Subwoofer mischen - Unart oder nicht?

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stoneeh
Inventar
#1 erstellt: 20. Nov 2021, 04:13
Hola HiFi-Forum.

Da das Thema kürzlich in einer Diskussion aufgekommen ist, und bei mir grad Möglichkeit wie Motivation vorhanden ist, beleuchten wir doch eine weitere Grundlagenfrage: kann man (verschiedene) Subwoofer mischen?

Die Probanden kommen aus meiner Messdatenbank. Gemessen wurde in Ground Plane, 2m. Die ermittelten Impulsantworten werden zuerst in ARTA eingepegelt (Scale amplitude), sichergestellt dass sie an der gleichen Stelle sitzen (wichtig für Phase), sichergestellt dass sie ident gepolt sind, und schlussendlich via der Load and sum Funktion kombiniert / summiert.



Beispiel #1 - best case Szenario: zwei passive Bassreflex-Subwoofer mit fast identer (42 & 43 Hz) Abstimmung.

Linke Grafik Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln, Mitte Phase, rechts Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln und kombiniert (schwarz):

Sub-mischen Best Case FR Sub-mischen Best Case Ph Sub-mischen Best Case FR ges

Beide Probanden haben ein sehr ähnliches Funktionsprinzip, weswegen Amplituden- und insb. Phasenfrequenzgang im Bassbereich fast ident sind. Das resultiert in einer fast perfekten Addition, die dem theoretisch erreichbaren Maximum von +6 dB für die Verdoppelung von Schallquellen entspricht. Als Bonus erhalten wir sogar durch die Mittelung zwischen den beiden einen ausgeglicheneren Wirkungsgradverlauf.



Beispiel #2 - "akzeptables" Szenario: zwei passive Bassreflex-Subwoofer mit unterschiedlicher (32 & 42 Hz) Abstimmung.

Linke Grafik Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln, Mitte Phase, rechts Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln und kombiniert (schwarz):

Sub-mischen Mid Case FR Sub-mischen Mid Case Ph Sub-mischen Mid Case FR ges

Die unterschiedliche Abstimmung verursacht Phasenversätze, die bis zu einem Maximum von 70° um fb reichen. Das stellt aber bei weitem noch keine vollständige Auslöschung dar, und so zeigt sich in der kombinierten Wirkungsgradmessung auch hier ein recht anständiger Zugewinn & sinnvoller Gesamtfrequenzgang.



Beispiel #3 - worst case Szenario: zwei Bassreflex-Subwoofer mit ähnlicher (40 & 42 Hz) Abstimmung - jedoch einer passiv, einer aktiv.

Wiederum linke Grafik Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln, Mitte Phase, rechts Frequenzgang / Wirkungsgrad einzeln und kombiniert (schwarz):

Sub-mischen Worst Case FR Sub-mischen Worst Case Ph Sub-mischen Worst Case FR ges

Anhand der viel steiler abfallenden unteren Flanke des Aktivsubs kann man ableiten dass Filter, zmd. ein Hochpass (Lowcut), aktiv sind. Diese Filter haben auf den Phasenfrequenzgang Einfluss, welcher hier dementsprechend zwischen den beiden Subs stark divergiert - bei 50 Hz ergibt sich ein 180° Versatz, was einer vollkommenen Auslöschung entspricht, die sich so auch im Gesamtfrequenzgang zeigt.



Diese Beispiele sollten die grundsätzlichen Zusammenhänge gut veranschaulichen. Trotzdem ist die Betrachtungsweise "Frequenzgänge bei Kleinsignal" eine sehr simple, und im Praxiseinsatz gibt's weitere Variablen. Ein paar, die mir spontan einfallen, wären:

- Laufzeitunterschiede von insb. Falthörnern zu Direktstrahlern
- Laufzeit-/Latenzunterschiede in der Elektronik, insb. bei DSPs bzw. Amps mit DSP
- unterschiedlich gepolte Amps
- standardmässige, nicht deaktivierbare Filter in der Elektronik
- unterschiedliche vom User gesetzte Filter in der Elektronik
- Wiedergabe von Transienten
- unterschiedliche Maximalpegel zwischen den Subs
- unterschiedliche Portkompression (bei Grosssignal) zwischen den Subs
- unterschiedliche nichtlineare Verzerrungen zwischen den Subs



Fazit: Subs mit sehr ähnlicher Übertragungsfunktion kann man, wenn man die Ansteuerung versteht und richtig ausführt, wohl sinnvoll mischen.

