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Gute Aufnahmen in "deutscher" Orchesteraufstellung?

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Autor
Beitrag
Laubandel
Ist häufiger hier
#51 erstellt: 20. Nov 2006, 12:48
Hallo Aladdin,

wenn Du keine ganz ganz alte Eulenburg Partitur hast, dann ist das ja eine getreue Wiedergabe der Berlioz GA. Da dürfte kaum mehr an autorisierten Bemerkungen zu holen sein. Ich gucke trotzdem mal bei meiner nächsten Expedition in die Stadt im Laufe der Woche in die große GA,ob da nicht noch ein Materialien-Anhang drin ist.

Grüße

laubandel


AladdinWunderlampe schrieb:
Hallo Khampan,

in meiner Eulenburg-Partitur stehen jede Menge Berlioz'scher Fußnoten - unter anderem zu einer schwierigen Streicherpartie im ersten Satz (S. 3, T. 17), zur Verdopplung der Holzbläser im 4. Satz (S. 105, Flötenstimme), zur Aufstellung der großen Trommel, zu den Schlägeln und zur Ausführung des Glockenparts (S. 134-135). Allerdings betrifft keine davon die Positionierung der Harfe oder der Pauken.

Wie bereits gesagt, betrifft die bei Gardiner wiedergegebene Skizze nicht speziell die Uraufführung der Symphonie fantastique, sondern die bei Habeneck übliche Orchesteraufstellung. Über die in Frage stehenden "unüblichen" Instrumentationsdetails der Berliozschen Partitur (Position der Harfen und Pauken) gibt sie daher leider gerade keinen Aufschluss.


Herzliche Grüße
Aladdin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#52 erstellt: 20. Nov 2006, 13:07
Hallo M_on_the_loose,

[quote="M_on_the_loose"]

Allerdings diesen Artikel, der die Aufstellung im Detail beschreibt. Bevor Ihr aber auf den Link klickt, muss ich Euch warnen: Der Artikel bezieht sich auf eine Norrington-Aufnahme, und da manche Leute auf ihn allergisch reagieren, ist es vielleicht besser, wenn dies nicht auf den Link klicken, wenn doch, dann nur auf eigene Gefahr!
Hier:
[url]http://www.omm.de/cds/klassik/HS-symphonie-fantastique.html[/url]

[/quote]
Genau genommen beschreibt der Artikel freilich nur die Aufstellung Norringtons, die sicherlich sehr sinnvoll ist. Ob diese nun aber historisch verbürgt ist oder nicht, wird mit keinem Wort erwähnt. Insofern harren wir weiterhin gespannt auf die "smoking gun" in Form der von Dir erwähnten Aufstellungsskizze.

Aber wie dem auch sei: Mir scheinen Berlioz' Ausführungen in der Instrumetationslehre Legitimation genug zu sein, eine solche Aufstellung auszuprobieren, denn dass in der [i]Symphonie fantastique[/i] dialogische Interaktionen zwischen den Harfen beziehungsweise den Pauken stattfinden, die durch eine antiphonische Aufstellung transparenter werden, ist ja unstrittig.


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 20. Nov 2006, 13:17 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#53 erstellt: 20. Nov 2006, 13:12

Laubandel schrieb:
Hallo Aladdin,

wenn Du keine ganz ganz alte Eulenburg Partitur hast, dann ist das ja eine getreue Wiedergabe der Berlioz GA. Da dürfte kaum mehr an autorisierten Bemerkungen zu holen sein. Ich gucke trotzdem mal bei meiner nächsten Expedition in die Stadt im Laufe der Woche in die große GA,ob da nicht noch ein Materialien-Anhang drin ist.


Hallo Laubandel,

mir liegt die Eulenburg-Partitur No. 422 in der Ausgabe von 1993 vor, die in der Tat dem 16. Band der Kritischen Neuausgabe von 1972 folgt, allerdings deren Vorwort und kritischen Bericht nicht abdruckt. Ich werde daher bei Gelegenheit auch einmal einen Blick in diese vollständigere Edition werfen.

