Verständnisfragen zur Stadionbeschallung

Servus!

Heute werden diese kleinen Lautsprecherlein gestapelt und aufgehängt.

Genau. Das sind Line-Array-Systeme.
https://de.wikipedia.org/wiki/Line_Array

1. Frage: Sind da auch noch irgendwo grosse Subwoofer versteckt, oder kommt der Bass auch aus diesen kleinen Teilen?

Ja, die Subwoofer sind i.d.R. in "Zahnlücke"-Aufstellung vor der Bühne zu finden. Bei großen Festivals teils in dreistelliger Anzahl.

Als Zuhörer höre ich an jeder Position von mehreren dieser Stapel in mono (nehme ich mal an), die sind aber unterschiedlich weit von mir entfernt (auch in der Höhe), müssten also je nach Position anders verzögert sein. Das ist aber kaum möglich, weil es dann ja nur auf einer Position passt.

Absolut. Das System nennt sich Delay-Line. Die Lautsprechersysteme sind zueinander verzögert.
https://13db.de/wissen/delay-line/

Kann es sein, dass das gar nicht gelöst wird, weil es nicht möglich ist? Ich fand nämlich die Akustik gar nicht so berauschend

Das ist natürlich schade, wird aber nicht unbedingt an den Lautsprechern liegen, sondern eher an der Akustik vor Ort oder dem Toningenieur. Mit Line-Array-Systemen kann durchaus ein sehr guter Klang realisiert werden.

Viele Grüße
Jan

"Kleine Lautsprecherlein" ist gut :D.
Bei Rammstein dürften das L'Acoustics K1 gewesen sein, also eines der Referenzprodukte für Großbeschallungen aktuell auf dem Markt (zusammen mit d&b GSL). Die mag vielleicht aus der Distanz nicht so wirken, aber schau dir einfach mal die Maße im Datenblatt an.

Das Prinzip, die Lautsprecher untereinander aufzuhängen, nennt sich Line-Array und stellt den aktuellen Stand der Technik für Großbeschallungen dar. Es ist dem Cluster ("Traube" oder großer Haufen) in vielen Aspekten überlegen und hat sich daher durchgesetzt. L'Acoustics war der Pionier auf dem Gebiet, mit dem V-DOSC. Wenn dich die Theorie dazu interessiert:
Wavefront Sculpture Technology

Da waren sicher auch noch Subs verbaut, entweder geflogen oder vor/unter der Bühne oder beides. In diesem Video ist beides zu sehen:


Die zusätzlichen Arrays weiter hinten dienen der gleichmäßigen Beschallung. Sie werden in der Tat verzögert angesteuert. Und ja, das funktioniert perfekt nur für einen Ort. Aber ein System lässt sich so auslegen, dass es über einen großen Bereich gut funktioniert. Es muss vor allem dort passen, wo der Pegel von 2 oder mehr Arrays ähnlich ist. Die Auslegung und Einstellung solcher Anlagen ist eine eigene Spezialdisziplin der Veranstaltungstechnik, das sogenannte System-Design.

Stadien sind generell eine schwierige akustische Umgebung. Denn sie werden primär nicht für Musik-, sondern für Sportveranstaltungen gebaut. Und dafür ist es erstrebenswert, dass die Schallquellen (Zuschauer*innen) möglichst viel "Lärm" erzeugen, der Stimmung wegen. Wir haben also viele verteilte Quellen, die zusammen ein großen Rauschen erzeugen, vereinfacht gesagt. Bei einer Musikveranstaltung haben wir das genaue Gegenteil, eine Schallquelle (Bühne), die überall möglichst unverfälscht ankommen soll.

Jedes System-Design kann nur ein Kompromis sein, der oft von den akustischen Gegebenheiten diktiert wird.

