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Reger, Max - Der letzte Riese?

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 14. Okt 2005, 23:58


Paul Hindemith nannte Max Reger "den letzten Riesen". Strawinsky dagegen fand, der Mann sei genauso unansehnlich wie seine Musik ( wiewohl Strawinsky, Bildern nach zu urteilen, auch nicht gerade ein Adonis gewesen sein muß).

Was ist eure Meinung zu Reger? Meine Meinung zu Reger ist: Wohl doch ein ganz guter Komponist, aber einen richtigen Evergreen schreiben, das konnte er nicht. Und so schön seine Mozartvariationen auch sind, das beste daran ist nun mal das Thema von Mozart.

Gestern hörte ich Regers Mozartvariationen und romantische Suite ( eine CD von Aurophon, Bild nicht verfügbar, SWF Radioorchester mit Salonen und Zagrosek)

Dann habe ich noch eine CD mit der tschechischen Philharmonie mit den Hillervariationen ( mal aus Prag mitgebracht)

An sich muß ich sagen höre ich Reger ganz gerne. Seine Musik ist nicht beleidigend primitiv, sondern kann recht subtil sein. Irgendwie setzt er auch die Linie von Brahms fort, ist zweifellos ein Konservativer, wenn er auch in der Harmonik weitergeht. Das gefällt mir ganz gut.

Aber wiegesagt: Ich kenne kein Werk von ihm, das jene Eigenart hat, daß es wie ein Zeugnis aus ewigen Bezirken wirkt, einen Eindruck, den ich bei Mozart, Beethoven und Brahms immer hatte.

Was ich dann gelegentlich las, waren Aussagen wie: Regers Musik sei zu kompliziert und zu subtil, um populär zu sein. Das bezweifel ich ein bißchen. Sind denn Brahms und Mahler, Strawinsky und Bartok populärer, weil sie einen Massengeschmack bedienen?

Den Radioprogrammen nach zu urteilen, muß es um Reger doch gewaltig still geworden sein, mir ist er in den letzten Monaten da überhaupt nicht mehr über den Weg gelaufen. Was kennt ihr von Reger, was gefällt Euch ( zum Beispiel von der Orgelmusik, die auch mal sehr wichtig genommen wurde, aber irgendwie glaube ich auch heute nicht mehr viel gespielt wird. Oder doch?). Wie ich nun eben feststelle gab es schon mal einen Regerthread zur Orgelmusik, aber der ist dann ja etwas im Sande verlaufen.

Gruß Martin
Holger_S.
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 15. Okt 2005, 06:27
Hallo Martin,

"der letzte Riese"? Nun ja, mit solchen Übersteigerungen bin ich eher vorsichtig. Ich mag Regers Musik aber trotzdem sehr gerne und besitze eine ganze Reihe von Werken von ihm. Seine Böcklin-Suite op.128 habe ich auch mal im Konzert gehört, hat mir damals sehr gut gefallen. Ich habe auch schon zwei seiner Cellosuiten gespielt - und zwar mit großer Begeisterung. Hier bin ich aber genau auf das Vorurteil gestoßen, das du angesprochen und bezweifelt hast. Ich kann mich noch genau erinnern, dass in der Musikschule immer großes Entsetzen umging, wenn es in Zusammenhang mit einem Konzert hieß "Holger will wieder Reger spielen". Den meisten Leuten ist diese Musik offensichtlich wirklich zu kompliziert, sei es wegen der starken Chromatik oder wegen der oft nicht beim ersten Mal eingängigen Thematik. Die meisten Werke Regers setzen nun mal voraus, dass man aufmerksam zuhört und seinen Kopf anstrengt. Das ist den meisten Leuten zu unbequem. Zudem sind einige Werke auch zeitlich ziemlich ausgedehnt, Reger hat zum Beispiel eine 34-minütige Ouvertüre (den Sinfonischen Prolog zu einer Tragödie op.108) und ein fast einstündiges Violinkonzert geschrieben. Auch deswegen scheuen viele Menschen vor Reger zurück. Das ist schade! Aber es hat den Anschein, dass dies die gängige Meinung zu seiner Musik ist. Regers Schattendasein in Radioprogrammen und Konzerten hast du ja schon angesprochen. Mag sein, dass es daran liegt, dass er keinen "Evergreen" komponiert hat, was mich allerdings nicht besonders stört. Ich höre seine Musik jedenfalls nicht weniger gerne als die von Brahms. Seine Bedeutung sollte übrigens nicht unterschätzt werden: der von dir zitierte Paul Hindemith hat sich immer auf Reger berufen, und in der im Laaber-Verlag erschienenen Prokofjew-Biographie von Friedbert Streller weist der Autor ausdrücklich darauf hin, dass die Bekanntschaft mit Regers Musik für Prokofjew ein Schlüsselerlebnis war. Also: den letzten Riesen würde ich Reger nicht unbedingt nennen, zumal es auch nach Reger noch sehr bedeutende Komponisten gab. Wenn du aber die Frage stellen würdest: "Max Reger - ein großer Komponist?", so würde ich sie ohne Einschränkung mit "Ja" beantworten.

Viele Grüße, Holger
Uwe_Schoof
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 15. Okt 2005, 06:48
Hallo Martin,

darüber, dass auch einmal über Max Reger gesprochen wird, freue ich mich ganz besonders, bin ich doch ein großer Freund seiner Musik. Du hast natürlich Recht: Regers Musik ist nicht so populär; der Inhalt seiner Werke ist selten gebündelt in 15 Minuten Melodien, die dem Nachpfeifen gelten. Aber was für mich gerade daran wohltuend ist: ich werde die Musik nicht leid, sie nutzt sich nicht ab.

Ich höre besonders gern und oft die drei letzten Streichquartette - große Werke, in denen keine Spur von Kitsch, aber gleitender Schönheit zu finden ist. Mit gleitend meine ich, dass die Schömheit nicht darin besteht, ein romantisches Thema vorzustellen, dann eine langweilige Verarbeitung folgen zu lassen (während der man kurz in den Keller gehen kann, um seine Besorgungen zu machen) und sich danach auf die Wiederholung des schönen Themas freut. Nein, die Schönheit in obigen Werken besteht für mich im gleitenden Verlauf, in der Gesamtheit.

Zuviel der Rede, ich muss mich stoppen - vielleicht möchte ich die Möglichkeit ausnutzen, endlich einmal über Reger austauschen zu können.

Aber zu Schluss noch ein Vorschlag: Das herrliche(!!!) Klarinettnquintett, auf gleicher Höhe mit den Quintetten von Mozart und Brahms.

Jaja, ich höre schon auf zu schwärmen, gehe jetzt frühstücken und lege mir das Klarinettenquintett dabei auf.