Herzliche Grüße
Aladdin
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#54 erstellt: 20. Nov 2006, 14:58

AladdinWunderlampe schrieb:

Genau genommen beschreibt der Artikel freilich nur die Aufstellung Norringtons, die sicherlich sehr sinnvoll ist. Ob diese nun aber historisch verbürgt ist oder nicht, wird mit keinem Wort erwähnt. Insofern harren wir weiterhin gespannt auf die "smoking gun" in Form der von Dir erwähnten Aufstellungsskizze.


Stimmt, es kann aber durchaus sein, dass Norrington Zugang zu diesen Informationen hat. Es wäre jedenfalls typisch für seine Vorgehensweise, wenn er das recherchiert hat, sich an das Vorbild zu halten.
Es könnte sogar sein, dass ich meine ursprüngliche Information vom Begleittext seiner ersten Aufnahme habe. Ich kann mich nch dunkel erinnern, dass das sehr detailliert beschrieben war. Ich habe mal die Gramophone-Rezension nachgeschaut, da ich die CD nicht habe - auf mich hatte damals die Aufnahme keinen sehr starken Eindruck gemacht, was aber auch an mir liegen kann, ich mag das Stück nämlich nicht so sehr und bin nur hin und wieder mal daran interessiert, es zu hören -, und da heisst es:

"The orchestra is seated according to Berlioz's disposition (which is also described in the sleeve-note: it includes the pairs of timpani set stereophonically, as is certainly authentic)."

Aber keine genaueren Angaben. Ob da eine Abbildung dabei war, weiss ich nicht mehr.

Ausserdem heisst es:

"Despite several abortive projects, it was not until Roger Norrington's London performance and new recording of the Symphonie fantastique that anyone alive had heard anything approaching what Berlioz really wrote. The issue is at least as important as that concerning baroque music, say, since Berlioz conceived his extraordinary symphony, in all its pictorial detail, for exactly chosen instruments and exactly heard sounds. Nicholas Temperley's foreword to his edition of the work for the New Berlioz Edition sets out in great detail all that is involved, including the fact that a definitive version is not attainable in every detail since different sources show changes. But certainly there are special tone-qualities and instrumental groupings which were required by the composer, and which the conventional modern orchestra have to miss."

Damit ist wahrscheinlich die oben erwähnte Berlioz-Ausgabe gemeint. Falls jemand Zugang zu den Kommentaren hat, bitte mal nachschauen!

In meiner lokalen Musikbibliothek scheint diese nicht vorzuliegen.


[Beitrag von M_on_the_loose am 20. Nov 2006, 15:11 bearbeitet]
SirVival
Hat sich gelöscht
#55 erstellt: 21. Nov 2006, 09:33
Hi,

"Deutsche" Aufstellung hin oder her, anhand der Hörbeispiele erscheint mir diese klanglich deutlich besser im Vergleich zum heute üblichen linkslastigen (nicht im politischen Sinne ;)) und dominanten Streicherklang. Ich meine zudem, dass auch die Massierung der Streicher im modernen Orchester so manches zudeckt, was insbesondere in der Wiener Klassik an wichtigen Passagen den Bläsern zugedacht war. Haydn, Mozart, Beethoven mit voll besetztem modernen Orchester gespielt, eigentlich ein Unding.

Aber auch in der nachklassischen Ära war der Klang des Orchesters sicherlich ein anderer. Vor kurzem habe ich Bruckner unter seiner Orgel in St. Florian bei Linz besucht. Im Kloster gibt es ein kleines Brucknermuseum, in dem das zu Bruckners Lebzeiten übliche Orchesterinstrumentarium ausgestellt war, Instrumente, die nicht nur anders aussahen, als die modernen, sondern mit einiger Sicherheit auch anders klangen bzw. klingen. Diesen Instrumentenklang hatten die Komponisten im Ohr, als sie ihre Kompositionen zu Papier brachten. Sollte neben der Orchesteraufstellung dieser Klang dann nicht auch realisiert werden? So ganz revolutionär ist der Gedanke ja nicht.

