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Aufbau einer Klassiksammlung mit grossen und berührenden Interpretationen

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Stammgast
#460 erstellt: 27. Nov 2012, 23:10

Martin2 schrieb:


........... und wahrscheinlich denken einige wieder angesichts meines Beitrages: Was schreibt der Martin nur wieder für einen Blödsinn ......

Gruß Martin



Nicht doch. Nie.


Martin2 schrieb:


........... aber es ist selbst im schlimmsten Falle allemal unterhaltsamer, als einfach nur eine CD hier rein zu posten.

Gruß Martin


Gewagte These. Mich interessiert im Zweifel ein schnödes Cover eines Klassik-Tonträgers deutlich mehr, als irgendwelches Klassenkampf-Geschwurbel.


Stefan
arnaoutchot
Moderator
#461 erstellt: 23. Dez 2012, 11:04
Nachdem der Karren bei Brahms wieder mal im Dreck steckt , draussen furchtbares Wetter ist (Regen bei 10 Grad) und ich Lust habe, bewege ich den Schieber in meinem CD-Regal mal wieder eine Hausnummer weiter. Benjamin Britten. Ein schwieriger Fall bei mir. Ich habe eine gute CD mit von ihm in den 60ern selbst dirigierten Hits (Young Person's Guide, Simple Symphony, Variations on a Theme of Frank Bridge), die ich sehr mag und die mir fast schon reicht. Das War Requiem finde ich - tut mir leid das sagen zu müssen - furchtbar. Und ja, ich hab die berühmte Aufnahme mit Vishnevskaya, Pears und Fischer-Dieskau (die klanglich übrigens wirklich exquisit ist). Sehr berührt haben mich die Aufnahmen der Oregon Symphony unter Carlos Kalmar mit der Sinfonia da Requiem und den Four Sea Interludes aus Peter Grimes. Das ist wirklich eindrucksvoll (auch klanglich). Wie steht's bei Euch mit Britten ?

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flutedevoix
Stammgast
#462 erstellt: 23. Dez 2012, 11:39
Ich gestehe, Britten ist auch nicht gerade einer meiner favorisierten Komponisten. Neben der von Dir schon genannten ersten CD empfehlen sich natürlich grundsätzlich alle vom Komponisten selbst vorgenommenen Einspielungen. Schließlich war in diesem Fall der Komponist auch ein sehr guter Interpret, seinen Aufnahmen ist also ein großese Maß an Authenzität zuzusprechen. Der Vollständigkeit halber hier noch das War Requiem und jahreszeitlich angepaßt a Ceremony of Carols.

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Intelligente Musik ist Brittens Oper "Peter Grimes". In ihr kristalliert sich aber auch mein generelles Problem mit vielen Werken Brittens: gut gemacht, interessant aber selten mir zu Herzen gehend. Ich habe oft den Eindruck, Britten ist sehr british, im Sinne des Vorurteils behafteten emotional Unterkühlten.
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Eine höchst aufschlußreiche CD, die Brittens gedankliche kompositorische Verwurzelung in der englischen Musik des 16. und 17. Jh. anschaulich werden läßt und zudem ausgezeichnet interpretiert ist:

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Eine erhellende und anrührende Zusammenstellung!


[Beitrag von flutedevoix am 23. Dez 2012, 11:52 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#463 erstellt: 23. Dez 2012, 12:34

Ich habe oft den Eindruck, Britten ist sehr british, im Sinne des Vorurteils behafteten emotional Unterkühlten.


@ flutedevoix

Es freut mich, dass Du Britten genauso wertest wie ich. Ich würde sogar so weit gehen, Brittens geschlechtliche Präferenz herauszuhören - bitte nicht ganz ernst nehmen und vor allem keine korrekte Keule ziehen, wie zur Zeit in einem anderen Forum gebräuchlich - was ich schreibe, ist rein subjektiv-deskriptiv. Ich mag diesen Stil. Ich empfinde Britten als emotional und als kühl, die Vermittlung dieser kühlen Emotionalität geschieht über eine höchste attraktive und unverwechselbare harmonisch-melodische Tonsprache. Ich denke, es sind die berühmten Quart-Wirkungen auf der Basis einer Dur-Tonalität, die diesen unterkühlt emotionalen Eindruck hervorrufen. Vielleicht kannst Du als professioneller Musiker das besser erklären.

Ich schätze die Einspielungen mit dem Dirigenten Britten sehr, außerdem ganz besonders die Streichquartette:

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Wolfgang


[Beitrag von WolfgangZ am 23. Dez 2012, 13:58 bearbeitet]
WolfgangZ
Inventar
#464 erstellt: 23. Dez 2012, 13:57
Wenn es um berührende (und wohl auch große) Aufnahmen gehen soll, möchte ich noch die folgenden nennen. Sehr gute Klangqualität und Authentizität dank zweier Freunde (des Freundes schlechthin und eines vermutlich platonischen) des Komponisten:
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Auch überzeugende Klangqualität!
Wolfgang
arnaoutchot
Moderator
#465 erstellt: 23. Dez 2012, 23:42
Ich denke, das kann man gut so stehen lassen: Wem Britten gefällt, der sollte sich auf jeden Fall die Interpretationen des Komponisten anhören, die gut erhältlich sind und in den meisten Fällen der Maßstab sein dürften.

Nächster: Max Bruch (Frantisek Xaver Brixi habe ich mangels stärkerer Berührung bei mir jetzt mal aussen vor gelassen). Bruchs bekanntestes Werk ist heute sicherlich das Violinkonzert No. 1, das ich sehr schön finde. Zwei Aufnahmen rangeln sich darum, den ersten Platz meines Herzens zu besetzen (Gott, wie schwülstig ... ): Heifetz' Living Stereo Aufnahme von 1962 und Vadim Gluzmans relativ neue Aufnahme auf BIS mit Andrew Litton. Aber auch die anderen beiden Violinkonzerte No. 2 & 3 und die drei Symphonien sind schön ...