Uwe
Kreisler_jun.
Inventar
#4 erstellt: 15. Okt 2005, 09:03
Ich versuche es mit Reger seit Jahren immer mal wieder, finde das meiste allerdings immer noch nicht wirklich der Zeit wert. Früher empfand ich die Mozart-Variationen als Vergewaltigung, inzwischen mag ich sie und finde sie sogar rührend. Man spürt, dass Reger einiges darum gegeben hätte, in einer Zeit zu leben, in der man so komponieren konnte wie Mozart.
Was mir sonst begegnete, finde ich auch nach wiederholten Versuchen unglaublich zäh, nicht zur weiteren Beschäftigung einladend, auch das vielgelobte Klarinettenquintett.
Ich werde es jedoch immer mal wieder versuchen, vielleicht fällt der Groschen ja noch.
Die historische Bedeutung von Reger scheint mir eher gering, jedenfalls nichts, was die Bezeichnung "Letzter Riese" rechtfertigen würde; es ist eben allerletzte Spätromantik, aber ohne wirkliche Anschlußfähigkeit für die Moderne (wie etwa Mahler) und verglichen mit R. Strauss für mich jedenfalls sinnlich unattraktiv. Strauss mag ich auch nicht besonders (von ein paar Stücken abgesehen), aber es klingt wenigstens, und fetzt ab und dazu..

viele Grüße

JK jr.
BirgitS
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 15. Okt 2005, 09:19
Hallo,

Reger wird ja gerne verglichen mit seinem Zeitgenossen Scriabin, um die Gegensätze herauszustellen; das Leben der zwei Komponisten war jeweils sehr kurz, die Daten fast identisch: Reger 1873-1916, Scriabin 1872-1915.
Bei Reger spricht man häufig von zeitloser, handwerklich vollendeter Kunst, bei Scriabin von emotionalen und revolutionären Geistesblitzen. Was sein Orgelwerk anbelangt, wird Reger als den großen Meistern dieser Gattung ebenbürtig bezeichnet. Da ich aber keine große Freundin der Orgelmusik bin, lernte ich diesen Komponisten mit seinen Werken für Violine und Klavier kennen, die ich sehr empfehlen kann. Das Label CPO hat das komplette Werk herausgebracht, ich besitze einige CDs dieser Reihe, zum Beispiel:



(Mit den zwei schwedischen Künstlern Ulf Wallin und Roland Pöntinen)

Ich höre Reger schon sehr gerne, würde ihn aber nicht zu meinen liebsten Komponisten zählen oder ihn als „Riesen“ bezeichnen. An weiteren Tipps wäre ich aber schon interessiert.

Viele Grüße, Birgit
HansimGlück
Neuling
#6 erstellt: 15. Okt 2005, 15:06
"Ich erinnere mich auch, Max Reger in diesen Jahren getroffen zu haben, ich glaube auf einer Probe. Ich fand ihn ebenso abstoßend wie seine Musik"
Igor Strawinsky

Hallo Martin,

ich kann Dir die Biografie von Rainer Cadenbach "Reger und seine Zeit" empfehlen. Ich hatte selbst das Vergnügen für meinen Radiobeitrag "Der schwankende Riese" mit Cadenbach ein Interview zu führen.
Auf meiner Homepage www.georgwassmuth.de kannst Du den Beitrag in der RadioArbeit finden. Die bei cpo erschienenen Violinen Sonaten op 1 & 84 mit Ulf Wallin und Roland Pöntinen möchte ich überhaupt nicht mehr in meiner Sammlung missen, aber er wird wohl immer auf ebenso große Abneigung wie Zuneigung stoßen.
Susanna
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 15. Okt 2005, 16:53
Hallo,

Reger ist inzwischen ein wenig in den Hintergrund gerückt, man hört ihn z. B. im ARD – Nachtkonzert, das ich gern einschalte, nicht mehr so häufig. Er muß ein Exzentriker gewesen sein, mit seinen Süchten und dem Hang zu „Herrenwitzen“ – jedenfalls könnte man die Sparte Anekdoten hier mit Reger füllen.

Wenn sich mir die Gelegenheit bietet, ein Kirchenkonzert mit Regerwerken zu besuchen, versäume ich es nicht. Mir gefallen seine Orgelwerke nämlich besonders gut, für mich kommt er da gleich nach oder sogar – in neuere Zeit versetzt – mit Bach. Das tolle „Ein feste Burg ist unser Gott“ oder „Wie schön leucht’ uns der Morgenstern“ oder seine Phantasie und Fuge über BACH, dann noch von Rose Kirn gespielt (ich hatte die Gelegenheit, diese Hamburger Organistin und Professorin zu hören) – großartig.

Ich finde, Reger gehört zu den Komponisten mit den meisten musikalischen Einfällen. In seinen Kompositionen herrscht strenge Disziplin und die Orgel behandelt er wie ein Orchester. Das ist vielleicht manchmal nicht ganz leicht zu konsumieren.

Von seinen Kammermusikwerken kennt der Normalverbraucher wie ich natürlich die Suite im alten Stil, dann kenne ich noch etwas näher das Klarinettenquintett. Bei mir fehlen natürlich nicht die groß verarbeiteten Mozartvariationen, die eigentlich in jede Klassiksammlung gehören.

Grüße,

Susanna
Martin2
Inventar
#8 erstellt: 15. Okt 2005, 17:29
Hallo,

vielen Dank für Eure schönen Beiträge. Freut mich, daß ich da ein interessantes Thema angestoßen habe.

Wie Susanna höre ich das ARD Nachtkonzert sehr gerne ( nehme mir einen Teil davon auf), aber Reger ist da in den letzen Monaten wirklich überhaupt nicht mehr aufgetaucht ( Brahms 1. Klavierkonzert glaube ich 4 mal, da kann man sich eine ganze Sammlung von anlegen). Vom Tagesprogramm des Radios wollen wir erst gar nicht reden. Und im Sinfoniekonzert ist er mir glaube ich noch überhaupt nicht über den Weg gelaufen.

Ich habe diesen Thread nun nicht als Regerianer anstoßen wollen, sondern als grundsätzlich interessierter, der wirklich nicht viel von Reger kennt. Reger ist ja glaube ich doch auch ein wenig umstritten. Aber das macht das Thema ja interessant und auch die Meinung derer, die Reger nicht gerne mögen, wie Kreisler Junior, interessiert mich doch sehr.

Die Biographie von Cadenbach, die Woglinde anspricht, kenne ich nun nicht, aber ich hatte neulich Gelegenheit in einer Rowohltmonographie von Reger in einem Antiquariat herumzublättern, wo ich übrigens auch die Zitate von Hindemith und Strawinsky her habe ( vielleicht habe ich den Strawinsky tatsächlich falsch zitiert). Ich glaube, die hole ich mir mal.

Mir geht es im Grunde so wie Kreisler Junior, daß ich gelegentlich mal was von Reger gehört habe, um es dann doch schnell wieder zu vergessen. Nur die Mozartvariationen kenne ich schon etwas länger.

Orgelstücke von Reger habe ich mit Sicherheit auch schon gehört ( zumal ich aus Lübeck komme, einer Stadt mit vielen schönen Kirchen und den dazu gehörigen Orgeln und Organisten). Aber irgendwie ist da nie etwas bei mir haften geblieben.

Vor kurzem ist mir Reger wieder über den Weg gelaufen, als ich die Schubertmonographie von Rowohlt las ( die ein ziemlicher Kitsch ist). Da war dann unter den Zeugnissen über Schubert ein Zitat von Reger ( ich zitiere aus dem Gedächtnis, hoffentlich richtig). Ja, der Schubert sei halt so ein "Naturbursche" gewesen, der hätte ja einen anspruchsvollen Text noch so einfach vertonen können, ohne sich dabei allzuviel zu denken, ihm, Reger, als modernen Menschen, käme es wie ein Sakrileg vor, da noch etwas hinzu fügen zu wollen. Diese Aussage Regers war mir ziemlich unsympathisch. Die Bezeichnung von Schubert als "Naturburschen" war wirklich so völlig daneben wie nur irgend was. Da schwang für mich die Überheblichkeit des "modernen Künstlers" ( als den sich Reger trotz seines Konservativismus doch wohl verstand) mit.

