierte Musik überzeugend zum Klingen zu bringen. @Pilotcutter
Ich bin nicht überzeugt davon, ob man einem Künstler grundsätzlich anhört, ob er aus der vokalen Provenienz oder von der rein instrumentalen Seite her kommt. Vielen Interpretationen aber durchaus. Meine Erfahrung als Musiker ist, daß viele pianistisch geprägte Dirigenten/ musikalische Leiter (manchmal auch Streicher), beim Dirigieren das gemeinsame Atmen mit den Musikern vernachlässigen. Sie sind ja auf ihren Instrumenten nicht zwangsläufig dazu gezwungen, Ihren Atmen zum Phrasieren einzusetzen. Aber diese Vergessen des gemeinsamen Atmens hat fast zwangsläufig eine im wahrsten Sinne des Wortes atemlose Interpretation zu Folge. Meist geht das auch noch zu Lasten der Präzision im Zusammenspiel. Das zunächst als einfache Antowrt, im Laufe der nächsten Tage werde ich hoffentlich Zeit haben, noch mehr zu schreiben. |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#12 erstellt: 02. Feb 2011, 10:55 | ||||||||
Hallo Johannes, trotz allen Lobes seitens der Kritik: diese Telemann- Platte mit Steeger und der AkaMus ist wirklich ein Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. Das aber ein Problem, das ich häufig habe mit der Akademie, sämtliche ihrer Telemann- CDs sind so für mich, gerade die! Nichtmal bei CPE oder W.F. Bach geht das Konzept wirklich auf. Denn gerade trotz der Brüche, die CPE so oft und gern kompniert, ganz sicher ist nicht nur eine gewisse Nähe zu Telemann sicher vorhanden bei ihm, rein biographisch ja schon. Und wenn man seine Klavierschule liest, dann legt er immer großen Wert auf cantables Spiel. Zum Rest dann später, Herzliche Grüße, Mike |
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Kings.Singer
Inventar |
#13 erstellt: 05. Feb 2011, 09:15 | ||||||||
Hi. Hier werden ja viele interessante Fragen aufgeworfen... Man muss sicherlich kein guter Sänger sein, um sein Instrument "schön" zu spielen. Es bedarf meiner Meinung nach lediglich einer gewissen Musikalität um eine vorgespielte Melodie nachzusingen - "wie" es dann klingt, wie man atmet und phrasiert, das ist Sache inwieweit die Stimme dann ausgebildet ist. Sicherlich kann man, wie weiter oben beschrieben, mit einer Gesangsausbildung sein Instrumentalspiel positiv beeinflussen, aber das Fundament als solches mit dem der größte Schritt in Richtung "schönem" Spiels schon vollzogen ist, ist die Fähigkeit Melodien zu identifizieren und wie auch immer nachsingen oder nachsummen zu können - das ist für mich Musikalität. Die Frage ob man einem Dirigenten seinen Ursprung auch anhört, ist da weit weniger leicht zu beantworten. Ich möchte versuchen mich dem Thema zunächst nicht akkustisch, sondern optisch zu nähern. Denn da gestaltet es sich meiner Meinung nach wesentlich einfacher: Ohne die Biographien der Personen wirklich ins Detail zu kennen, so habe ich zuletzt Aufführungen von Zimmermanns "Requiem eines jungen Dichters" unter Peter Eötvös, Mendelssohns "Elias" unter Seiji Ozawa und Verdis "Requiem" unter Mariss Jansons aus der Berliner Philharmonie gehört. Und allen dreien würde ich attestieren, dass sie NICHT vom Chorleiter her kommen. Warum? (Gerade bei Ozawa und Eötvös) Geminsames Atmen ist selten, Text wird niemals mit dem Chor gesprochen, der beabsichtigte Ausdruck wird durch Mimik und Gestik kaum transportiert. Chorleiter, die Oratorien dirgieren machen solche Sachen meiner Meinung nach. Gut, bei den genannten Aufführungen sprechen wir von Profichören (Berliner Rundfunkchor, Chor des BR usw.) und den Sängern ist es zuzutrauen, dass sie so ein Werk auch ohne entsprechendes Dirigat zu gestalten wissen - aber das I-Tüpfelchen kann dem Werk durch solch einen Gestaltungswillen der Dirigenten selbst auf diesem hohen Niveau noch aufgesetzt werden. Was hat das nun für Auswirkungen auf den Klang? Ich bin mir nicht sicher ob man das überhaupt so pauschal beantworten kann... Viele Grüße, Alexander. |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#14 erstellt: 05. Feb 2011, 15:19 | ||||||||