Das sind aber etliche Variablen, die passen müssen, und in der Praxis erlebt man's eher dass vollkommen unterschiedliche Gehäusearten, auch noch an unterschiedlicher Elektronik mit unterschiedlichen Settings, planlos nebeneinander gestellt werden - was, wenn nicht grad rein per Glück alles zusammenpasst, schiefgeht.

Wenn man nicht sehr genau weiss was man tut, Finger weg vom mischen von Subs. Und wenn man weiss was man tut, kommt man wahrscheinlich gar nicht erst auf die Idee



Greets, over and out,
Stoneeh
Böötman
Inventar
#2 erstellt: 20. Nov 2021, 10:22
Auch hierfür abermals vielen Dank für das verfassen und teilen dieser Ausarbeitung.
stoneeh
Inventar
#3 erstellt: 20. Nov 2021, 17:28
René. Freut mich wenn's gefällt, bzw. wem was bringt.
Böötman
Inventar
#4 erstellt: 20. Nov 2021, 17:55
Im Grundsatz bedeutet das ganze das man passive BRs praktisch immer mischen kann, wie sieht's nun aber mit der Mischung von BR und Hornhybrid aus? BP und BR wird sich ziemlich sicher nicht ausgehen.
stoneeh
Inventar
#5 erstellt: 21. Nov 2021, 14:16
Ich würd sagen, simpel betrachtet lässt so ziemlich alles kombinieren, das eine ähnliche Abstimmung hat.

Hornhybrid, Bandpass, Tapped Horn, Frontloaded Horn (zmd. in der Grössenordnung wie am Markt gängig), wie auch Bassreflex, haben alle zmd. an der unteren Flanke sehr ähnliche Übertragungsfunktionen. Essentiell addieren sich dort Direktschall des Chassis mit dem eines Resonators. Beim Bassreflex und Bandpass ist letzterer ein Helmholtz-, bei Hörnern ein Viertelwellenresonator.

Hier von mir gemessen ein auf 43 Hz getunetes Tapped Horn & ein auf 43 Hz getuneter Bassreflex; links Phase, rechts FR / Sensitivity einzeln & kombiniert:

TH BR Ph TH BR FR ges

Wie erörtert, Phase stimmt untenrum recht gut überein; somit gibt's im Grossteil des "Nutzbass" eine recht gute Addition.


Je mehr die verschiedenen Subs ausser Phase spielen, desto mehr leidet nicht nur die Addition am Papier. Man muss sich vor Augen halten, 90° Phasenversatz, ein Wert den wir im OP beim Beispiel mit den auf 32 und 42 Hz abgestimmten BR um fb bereits fast erreichen, bedeutet, dass eine Membran sich in Nulllage befindet, während die andere voll auslenkt. Das kann der Präzision nicht zugute kommen.

Die Phasenprobleme werden übrigens verstärkt, wenn man für jeden Sub einen individuellen Lowcut setzt, was bei den meisten Lautsprechern mit Resonator grundsätzlich empfehlenswert ist.


Wie zudem im OP kurz angeschnitten, vernachlässigt diese simple Betrachtung das Verhalten a) im nicht eingeschwungenen Zustand b) bei Grosssignal (= bei hohem Pegel), wo jeder Lautsprecher seine eigene Charakteristik von nichtlinearen Verzerrungen (Klirr, IMD, ..), Kompression im Resonator, elektrisch/thermische Powercompression, etc., zeigt. Wie sich das alles mischt, darüber kann man nur spekulieren - aber ich nehme stark an, nicht gut
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