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flutedevoix
Stammgast
#466 erstellt: 23. Dez 2012, 23:58
Hm, ja die Sinfonien. Lange nicht gehört, ich meine mich zu erinnern, daß die erste die beste war. In jedem Falle kann ich folgende Aufnahme empfehlen. Die Künstler spielen mit Herzblut und das Orchester klingt sehr "deutsch", also rund, warm und dunkel:
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Von besonderem Interesse nicht nur wegen der Besetzung scheint mir noch ein anderes Orchesterwerk Bruchs zu sein:
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Die Kombination von Klarinette und Viola als Soloinstrument ist exquisit. Ich persönlich finde es sehr bedauerlich, daß dies das einzige Konzert für diese Besetzung zu sein scheint. Bruch ist hier voll in seinem Element. Die Melodielinien sind wirklich ganz in die Eigenheiten dieser beiden Instrumente erfunden, nicht Virtuosentum steht im Vordergrund sondern ausdrucksstarkes Zusammenspiel und die Suche nach Klangwelten.
Diesen Herausforderungen werden die Interpreten gerecht. Allerdings würde ich mir einen Klarinettisten deutscher Schule wünschen. Der Klan ist mir manchmal zu leicht und hell. Das aber nur ein kleiner Einwand
flutedevoix
Stammgast
#467 erstellt: 24. Dez 2012, 00:12
Am berührendsten und ausdrucksstärksten fand ich Bruch aber in seinen kammermusikalischen Werken. Vor allem sein Klaviertrio hat es mir angetan. Hier muß er sich selbst. In den ganz großen wie Brahms nicht verstecken. Konzentrierte motivische Arbeit, gute Themen: ausgezeichnete romantische Kammermusik!
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Die Interpretation des Göbel-Trios ist gut, wenn auch nicht überragend. Dafür agieren die Künstler artikulatorisch und in der Klangfarben-Palette eine Spur zu eindimensional. Es lohnt sich aber in jedem Fall das Trio kennenzulernen.
arnaoutchot
Moderator
#468 erstellt: 24. Dez 2012, 11:00

flutedevoix schrieb:
Hm, ja die Sinfonien. Lange nicht gehört, ich meine mich zu erinnern, daß die erste die beste war. In jedem Falle kann ich folgende Aufnahme empfehlen.


Lieber Johannes, versteh das nachfolgende bitte absolut nicht falsch, aber für mich geht das oben Geschriebene schon wieder am Thema dieses Threads vorbei. Eine Aufnahme der Bruch-Symphonien, die Du lange nicht gehört hast und wo Du Dich zu erinnern meinst etc .... kann doch weder eine grosse noch eine besonders berührende Aufnahme sein ? Oder irre ich mich da und ich verstehe was nicht ? Wenn es Dir so geht wie mir, dass Du die Bruch-Symphonien zwar magst und gefällig findest, aber sie eben nicht zu Deinen Herzblut-Aufnahmen gehören, dann gehören sie bei exakter Auslegung der Threadüberschrift eigentlich hier nicht rein.

Wir müssen uns wirklich darauf einigen, ob wir nun hier enzyklopädisch das Gesamtwerk eines Komponisten abhandeln wollen mit den jeweils aus unserer Sicht besten Aufnahmen, dann wäre auch Dein Beitrag zu den Bruch-Symphonien völlig in Ordnung, oder ob wir wirklich nur die Aufnahmen herausstellen wollen, die wir wirklich berührend oder gross finden, wie bei Dir zB das Bruchsche Klaviertrio. Das wäre bei mir eben nur das 1. Violinkonzert. Ich persönlich habe zwar mit beiden Angangsweisen keine Probleme, aber dann müssten wir wohl das Verständnis in diesem Thread ändern.

Damit der "Karren" (um mein Wort von oben zu verwenden) nicht gleich wieder stecken bleibt, würde ich nun auch gar nicht so lange bei Britten oder Bruch verweilen, sondern zügig zu Anton Bruckner weitergehen. Welche Taktrate scheint der Allgemeinheit hier angemessen ?

Froohe Weihnachten an alle mit viel guter Musik ...
flutedevoix
Stammgast
#469 erstellt: 24. Dez 2012, 11:40
Du hast nicht ganz unrecht. Ich habe mich durch Deine Erwähnung der Sinfonien veranlaßt gesehen, wenigstens eine vernünftige Aufnahme zu erwähnen. Richtig ist, daß ich sie von mir aus nicht erwähnt hätte. Insofern war kein Posting inkonsequent. Habe übrigens gestern die erste Sinfonie in der Aufnahme noch einmal angehört. Die Interpretation ist wirklich gut, das Werk für einen Erstling auch.
Ganz anders als das von mir angeführte Konzert oder das Klaviertrio.
op111
Moderator
#470 erstellt: 24. Dez 2012, 12:12
Hallo zusammen,

berührend finde ich das Werk "Peter Grimes" und besonders die beeindruckende Darstellung der Hauptfigur durch den kanadischen Tenor Jon Vickers - dokumentiert z.B. in dieser Studioaufnahme

Benjamin Britten (1913–1976)
Peter Grimes op.33
Harper, Bainbridge, Cahill, Pashley, Allen, Vickers,
Covent Garden Orchestra & Chorus,
Sir Colin Davis
Decca, ADD, 1978
jpc.de

Vickers bringt m.E. mehr als der auch stimmlich schwächere Pears die Vielschichtigkeit des Charakters der Hauptperson zum Ausdruck. Das gewalttätige dieses Charakters kommt ebenso zur Geltung wie die entgegengesetzten durchaus widerstrebenden Gefühle. Kein jämmerliches sanftes Opfer - jemand, dem man so einiges, auch durchaus einen Mord zutrauen würde

Unterstützt wird er von einem scharf akzentuierendem Orchester unter der Leitung von Colin Davis.



[Beitrag von op111 am 24. Dez 2012, 12:42 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#471 erstellt: 24. Dez 2012, 12:18
Na gut, lasst uns locker weiter durch die Hose atmen, wie ein Freund von mir immer so schön sagt. Habe gerade etwas in diesem Thread zurückgeblättert, der ist schon verrückt. Einerseits wirklich tiefgründige Analysen besonders von Mike und Dir, Johannes, und dann immer wieder diese Abstürze.

Ich handele mir jetzt bestimmt Schelte ein, wenn ich einfach weitergehe, aber ich tue es ausschliesslich im Interesse des Gedanken, dass es zu schade ist, dass wir hier wieder steckenbleiben. Nachträge halte ich hier übrigens ohnehin für kein Thema.

Anton Bruckner. Und um gleich weiter kontrovers zu bleiben, sage ich dass man mit der Karajan-Gesamtaufnahme und einigen abrundenden Einzel-CDs (meist SACDs) gut leben kann. Den Celibidache-Zyklus (mit #3-9) und den Münchnern hab ich noch, aber da ist es sehr stimmungsabhängig, ob ich die teilweise Zeitlupentempi ertrage.

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Als Einzel-CDs vielleicht noch folgende Abrundungen: #4 Solti/Chicago Symphony Orchestra, immer noch meine Lieblingsaufnahme der 4. Die Aufnahme von Sinopoli mit der Dresdner Staatskapelle finde ich übrigens eine der schrecklichsten Bruckner-Interpretationen aller Zeiten ...

