Musikdarstellung auf "unterschiedlichen Ebenen"

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audio.novize
Stammgast
#1 erstellt: 18. Apr 2024, 14:39
Hallo liebe Selbstbau-Gemeinde!

Ich habe da mal eine grundsätzliche Frage: Wovon hängt es ab, ob ein Lautsprecher Musik vor, zwischen oder hinter dem Gehäuse darstellt? Ist das eine Frage der Konstruktion, des Chassis-Typs, der Aufstellung, des Raums ... ?

Zur Verdeutlichung - ganz professionell gezeichnet:

Musikdarstellung - auf unterschiedlichen Ebenen

Ich habe dazu zwar etwas gefunden, aber ohne wirkliche/ belastbare Klärung der Ursachen/ Faktoren: https://www.analog-f...er-die-musik-spielt/

Weiß da jemand mehr?

Dank vorab für Eure Rückmeldungen, Vorschläge, Einschätzungen und Gedanken!

Es grüßt: audio.novize
hampshire
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 18. Apr 2024, 16:08
Denke mal in Zeitverhalten. Je "zeitrichtiger" und "eindeutiger" die Klanginformation an Deine Ohren kommt, desto besser kannst Du akustische Information in eine räumliche Vorstellung umwandeln.
Lautsprecherhersteller beschäftigen sich mit diesem Phänomen und gehen da unterschiedliche Wege. Manche verwenden möglichst schmale Gehäusefronten (z.B. Audio Physik), manche schwören auf Coax Anordnung (z.B. Tannoy), andere variieren den Abstand der Treiber zum Hörer (z.B. Thiel)... Natürlich spielen Raum und Aufstellung eine Rolle.
Viele Wege führen nach Rom. Was hast Du denn vor?
audio.novize
Stammgast
#3 erstellt: 18. Apr 2024, 18:21
Ich habe schon (fast) fertig - es handelt sich um eine (aktive) Eigenentwicklung für die Terrasse/ Garten (bisher nur mit Holzschutzgrund behandelt und grundiert):

Odo Slim - Outside

Bei dem Lautsprecher (Arbeitsname: Odo Slim) bin ich vom Höreindruck fast schon irritiert, wenn auch positiv: Die Darstellung erfolgt noch einmal deutlich hinter den eingwinkelten Gehäuse und ist mit Blick auf die räumliche Darstellung mit das Beste, was ich bisher gehört habe.

Unglaublich ist das z.B. bei folgenden Stücken (hier nur YT-Videos, am Besten in hoher Qualität bei einem der Streaming-Anbieter anhören):


"The Ballad of Bill Hubbard" von Roger Waters:


Am Anfang bellt der Hund von hinten rechts und das Radio tönt von links auf Tiefe der Hörposition direkt ins Ohr - als wenn dort eigene Lautsprecher aufgestellt wären.

Mittlerweile habe ich zwar auch etwas zum Mixing-Hintergrund erfahren (Stichwort: QSound), der Effekt ist dennoch mehr als verblüffend (in dieser Klarheit).



"Queen Mary" von Francine Thirteen:


Die Drum-Echos laufen links bis ins Unendliche nach vorne und rechts bis ins Unendliche nach hinten aus. Ganz abgesehen vom Hihat-artigen Sound, der im Halbkreis nach hinten im Raum von links nach rechts und wieder zurück wandert.



"These Bones" von The Fairfield Four:


Ich "sehe" die Aufstellung der Sänger sozusagen im Raum vor mir: Hinten links der tiefe Lead, dazu vorne links und rechts die "Refrain-Sänger" und hinten rechts das Schlagzeug bzw. der Besen - was dann durch den Part ab 1:40 min. noch um den Phantom Center erweitert wird und damit 5 ganz klar im Raum positionierte Schallquellen ergibt (die de facto ja nicht da sind).



Nun weiß ich allerdings auch um die liebe Psychoakustik, gerade bei Eigenentwicklungen. Da hört man nicht selten das, was man (unbewusst) hören will. Das ist es aber eher nicht, denn auch meine Frau hört das ebenso klar (auch wenn sie ansonsten mit Lautsprechern nix am Hut hat, um nicht zu sagen tendenziell eher von meiner Selbstbaueritis etwas genervt ist ... ).