Gruß
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#56 erstellt: 21. Nov 2006, 10:13
In der Tat nicht, und es gibt sowohl Aufnahmen einiger Bruckner Symphonien auf "Originalinstrumenten", mit Herreweghe, Haselböck, und Norrington, und wahrscheinlich mit anderen, von denen ich noch nicht gehört habe. Wie "original" das in jedem Fall ist, kann ich nicht beurteilen, da ich nur die 7. mit Herreweghe gehört habe. Die ist auch recht interessant, hat mich aber musikalisch nicht so sehr überzeugt. Andere Hörer fanden sie aber viel besser, und ich habe sehr viel gutes über die neuere Aufnahme der 4. gehört.
Aber man kann die richtige Balance und andere wichtige musikalische Parameter auch mit modernen Instrumenten erfüllen. Du musst auch bedenken, dass diese Werke nicht "statisch" sind, sondern da sie soviel musikalisches Potential haben, entwickeln sie ihre eigene Rezeptions- und Interpretationsgeschichte über Generationen. Das ist gewachsene Interpretationskultur, die als solche auch "authentisch" ist.
Auf jeden Fall ist es sicher nicht falsch, sich mit solchen historischen Fragen mal zu beschäftigen, und davon zu lernen.

Was die Orchesteraufstellung betrifft, bin ich aber eindeutig der Meinung, dass die "alte" Aufstellung wesentlich besser ist. Es spielt nicht eine soooo grosse Rolle, ob die Celli und Bässe auf der linken Seite sind, oder wie genau andere Instrumentengruppen verteilt sind. Das kann auch in unterschiedlichen Sälen sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen. Aber die ersten und zweiten Geigen sollten auf jeden Fall links und rechts getrennt sein.


[Beitrag von M_on_the_loose am 21. Nov 2006, 10:15 bearbeitet]
Reiner_Klang
Stammgast
#57 erstellt: 21. Nov 2006, 11:27

M_on_the_loose schrieb:
Das kann auch in unterschiedlichen Sälen sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen.


Das kann ich nur mehrfach unterstreichen. Als Hörer von Aufnahmen (Rundfunk, CD, DVD) und in "alten" Konzertsälen gibt es im wesentlichen die Position Orchester vor dem Publikum. In vielen modernen Konzertsälen sitzt das Publikum direkt seitlich oder sogar hinter dem Orchester. Trotz der akustisch ausgefeilten Konstruktion der Räume führt dies meiner Meinung nach zu einem völlig anderen Hörbild als in der Frontalposition. Kompositorische Absichten, die mit der Positionierung der Instrumente im Orchester zu tun haben, können in diesen Räumen nur noch von einem Teil des Publikums in der Ursprungsform wahrgenommen werden. Dabei zeigt dieser ganze Thread, wie hochspannend das Thema Orchesteraufstellung im Hinblick auf die Durchhörbarkeit musikalischer Inhalte sein kann.
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#58 erstellt: 21. Nov 2006, 11:47

AladdinWunderlampe schrieb:

Genau genommen beschreibt der Artikel freilich nur die Aufstellung Norringtons, die sicherlich sehr sinnvoll ist. Ob diese nun aber historisch verbürgt ist oder nicht, wird mit keinem Wort erwähnt. Insofern harren wir weiterhin gespannt auf die "smoking gun" in Form der von Dir erwähnten Aufstellungsskizze.

Mittlerweile habe ich in rmcr den Hinweise bekommen, dass der (oder die oder das) "smoking gun" sich in diesem Buch befinden könnte:
http://roger.ucsd.ed...owell+robin&5%2C%2C8
Leider war ich gerade heute in UCSD, und werde wahrscheinlich nicht vor nächstem Montag dorthin zurückkehren...Dann werde ich aber in dem Buch nachsehen.
embe
Stammgast
#59 erstellt: 21. Nov 2006, 12:31
Hallo,
Reiner_Klang hat da etwas angesprochen mit den modernen Konzertsälen.
Die meisten Schuhschachtelsäle sollen besser klingen
als die Rundumbeschallungssäle.
Einige dieser Hallen sind schlicht viel zu groß
für bestimmte Musik.
Beethoven mit Riesenorchester damit der Klang trägt
und möglichst viele Hörer beschallt werden.
Naja...