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#5 mit Harnoncourt und den Wienern fand ich inhaltlich und klanglich sehr gelungen, ebenso seine markante 9.

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Bei der #7 war der leichte und französische Angang von Herreweghe mit dem Orchestre des Champs-Elysées zwar mal was Neues, aber ich habe für mich noch nicht entschieden, ob das so sein soll. Yakov Kreizbergs Aufnahme der Siebten mit den Wiener Symphonikern hat mir auch sehr gut gefallen, aber auch Karajan ist gerade bei der Siebten sehr gut.

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Bei der #9 herrscht etwas Gedränge. Von Furtwängler/Berliner Oktober 1944 über Schuricht mit den Wienern 1962 (deren vermeintliche Größe ich leider bislang noch nicht erfasst habe) über Giulini mit ebendemselben Orchester 1989 zu Skrowaczewskis später japanischer Aufnahme mit dem Yomiuri Nippon Symphony Orchestra 2009 reicht die Palette an guten Aufnahmen. Instinktiv würde ich Giulini ganz leicht die Vorherrschaft einräumen, aber das kann sich auch stimmungsabhängig immer mal ändern.

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Jetzt seid ihr dran ...
Szellfan
Hat sich gelöscht
#472 erstellt: 24. Dez 2012, 12:35
...und ich wünsche wirklich erstmal allen ein großes und berührendes Weihnachtsfest!

Kritik ist schon angebracht, wenn einen ein Britten nicht berührt, sollte man hier vielleicht schweigen.
Das meine ich nicht persönlich, sondern in Bezug auf die Konzentration des Threads.
Und nun endlich der Bruckner.....
Da kann ich mit einem einzigen Posting zufriedengeben:
Bruckner Szell
(Cover meiner LP, die klanglich von keinem digitalem remaster auch nur annähernd angetastet wird.)
Musikalisch stimmt einfach alles: die Aufnahme atmet.
Den großen Bogen ebenso wie die Details.
Ich kenne nur einen Mitschnitt mit Skrowaczewski, der live auf gleichem Niveau musiziert ist.
Wohlgemerkt: stets im Vergleich zu meiner LP.
Jahrelang nicht gehört, doch wenn ich daran denke, habe ich sofort den "Schubert'schen Swing" wieder im Ohr und singe innerlich mit.
Herzliche Grüße,
Mike
op111
Moderator
#473 erstellt: 24. Dez 2012, 12:40
Hallo zusammen,

arnaoutchot schrieb:
Als Einzel-CDs vielleicht noch folgende Abrundungen: #4 Solti/Chicago Symphony Orchestra, immer noch meine Lieblingsaufnahme der 4. Die Aufnahme von Sinopoli mit der Dresdner Staatskapelle finde ich übrigens eine der schrecklichsten Bruckner-Interpretationen aller Zeiten ...

so sehe ich das auch!
Und Jochum kommt mir auch nicht in den Player, ausser vielleicht bei der 6.

als wirklich berührend empfinde ich noch

seit mehr als einem Vierteljahrhundert meine Favoriten
Symphonie Nr.9
Columbia SO,
Bruno Walter
Sony, ADD/1959,
jpc.de

gleich auf den Plätzen 2 a & b und ebenfalls berührend
Chicago SO,
Georg Solti
Decca, DDD, 1981
jpc.de

Chicago SO,
Carlo Maria Giulini

EMI, ADD, 1976
jpc.de

Furtwängler 1944 Berlin hatte arnaoutchot schon erwähnt.

arnaoutchot
Moderator
#474 erstellt: 24. Dez 2012, 12:49

op111 schrieb:
seit mehr als einem Vierteljahrhundert meine Favoriten
Symphonie Nr.9
Columbia SO,
Bruno Walter
Sony, ADD/1959,


Oh ja, die hatte ich übersehen, die steht bei mir bei Mahler, weil sie in der "Original Jacket Collection Box" von Bruno Walter mit drin ist. Sicherlich eine der ganz grossen Aufnahmen. Den Giulini aus Chicago hab ich auch, ich weiss nicht ob diese oder die Wiener Aufnahme besser ist. Ich muss es aber nicht wissen, ich kann beide haben ...


@ Szellfan: Also manchmal bräuchte ich einen Übersetzer für Deine Postings. Was bedeutet das hier ? Ich verstehe es nicht ...


Kritik ist schon angebracht, wenn einen ein Britten nicht berührt, sollte man hier vielleicht schweigen.
Das meine ich nicht persönlich, sondern in Bezug auf die Konzentration des Threads.
op111
Moderator
#475 erstellt: 24. Dez 2012, 12:52
Was die Sinfonien 7 und 8 angeht,
finde ich die in der alteren (WDR) Aufnahme durch Günter Wand beruhrend:

Derzeit in dieser GA:
Anton Bruckner (1824–1896)
Symphonien Nr.1-9
RSO Köln,
Günter Wand
RCA, ADD, 1974-1981
jpc.de

Die Tempi sind zügig, die Kontraste heftig, der Orchesterklang ungesoftet.
op111
Moderator
#476 erstellt: 24. Dez 2012, 12:57

arnaoutchot schrieb:
Den Giulini aus Chicago hab ich auch, ich weiss nicht ob diese oder die Wiener Aufnahme besser ist. Ich muss es aber nicht wissen, ich kann beide haben ...

Ich weiß es auch nicht, aber dem Titel entsprechend, muß es ja keinen objektivierbaren Grund geben, sie berührt sie mich mehr als die Wiener. Auf keine der drei von mir gezeigten möchte ich verzichten.


[Beitrag von op111 am 24. Dez 2012, 12:58 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#477 erstellt: 24. Dez 2012, 12:59
Hallo arnaoutchot,
damit nehme ich Bezug auf die von Dir selbst oben geäußerte Meinung! (Bei Bruch)
Die ich richtig finde: kein Lexikon zu schaffen, sondern den Thread-Titel ernstzunehmen.
Ein wenig stutzig, daß man dazu einen Übersetzer brauchen solle.....hab ich mich wirklich so verdrückt ausgekehrt?
Herzliche Grüße,
Mike
arnaoutchot
Moderator
#478 erstellt: 24. Dez 2012, 13:24
ok, jetzt hab ich's verstanden, danke
op111
Moderator
#479 erstellt: 24. Dez 2012, 13:26
Hallo Mike,
ich hab's endlich auch verstanden.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#480 erstellt: 24. Dez 2012, 13:32
...gleich zwei Zweifler!
Muss ich wohl mal an mir arbeiten, mich konkreter auszudrücken.
Aber ich wollte zum Thema Max Bruch nun auch Johannes nicht zu nahe treten....
Im Übrigen sah ich vor vielen Jahren eine Bruckner Neunte mit Giulini in der Flimmerkiste und das war richtig großartig.
Orchester hab ich vergessen, vor allem blieb der Eindruck.
Herzliche Grüße,
Mike
op111
Moderator
#481 erstellt: 24. Dez 2012, 13:36
Mike, ich zweifle nicht, ich habe schlicht nicht verstanden, was gemeint war.
arnaoutchot
Moderator
#482 erstellt: 24. Dez 2012, 13:38

Szellfan schrieb:
...gleich zwei Zweifler! Muss ich wohl mal an mir arbeiten, mich konkreter auszudrücken.