Der Raum hat ja grundsätzlich einen erheblichen Einfluss auf die Musikwiedergabe, allerdings höre ich die Räumlichkeit im großen Wohnzimmer, im kleinen Arbeitszimmer und eben auch draußen. Der Raum alleine scheint es also auch nicht zu sein.

Daher die Frage: Woran liegt das? Gibt es dafür - physikalisch nachvollziehbare und damit wiederholbare - Parameter/ Faktoren?

Ich habe nämlich insbesondere auch den Eindruck, dass die Räumlichkeit dadurch entsteht, dass die Lautsprecher die Darstellungsebene sozusagen nach hinten verlagern und dadurch zugleich den akustischen Rahmen bzw. Raum aufspannen.

So viel zum Hintergrund meiner Frage ...
captain_carot
Inventar
#4 erstellt: 18. Apr 2024, 20:17
Das sind mehrere Paar Schuhe. Bei Effekten seitlich oder hinter dir greifen die gleichen Prinzipien wie bei virtuellem Surround Sound. Da spielen Frequenzgang, Phase, Laufzeiten eine Rolle. Funktioniert natürlich nicht unter allen Bedingungen gleich gut.

Bei Liveaufnahmen sind ggf. die passenden Informationen da, um eben auch eine gute Tiefen- und ggf eine gewisse Höhendarstellung zu bekommen. Wie gut das in der Praxis funktioniert entscheidet aber nicht allein der Lautsprecher sondern die ganze Abhörsituation. Reiner Erfahrungswert meinerseits, gut gemachte Koaxe funktionieren auch da sehr gut, wo viele andere Lautsprecher Probleme haben und in einem größeren Bereich.
audio.novize
Stammgast
#5 erstellt: 18. Apr 2024, 22:14
Ich bin eigentlich auch ein Koax-Verfechter - eben wegen der räumlichen Darstellung (ist bei mir an zwei Hörplätzen im Einsatz).

*** Exkurs zum Projekt: Start ***

Bei dem konkreten Projekt Odo Slim ging es eigentlich "nur" um etwas Mucke auf der Terrasse/ im Garten. Ursprünglich sollte da auch nur ein BB in BR spielen.

Gut, dann ist das Projekt etwas ausgeartet - aber die Grundidee "BB" ist noch präsent: Der BB (TB W4-1052SD) wird nach oben von einem AMT (DA AMTPOD-4) ab ca. 6 kHz und nach unten von zwei Subs (TB W46-1316N) und die wiederum von zwei Passivmembranen (TB PR14) bis 250 Hz entlastet.

Da die LS im Sommer (regengeschützt) draußen stehen bleiben sollen, hatte ich eher auf das Chassis-Material (= Polypropylen, Gummi, Kapton) und auf den Preis geachtet - ist ja "nur" für draußen.

Angetrieben werden die Lautsprecher von zwei TinySine TSA7804B-Boards (4 Wege à 50 Watt) im "True Wireless Stereo"-Modus (= Zuspielung und Lautsprecher-Pairing per Bluetooth/ aptX, d.h. "nur" Strom erforderlich).

Und jetzt bin ich "baff", was da - auch angesichts meiner eher bescheidenen Fähigkeiten- raus kommt, insbesondere in räumlicher Hinsicht!

*** Exkurs zum Projekt: Ende ***

Zurück zur Frage - und zunächst danke für Euren Input!

Ja, die genannten Faktoren leuchten mir ein - und ich kenne sie aus eigener Hörerfahrung und "Sound-Behandlung" (ich mag das nicht "Lautsprecher-Entwicklung" nennen, denn davon bin ich weit entfernt): Im (aktiven) 2.1-Setup z.B. ist die Laufzeit Sub zu Satelliten ebenso wie der Übergang immer ein Thema. Oder der typischerweise "vorlaute" BB, der von "präsent" bis "ich-schrei-Dich-an" spielen kann. Ich habe auch Erfahrung mit Raumkorrektur (REW & Equalizer APO; Dirac Live; Anti-Mode).