Hallo Alexander, danke, daß Du dieses auf den ersten Blick spezielle Thema annimmst und interessant findest. Ich glaube schon, fern aller Pauschalität, daß man ein dem Gesang verpflichtetes Dirigat dann doch unterscheidet von einem, daß "instrumental" geführt ist. Mit Hören allein läßt sich das schlecht ausdrücken, man nimmt es mehr wahr, irgendwo so im Hinterstübchen. Oft genug hat ja bei großen Chorwerken die Einstudierung des Chores ein anderer übernommen, solche Persönlichkeiten wie Robert Shaw, die dann letztlich aber hinter dem "eigentlichen" Dirigenten zurücktreten. Oder wie Rademann, der mit dem Rias- Kammerchor 2008 einen wunderbaren "Elias" gemacht hat, 2009 "nur" den Chor einstudiert hat, das Dirigat aber Andrew Manze überlassen hat. Ich kenne beide Aufführungen, Du darfst dreimal raten, welche überzeugender ist. Ich denke auch an ein Seminar mit der Schwarzkopf, das ich noch erleben durfte. Da hat sie so erzählt... daß sie unter wirklich vielen Dirigenten gesungen habe, aber nur unter einem, der wußte, wie die menschliche Stimme funktioniert, und das war Szell. Was eine Ausnahme ist! Denn der kommt vomm Klavier. Aber in seinen Lehrjahren war er stets in den Proberäumen zu finden und hat sich jedes Instrument, auch die Stimme, ganz genau erklären lassen. Vielleicht hat James Levine das bei ihm gelernt? Für mich kein großer Dirigent, aber ein sehr guter Begleiter, was erstes schon fast wieder wettmacht. Herzliche Grüße, Mike |
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Kings.Singer
Inventar |
#15 erstellt: 05. Feb 2011, 15:41 | ||||||||
Hallo Mike, da ich mit der Kirchenmusik und dem Chorsingen groß geworden bin (und daher sehr aktiv und vergleichsweise erfolgreich in vielen Chören singe), liegt mein Interesse an der Thematik recht nahe. Bei dem was du geschrieben hast, greifst du gleich mehrere Gedanken dazu auf, wie ich sie mir auch schon gemacht habe. Zum Einen wäre da das Thema der Einstudierung. Bei den Profis ist es ja Gang und Gebe, dass jemand anderes einstudiert (z.B. Dijkstra beim BR, Arman beim MDR) und bei der Generalprobe dann der internationale Star ans Pult tritt. Je besser also die Qualtiät der Einstudierung, desto weniger fällt eine Chorerfahrenheit oder -unerfahrenheit beim Konzert wahrscheinlich ins Gewicht. Zweitens die Frage ob es wirklich "Chor" sein muss. Levine, den du als positives Beispiel anführst hat sich ja nun nicht wirklich als Chordirigent profiliert. Ebenso mein Lieblingsdirigent Wolfgang Sawallisch (auch wenn sein Mendelssohn heute etwas altbacken erscheint): Bei ihm überzeugen mich gerade die oratorischen Werke. Sein Elias und Mendelssohns Zweite sind gern gesehe Gäste in meinem Player - ebenso seine Gesamteinspielung der geistlichen Werke Schuberts. Auch Sawallisch ist kein eigentlicher Chordirigent... Was haben er und Levine also gemein? Ihr Engagement im Bereich Oper. Auch hier nimmt die Arbeit mit Sängern und die Arbeit mit der Stimme einen beträchtlichen Raum ein. Fühlt man hörend also vielleicht sogar Abstufungen zwischen dem Chorleiter, dem Opernspezialisten und dem passionierten Orchester-Dirigenten? Und haben diejenigen, die sich der Oper verschrieben haben vielleicht nicht auch Vorteile gegenüber den reinen Chorleitern? Wobei natürlich nicht zu verachten ist, dass auch an Opernhäusern die Einstudierung delegiert wird. Generell merke ich als Sänger, dass die Chorleiter, die während einer Aufführung wirklich mit dem Chor "arbeiten", mehr aus mir herausholen, als Leute die nicht wirklich vom Chor-Fach her kommen. Warum sollte es Instrumentalisten da anders gehen? Viele Grüße, Alexander. [Beitrag von Kings.Singer am 05. Feb 2011, 15:43 bearbeitet] |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#16 erstellt: 05. Feb 2011, 15:57 | ||||||||