Sprich doch offen ! Wir sind alle erwachsene Musikhörer und keine Mimosen ... ich hab es schon weiter vorne mal geschrieben: Mut zur freien Rede und möglichst wenig "political correctness" tun der Diskussion hier nur gut. In diesem Sinne - Michael
Szellfan
Hat sich gelöscht
#483 erstellt: 24. Dez 2012, 13:49
Hallo Michael,
Wie sicher bist Du Dir bei:"Wir sind alle erwachsene Musikhörer und keine Mimosen"?
Ganz abgesehen davon, daß Johannes als enger Freund meiner Verwunderung standhielte an seinem Bruch...ich zweifle an dem "keine Mimosen".
Wird schon wieder sehr OT: wie gesagt, zu Bruckner von meiner Seite ausschließlich ein Posting.
Herzliche Grüße,
Mike
P.S.:sollte es Leben in diesen Thread bringen, der mir am Herzen liegt, sei mir so manches Mittel recht.
premierenticket
Stammgast
#484 erstellt: 24. Dez 2012, 15:26
Ich habe mich bisher mit Bruckner wenig beschäftigt, aber zwei Gänsehautaufnahmen sind für mich diese:
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Freue mich sehr drauf, mich kommendes Jahr mehr mit diesem Titanen mit seinen "symphonischen Riesenschlangen" (Brahms) zu beschäftigen.

Und damit wünsche ich allen hier ein schönes Weihnachten, und danke Mike, Michael, Johannes und allen anderen für die vielen Inspirationen!

Herzlich

Christian
flutedevoix
Stammgast
#485 erstellt: 24. Dez 2012, 17:10
Auch wenn ich Bruckner nun nicht gerade mit Weihnachten in Verbindung bringe, zwei Ergänzungen meinerseits!

Das von Mike angesprochene Konzert mit Bruckners 3. unter Skrowaczewski durfte ich in der Berliner Philharmonie live miterleben. Es war das wohl bewegendste und anrührendste Konzert, das ich live erleben durfte. Nun denkt man ja immer, live geht mehr unter die Haut und zweifelt, ob das einer genauen Überprüfung in einer Aufnahme standhielte. In diesem Fall hält es!

Ergänzen möchte ich die "kleine" Studiensinfonie ebenfalls unter Skrowaczewski. Bruckner ist in dieser Sinfonie noch weit von seinem Personalstil entfernt, dennoch ist die Sinfonie nicht das Werk eines Anfängers! Was aber nun Skrowaczewski an Musik, Drive, Vitalität und Emotion in seiner Aufnahme entfacht, macht diese Aufnahme zu einem Ereignis!
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Und dann kommt einer der seltenen Fälle, in denen ich Karajan ins Spiel bringe. Ich weiß seine 7. (seine letzte Aufnahme überhaupt?) ist umstritten. Mir gefällt sie ausgezeichnet, eben weil ich hören kann, daß sie eine sehr subjektive, eine sehr persöniche und darum emotionale Aussage Karajans ist. Mir scheint, am Ende seines Lebens hat er sein Klangfetischismus abgelegt und in dieser Aufnahme uns ein musikalisches Vermächtnis hinterlassen, das zeigt, daß er ein großartiger Musiker war und auch hinter die Oberfläche eines Werkes und Klanges dringen konnte. Insofern ein RIngschluß zu seinen frühen Aufnahmen!
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AndreasHelke
Stammgast
#486 erstellt: 24. Dez 2012, 18:31
Mir geht es ähnlich. Die mit Abstand beeindruckenste Brucker Darbietung und war vor vielen Jahren mit dem Leipziger Gewandhausorchester in Dubrovnik. Ich denke das war die 3. Symphonie. An diesen Eindruck konnte bisher keine Musikkonserve herankommen.
Martin2
Inventar
#487 erstellt: 25. Dez 2012, 23:43
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Und auch auf die Gefahr hin, hier gekreuzigt zu werden ( und das zu Weihnachten!), ich finde Jochums Bruckner immer noch am schönsten. Aus obiger Box habe ich Bruckners 4., 7., 8. und 9. mit den Berliner Philharmonikern. Die anderen Sachen mit den Bayern habe ich bisher nur teilweise gehört.

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#488 erstellt: 26. Dez 2012, 00:21
Aber Martin!
Wenn's Dich doch berührt!
Dann wird Dich keiner hier kreuzigen.
Höchstens den Kopf schütteln wegen diesen so unorientierten und quasi ungeführten "Interpretationen" Jochums.
Wenn sie Dir ans Herz gehen, sollen sie hier genannt werden.
Herzliche Grüße,
Mike
arnaoutchot
Moderator
#489 erstellt: 26. Dez 2012, 08:17
Ich hatte die gezeigte Jochum-Box auch. Das sind sicherlich verdienstvolle Aufnahmen, aber ich fand sie langatmig und lahm. Alter-Männer-Bruckner ! Auch klanglich teilweise eher diffus. Es gibt für mich heute wesentlich nahegehendere Aufnahmen.
Martin2
Inventar
#490 erstellt: 26. Dez 2012, 12:07
Also ich empfinde Jochums Bruckner nicht als "Altherren" Bruckner. Schon gar nicht empfinde ich die Berliner Philharmoniker als Altherrenriege, die spielen ganz hervorragend für Jochum. Ich mag diese Interpretationen immer noch sehr, weil sie wie keine anderen das Spezifische Brucknerscher Klangwelten deutlich machen. Wenn ich Jochum höre, denke ich, DAS ist Bruckner. Höre ich andere Brucknerinterpretationen, denke ich, toll gemacht, aber das könnte auch Brahms oder Tschaikovski sein.