Daher gehe ich nochmal einen Schritt zurück: Räumlichkeit (und Tiefenstaffelung) mal bei Seite - warum bildet der eine Lautsprecher Musik vor dem Gehäuse ab. Und der andere dazwischen bzw. dahinter?

Gibt es dafür spezifische Parameter/ Faktoren oder ist das im Ergebnis immer von der konkreten Hörsituation abhängig (und damit mehr bzw. komplexer als die Summe der Einzelteile)?
der_Lauscher
Inventar
#6 erstellt: 19. Apr 2024, 09:57

audio.novize (Beitrag #5) schrieb:
warum bildet der eine Lautsprecher Musik vor dem Gehäuse ab. Und der andere dazwischen bzw. dahinter?
Gibt es dafür spezifische Parameter/ Faktoren oder ist das im Ergebnis immer von der konkreten Hörsituation abhängig (und damit mehr bzw. komplexer als die Summe der Einzelteile)? :?

meiner Erfahrung nach hängt es einmal mit der phasenrichtigen Anordung der Chassis ab, also daß HT und/oder MT etwas nach hinten versetzt sind gegenüber dem TT, die ganze Front ggf. nach hinten geneigt ist ist o.ä. aber, bei mir hauptsächlich von der Weiche ab. Habe festgestellt, daß bei Lautsprechern, bei denen es vor der Boxenlinie kommt, alle nur 6 dB Weichen haben. Als Fan der 6 dB-Weichen, Dynaudio war damals Schuld , habe ich schon viele Lautsprecher so gebaut bzw. habe ich einige "Gekaufte" so in Betrieb
Koaxe erfüllen meine erste Anforderung mit der Phasenrichtigkeit sehr gut, darum ist das bei meinen Koaxen ebenfalls festzustellen. Mein DiY Open Baffle mit einem TB W6 2144 und 6 dB Weiche oder früher mal ein Isophon Orchester 2000 ohne Weiche machen das prächtig und stellen den Sänger sehr nahe vor den Abhörplatz fast 1/2 m vor die Boxenlinie. Meine gekauften, aktiven Koaxe kommen allerdings nur ganz knapp vor die Boxenlinie.
captain_carot
Inventar
#7 erstellt: 19. Apr 2024, 10:39
Ich denke, dass der breite EInsatzbereich des BB hier ein Vorteil sein könnte. Ein Großteil des für die Ortung relevanten Bereichs scheint bei dir davon abgedeckt zu sein.

Bei am Lautsprecher wirklich klebenden Klang denke ich sind zu einem Gutteil Phasenprobleme der Verursacher. Passiert ja üblicherweise auch bei verpolten Lautsprechern.
flexiJazzfan
Inventar
#8 erstellt: 19. Apr 2024, 13:13
Generell gibt es bestimmte Merkmale des Schalls auf die unser Ohr trainiert ist. Für die grobe Lokalisierung sind bestimmte Frequenzbänder charakteristisch. (siehe Blauertsche Bänder in Wikipedia). Besonders interessant ist hier der Trick, die Mitten abzusenken um eine „vordergründige“ Klarheit zu erreichen.
Ich selbst habe die eindrücklichste Positionierung, direkt vor mir, mit großen Hornlautsprechern in einem großen Raum gehört. Ich führe das auch auf den sehr großen Anteil an Direktschall und fehlende Erstreflexionen zurück.
Das Entfernungshören (siehe Entfernungshören bei Wikipedia) ist hauptsächlich ein Erfahrungshören. Die vergleichsweise winzigen Laufzeitunterschiede durch Positionierung der Chassis in Lautsprechern haben da keine Auswirkungen. Das Stereohören über zwei Lautsprecher und unsere zwei Ohren kann über Lautstärkeunterschiede (0-18 dB) und Laufzeitunterschiede (ab 20 ms) zwar die Richtung in der Horizontalen recht genau vorgaukeln – falls diese Information in der Aufnahme überhaupt vorhanden ist (Mikrofonierung). Die Entfernungsschätzung erfolgt aber über Frequenzzusammensetzung, Lautstärke und Anteil von Reflexionen (Verwaschenheit , Hall).
Hier ist sicher eine steile Trennung der Chassis von Vorteil, damit nicht der gleiche Frequenzbereich von zwei Chassis mit unterschiedlichem „Charakter“ gleichzeitig gesendet wird.
Wahrscheinlich ist auch eine fokussierte Abstrahlung, wie sie die Nahfeldhörer lieben, der genauen Positionierung von Phantomschallquellen förderlicher als ein Breitstrahler.
Gruß
Rainer
captain_carot
Inventar
#9 erstellt: 19. Apr 2024, 21:01
Da hängt sehr viel von den jeweiligen Gegebenheiten ab. Ob steile Trennung oder flqche ist IMO auch nicht zwingend zielführend. Eher das Gesamtpaket ist wichtig.