Danke dir für das Video!
Allein der Bühnenaufbau an sich ist schon Wahnsinn.
Verrückt, wie viele Personen da doch rumrennen.
Die größten Events, bei denen ich bisher mitgewirkt hatte, waren im Bereich bis 1.000 Personen - das hier sind einfach ganz andere Dimensionen...

buayadarat (Beitrag #1) schrieb:

Ich sass etwa in der Mitte der Haupttribüne, also seitlich zur Bühne und unter dem Dach. Manchmal hatte ich das Gefühl das Dröhnen komme daher, dass die Klänge zwischen Tribüne und Tribünendach eingeklemmt waren, also der Vorteil eines Freiluftkonzertes gar nicht zum Tragen kam.

Das ist ein generelles Problem bei Stadionkonzerten mit überdachter Tribüne. Der Ton kommt von der Bühne läuft über die Tribüne und wird am Stadiondach reflektiert. Je weiter du unten sitzt desto größer ist die Zeitdifferenz zwischen Direktschall und Reflexion, Normalerweise sollte der Sound ganz hinten unter dem Dach am besten sein, weil du keine Reflexionen des Direktschalls hast hast

Danke für eure Erklärungen und das Video.

the_flix (Beitrag #3) schrieb:

"Kleine Lautsprecherlein" ist gut :D.

Das war natürlich im Vergleich zu den riesigen Kisten von früher.

Aus den Erklärungen schliesse ich, dass solche Delay-Lines vor allem von vorne nach hinten gut funktionieren. Kann es sein, dass das seitlich weniger gut klappt? Ich sass auf der Tribüne, also seitlich und hatte die erste Delay-Line direkt vor der Nase, aber habe diese natürlich seitlich gehört, während die ja hauptsächlich nach hinten bläst.

Kann ich daraus schliessen, dass bei einem Stadionkonzert die akustisch besten Plätze unten in der Fläche sind, möglichst in der Verlängerung der Bühnenmitte, auch wenn es mono ist? Also eigentlich gleich wie auch in der Konzerthalle.

Ich zähle 68 Stück KS28. In der Mitte je 4er Stack einer umgedreht (Cardioid). Seitliche Stacks je zwei Reihen mit 9 Stück (EFA). Ich denke es soll mit dieser Aufstellung bzw. Controlling sowohl die rückwärtige als auch seitliche Abstrahlung begrenzt werden.

Vom Pegel her vollkommener Overkill. Ein Sub liefert in 1m Bodenaufstellung ~103 dB SPL @ 1 Watt (2 Vrms). Gehen wir davon aus, dass die zu beschallende Fläche bei 10m vorm Stack beginnt. Dort liegen dann rechnerisch bei 10 Watt Leistungszufuhr pro Sub 130 dB SPL an. Diese große Menge Bässe stellt man nicht auf weil man den Maximalpegel braucht, sondern wegen der Controlling-Möglichkeiten.

Ähnliches beim Line Array. Bei diesem wird schlicht eine gewisse Mindestlänge/-höhe benötigt, um dessen Hauptvorteil, die Nahfelderweiterung, über die gesamte zu beschallende Fläche und Frequenz zu gewährleisten. Die großen L'Acoustics Arrays werden soweit ich mich entsinne bei 60 Hz zu den Subs getrennt. Für 100 Meter Nahfelderweiterung bis zu dieser unteren Grenzfrequenz braucht's eine Arraylänge von 24 Metern (Formel l² * f / 340; l = Länge des Arrays, f = Frequenz).

Die Nahfelderweiterung des LAs wird übrigens über die vertikale Bündelung erreicht. Horizontal strahlt sowas relativ breit ab.

stoneeh (Beitrag #7) schrieb:

Ich zähle 68 Stück KS28.

Plus jeweils 20 Stück geflogene K1-SB Doppel-15er jede Seite in den Mainhangs.



Ich war in Dresden beim Aufbau dabei. Lustig war auch die Stromversorgung der Bühne, hinterm Stadion standen 2 Stück fette Diesel-Aggregate auf Trailer, beim Soundcheck kuckte dann die dicke schwarze Stange aus den Auspuffrohren...



Ich habe 60 Stück 400A Powerlock Kabel gezählt, macht theoretisch 5,5MW Anschlussleistung - wird sicherlich bei weitem nicht ausgereizt gewesen sein.

Nach meiner Info waren es knapp 200 Aufbauhelfer und 360 Abbauhelfer.