In der alten Oper in FFM hatte ich mal an zwei aufeinanderfolgenden Tagen das Glück auf recht günstigen Plätzen zu sitzen.
Im 1. Konzert etwas weiter links 12. Reihe.
Danach fast mittig 4. Reihe.
Trotz dieser relativ kurzen Distanz hörte man gewaltige Unterschiede. Im 2. Konzert war eigentlich alles
hörbar...fast wie auf der CD

Die Kongresshalle in Saarbrücken ist ein relativ kleiner Saal aber wenn man hier nahe der Bühne sitzt erhört man ein Wahnsinnspanorama. Auch weiter hinten gibts wenig störenden
Nachhall.
Hier wird je nach Dirigent antiphonal musiziert.
Vänskä mit Beethoven z.B. oder
Nielsen 4. Sym mit Pauken links u. rechts des Orchesters.


Vor Jahren hab ich in Philadelphia in der Academy of Music
einen Balkonplatz ergattert, da war der Klang sehr kompakt
und eingeengt...würd ich nie wieder machen.
Natürlich amerikanische Aufstellung.

Gruß
embe
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#60 erstellt: 21. Nov 2006, 12:39
Dafür habe ich neulich in Disney Hall Mahler 3 mit Salonen und LA Philharmonic gehört - in "alter" Aufstellung! Geteilte Geigen, Bässe links und so.
Danke!
AladdinWunderlampe
Stammgast
#61 erstellt: 21. Nov 2006, 13:57

M_on_the_loose schrieb:

Mittlerweile habe ich in rmcr den Hinweise bekommen, dass der (oder die oder das) "smoking gun" sich in diesem Buch befinden könnte:
http://roger.ucsd.ed...owell+robin&5%2C%2C8
Leider war ich gerade heute in UCSD, und werde wahrscheinlich nicht vor nächstem Montag dorthin zurückkehren...Dann werde ich aber in dem Buch nachsehen.


Danke für den Hinweis!
Mittlerweile habe ich in der Berlioz-Gesamtausgabe nachgeschaut und keinen Hinweis auf die Orchesteraufstellung finden können. Das Buch von Colin Lawson leihe ich mir gleich einmal aus und werde dann berichten.


Herzliche Grüße
Aladdin
Laubandel
Ist häufiger hier
#62 erstellt: 21. Nov 2006, 16:06
Ich war auch an der Berlioz GA, weder Skizze noch Bericht zur Aufstellung, dafür aber ein als Faksimile wiedergegebenes autographes Blatt zur Besetzung, das den vielsagenden Satz enthält, wenn die beiden Harfenisten Probleme im Zusammenspiel hätten, dann solle man die Distanz zwischen ihnen verringern (sinngemäß nach dem Französischen, man kann das im Faksimile nicht gut lesen, im Vorwort wird es jedoch paraphrasiert).
Was lernen wir daraus? Das klingt doch so, als würde Berlioz hier einen verbreiteten Usus voraussetzen. Allerdings scheint mir die "Vielharfigkeit" an sich doch ein Produkt seiner eigenen Ästhetik zu sein. Zumindest dürfte das die Interpretenphantasie (von Sir Roger und Collegen) in produktive Bahnen lenken.