Bruckner hat wiegesagt etwas sehr Spezifisches an sich, seine Musik funktioniert anders als die anderer Komponisten. Es ist an Bruckner etwas, das nahezu archaische Züge hat, so wie auch mal jemand geschrieben hat, daß Bruckners Musik wie ein erratischer Block in die Musik der Spätromantik herein ragt, weil diese Musik so zeitlos ist, nicht spätromantisch im eigentlichen Sinne, so daß man in seiner Musik auch etwas sehr altes, aus weiten zeitlichen Fernen heraus hören kann. Ganz alt und ganz modern, so klingt Bruckner und wunderschönes Melos und dieses oft archaische "Anlaufen" in durchgehaltenen Rhythmen, das Höhepunkte vorbereitet.

All das habe ich in Jochums Bruckner immer gehört. Als zweiter Name käme mir dann Tintner in den Sinn, der nicht mit den besten Orchestern arbeitet, aber ein Gefühl dafür mit bringt, das Bruckner viel Zeit braucht, weil sich hier etwas Mystisches entfaltet und keine melodramatische Liebesromanze. Ich habe bei anderen Interpretationen oft den Eindruck, das sie dahingehen, Brucknersche "Schwächen" zu überspielen, während Jochum, aber auch Tintner, sich ganz auf diese angeblichen "Schwächen" einlassen. Man bringt dann ein Gefühl für dieses archaisch mystische für Bruckner mit oder man läßt es halt, aber wenn man es halt läßt, dann ist es nur noch ein entschlacktes Reduzieren Bruckners auf nackte musikalische Qualitäten, die auch in Bruckner sind, die aber das Wesen der Brucknerschen Musik für mein Gefühl verfehlen. Dann soll man meinetwegen den klanglich hervorragenden Chaily hören, dessen 7. ich einfach nur langweilig fand. Oder den Karajan, oder den "packenden" Solti, den ich nicht kenne, der mich aber auch noch nie interessiert hat.
Klassikkonsument
Inventar
#491 erstellt: 26. Dez 2012, 16:44
Mit Jochums Bruckner habe ich nur eine Erfahrung - die 8te aus besagtem DG-Zyklus. Meine erste Aufnahme von dieser Sinfonie. Über weite Strecken kam mir das langweilig vor. Später ergatterte ich sehr günstig die Rozhdestvensky-Aufnahme (Haas-Version), in der mich gleich der erste Satz ziemlich packte. Deshalb habe ich dann die Jochum-Aufnahme verkauft. Vielleicht ein Fehler.
Joachim49
Inventar
#492 erstellt: 26. Dez 2012, 17:31
jpc.de
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Was Joachums Bruckner betrifft, bin ich ehrlich gestanden einer Meinung mit Martin. Es ist vielleicht nicht der beste Bruckner (obwohl ich nicht weiss, was das heissen soll), aber es ist gewiss eine interessanter, und nie langweiliger Bruckner. Ich selbst würde ihn (ich habe die Dresdner Aufnahmen) als expressionistisch charakterisieren. Als langweilig empfinde ich allerdings Tintners Dritte. Als Bruckner dirigenten schätze ich insbesondere Hermann Abendroth, dessen Bruckneraufnahmen ich mehr schätze als die seines Zeitgenossen Furtwängler ( er hat 4-5 und 7-9 aufgenommen). Unübertroffen finde ich vor allem die 9te.
Martin2
Inventar
#493 erstellt: 26. Dez 2012, 18:47

Joachim49 schrieb:
(ich habe die Dresdner Aufnahmen)


Ja, aber zumindestens die Berliner Aufnahmen, die ich habe, also 4,7,8 und 9 sind vom Orchesterspiel um Längen besser. Ich war von den Dresdner Aufnahmen enttäuscht. Zwar ist auch das Jochum, aber das Orchester klingt rumpelig. Das heißt die schlagen sich wacker und das ist ja auch löblich, aber an die Rasiermesserschärfe der alten Jochumaufnahmen reichen sie nicht im entferntesten heran. Ob das am Orchester oder an Jochum liegt, keine Ahnung.


Als langweilig empfinde ich allerdings Tintners Dritte.


Bei Tintners 3. weiß ich nicht so recht. Zumindestens der langsame Satz bei Tintner hat eine weihevolle Schönheit, das ich ihn eigentlich nie wieder anders hören möchte. Die Entdeckung der Langsamkeit im ersten ist allerdings kontrovers und unfaßbar in der Stretta des Finales, daß die Bläser die Streicher zudecken.

Ich habe von Tintner nur die ersten 4 Sinfonien, aber ich hörte mal in die 7. bei Spotify hinein, die erschien mir auch recht schön. Tintners Bruckner ist mir irgendwie sympathisch, ob er wirklich der Weisheit letzter Schluß ist, lassen wir mal dahingestellt.
Martin2
Inventar
#494 erstellt: 26. Dez 2012, 23:11
Hallo Joachim,

zum Abendroth noch mal. Ich fand die 7. mit Abendroth auch sehr interessant, ich müßte sie mal wieder hören. Sehr interessant gerade auch das Scherzo, das mit extremen und häufigen Temposchwankungen arbeitet, was ich sehr interessant fand, nicht gerade langweilig, aber ein Verfechter moderner Nüchternheit wird wahrscheinlich sagen, Abendroth dirigiere wie ein Betrunkener ( das ist noch weit extremer als der Jochum). Ich sage das natürlich nicht. Natürlich sind diese Aufnahmen klanglich nicht mehr state of the art, aber wir sind natürlich nicht im Audiophilenthread. Danke, das Du mich an den Abendroth erinnert hast, ich werde auch bei Spotify mal bei ihm sehen ( auch Jochums Berliner Aufführungen kann man sich bei Spotify anhören)

Gruß Martin
Szellfan
Hat sich gelöscht
#495 erstellt: 27. Dez 2012, 14:19
Hallo zusammen,
den Mahler also überlebt(gerade gehört). Jetzt Bruckner.
Abendroth "gegen" Jochum.
Obwohl wir diese Diskussion schon hatten:
es ist etwas anderes, Themen eigene Tempi zu geben oder artikulatorisch einzelnen Stimmen eine längere Lebensdauer zu geben als denen daneben. Das ist Detailarbeit und verlangt höchste Konzentration von allen Beteiligten.
Dagegen im Grunde bei Crescendi schneller zu werden und bei Decrescendi langsamer, ist Schlampigkeit und Unaufmerksamkeit. Jedes Orchester wird genau das tun, wenn ihnen kein führender Kopf voran steht.
Ebenso wie auf den Fotos der alten LP-Ausgabe zu sehen, Bläser da mit übergeschlagenen Beinen sitzen bei Jochum. Man lässt einfach alles so gehen, ähnlich wie Knappertsbusch es einstmals ausdrückte: "Sie kennen das Stück, ich kenne es, wir sehen uns morgen wieder".