Breitbänder haben eine swhr gute Bühne, aber eigentlich immer einen kleinen Sweetspot (kleine BB im FAST sind da natürlich anders als ein 6“ oder 8“), Koaxe können teilweise schon auf ein Stereotrapez statt Dreieck kommen.

Hier hat halt der Breitbänder einen sehr weiten Arbeitsbereich, der gleichzeitig fast den gesamten für die Richtungswahrnehmung relevanten Bereich abdeckt. Das Bündelungsverhalten ist obenrum wahrscheinlich nicht ideal, aber gut genug. Nur eine Vermutung, aber ich könnte mir vorstellen, dass das im Innenraum nicht somhomogen klingt, weil der AMT im Übernnahmebereich plötzlich weiter aufmacht und es da plötzlich wieder mehr Schallenergie gibt. Draußen überwiegt aber der Direktschall.
audio.novize
Stammgast
#10 erstellt: 21. Apr 2024, 22:22
Spannend! Danke für Eure Erfahrungen und weiterführenden Erklärungen!

Insbesondere die Hinweise in Richtung Lokalisierungs- und Enfernungshören hatte ich bis dato so nicht auf dem Schirm, obwohl aus anderen Kontexten eigentlich bekannt (Quelle):


„Ehct ksras! Gmäeß eneir Sutide eneir Uvinisterät, ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wort snid, das ezniige was wcthiig ist, das der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiin snid. Der Rset knan ein ttoaelr Bsinöldn sein, tedztorm knan man ihn onhe Pemoblre lseen. Das ist so, weil wir nicht jeedn Bstachuebn enzelin leesn, snderon das Wort als gzeans enkreenn. Ehct ksras! Das ghet wcklirh! Und dfüar ghneen wir jrhlaeng in die Slhcue!“


Offensichtlich hört man nicht einfach nur mit den Ohren, sondern vielmehr macht (neben dem Raum) insbesondere das Gehirn die Musik ...
captain_carot
Inventar
#11 erstellt: 22. Apr 2024, 00:03
Das Gehirn mischt jedenfalls kräftig mit. Es gibt halt durchaus Dinge, die die Wiedergabe etwa bei der Tiefenstaffelung verhageln können. Aber oft wird eben auch einfach erlerntes/antrainiertes umgesetzt ohne dass wir es merken. Die Aufnahmetechnik kann man dabei natürlich auch nicht außen vor lassen oder das Mastering.
flexiJazzfan
Inventar
#12 erstellt: 22. Apr 2024, 13:08
Entgegen altertümlicher Stereoaufnahmenregeln werden ja die meisten Sänger/innen mit dem Mikrofon zwischen den Zähnen aufgenommen. Der Toningenieur muss dann die Illusion einer Position in einem fiktiven Musikgeschehen zusammenbasteln. Oder möchte man erleben, dass einem direkt ins Ohr gesungen wird? Mit solchen Aufnahmen kann man die Ortungsschärfe seiner Lautsprecher eher nicht prüfen, obwohl wir ansonsten zur Position und Entfernung von Stimmen sehr viel Erfahrung haben.
Gruß
Rainer
captain_carot
Inventar
#13 erstellt: 22. Apr 2024, 22:34
Studioaufnahmen sind eh zusammengetrickst. Das ist aber auch eine Kunst für sich. Bei Liveaufnahmen ist natürlich die Frage was das ist und wie es aufgenommen wurde.
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