Grüße

laubandel


[Beitrag von Laubandel am 21. Nov 2006, 21:33 bearbeitet]
AladdinWunderlampe
Stammgast
#63 erstellt: 22. Nov 2006, 08:54
Hallo liebe Antiphoniker,

vielen Dank an Laubandel für den interessanten Hinweis auf Berlioz' Notiz zur Koordination der Harfen. Ob Berlioz allerdings einen verbreiteten Usus voraussetzen konnte, scheint mir insofern zweifelhaft, als Harfen (zumal in vierfacher Besetzung) damals in sinfonischen Werken so gut wie nie verwendet wurden und (wie auch das Englischhorn und die Glocken) eher zum Opernorchester gehörten, das freilich unter anderen räumlichen und akustischen Bedingungen zu spielen hatte. Ein Blick in die Besetzungslisten der wichtigsten Orchester Europas zeigt, dass nur wenige Orchester überhaupt über eine Harfe, geschweige denn über zwei oder vier, verfügten (vgl. Helmut Rösing "Orchester", in: MGG, Sachteil, Bd. 7, Kassel 1997, Sp. 837-852). Tatsächlich musste Berlioz selbst bei Aufführungen seiner Symphonie fantastique außerhalb von Paris oftmals auf Klaviere als Ersatz für nicht vorhandene Harfen zurückgreifen (vgl. Colin Lawson, Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction, Cambridge 1999, S. 128). Unter diesen Bedingungen halte ich die Vorstellung, es habe eine stillschweigende Konvention über die Aufstellung dieses Instruments gegeben, für problematisch.

Auch in dem von M_on_the_loose genannten Buch Colin Lawson, Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction findet sich übrigens kein Hinweis über Berlioz' Aufstellung der Harfen und Pauken. Abgedruckt sind dort lediglich zwei Pläne über Habenecks übliche Orchesteraufstellung: derjenige von 1828, der auch im Booklet der Gardiner-CD abgedruckt ist und in dem nur eine Harfe (ein wenig links von der Mitte vor den Bratschen) eingezeichnet ist; und ein zweiter Plan von 1840, in dem gar keine Harfe vorkommt. Auch eine antiphonische Aufstellung der Pauken ist diesen Plänen nicht zu entnehmen (vgl. Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction, Cambridge 1999, S. 134-135). In ihrem Text zur Aufführungspraxis der Symphonie fantastique schweigen Lawson und Stowell sich ebenfalls über den von uns diskutierten Punkt aus.

Das ändert freilich nichts daran, dass die antiphonische Aufstellung der Harfen und Pauken aus musikalischen Gründen sinnvoll ist und auch unter Berücksichtigung von Berlioz' eigenen Bemerkungen in der Instrumentationslehre und in der von Laubandel erwähnten Notiz zumindest als denkbar erscheint.


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 22. Nov 2006, 08:56 bearbeitet]
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#64 erstellt: 22. Nov 2006, 09:19

AladdinWunderlampe schrieb:
Auch in dem von M_on_the_loose genannten Buch Colin Lawson, Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction findet sich übrigens kein Hinweis über Berlioz' Aufstellung der Harfen und Pauken. Abgedruckt sind dort lediglich zwei Pläne über Habenecks übliche Orchesteraufstellung: derjenige von 1828, der auch im Booklet der Gardiner-CD abgedruckt ist und in dem nur eine Harfe (ein wenig links von der Mitte vor den Bratschen) eingezeichnet ist; und ein zweiter Plan von 1840, in dem gar keine Harfe vorkommt. Auch eine antiphonische Aufstellung der Pauken ist diesen Plänen nicht zu entnehmen (vgl. Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction, Cambridge 1999, S. 134-135). In ihrem Text zur Aufführungspraxis der Symphonie fantastique schweigen Lawson und Stowell sich ebenfalls über den von uns diskutierten Punkt aus.


AladdinWunderlampe
Stammgast
#65 erstellt: 22. Nov 2006, 09:22
Och, M_on_the_loose...

nicht traurig sein - wir finden den Beweis schon noch!