Hallo Alexander, ganz sicher muß es nicht "Chor" sein. Ganz sicher gehen unsere Geschmäcker auseinander was Sawallisch angeht, aber ich weiß sehr wohl, was Du meinst. Ich könnte mich seinem bösen Spitznamen, den er weghat, nähmlich: "Sakrawallisch", anschließen, aber darum gehts ja hier nicht. Ein paar Jahre lang hab ich selbst in einem Chor gesungen, ich weiß also, was Du meinst. Und Deinen Satz zum Schluß, den würde ich nicht mit einem Fragezeichen beenden. Und da gibts dann noch Leute wie Carlos Kleiber, der zwar von der Pauke kommt, was man immer wieder hört an seiner Art der rhythmischen Präzision, der aber auch Bögen ziehen kann, die sehr gesanglich sind, und das kommt von seiner Erfahrung als Operndirigent. Witzigerweise sind wir hier eigentlich ausgegangen von der Barockmusik. Und gerade dort ist das ein Punkt, der noch viel mehr unterschätzt wird als bei Mendelssohn, um mal Dein Beispiel weiter zu nutzen. Ich werfe hier mal in den Raum, daß meiner Meinung nach Händel immer Gesang "dachte" beim Komponieren, auch in den Concerti Grossi. Aber ich möchte Dich damit nicht ablenken von Deinen Gedanken. Herzliche Grüße, Mike |
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flutedevoix
Stammgast |
#17 erstellt: 05. Feb 2011, 19:43 | ||||||||
Ich möchte das zunächst einmal dahingehend unterschreiben, daß Dirigenten mit mehr oder weniger großer Opernerfahrung hervoragende Begleiter sind. Danz einfach weil sie lernen mußten, auf die Solisten, also de Sänger zu reagieren, zuzuhören, bei ihnen zu sein. Daher habe ich bei großen Operndirigenten auch generell den Eindruck, daß ihre Interpretation cantabile gedacht sind, also immer vom sängerischen Atem kommen.
Das ist eben auch meine Beobachtung aus meiner beruflichen Praxis. Un natürlich bekommen das Profis irgendwie hin, das ist aber nicht das, was man erwarten darf. Gerade im Bereich der Alten Musik wird man immer vom vokalen und vom rhetorischen Her denken müssen, ganz einfach weil die Werke vor diesem Hintergrund komponiert wurden. Daher geht es uns Instrumentalisten in keinster Weise anders als den Chorsängern. Und natrülich wird ein "vokales" Arbeiten auch in jedem Falle entsprechende Orchesterwerke dieser Zeit sehr positiv beeinflussen. Noch eine andere Beobachtung habe ich in meiner beruflichen Praxis gemacht. Vielen Kollegen asiatischer Herkunft fällt es schwer, frühbarocke und z.T. auch hochbarocke Kompositionen (mikro)strukturell zu erfassen. Im Gespräch kam immer wieder zur Sprache, daß ihnen das Erlernen einer "westlichen Sprache, also Englisch, Französisch, Italeinsich oder Deutsch Ihnen da entscheidend weitergeholfen hat. Ich war zunächst doch sprachlos. Natrülcih weiß man um die engen Verflechtungen zwischen Rhetorik und Musikalischer Formensprache, Themenentwicklung und musikal. Figurenlehre. Ich hätte nur nicht vermutet, daß man das so nachvollziehen kann. Logischerweise fallen diese Schranken bei klassischen Werken mit ihrem regulären Periodenbau weitgehend weg. Im Frühbarock mit seiner stark improvisatorisch beeinflußter Musiksprache eben nicht. |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#18 erstellt: 07. Feb 2011, 01:35 | ||||||||
Hallo Johannes, was Du hier schreibst von asiatischen Kollegen, glaube ich gern. Ein Beispiel, das sogar noch weiter geht, lieferte Harry Christophers, The Sixteen, der in einem Interview sagte, daß er Zugang zu Bach erst gefunden hat, nachdem er die deutsche Sprache erlernt hatte. Man könnte ja glatt auf den Gedanken kommen, daß immer weniger Leute Klassische Musik hören, weil das Deutsch immer globalisierter wird... Herzliche Grüße, Mike |
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