Gruß Martin
s.bummer
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 15. Okt 2005, 22:59
Hallo,
ich weiß nicht viel über Reger und kenne entsprechend wenig seiner Musik.
Doch sein Klavierkonzert halte ich in Ehren. Ich besitze sowohl die Aufnahme von Opitz/Stein als auch die ältere mit Serkin/Ormandy.
Beide sind sehr sehr schön, auch wenn ich den sensiblen 2. Satz lieber mit Serkin höre.
Ich kann dieses Konzert wirlich nur empfehlen.

Und ich bediene mich sehr gerne eines Bonmots Regers, der sinngemäß so geht:" Sehr geehrter Herr..., ich sitze hier auf einem stillen Ort und habe Ihre Kritik vor mir, gleich werde ich sie hinter mir haben."
Ich wandel das dann entsprechend ab.
Die Wirkung ist immer sehr gut.

Beste Grüße S.
Hörbert
Inventar
#10 erstellt: 30. Apr 2011, 07:21
^Hallo!

Ich weiß, dieser Beitrg von Martin2 ist uralt. Aber sonst gibt es hier überhaupt keinen über Reger.

Ist seine Musik hier wirklich so unbekannt oder unbliebt? Zumindestens sein Kammermsik- und Klavierwerk sollte doch in Teilen bekannt sein?

MFG Günther
arnaoutchot
Moderator
#11 erstellt: 30. Apr 2011, 10:33
Nö, tut mir leid, da muss ich passen. Auch wenn ich sonst eine einigermassen umfassende Klassiksammlung habe, Reger ist praktisch nicht vertreten. Diese neue Aufnahme des Klavierkonzerts von Hamelin fiel mir aus, gibt es schon Meinungen dazu (zum Konzert generell und zur Aufnahme von Hamelin) ? Das wäre vielleicht ein ganz guter Einstieg für mich.

jpc.de
op111
Moderator
#12 erstellt: 30. Apr 2011, 14:30

arnaoutchot schrieb:
Nö, tut mir leid, da muss ich passen. Auch wenn ich sonst eine einigermassen umfassende Klassiksammlung habe, Reger ist praktisch nicht vertreten.

Geht mir auch so.
Bisher habe ich Regers Musik eher als quälend langweilig empfunden und auf CD-Käufe verzichtet.

Eine Hamelin-CD lohnt sich m.E. meistens. Vielleicht schafft es Hamelin, Reger schmackhaft zu machen, sonst bleibt ja immer noch die phantastische Burleske des jungen Richard Strauss.
Hörbert
Inventar
#13 erstellt: 30. Apr 2011, 14:37
Hallo!

Vom Klavierkonzert kenne ich nur die alte Serkin/Ormandy Aufnahme (etwas verrauscht,flaches nicht shr dynamisches Klangbild aber ein sehr gute Interpretation) un die Korstick/Schirmer Interpretation die bei CPO erschienen ist und die ich sowohl von der Interpretation als auch klanglich
eigentlich uneingeschränkt empfehlen kann.

Das Klavierkonzert ist für dn Anfang allerdings ein recht großer Brocken, hier geht Reger den von Brahms mit dem 2.Klavierkonzert vorgezeichneten Weg auf seine weise zu Ende. Eigentlich könnte man das Werk auch als eine Symphonie mt obligatem Klavier bezeichen. Es ist eines der wenigen Klavierkonzerte ohne Kadenzen.

Auch Regers Violinkonzert OP. 101 verdient Beachtung, das Werk ist ein fast einstündiger Koloß. Die alte Aufnahme mit Blomstedt/Scherzer gibt es bei JPC für 9.90 Euro und ist sicher nicht schlechter als die fast doppelt so teuere Hauschild/Peinemann Aufnahme die ich allerdings nur aus dm Radio kenne.

Alledings ist Regers Domäne eher die Kammermusik, hier sollt nur eimal das herrliche Klaviertrio oder die beiden Klavierquartette angesprochen werden. Sie lohnen allemal ein Reinhören

MFG Günther
Kreisler_jun.
Inventar
#14 erstellt: 30. Apr 2011, 16:09
Ich habe in den letzten paar Wochen immer mal wieder Versuche mit Reger gestartet. Zugänglicher als das Klavier bzw. Violinkonzert finde ich z.B. die Suite mit Tondichtungen nach Gemälden von Böcklin, die "Serenade" und die "Romantische Suite". Die sind auch alle etwas
überschaubarer.

Etwas pointiert, klingt Reger oft wie eine Art "Über-Brahms". Konservativ, was äußere Form betrifft, sehr dicht, nur eben von Harmonik und Chromatik her spätestromantisch/frühmodern. Ich finde das weitgehend schwer zugänglich, zumal gegen Reger der späte Beethoven oder Brahms wie ein Strauß bunter Melodien wirken. Und ich bin seit langer Zeit ein Freund von Beethovens und Brahms' Kammermusik.
Seine Motive sind für mich oft unmelodisch, wenig prägnant.

Heute habe ich (allerdings leider nicht durchgehend konzentriert) vier Kammermusikwerke gehört: Klavierquartett d-moll, Trio f. 2 Vl und Va. (eigentlich eine Flöte) auf MDG
mit dem Mannheimer Streichquartett und Klarinettenquintett und Streichsextett mit Meyer/Wiener Sextett (EMI)

Am besten davon haben mir das Trio, ein bewusst "leichtes" klassizistisches Werk und das Sextett gefallen. Das Klavierquartett ist so ein "Über-Brahms", länger als eine Dreiviertelstunde, expressiv, dicht, sperrig. Das Klarinettenquintett gilt als eines der zugänglichsten lyrischen Werke Regers. Ich höre das seit Jahren immer mal wieder an, eine Melodie daraus kann ich mir noch immer nicht merken. Das ist ein spießiger Einwand, ich weiß...

Aber, ganz anders als bei Brahms (oder Schostakowitsch, um einen moderneren zu nennen) komme ich mit der Musik emotional kaum in Kontakt. Ich werde es aber immer mal wieder versuchen. Das Violinkonzert fand ich einen schwer verdaulichen Brocken, aber von den anderen o.g. Orchesterwerken war ich positiv überrascht.

Ich fürchte, dass es vielen anderen Hörern ähnlich geht. Die heute am häufigsten gespielte Musik Regers ist vermutlich seine Orgel- und Chormusik. Dazu kann ich aber gar nichts sagen
Hörbert
Inventar
#15 erstellt: 30. Apr 2011, 17:00
Hallo!

@Kreisler_jun.

Zum Einstig in Regers Kammemusik würde ich dir das Klaviertrio e-moll Op.102 empfehlen, neben dem Klarinettenquintett eines seine eingängigsten Kammermusikwerke.

Oder aber das Streichquartett E-dur Op.109 .E. eines der eingängigsten Werke Regers überhaupt.

Reger sitzt tatsächlich -was seine Kompositionstechnik angeht oft "zwischen der Stühlen", in Prizip verbirgt er -wie auch Brahms seinerzeit- seine ihrerzeit durchaus hochmoderne Tonsprache hinter einer Konservativen Fassade.

Das Strechsextett hat eigentlich schon Dimensionen die den Rahmen eines Kammermusikwerkes sprengen, hier wäre m.E. ebensogut eine Orchestrale Form denkbar.