Herzliche Grüße
Aladdin
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#66 erstellt: 22. Nov 2006, 09:27
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#67 erstellt: 25. Nov 2006, 05:43
Mittlerweile hat mein Bekannter mal in dem Buch für mich nachgesehen und die betreffende Seiten gescannt:

http://img182.imageshack.us/img182/7690/berliozlayoutkk8.jpg

In der Tat, kein "smoking gun" hier, und ich glaube, dass war die Skizze, die ich vor langer Zeit mal gesehen habe. Ich habe mich also falsch erinnert. Allerdings wird im Text offensichtlich genauer auf Berlioz' Aufstellung eingegangen, davon kann man hier aber nur einen Absatz sehen, und gerade, wo es spannend wird, ist die Seite zu Ende

Ich glaube, es würde sich durchaus doch noch mal lohnen, in dem Buch nachzusehen und den Text zu lesen. Es muss aber der o.g. Titel sein, es gibt offensichtlich von den gleichen Autoren noch andere Bücher.
AladdinWunderlampe
Stammgast
#68 erstellt: 25. Nov 2006, 16:39
Hallo M_on_the_loose,

wie gesagt: ich habe das Buch gerade ausgeliehen und nicht nur die Abbildung betrachtet, sondern auch den Text gelesen. Ergebnis: Keine Aussagen zur Aufstellung der Pauke und Harfe.
Ich kann aber gerne nach weiteren Schriften von Lawson fahnden.



Herzliche Grüße
Aladdin
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#69 erstellt: 26. Nov 2006, 03:06
Unten rechts auf S.135 in dem Bild steht "The harps are placed in the foreground," und dann kommt die nächste Seite - die in dem Scan nicht mehr daruf ist. Was steht da?

Mittlerweile habe ich mir die Aufnahme mit Norrington ausgeliehen (die mit LCP), und da steht im Heftchen:

Producer's Note
The orchestral disposition used for this recording was based on one of Berlioz' own orchestral seating plans. The first and second violins were seated opposite each other (as was usual in the nineteenth century) on the conductor's left and right. The violas were placed centrally in a line with the cellos and double basses raised up on a four-tiered central block behind them. The woodwind and horns were arranged on another tiered block to the conductor's left at the rear of the first violins; trumpets, trombones and ophicleides were similarly positioned to the right-hand side of the orchestra. The two sets of timpani together with percussion section were split stereophonically and placed at the back of the orchestra on the highest tier flanking the double basses. The four harps were placed, as Berlioz recommends, at the front of the orchestra in two pairs, left and right.


Uch keine Abbildung hier, und kein genaueres Hinweis auf die Quelle für diese Information ausser "as Berlioz recommends". Lawson erwähnt auch dass "he wrote at length about orchestral placement", es muss also irgendwo ausführliche Anweisungen von ihm dazu geben.

Die Norrington-Aufnahme (LCP) ist recht interessant, aber nicht soooo dieeee Enthüllung. Das klingt alles ganz gut und periody, aber nicht besonders aufregend, besonders die Ophicleiden sind eigentlich eine ziemliche Enttäuschung, überhaupt nicht dämonisch. Die klingen hier eher wie müde Tenorhörner...
AladdinWunderlampe
Stammgast
#70 erstellt: 26. Nov 2006, 11:54
Hallo M_on_the_loose,

Der auf S. 135 begonnene Satz lautet komplett:

"The harps are placed in the foreground, near the conductor, while the rest of the cellos and basses take up positions behind the woodwind, and the timpani and other percussion are placed behind, or even in the middle of, the brass. It seems a more symmetrical layout than that commonly used by modern orchestras, with left and right sides fairly equally balanced." [Colin Lawson, Robin Stowell: The Historical Performance of Music: An Introduction, Cambridge: Cambridge University Press, 4. Aufl. 2003, S. 135-136.]

Fußnote 115, in der die Quelle genannt wird, in der Berlioz angeblich "at length about orchestral placement" schrieb, lautet:

"Berlioz, Grand Traité, Eng. trans., pp. 254-5. See also D. Kern Holoman's discussion in Berlioz (London, 1989, pp. 354-6."