Bedauerlich, daß Mengelberg keinen Bruckner aufgenommen hat, hier könnte man wohl noch besser als bei Abendroth das "Betrunkene" hören, das genau das Gegenteil davon ist.
Und ich höre doch weiter Mahler mit Szell. Die Vierte, diesmal live.
Bringe ich hier an, weil die auf den ersten Blick den Kontrollfanatiker vermissen lässt, also passend zum Thema Tempo(schwankungen).
Live lässt Szell den Beginn der Sinfonie genauso "ziellos" musizieren wie Mengelberg, Flöten und Triangel völlig nebeneinander, die Streicher steigen irgendwann.......ein und es dauert, bis sich alles zu finden scheint. Das alles mit Schleifern und Schmierern, die man so von Szell niemals erwartet.
Doch nach wenigen Augenblicken ist völlog klar, daß das alles kalkuliert ist, Sinn hat. Und nicht zuletzt in den Noten steht, ergänzt durch Mengelbergs Einzeichnungen.
Schlampig sein und ein Gehenlassen gibt es nirgends.
Sonst wäre ein Dirigent ja überflüssig!
Martin2
Inventar
#496 erstellt: 27. Dez 2012, 14:26

Szellfan schrieb:

Dagegen im Grunde bei Crescendi schneller zu werden und bei Decrescendi langsamer, ist Schlampigkeit und Unaufmerksamkeit.


Mir ist es völlig klar, daß es hier "natürliche Tendenzen" gibt, wir redeten bereits darüber. Dagegen zu glauben, dergleichen Phänomene seien bei Jochum durch "Schlampigkeit" entstanden und nicht durch bewußten künstlerischen Willen, halte ich offen gesagt für gewagt. Vor allem ist es durch nichts beweisbar.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#497 erstellt: 27. Dez 2012, 14:33
Hallo Martin,
dann beweise bitte, daß Musik existiert.
Grins
flutedevoix
Stammgast
#498 erstellt: 27. Dez 2012, 20:22
Von Abendroth kenne ich eine Aufnahme der 7. von Bruckner, die ich interessant fand. Sicher nicht die Art, wie ich Bruckner verstehe und wie ich ihn interpretieren würde. Das Faszinierende war der Ausdruckswille, das Bedürfnis des Dirigenten und der Musiker zu interpretieren, sich dem Publikum mitzuteilen. Das ist auch der Grund, warum ich die Aufnahme von Bruckners 5. mit Furtwängler und den Berlinern aus dem Konvolut der Kriegsaufnahmen, die in den 90ern aus Russland zurückkamen sich findet. Auch wird eine sehr subjektive, emotional packende Aussage vom Dirigenten und den Musikern gemacht. Es entsteht gerade zu ein Sog. Ähnlich wie Abendroth oder Jochum arbeitet Furtwängler mit großen Temposchwankungen, im Finale hört man geradezu Crescendi-Wellen, die von einem entsprechenden accelerando begleitet werden. Das steht nicht in der Partitur, das hat Bruckner nicht intendiert, es ist aber mit Spannung mit musikaliischem Sinn erfüllt.

jpc.de

Das alles fehlt in meinen Augen Jochum, seinen Bruckner empfinde ich als so zäh wie es das undurchdingliche Klangbild ist. Die Berliner bleiben die Berliner, es fehlt aber jemand, der diesen Klangkörper zum klingen bringt. Es fehlt an Detailarbeit, e fehlt an einer führenden Hand. Ich habe auch den Eindruck, daß Jochum das Orcheter öfters einfach treiben läßt.
Interessant ist aber, daß die Wahrnehmung so unterschiedlich ist. Ganz offensichtlich polarisiert Jochum, ich kenne eigentlich nur Zustimmung oder Ablehnung.
arnaoutchot
Moderator
#499 erstellt: 27. Dez 2012, 20:31

flutedevoix schrieb:
Ganz offensichtlich polarisiert Jochum, ich kenne eigentlich nur Zustimmung oder Ablehnung.


Oder Gleichgültigkeit. Ich finde Jochum nicht schlecht, wie gesagt, ich hatte die von Martin gezeigte Box. Weil ich aber Aufnahmen fand, die mich mehr berührt haben, habe ich sie weggegeben.

Für mich ist übrigens zu Bruckner alles gesagt, die Messen berühren mich absolut nicht. Um einen gewissen Drive in diesem Thread zu erhalten, können wir von meiner Seite weitergehen. Brümmer, Bruhns, Brumel, Bruneau, Buxtehude, Byrd, da ist noch einiges mit B in meinem Regal ...
flutedevoix
Stammgast
#500 erstellt: 27. Dez 2012, 20:45
Und ich möchte doch noch eine CD erwähnen, auf der auch eine seine Messen enthalten ist:

amazon.de

Ich finde die Messkomposition in einer reinen Bläserbesetzung durchaus reizvoll, wenn ich sie auch nicht zu den größten Messvertonungen zählen will. Großartige und berührende Musik sind aber Bruckners Motetten. Herreweghe läßt ihnen in seiner Interpretation ihre Schlichtheit, vermeidet jegliche "Interpretation" und läßt so diese großen kleinen Komposition in ihrer Eindringlichkeit leuchten.
Joachim49
Inventar
#501 erstellt: 27. Dez 2012, 21:32
Ich möchte gerne noch etwas zu den Temposchwankungen sagen. Sie haben mich bei Jochum nie gestört und sie sind bei ihm bei weitem nicht so extrem wie bei Abendroth, wo oft ein richtiger Ruck durch das Orchester geht. Interessant finde ich die Bemerkung, dass ein Orchester, das man gehen lässt, bei crescendi beschleunigt und in der 'Gegenrichtung' bremst. Wie kommt das? Martin hat das als 'natürliche Tendenz' charakterisert, und ich selbst habe dergleichen gewiss nie als unnatürlich empfunden. Wenn es eine natürliche Tendenz ist, dann hat Jochums Dirigat eine gewisse Natürlichkeit und wirkt eine metronomisch strenge Tempokontrolle eher 'unnatürlich'. Ich habe mich oft an metronomisch strengen Aufführungen gestört und bin halt ohnehin ein musikalisch eher altmodisch geprägter Mensch. Musik muss atmen. Und der Atem geht halt schneller, wenn's aufregend wird und er wird ruhiger, wenn die Aufregung abklingt. 'Atemlose' Musik (natürlich nicht im üblichen Sinne des Wortes) ist überhaupt keine Musik, sondern ein unbeseelter Mechanismus.
Szellfan
Hat sich gelöscht
#502 erstellt: 27. Dez 2012, 22:11
Hallo Joachim,
so weit ich Dir auch beipflichte, nennst Du einen Aspekt dabei nicht: auch oder gerade Decrescendi können die spannenden und aufregenden Momente sein. Das kann man doch nicht allein an der Lautstärke festmachen. Häufig genug erregt man in einem Vortrag Aufmerksamkeit, indem man leise spricht, doch aber nicht automatisch langsamer.
Will sagen: ich habe meine Probleme mit "Automatismen", ganz sicher nicht mit Natürlichkeit und Atmen.
Herzliche Grüße,
Mike
flutedevoix
Stammgast
#503 erstellt: 12. Jan 2013, 21:55
Das Interesse an Bruckner scheint erschöpft zu sein!
Bei mir wäre dann der nächste Komponist Nicolaus Bruhns. Er war sowohl als Organist als auch als Komponist an geistlichen Vokalwerken einer der bedeutendsten Komponisten der Generation vor Bach. In seinem kleinen erhaltenen musikalischen Schaffen, überliefert sind meines Wissens bedingt durch seinen frühen Tod nur 4 Orgelwerke und 12 Kantaten, spiegelt sich in vielem die Kunst seines Lehrers Dietrich Buxtehude. Allerdings sind Bruhns' Werke emotionaler, freier als die seines Lehrers.
Ganz dem stylus phantasticus verpflichtet sind gerade seine Orgelwerke Paradebeispiele der beinahe rhapsodisch zu nennenden in spieltechnisch und formal virtuosen Anlage der Kompositionen. Bruhns war ein phantastischer Organist, seine Fähigkeiten auf der Violine (sein zweites "Hauptinstrument") und der Gambe standen aseinen Orgelkünsten in nichts nach. Zeitgenössischen Berichten zufolge sol er sich selbst mit dem Orgelpedal beim Violinspiel begleitet habe und sogar noch dazu gesungen zu haben. Verschiedentlich wurde bzw. wird angenommen, daß der virtuose Gambenpart in der Kantate Jubilate Deo von Buxtehude für Bruhns komponiert war.

Nun zu den überaus gelungenen Einspielungen der emotionalen Werke des Nicolaus Bruhns:

jpc.de

Das Ricercar-Ensemble nähert sich den Kantaten mit Viruosität und Klangsinn. Rhetorisches Singen und Spiel sind eine Selbstverständlichkeit.und so die Grundlage für die emotionale Gestaltung für die Musiker. In meinen Augen zeichnet die klangliche Wärme diese Aufnahme gegenüber der wahrlich nicht schelchten Einspielung des Cantus Cölln aus.

jpc.de

Friedhelm Flamme bleibt den Orgelwerken nichts an Virtuosität schuldig und überzeugt auch mit einer durchdachten Artikulation und Registrierung, die den polyphonen Abschnitten die Durchsichtigkeit gibt, die sie benötigen. Sein Spiel ist auch in den rezitativischen Abschnitten angemessen frei, auch wenn das in meinen Augen noch etwas mehr sein könnte.


[Beitrag von flutedevoix am 12. Jan 2013, 22:16 bearbeitet]
Szellfan
Hat sich gelöscht
#504 erstellt: 13. Jan 2013, 09:21
...um so interessanter, daß die frühe Komposition Händels, nämlich dessen "Johannes-Passion", nach neueren Forschungen ein Werk Bruhns' ist:
jpc.de
Beim Anhören wird schnell klar: das ist kein Händel, aber Zweifel beschleichen den Hörer dann doch: woher will man wissen, wie der junge Händel komponiert hat, bei Zachow als Schüler noch?
Was die Musik hat: große Emotionalität, Ausdruckswillen und ein Gespür für Form. Also alles typisch für Händel.
Was sie nicht hat: diesen Sinn für Melodie und Sinnlichkeit, für Erotik.
Händel ist es also nicht, aber ist es wirklich Bruhns?
Jedenfalls ein Werk, eine Passionsmusik, die wert ist, sie zu hören.
Und in ihrer Strenge berührt sie sehr wohl, sie beschäftigt mich seit Jahrzehnten!
Herzliche Grüße,
Mike
5th_element
Stammgast
#505 erstellt: 13. Jan 2013, 21:38
Für mich äußerst berührend und eine der schönsten Klassikaufnahmen die ich besitze/kenne,

Furtwänglers Aufnahme von Bruckners 8., mit den Berlinern, aus dem Titania Palast. Veröffentlicht in dieser Furtwängler LP-Compilation von Audite:



Grüße,
Stefan
arnaoutchot
Moderator
#506 erstellt: 13. Jan 2013, 23:17

5th_element schrieb:
Furtwänglers Aufnahme von Bruckners 8., mit den Berlinern, aus dem Titania Palast.


Da musst Du aber tüchtig Schallplatten wechseln bei dieser Symphonie ...


Bruhns habe ich hier stehen mit seinem schmalen Gesamtwerk für Orgel, gespielt von Lorenzo Ghielmi auf Winter & Winter, ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern, aber scheinbar hat mich die Aufnahme nicht sehr berührt, ich werde sie mir mal wieder anhören.


Näher ging mir der nächste: Antoine Brumel (1460-1520). Seine nahezu psychedelisch zu nennende Missa "Et ecce terrae motus" ("Erdbebenmesse") ist so raffiniert komponiert und von den Stimmen her gesetzt, dass es einem stellenweise förmlich den akustischen Boden unter den Füssen wegzieht. Ich habe die Aufnahme des Huelgas Ensemble mit Paul van Nevel. Sehr schön ist auch seine Totenmesse "Missa pro defunctis", die sich auf der hervorragenden "EndBeginning" der New York Polyphony findet. Hier spielt natürlich - wie für mich bei vielen Vokalwerken der Renaissance - der superbe Mehrkanalklang der SACD auch eine wichtige Rolle.

jpc.de jpc.de
flutedevoix
Stammgast
#507 erstellt: 15. Jan 2013, 12:48
Zu Brumel ergänzen möchte ich noch folgende CD:

jpc.de

Es handelt sich um einen Live-Mitschnitt eines Konzertes des Hilliard-Ensembles.
Wie immer fasziniert bei diesem Ensemble die stimmliche Homogenität, die quasi instrumentale Stimmführung, die höchste Durchhörbarkeit und Plastizität garantiert. Wie immer fragt man sich auch, wie dieses quasi "objektive" Singen eine emotionale Ergriffenheit hervorrufen kann. Ganz offensichtlich ist polyphonoe Musik des 16. Jahrhunderts so komponiert und konstruiert, daß dieser Ansatz erfolgversprechend ist.
Über die Qualitäten der Musik hat mein Vorredner eigenlich schon alles geschrieben, Brumel ist ganz sicher einer der großen, auch emotional, großen Könner der franko-fläischen Vokapolyphonie!
Martin2
Inventar
#508 erstellt: 30. Dez 2013, 17:16
Wollen wir diesen grandiosen Thread nicht doch einmal fort setzen? Wobei mit Szellfan und Flutedevoix natürlich sehr wichtige Teilnehmer fehlen, die das Niveau dieses Threads hoch gehalten haben.