Beim Klarinettenquintett -das von Reger bewußt "Brahmsianisch" gehalten wurde-, scheiden sich seit jeher die Geister, es ist zwar einerseits "echter" Reger aber auch andererseits aber verhältnissmäßig "gemäßigt und lieblich", fern jener Formen die Reger in vielen seiner anderen Kammermusikwerken präferiert. Es gehört bei mir zu den Werken die ich am wenigsten schätzen kann, eventuell finde ich dazu noch einen tiefergehenden Zugang aber momentan steht es noch nicht auf der gleichen Stufe wie z.B. da großartige Streichquartett d-moll Op 74

MFG Günther
Hörbert
Inventar
#16 erstellt: 06. Mai 2011, 07:07
Hallo!

Hm, eine Disskussion über Reger ist hier wohl aussichtslos, da kann man gleich versuchen sich über Hans Werner Henze, Mauricio Kagel oder Peter Ruzika zu unterhalten.

Schade eigentlich.

@arnaoutchot , @op111, @Kreisler_jun.

Danke für eure Mühe.

Ich geb´s auf.

MFG Günther
Kings.Singer
Inventar
#17 erstellt: 06. Mai 2011, 21:33
Hi.

Ich möchte gerne auf dieses hochinteressante Video verweisen, in dem ein Organist namens Stewens über die Tempofrage bei Reger referiert.

Das Video ist im Rahmen der Einspielungen in der Thomaskirche in Leipzig beim Label Motette entstanden.

"The Straube Code"
http://www.youtube.com/watch?v=LyqkYIXB_Yg

Im Zuge der Beschäftigung mit dem Video fand ich auch folgenden 6seitgen Aufsatz sehr interessant (wenngleich ich in der Thematik nicht bewandert bin und daher nichts über den definitiven wissenschaftlichen Gehalt des Aufsatzes sagen kann):
http://www.stickan.org/images/Reger-Essay-DS.pdf

Viele Grüße,
Alexander.

P.S. Zu ausführlicheren Postings fehlt mir momenan leider mal wieder die Zeit.


[Beitrag von Kings.Singer am 06. Mai 2011, 21:48 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#18 erstellt: 17. Mai 2011, 19:45
Die gerade mal zwei Jahre alte Einspielung des Klavierkonzerts mit Korstick gibt es jetzt schon für 7,99. Also wer vielleicht nochmal einen Versuch wagen will (allerdings dürfte die Kopplung mit der Burleske bei hyperion für die meisten wohl attraktiver sein als Busonis Bearbeitung (soweit ich nach den Schnipseln höre, vermutlich nur den Klavierpart betreffend) des Bachschen d-moll KK)

jpc.de

@Günther: Kennst Du zufällig sowohl die cpo-Einspielung der Streichquartette als auch etwas von den neueren MDGs mit dem Mannheimer SQ? Die Beispiele der älteren Box sind mies, das dürfte aber nicht an der Aufnahme, sondern an den mp3-Schnipseln liegen. MDG ist normalerweise natürlich richtig gut, allerdings kostet eine CD mehr als die cpo-Box...
Hörbert
Inventar
#19 erstellt: 18. Mai 2011, 15:14
Hallo!

Du meinst sicher diese?

jpc.de

Nein, die kenne ich leider (noch) nicht, sehr wohl aber das Berner Streichquartett von anderen Aufnahmen her, das wird wohl eine meiner nächsten Erwerbungen in Sachen Reger, auf die Interpretation bin ich schon mal gespannt.

Offenbar gibt es die von mir aktuell bevorzugten älteren Aufnahmen mit dem Drolc-Ouartett z.Z. nicht auf dem Markt, die ist mir eientlich immer eine Empfehlung wert gewesen.

Ist der Zyklus mit den Mannheimern eigentlich schon vollzählig? Ich vermisse immer noch Op. 74, das ist für mich immer der Prüfstein für eine Reger-Interpretation, das Werk ist relativ schwer verständlich sowohl für Interpreten als auch für Zuhörer aber richtig präsentiert für mich einer der absoluten Höhepunkte der Streichquartettliteratur überhaupt.

Ach ja, eine Interpretation des Klaviertrios die ich uneingeschränkt empfehlen könnte wäre diese:

http://www.jpc.de/jp...-op-102/hnum/5198211



MFG Günther
Hüb'
Moderator
#20 erstellt: 18. Mai 2011, 15:20
Zumindest auf dem Amazon-Marktplatz ist die alte DG-Einspielung zu haben: http://www.amazon.de...id=1305731970&sr=8-1
Kreisler_jun.
Inventar
#21 erstellt: 18. Mai 2011, 15:37
Ja, die Drolc-Aufnahme habe ich gestern abend später auch noch gefunden. Preislich ist das Berner Quartett freilich kaum zu schlagen; ich vermute auch, dass der Klang ordentlich sein wird, ungeachtet der Schnipsel.

Es kann sein, dass die Reihe der Mannheimer noch nicht komplett ist, aber jedenfalls gibt es die beiden letzten Quartette 109 und 121 auf einer CD.

Anderswo habe ich noch Empfehlungen für die Kopplungen von Klarinettenquintett und op.109 Es-Dur mit Leister/Vogler Q. und Fuchs/Philharmonia Berlin gefunden. Allerdings habe ich das Klar.quintett ja schon.

Einen recht guten Eindruck machten auf mich die Schnipsel dieser beiden, davon werde ich mir sicher eine demnächst mal mitbestellen:

jpc.de jpc.de
Hörbert
Inventar
#22 erstellt: 18. Mai 2011, 19:35
Hallo!

Die Aufnahme mit Op. 77b und Op.113 habe ich hier, insgesamt eine recht gute Interpretation die meinen Vergleichsaufnahmen aus dieser Gesamtaufnahme

jpc.de

In keiner Weisse unterlegen sind. Die CD mit Op.133 und Op.141b werde ich mir früher oder später wohl auch noch zulegen.

Leider scheint es auch die ältere Koch/Schwann CD mit Op.109 und Op. 121 in der Interpretation des Joachim-Quartetts nicht mehr neu zu geben. Das war ebenfalls eine bemerkenswerte Aufnahme.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 18. Mai 2011, 19:35 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#23 erstellt: 09. Jan 2012, 19:42
Ich habe diesen Thread noch mal mit Interesse gelesen. Am Anfang dieses Threads waren ja noch ein paar veritable Regerianer dabei. Von diesen scheint nur noch Günther übrig geblieben zu sein.

Seis drum. Speziell auch durch das Hören der Regerschen Streichquartette und noch spezieller durch dieses phantastische Streichquartett Opus 74 ist bei mir die Regerleidenschaft erwacht. Interessant, daß es offensichtlich sogar ein paar Naxosscheiben gibt, die gut sind, auch CPO ist häufig nicht teuer, und meine Regerdiskographie wird sicherlich noch anwachsen.

Ein bißchen liebäugeln tue ich mit dieser Box:

jpc.de

Die ist wirklich sehr günstig, das Klavierkonzert in dieser Box soll allerdings schlecht sein und da werde ich mir dann eventuell die CPO Aufnahme holen, die, wie Günther sagt, auch nicht schlecht ist. Der Serkin ist vergriffen, allerdings gibt es ihn eventuell noch in irgendeiner Box.

Beim Durchlesen dieses Threads ist mir wieder klar geworden, daß ich, als ich diesen Thread erstellte noch von falschen Klischees ausging, etwa dem von Reger als Spätromantiker. Aber ich finde ihn inzwischen, auch durch das Hören der Streichquartette, erstaunlich modern.

Was mir beim Hören des Opus 74 klar geworden ist: Reger hat sehr viel geschrieben, was aber nicht heißt, das diese Werke oberflächlich sind. Man muß sie teilweise vermutlich analysieren, um erst die richtige Freude an ihnen zu haben. Es kann also sein, daß man ein Werk von Reger hört, daß dieser in wenigen Tagen schrieb und man selber braucht Wochen, nur um es halbwegs zu verstehen. Mit der Absurdität einer solchen Tatsache muß man eventuell rechnen.