Gemeint ist also offensichtlich das Schlusskapitel der Instrumentationlehre, die mir zwar nicht in der englischsprachigen, aber in der deutschen Übersetzung vorliegt. Dort schreibt Berlioz in der Tat über Fragen der Orchesteraufstellung, erwähnt unter anderem die vier Bläserchöre in seinem Requiem, schreibt über die Notwendigkeit, beim Komponieren zwischen den akustischen Gegebenheiten in Konzertsälen, Kirchen und Opernhäusern zu unterscheiden, fordert zur Optimierung der akustischen Raumbedingungen die Verwendung von Reflektoren und entwirft die Utopie eines Orchesters von 827 Spielern. Außerdem schreibt er in allgemeiner Weise über die Effekte, die sich durch die räumliche Disposition der Instrumente erzielen lassen; er exemplifiziert dies allerdings außer am konkreten Beispiel seines Requiems nur in allgemeiner Weise am Einsatz der großen Trommeln, Becken und Pauken. Den betreffenden Abschnitt habe ich bereits in einem meiner früheren Beiträge zitiert.

Falls meine deutsche Ausgabe des Grand Traité also nicht etwas wesentliches unterschlägt, so sind wir nun so klug als wie zuvor, denn auch D. Kern Holoman soll ja laut Fußnote 115 diesen Text diskutieren. Natürlich könnte es aber sein, dass ihm noch eine weitere, unpublizierte Quelle - vielleicht jene mysteriöse Orchesteraufstellung aus Berlioz' Hand vorliegt, die aber komischerweise in keiner der mir vorliegenden jüngeren Publikationen - weder in der Berlioz-Gesamtausgabe noch im Booklet Gardiners oder im Buch von Lawson und Stowell - nachgewiesen wird.

Ich werde mal versuchen, das Berlioz-Buch von D. Kern Holoman und möglichst auch ein französisches Original des Grand Traité aufzutreiben. Allerdings verfestigt sich bei mir zunehmend der Verdacht, dass Gardiner und Norrington wirklich nur die bekannten Orchesteraufstellungen Habenecks vorlagen, die sie dann gemäß der Anregungen aus Berlioz' Instrumentationslehre selbstständig modifiziert haben.


Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 26. Nov 2006, 12:16 bearbeitet]
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#71 erstellt: 26. Nov 2006, 12:03
Danke fürs Nachschlagen und Text kopieren und so. Ich finde, dass ist schon ziemlich "at length", illustriert Berlioz' Wunsch, eine mehr oder weniger symmetrische Orchesteraufstellung zu haben, in der einzelne Register und Instrumentengruppen gut verteilt sind, und sein Interesse and räumlichen Effekten. Für mich reicht das als deutlichen Hinweis, dass eine solche Aufstellung für Symphonie fantastique durchaus im Sinne des Erfinders, und nicht irgendwie ein aufgesetzter Gag ist.
Falls Du aber noch konkretere Hinweise gerade auf dieses Werk findest, lass es uns bitte wissen!
AladdinWunderlampe
Stammgast
#72 erstellt: 26. Nov 2006, 12:13

M_on_the_loose schrieb:
Für mich reicht das als deutlichen Hinweis, dass eine solche Aufstellung für Symphonie fantastique durchaus im Sinne des Erfinders, und nicht irgendwie ein aufgesetzter Gag ist.


Hallo M_on_the_loose,

genau das meine ich auch. Die Aufstellung ist musikalisch sinnvoll und kann durchaus überzeugend auf allgemeine Anregungen Berlioz' bezogen werden.
Gleichwohl halte ich es für problematisch, wenn in CD-Booklets in reißerischer Weise von "Berlioz' own orchestral seating plans" die Rede ist. Bisher habe ich jedenfalls nur Habenecks gesehen. Aber vielleicht treiben wir die anderen ja auch noch auf.

Herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 26. Nov 2006, 12:13 bearbeitet]
M_on_the_loose
Hat sich gelöscht
#73 erstellt: 26. Nov 2006, 12:16
So "reisserisch" ist das nun auch wieder nicht, es gibt ja offensichtlich auf jeden Fall sehr viele eindeutige Hinweise darauf, dass Berlioz so eine Art der Aufstellung wollte. Ich glaube, man muss nicht jedes Wort auf die Supergoldwaage legen.
Übrigens kommt der Pauken-Stereo-Effeckt bei der Norrington-Aufnahme (jedenfalls der mit den LCP) gar nicht sooo deutlich raus.
Khampan
Ist häufiger hier
#74 erstellt: 26. Nov 2006, 22:30
gerade erst im Radioprogramm gesehen:
Im ARD-Nachtkonzert gibt es heute (d.h. Montag ab ca. 1:00 Uhr) Mahler 1. mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Christoph von Dohnányi.
Es dürfte sich um den Mitschnitt eines Konzerts des diesjährigen Schleswig-Holstein-Festivals handeln, erstklassig gespielt und aufgenommen, natürlich mit antiphonischen Violinen. Eines der vielen Aha-Erlebnisse, von denen ich weiter oben sprach.