So wie sich dieser Thread entwickelt hat, war er eine Art systematisches Durcharbeiten durch die Welt der klassischen Musik, nicht ein bloßes Aufzählen von ein paar berührenden Aufnahmen. Das mag eine Art Fehlinterpretation der Grundintention dieses Threads sein, hat aber zweifellos seinen Reiz. Da sollten wir grundsätzlich fortsetzen.

Wir waren bei Brumel. Nun konsultiere ich mal meine "Welt der Musik", was nun kommen könnte. Die Welt der Musik zählt ein paar Namen auf: Fritz Brun, Pablo Bruna, Brunckhorst, Brune, Brunelli, Brunetti ... ich will sie nicht alle aufzählen, aber wenn jemandem zu einem dieser Komponisten etwas einfällt, soll er dies gerne tun. Von all diesen Namen wäre mir nur Busoni jemand, der mir überhaupt etwas sagt ( vor allem seine Auseinandersetzung mit Pfitzner, wobei Busoni hochmoderne Ansichten vertrat, aber gar nicht einmal so furchtbar fortschrittlich komponiert hat). Sein Klavierkonzert wollte ich irgendwann mal hören, habe es aber nie getan. Wer also etwas zu Busoni sagen will, soll das tun. Der nächste Name, der mir etwas sagt, wäre Buxtehude, aber da muß ich zu meiner Schande gestehen, Orgelwerke von ihm im Regal stehen zu haben, die ich aber dann doch nie gehört habe. Von Byrd habe ich auch etwas, eine Doppel CD mit Werken von ihm und Dowland, ich habe sie gehört, aber sehr tief eingeprägt hat sich das auch nicht.

Damit könnten wir dann den Buchstaben B abschließen, aber möglicherweise möchte sich jemand zu den Komponisten Busoni, Buxtehude oder Byrd ( oder einem anderen) noch mal äußern?

Wobei wiegesagt, der Fokus dieses Threads wird sich in Zeiten von Spotify etwas verschieben, es geht für mich dann weniger darum, meine ohnehin schon voluminöse Sammlung noch weiter auszubauen, sondern möglicherweise auch nur um Höranregungen.

Ich frage dann aber auch einmal, ob überhaupt ein Interesse besteht, diesen Thread fort zu setzen?

Gruß
Martin
arnaoutchot
Moderator
#509 erstellt: 01. Jan 2014, 11:08

Martin2 (Beitrag #508) schrieb:
Ich frage dann aber auch einmal, ob überhaupt ein Interesse besteht, diesen Thread fort zu setzen?


Unter dem Verständnis seines ursprünglichen Titels JA, da bin ich dabei. Konzentration auf wirklich grosse und berührende Aufnahmen, ohne Berücksichtigung von Klangqualität und Medium. - Eine Klassik-Enzyklopädie, die sich in Brun, Bruna, Brunckhorst, Brune, Brunelli, Brunetti etc. ergeht (dabei wurde auch noch Alfred Bruneau vergessen, dessen Requiem tatsächlich hier steht ), interessiert mich weniger. Das gibt es anderenorts besser (zB Wikipedia) und bringt zumindest mir nichts. Weitere Meinungen ?
Martin2
Inventar
#510 erstellt: 01. Jan 2014, 15:22
Hallo Michael,

ich stimme mit Dir grundsätzlich überein. Auch unter der besonderen Berücksichtigung der Bedeutung des Buchstaben B stelle ich fest, daß wir nun in fast genau 3 Jahren genau 2 Buchstaben geschafft haben. Also anderthalb Jahre pro Buchstabe. Bei diesem Tempo werde ich es wohl nicht mehr erleben, daß wir zum Zemlinsky kommen. Angesichts der Tatsache, daß die Sprache 26 Buchstaben hat, kämen wir dann in 36 Jahren dazu. Dann bin ich 88.

Ich finde es ja nun nicht so schlimm, wenn man sich etwas Zeit läßt, nur bei bestimmten Kleinmeistern genau die drei Aufnahmen aufzuzählen, die auf dem Markt sind, kommt mir reichlich sinnlos vor.

Nur jeder mag diesen Thread interpretieren wie er will. Ein paar kleine Schlenker finde ich auch nicht schlimm.

Ich bin dann einfach mal so kühn, zum Chopin vorzupreschen ( auch wenn es da noch ein paar Leute wie Chatchaturian und andere gibt, die jemandem, dem das ein dringendes Bedürfnis ist, noch nachreichen kann).

Ich finde die Aufnahmen in dieser Box sehr schön:

amazon.de

Die Box ist lange in meinem Besitz, ich finde sie sehr schön. Rubinstein spielt für mein Gefühl einen weltmännischen Chopin, elegant, mit Noblesse, dabei sehr natürlich. Ich höre gerne die Klavierkonzerte, Balladen, Scherzi und Nocturnes. Ich habe zugegebenermaßen wenig Vergleiche, aber immerhin habe ich im Falle der Klavierkonzerte zwei Alternativaufnahmen. Ich finde diese Aufnahmen sehr schön und berührend. Die Naxosaufnahmen von Idil Birit haben mich im Vergleich dazu kalt gelassen. Klanglich natürlich nicht mehr State of the Art - aber dies ist ja ein "Berührenden" Thread, kein Audiophilenthread. Ich gebe im übrigen zu, daß die Orchesterbegleitung im Falle der Klavierkonzerte etwas verwaschen klingt, was auch an der Orchesterleistung liegt, aber ich habe eine Aufnahme mit den Berliner Philharmonikern, wo mich die Präzision des Orchesters nur stört, hier ist das Orchester nur mehr ein diffuser Klangteppich über dem sich der Pianist entfaltet und das finde ich auch richtig so.

Gibt es andere Aufnahmen, die ihr berührend findet?

Gruß
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