Reger ist jedenfalls interessant und meine Haltung ihm gegenüber ist nicht mehr so aufgeschlossen skeptisch lau, wie sie vielleicht mal war.

Gruß Martin
Frank1970
Stammgast
#24 erstellt: 09. Jan 2012, 23:01
Hallo Martin,

auch ich bin noch ein Fan so mancher Reger-Werke - komme aber halt nicht so viel zum Schreiben hier. Du hast mich jetzt gerade aus der Reserve gelockt!

Martin2 schrieb:
...das Klavierkonzert in dieser Box soll allerdings schlecht sein und da werde ich mir dann eventuell die CPO Aufnahme holen, die, wie Günther sagt, auch nicht schlecht ist. Der Serkin ist vergriffen, allerdings gibt es ihn eventuell noch in irgendeiner Box.


Ja, und zwar in dieser hier:
amazon.de
Selbst bin ich allerdings noch nicht so richtig warm geworden mit diesem Werk, obwohl ich auch noch die Oppitz und die Korstick Aufnahme habe. Müsste ich alle noch mal hören...

Der Reger, den ich liebe, findet sich z.B. in den Cellosonaten und in den Klavierwerken.

Sehr gut und momentan noch günstig zu bekommen sind folgende Aufnahmen:
jpc.de amazon.de

Bei den Klavierwerken ist Markus Becker toll:
jpc.de

Natürlich sind bei der Box mit allen Klavierwerken auch ein paar schwächere Werke dabei - aber schon rein finanziell lohnt sich der Kauf der Einzel-CDs nicht wirklich...

Viele Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#25 erstellt: 10. Jan 2012, 01:16
Hallo Frank,

danke für Deine Hinweise. Nun ja, ich will es langsam angehen lassen. Nur weil mir Regers Streichquartett Opus 74 so gut gefällt, muß ich jetzt nicht Berge an Reger CDs anhäufen. Es könnte sich ja heraus stellen, daß auf längere Sicht der Reger doch nicht so mein Typ ist und dann sitze ich da mit den ganzen CDs.

Reger hat eben auch Unmengen von Musik komponiert und nicht alles davon wird gut sein. Aber am Ende vielleicht doch mehr, als man so denkt. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob ich wirklich diese Berlin Classics Box brauche. Vielleicht doch lieber mal die eine oder andere CD mitbestellen, zum Beispiel mal die Cellosonaten oder das Klavierkonzert von CPO. Hält mein Enthusiasmus für Reger, kann ich die Sammlung später immer noch ausbauen. Im moment kenne ich nicht einmal die Streichquartette vernünftig.

Gruß Martin
Kreisler_jun.
Inventar
#26 erstellt: 10. Jan 2012, 10:39
Die Berlin Classics Aufnahmen sind (ggf. mit etwas Suchen) auch einzeln nicht allzu teuer erhältlich. Ebenso habe ich mir von Marketplace-Anbietern zwei CDs der Becker-Reihe (mit den Telemann bzw. Bach-Variationen) angeschafft. Die Klaviermusik, konkret die Variationen (besonders die Telemann) sind in meinen Ohren sehr viel zugänglicher als die meiste Kammer- und Orchestermusik. Zwar auch wieder Brahms-nah (ein Vergleich mit dessen Händel-Var. drängt sich auf), aber durchaus locker und humorvoll.
Hörbert
Inventar
#27 erstellt: 10. Jan 2012, 11:07
Hallo!

Selbst ich habe Jahrelang gezögert mir die gesamte Kammermusik und das Klavierwerk von Reger zuzulegen, -das sind immerhin zusammen 36 CD´s wenn man sich auch noch die Beethoven-Variationen Op.86 nicht verkneifen will-.

Wenn ich nicht schon einen großen Teil von Regers Orchesterwerken hätte wäre die Box mit den Orchesterweken sicher ein Thema, aber ausser dem "Konzert im alten Stil" und den für Orchester gesetzten Beethoven-Variationen op. 86 gibt es da kein Werk das nicht schon bei mir im Regal steht.

Günstigerweise befinden sich beide Werke auf einer CD, ich werde sie wohl mal zusammen bestellen.

MFG Günther
Joachim49
Inventar
#28 erstellt: 10. Jan 2012, 12:27
Ich sass übrigens einmal in der Gaststätte, die Reger in Meiningen frequentierte. Reger war ja Dirigent der berühmten Meininger Hofkapelle. Leider war der 'Regertisch' schon besetzt. Hinter ihm befindet sich heute (wenn ich mich recht erinnere) ein Relief mit dem Haupt des Dirigenten und einige Briefe und Postkarten des Dirigenten (ich glaube in Sütterlinschrift). Reger hat ja gewiss erheblich zum Umsatz der Kneipe beigetragen.
Freundliche Grüsse
Joachim
(Wer mal in der Nähe ist, sollte ohnehin Meiningen einen Besuch abstatten)
Martin2
Inventar
#29 erstellt: 11. Jan 2012, 00:06
So ich habe heute als Ergänzung zum Tschaikovski noch mal zwei Reger CDs bestellt. Das Klavierkonzert und zwei Cellosonaten vom Label CPO. Ich bin im allgemeinen - wie man ja weiß - ein großer Freund großer Boxen, aber im Falle Reger taste ich mich etwas vorsichtiger ran.

Noch weiß ich nämlich nicht, welchen Stellenwert Reger für mich noch bekommt. Mit der Serkinbox habe ich geliebäugelt, aber ich habe schon soviel Klavierkonzertaufnahmen in meiner Sammlung. Allerdings ist die Box erschwinglich, wenn man über Amazon Marketplace bestellt, aber dann kam sie aus den USA. Deshalb habe ich mich für Korstick entschieden.

Die Berlin Classicsbox mit Orchesterwerken bestelle ich mir eventuell irgendwann mal, im moment habe ich genug Reger.

Gruß Martin
Hörbert
Inventar
#30 erstellt: 11. Jan 2012, 07:14
Hallo!

Ja, Reger sollte man langsam angehen, man kann ihn nicht zwischen Tür und Angel hören, aber das wäre bei einem großen Schwung auf einmal unvermeidlich.

Ich kannte den größten Teil seines Kammermusikwerkes und seines Klavierwerkes schon bevor ich mich entschlossen habe mir diese beiden Editionen zuzulegen:

jpc.de

jpc.de

Das Orgelwerk habe ich bis heute nicht.

Zwar ist geplant mir zumindestens noch einen Teil davon zuzulegen aber das ist Zukunftsmusik.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#31 erstellt: 11. Jan 2012, 09:39
Hallo Günther,

ja durchaus möglich, daß diese Editionen irgendwann auch bei mir stehen. Gestern habe ich mal wieder die romantische Suite gehört, schon schöne Musik mit impressionistischem Einschlag, speziell im ersten Satz. Die Interpretation ist aber nicht so knackig wie sie sein könnte - da müßte mehr heraus zu holen sein. Habe Zagrozek mit dem SWR.