Gruß, Khampan
Khampan
Ist häufiger hier
#75 erstellt: 26. Jan 2007, 15:34

Laubandel schrieb:
Harnoncourts Brahms habe ich leider nicht hier, ich fand damals beim Erscheinen probehörend im Laden den Klang zu streicherlastig (Einleitung der Ersten, wo die Holzbläser einen gleichwertigen Kontrapunkt zu den Violinen spielen und bei NH im traditionellen Sinn an die Wand gespielt wurden. Aber muß ich mal wieder testen).


Hallo nach langer Zeit mal wieder,

ich habe das Brahms-Harnoncourt-Set inzwischen mehrfach durchgehört. Alles eigentlich sehr gut mit Ausnahme... exakt! Zu streicherlastig, und das durchgehend.
Das schlimmste ist, man (ich zumindest) gewöhnt sich nicht daran, nein es wird mit der Zeit immer neviger.

Per Zufall hatte ich noch einen Konzertmitschnitt vom Digitalradio vor ca. 10 Jahren (kennt noch jemand DSR, mann waren das tolle Zeiten...) auf DAT, hatte ich ganz vergessen. 1. Sinfonie, wunderbar, klingt genau wie die CD mit Ausnahme der Streicher.
Meine Güte, wie schön könnten die Aufnahmen sein, wenn die Teldec nicht nachtäglich rumgepfuscht hätte.

Khampan
Klassikkonsument
Inventar
#76 erstellt: 22. Nov 2008, 21:04
Antiphonische Geigen gibt's auch bei dieser frühen Stereo-Aufnahme:



Brahms' 1. Klavierkonzert mit Artur Rubinstein, Chicago SO, Fritz Reiner.

Reiners Aufnahme der 4. Symphonie von Mahler in der selben Reihe scheint dagegen mit amerikanischer Aufstellung aufgenommen zu sein.

Viele Grüße
TOBIAS69*
Neuling
#77 erstellt: 18. Jan 2009, 13:34
Hallo lieber Harald

Zur deutschen Orchesteraufstellung

Meiner Meinung nach ist die Linkslastigkeit auch in Aufnahmen mit Alter Musik ein Problem. Eine Lösung wär, das Continuo rechts mehr einfliessen zu lassen und somit die zweiten Geigen im hohen Register auszugleichen.
Die Aufnahme von harmonia mundi france mit Maurice Steger als Solist an der Blockflöte und Leiter der Akademie für Alte Musik finde ich persönlich auch an der schruppigen Seite, doch die Aufnahme überzeugt und fasziniert mich immer wieder aus Neue.
Nachdem ich Steger mit den Berlinern einmal live erlebt habe in dieser Austellung wurde mir vieles noch bewusster: Das intensive und geräuschhafte Artikulieren der Instrumente hat sich im Raum auf wundervolle Weise entfaltet (überhaupt kein Geschruppe mehr, nein, eine Artikulation, die gesprochen wie gesungen hat) und jeder Ton von Steger wurde als intensiv und auf fantastische Weise ausgespielt- wie artikuliert empfunden. Oft hat sich der Solist rechts hingestellt, um die Zwiegespräche mit Cello / Laute und Cembalo gut darzustellen, quasi im Stereo Effekt zu den ersten Geigen.
Diese Kombination Solist - Orchester finde ich auf dem Gebiet der Barockmusik einmalig, ja gigantisch.

Danke für deine tollen Hinweise und Gruss aus Hannover!
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