Die Streichquartette sind jedenfalls bisher super. Da denke ich doch: Ich habe Reger bisher unterschätzt. Mittlerweile finde ich ihn recht spannend. Und dabei völlig wandlungsfähig. Dieses beinahe Brucknersche Opus 74, dann das Opus 109, das fast nach Vaughan Williams klingt, die romantische Suite, die teilweise fast nach Debussy klingt, die Opus 54,2, die fast auf Prokoview hin deuten, die Mozartvariationen sind wieder etwas völlig anderes. So gesehen habe ich bei Reger das Gefühl, daß der eigentliche Mann überhaupt noch nicht zu greifen ist. Irgendwie scheint mir Reger stilistisch verspielt zu sein. Während andere erbittert um ihren Individualstil gerungen haben, erfindet Reger die Musik irgendwie ständig neu. Aber das ist wiegesagt sehr spannend. Diese Universalität hat für mich etwas durchaus Barockes, mit dem Unterschied, daß Reger in einer stilistischen Umbruchsphase lebte, die disperateste Musik beinhaltete, die einen "Universalstil" eigentlich unmöglich macht, aber irgendwie schafft es Reger trotzdem, unheimlich viel in sich zu vereinen, Moderne und Konservativismus, Musikantentum und chromatisches Melos.

Also ich denke, Reger hat sich vermutlich keine Sekunde Gedanken um irgendeinen "Indivdualstil" gemacht, aber er hat dieses Entwaffnende, immer das zu machen, wozu er Lust hatte und das hat Charme und irgendwie schimmert der Reger natürlich trotzdem bei allem durch. Und wenn zum Beispiel diese romantische Suite mal nach Debussy klingt, aber eben nicht durchgehend, dann ist dieser Reger auch nur so etwas wie ein Orgelspieler, der auch stilistisch gewissermaßen alle Register zieht. Also irgendwie hat das schon was von Schnittkes Polystilistik. Das erinnert mich wieder an eine Diskussion, die wir mal um moderne Musik hatten und die um "Geschmack" ging und wo jemand dann sinngemäßt sagte, Geschmack sei so etwas wie das Vorurteil des Spießbürgers. Und ich finde Regers Musik nun alles andere als "geschmacklos", aber auch keinesfalls ängstlich, wenn es um Fragen des Geschmacks geht und das macht diese Musik teilweise so vital.

Das sind so ein paar Gedanken von mir, die auch völlig falsch sein können. Mich fesselt der Mann momentan, er ist doch eine ganz eigenartige Gestalt.

Gruß Martin
arnaoutchot
Moderator
#32 erstellt: 11. Jan 2012, 10:28

Kreisler_jun. schrieb:
Die gerade mal zwei Jahre alte Einspielung des Klavierkonzerts mit Korstick gibt es jetzt schon für 7,99. Also wer vielleicht nochmal einen Versuch wagen will (allerdings dürfte die Kopplung mit der Burleske bei hyperion für die meisten wohl attraktiver sein als Busonis Bearbeitung des Bachschen d-moll KK)

jpc.de


Diese Gelegenheit werde ich bei meiner nächsten Bestellung bei jpc mal nutzen und mich ebenfalls in den Kreis der Reger-Neulinge einreihen ...
Hörbert
Inventar
#33 erstellt: 12. Jan 2012, 14:53
Hallo!

@arnaoutchot

Da würde ich mir an deiner Stelle doh noch noch gleich das Violinkonzert Op.101 in dieser Interpretation mitbestellen:

jpc.de

Im direkten Vergleich mit der ebenfalls noch erhältlichen Aufnahme mit Hauschild/Peinemann ziehe ich diese Interpretation klar vor, die neue Aufnahme mit Becker-Bender/Zagrosek kenne ich noch nicht.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#34 erstellt: 12. Jan 2012, 15:34
Hallo Günther,

ist diese Einspielung des Violinkonzertes nicht in der großen Berlin Classicsbox dabei? Scherzer wird hier genannt, also ist das ja wahrscheinlich dieselbe Aufnahme. Deshalb habe ich mir das Violinkonzert auch bisher geschenkt, weil ich den Erwerb der großen Box auf längere Sicht ohnehin plane. Nur das Klavierkonzert habe ich mir mal gegönnt, weil die Aufnahme in der Berlin Classicsbox eh scheiße sein soll.

Gruß Martin
arnaoutchot
Moderator
#35 erstellt: 12. Jan 2012, 16:35

Martin2 schrieb:
... weil die Aufnahme in der Berlin Classicsbox eh scheiße sein soll.


was is denn das hier für eine vulgäre Sprache ...

Ich hör mir mal das Klavierkonzert an, ist schon bestellt, dann sehen wir weiter. Das VK ist schon ein Brocken mit fast 1 Stunde Spielzeit !

Edit: Die neue Aufnahme des VK schaut reizvoll aus. Ich bestelle lieber die. DDR-Aufnahmen aus den frühen 80ern wie bei Scherzer müssen kein audiophiler Hochgenuss sein , ausserdem gibt's bei Hyperion noch die Violinromanzen on top. 30 Jahre Rezeptionsgeschichte weiter sind sicherlich auch kein Schaden. Spricht was dagegen ?

jpc.de


[Beitrag von arnaoutchot am 12. Jan 2012, 17:05 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#36 erstellt: 12. Jan 2012, 17:04
Hallo Michael,

vulgäre Srache? Na aus diesem Grunde bin ich doch hier, weil diese Sprache hier hochmoderatorlich genehmigt ist.

Von Reger selbst gibt es ja dieses berühmte Zitat, das ich sinngemäß aus dem Gedächtnis zitiere:

Sehr geehrter Herr Kritiker,
ich sitze hier an einem stillen Ort und habe ihre Kritik vor mir. Bald werde ich sie hinter mir haben.

Ihr Max Reger

War damals das Toilettenpapier eigentlich schon erfunden?

Gruß Martin
arnaoutchot
Moderator
#37 erstellt: 12. Jan 2012, 17:28
Nein, war nur Spass. Ich finde den Ton hier oftmals viel zu betulich, wir sollten öfters mal auf die Kacke hauen
AladdinWunderlampe
Stammgast
#38 erstellt: 12. Jan 2012, 21:35

Martin2 schrieb:

War damals das Toilettenpapier eigentlich schon erfunden?


Immerhin soll doch (wenn wir schon bei Anekdoten sind) Gustav Mahler das Hauptthema seiner 8. Symphonie auf Toilettenpapier notiert haben...
Hörbert
Inventar
#39 erstellt: 12. Jan 2012, 21:37
Hallo!

@arnaoutchot

Die Hyperion-Aufnahme ist halt noch nicht auf dem Markt, ich werde sie mir wohl zu gegebener Zeit zulegen, bislange ist die alte DDR-Aufnahme mir noch die liebste von den drei mir zu verfügung stehenden (Lautenbacher/Wich SO Berlin, Peinemann/Hauschild Stuttgart PO sind die beiden anderen)

Hier suche ich immer noch nach einer Aufnahme die mich völlig zufriedenstellt, die alte DDR-Interpretation kommt dem was ich mir vorstelle bislange noch am Nächsten.

@Martin2

Ja, die Aufnahme ist in der Box mit drin, m.E. sind die Dresdner Aufnahmen durch die Bank recht ordentlich, das Orchester durfte auch als eines der wenigen Weltweit überhaupt einiges an Reger-Aufführungspraxis gehabt haben.

MFG Günther
arnaoutchot
Moderator
#40 erstellt: 12. Jan 2012, 21:38
Na, dann muss es ja so was wie Klopepier gegeben haben. Hallo Aladdin, auch mal wieder da
Kreisler_jun.
Inventar
#41 erstellt: 12. Jan 2012, 23:08
Es gab noch eine Reger-Reihe bei koch/schwann. Weitgehend vergriffen, allerdings habe ich letztes Jahr drei CDs daraus günstig erwischt. Das Violinkonzert wird hier von Walter Forchert gespielt, mit dem Bamberger Symphonikern unter Horst Stein, aufg. 1991 Koproduktion mit dem BR. Aber ich habe es höchstens zwei oder dreimal gehört, was auch schon wieder Monate zurückliegt und ich kenne keine andere.

(eine andere CD aus der Reihe)

amazon.de

Es ist schon ziemlich eigenartig, dass nur wenige Musiker sich nachdrücklich für Reger einsetzen. Die Buschs und Rudolf Serkin waren seinerzeit unter den prominentesten und Peter Serkin spielt sowohl das Klavierkonzert als auch Soloklavierwerke Regers. Es scheinen allerdings keine CD-Aufnahmen Peters Serkins mit Reger erhältlich zu sein (wenn es welche gibt).

Anscheinend liegen die meisten Werke ja in soliden bis sehr guten Einspielungen vor. Aber erstaunlich, dass verglichen mit zB Skrjabin oder inzwischen vielleicht sogar Zemlinsky oder erst recht der 2. Wiener Schule so wenige der bekanntesten Interpreten Reger aufs Programm setzen.
arnaoutchot
Moderator
#42 erstellt: 12. Jan 2012, 23:10

Kreisler_jun. schrieb:
Aber erstaunlich, dass verglichen mit zB Skrjabin oder inzwischen vielleicht sogar Zemlinsky oder erst recht der 2. Wiener Schule so wenige der bekanntesten Interpreten Reger aufs Programm setzen.


Das finde ich auch merkwürdig und ich werde es mir mal anhand der nun bestellten CDs des KK und des VK überlegen, woran das liegen könnte.
Frank1970
Stammgast
#43 erstellt: 13. Jan 2012, 00:00
Für alle an Reger interessierten ist die aktuelle portofrei Aktion bei JPC auch eine gute Gelegenheit die folgenden zwei CDs für je 2,99 Euro zu erwerben.

jpc.de jpc.de

Viele Grüße
Frank
Hörbert
Inventar
#44 erstellt: 13. Jan 2012, 09:52
Hallo!

Regers Musik ist halt recht komplex und seine Werke laden nicht unbedingt zum Mitpfeifen ein, das -hat er mit einem Großteil der Werke der Wiener Schule gemeinsam-.

Allerdings sind Schöbergs, Bergs und Weberns Werke aufgrund ihrer Bedeutung für die Musik in der zweiten Hälft es 20. Jahunderts Meilensteine die man nicht so einfach übergehen kann.

Regers Werk hingegen hat nur indirekte Auswirkung auf die Musikgeschichte gehabt und er wurde allzulange als schwülstiger Spätromantiker abgetan, noch in den 70ger Jahren leistete das Label Da Camera Magna Pionierarbeit mit einer erstmaligen kompletten Schallplatten-Ausgabe von Regers Kammermusik, seiner Orgelwerke und eines Teiles seiner Orchesterwerke.

Seitdem ist zwar Reger nicht mehr aus den Angebotsregalen verschwunden aber doch spärlich vertreten, ein Interpret tut sich wahrscheinlich keinen Gefallen damit ausgerechnet Reger zu spielen, ausser einem kleinen Kreis von Kennern interessiert das wahrscheinlich niemanden.

MFG Günther
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#45 erstellt: 13. Jan 2012, 11:59

Hörbert schrieb:
Regers Werk (...) hat nur indirekte Auswirkung auf die Musikgeschichte gehabt und er wurde allzulange als schwülstiger Spätromantiker abgetan, noch in den 70ger Jahren leistete das Label Da Camera Magna Pionierarbeit mit einer erstmaligen kompletten Schallplatten-Ausgabe von Regers Kammermusik, seiner Orgelwerke und eines Teiles seiner Orchesterwerke.

Seitdem ist zwar Reger nicht mehr aus den Angebotsregalen verschwunden aber doch spärlich vertreten, ein Interpret tut sich wahrscheinlich keinen Gefallen damit ausgerechnet Reger zu spielen, ausser einem kleinen Kreis von Kennern interessiert das wahrscheinlich niemanden.

Diese Beobachtung mag für den Bereich des Konzertsaales stimmen. Hinsichtlich seiner Bedeutung für die Kirchenmusik allgemein und hier speziell für die deutsche (und österreichische) Orgelmusik steht Reger ziemlich einsam an der Spitze. Kaum ein Konzertprogramm mit deutscher Orgelromantik kommt ohne seinen Namen aus. Da reichen weder Wegbereiter wie Liszt, Brahms oder Rheinberger heran noch Zeitgenossen bzw. Nachfolger wie Karg-Elert oder Kaminski, für den österreichischen Raum wären Bruckner, Franz Schmidt und Robert Fuchs zu nennen. Nach meiner Beobachtung hat sich im Orgelmusikbereich die Reger-Tradition seit den 70er-Jahren zunehmend gefestigt. Und es ist auch für den "Mainstream"-Konzertbesucher lohnend, sich neben seiner Klavier- und Kammermusik auch einmal mit Regers vermeintlichen Nischen-Produkten, dem Orgelmusikschaffen, zu beschäftigen, z.B.:

- Fanatasie über B-A-C-H op. 46
- Introduktion und Passacaglia o.op. (1899)
- Symphonische Fantasie und Fuge op. 57
- 12 Stücke op. 59
- d-moll-Sonate II op. 60
- fis-moll-Variationen op. 73
- 3 Choralfantasien op. 27, 40/1, 52/2

Einer der bedeutendsten Reger-Interpreten in einer empfehlenswerten Aufnahme: Heinz Wunderlich an der Sauer-Orgel des Berliner Doms

jpc.de

Und eine weitere, empfehlenswerte Orgel-CD mit dem jungen holländischen Reger-Spezialisten Henrico Stewen an der Sauer-Orgel der Thomaskirche in Leipzig.

jpc.de


Gruß, Kaddel
Wilke
Inventar
#46 erstellt: 13. Jan 2012, 14:05
Ich kannte Max Reger n u r als Komponisten für Orgelmusik.

gruß Wilke
Hörbert
Inventar
#47 erstellt: 13. Jan 2012, 18:43
Hallo!

Das Orgelwerk Max Regers liegt zum größten Teil noch vor mir, geplant ist zu gegebener Zeit mir diese Edition zuzulegen.

jpc.de

Zur Zeit beschäftige ich mich gerade ohnehin mit den "Neudeutschen" zwischen Thuille und von Klenau nebst Hans Pfitzner.

Bei Orgelwerken bin ich gerade noch mit den erhältlichen Werken von Johann Nepomuk David beschäftigt.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#48 erstellt: 13. Jan 2012, 21:20
Bei mir ist das Klavierkonzert heute eingetrudelt und ich habe es auch gleich gehört. Na ja, wenn ich es nicht besser wüßte würde ich sagen: Unheimlich gut gemacht, aber ohne wirkliche Inspiration. Dabei ist der erste Satz recht stimmungsvoll und auch der zweite hatte schöne Momente. Mir wäre es durchaus recht, wenn Günther oder Frank1970 zu diesem Klavierkonzert noch etwas sagen könnten, zum Beispiel was ihnen an ihm gefällt und worauf ich achten sollte. Höre es aber bald noch mal.

Gruß Martin
AladdinWunderlampe
Stammgast
#49 erstellt: 13. Jan 2012, 21:36
Lieber Günther,

zum Kennenlernen von Regers Orgelmusik würde ich persönlich Dir nicht unbedingt zu der Gesamteinspielung von Rosalinde Haas raten - auch wenn diese natürlich durchaus das eine oder andere Gelungene enthält: Die Frankfurter Albiez-Orgel, die sie für Ihre Aufnahmen ausgewählt hat, ist nicht unbedingt das am besten geeignete Instrument für diese Musik; und die teils extrem raschen Tempi, in denen sie - entgegen Regers einschlägigen Äußerungen sowie entsprechenden, die von Interpreten aus seinem engeren Umfeld überliefert sind - diese Werke spielt, führen in Verbindung mit dem Instrument und der eher trockenen Akustik der Kirche weniger zu dem wohl gewünschten "entschlackten" Klangbild als zum Eindruck einer gewissen Flüchtigkeit der Spielweise, bei der artikulatorische Schlampigkeiten gnadenlos zutage treten.

Davon abgesehen bin ich mir, obwohl ich nun wirklich ein großer Verehrer des Reger'schen Orgelwerks bin, auch nicht sicher, ob man wirklich jede Note kennen muss, die Reger je für Orgel geschrieben hat. (Aber ich bin bekanntlich sowieso kein großer Freund von Sammelboxen; mir sind Interpreten, die in kluger Auswahl diejenigen Werke überlegt wiedergeben, die sie wirklich schätzen, allemal lieber als Vollständigkeitsfanatiker.) Ich denke, man hat erstmal schon genug damit zu tun, die meist ziemlich umfangreichen Werke, die Kaddel aufgelistet hat, gut kennenzulernen - wobei ich persönlich die Liste noch um die 1. Sonate fis-Moll op. 33, die Fantasie und Fuge d-Moll op. 135b, die Monologe op. 63 und eventuell noch um das vielleicht etwas zu routiniert abgehandelte Tryptichon Introduction, Passacaglia und Fuge e-Moll op. 127 ergänzen würde.

Nur unterstreichen kann ich die Empfehlung Kaddels von Einspielungen mit Heinz Wunderlich, die in bewundernswerter Weise spieltechnische Souveränität, Transparenz und musikalische Gestaltungskraft verbinden. Ich habe dazu hier beziehungsweise hier bereits einiges geschrieben.

Ergänzend möchte ich noch auf eine neuere CD-Einspielung mit Reger'schen Orgelwerken hinweisen

Nun freut euch, liebe Christen: Weihnachtliche Orgelmusik von Max Reger
Harald Feller spielt an der Max-Reger Orgel St. Michael, Weiden
1 SACD, Oehms Classics OC 644
jpc.de

Umrahmt von den den beiden großangelegten Choral-Phantasien über Wachet auf, ruft uns die Stimme, op. 52/2 (meiner Meinung nach Regers großartigstes Werk dieser Gattung), und Wie schön leucht' uns der Morgenstern, op. 40, spielt Feller hier Musik für die Zeit vom Advent bis Epiphanias - darunter auch zahlreiche kleinere Werke - Choralbearbeitungen, Pastorales, Ave Marias. Gerade die kürzen, stets sehr atmosphärischen und klanglich wie harmonisch oftmals aparten Charakterstücke sind - insbesondere für diejenigen, die Orgelmusik ansonsten eher fernstehen - möglicherweise ein leichterer Einstieg als manches größere und gepanzerte Reger-Werk. (Und mit Opus 52,2, Opus 40 sowie den drei Orgelmess-Sätzen aus Opus 59 hat man auf einen Streich schon einen gewichtigen Teil von Kaddels Orgelempfehlungen abgearbeitet...)

Jedenfalls halte ich die Orgelmusik - im Guten wie im Schlechten - für einen ganz entscheidenden Teilbereich in Regers Schaffen - nicht nur, weil er in der allgemeinen Wahrnehmung seines Werkes wohl immer noch am präsentesten ist, sondern auch weil man gewisse Eigentümlichkeiten seiner Tonsprache auch im Bereich der Kammer- und Orchestermusik möglicherweise besser versteht, wenn man zumindest eine gewisse Verankerung seines Komponierens in organistischen Techniken und Praktiken erkennt.

Dazu gehört nicht nur seine Neigung zu (teils versteckten) Choralzitaten auch in nicht-geistlichen Chor- und Orchesterwerken (so im langsamen Satz des Klavierkonzerts oder - naheliegender - in seiner Vertonung von Friedrich Hebbels Gedicht "Requiem" für gemischten Chor, Bariton und Orchester, op. 144b), sondern vor allem auch ein gewisser improvisatorischer Gestus, der für manche vermeintliche "Irrationalitäten" seiner Werke (etwa die ausschweifende Exposition im Kopfsatz des Streichquartetts d-Moll op. 74) verantwortlich sein mag - ein Gestus, der im Rahmen von fantasie-artigen Werken beheimatet ist, in (zumindest äußerlich) sonaten-artig disponierten Werken wie Streichquartetten oder Konzerten aber zunächst irritierend wirken muss. Und gewissermaßen als Widerpart zu diesem musikalisch schweifenden Ansatz dürfte auch Regers gleichsam disziplierender Rückgriff auf barocke Figurationen sowie der demonstrative Einbezug von Fugen (mit deutlich neobarock orientierten Soggetti) aus diesem organistischen Moment seines Komponierens stammen.

Und zweifellos finden sich im Bereich der Orgelmusik einige von Regers besten Werken: Variationen und Fuge über ein Originalthema fis-Moll op. 73 etwa halte ich - noch vor den in jeder Hinsicht brillanten Hiller-, aber auch den Mozart- und Beethoven-Variationen (um von den ziemlich scholastischen Telemann-Variationen zu schweigen) - für Regers bestes Variationswerk überhaupt. Schon das melancholische Thema selbst ist - wenn man es in seinem vergleichsweise unregelmäßigen Bau einmal durchschaut hat - wunderbar; und die Gesamtform - mit der umfangreichen Introduktion, die dieses Thema aus improvisatorischen Ansätzen erst allmählich entstehen lässt, sowie mit der unschematischsten (und kürzesten) Fuge aller seiner Variationswerke - ist ebenso weiträumig wie übezeugend.

Aber nun genug der Schwärmerei,


herzliche Grüße
Aladdin


[Beitrag von AladdinWunderlampe am 14. Jan 2012, 12:16 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#50 erstellt: 14. Jan 2012, 12:08
Hallo!

Na bis ich mich schlußendlich dazu durchringe mir das Orgelwerk respektive einen Teil davon zuzulegen wird wohl noch etwas Wasser die Donau herabfließen.

Solange kann ich mir Reger auch bei den häufig stattfindenden Konzerte im Ulmer Münster zu gemüte führen. Hier sist Reger häufig vertreten und sogar Johann Nepomuk David und Karl Michael Komma sind neben Bengt Hambreus zuweilen zu hören.

Jedenfalls danke für den hinweis bezüglich Rosalinde Haas, ich werde meine Entscheidung da wohl noch einmal überdenken müssen.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#51 erstellt: 14. Jan 2012, 19:16
Als ich den Wikipediaartikel über Reger las, habe ich erfahren, daß es auch Reger selbst als Interpret seiner Werke auf Welte Mignon Rollen gibt und zwar sowohl für Klaviermusik als auch für Orgelmusik. Reger hat da so einiges eingespielt.

Habe dann bei Amazon "Reger Welte Mignon" eingegeben und hatte auch ein paar Treffer. Die CD "Reger spielt Reger" scheint aber vergriffen zu sein, ansonsten waren es mehr so Sampler und eine Tacet CD war leider sehr teuer. Schade!

Gruß Martin
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