Falsche Ruhestrom-Einstellungen - Auswirkungen?

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Earl_Grey
Inventar
#1 erstellt: 03. Sep 2006, 07:41
Hallo zusammen:
Ich bitte Euch einmal um Eure Meinung um meine eigene Einschätzung zu verifizieren.
Mir wurde eine Endstufe vorgelegt (Alter ca. 15 Jahre), die mindestens 8-10 Jahre mit den falschen Ruhestrom-Einstellungen betrieben wurde (Messungen ergaben Abweichungen von fast 100% gegenüber der Herstellervorgabe 40 mV).
Einen offensichtlichen "klanglichen Defekt" kann ich nicht ausmachen, habe aber eherlich gesagt auch keine Vergleichswerte (z.B. neue/andere Endstufe gegenhören oder ähnliches).

Wie würdet Ihr diese Endstufe einschätzen (Welche Auswirkungen kann die De-Justage über viele Jahre nach sich ziehen? - Mögliche Spätfolgen? etc.)?

Ich danke Euch!
Hörbert
Inventar
#2 erstellt: 03. Sep 2006, 10:24
hallo!

Da das Gerät offentsichtlich einwandfrei Funktioniert kannst du davon ausgehen daß nichts passiert ist. Der Ruhestrom der durch die Endtransistoren fließt hat im Endeffekt den Zweck (bei A/B Einstellung der Endstufe) Schaltverzerrungen am Übernahmepunkt zwischen dem Negativen und dem Positiven Teil der Halbwelle (das ist der Punkt an dem der NPN- Transistor das Signal vom PNP-Transistor übernimmt, vereinfacht ausgedrückt) zu verhindern. Eine Erhöhung des Ruhestromes verbreitert diese Zone einfach so daß beide Transistortypen uber einen größeren Austeuerbereich gemeinam Arbeiten (class A-Einstellung) Falls der Kühlkörper das mitmacht ist eine Erhöhung des Ruhestromes eher günstig als ungünstig. Der Nachteil dabei besteht legendlich aus einer stärkeren erwärmung im Leerlauf. Zur Verdeutlichung, Class-A Endstufen unterscheiden sich von Class A/B Enstufen eigentlich nur dadurch daß der Ruhestrom so hoch eingestellt ist daß er über den gesamten Aussteuerbereich geht, da braucht man bei hohen Leistungen gewaltige Kühlkörper da nicht genutzte Leistung einfach verheizt wird.

MFG Günther
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 03. Sep 2006, 13:10
...und letztlich verkürzt sich damit die Aussteuerungskurve, sodass die Ausgangsleistung reduziert wird.
Earl_Grey
Inventar
#4 erstellt: 03. Sep 2006, 13:59
Die höhere Wärme in der Endstufe führt(e) IMO aber doch zu z.B. einer gewissen Verkürzung der "Lebensdauer" der Elkos, da diese schneller austrocknen - Richtig?
Emo
Inventar
#5 erstellt: 03. Sep 2006, 14:09
Jo.

So kritisch ist das aber nicht wenn das Gerät nich schon im Leerlauf knalleheiss wurde.


[Beitrag von Emo am 03. Sep 2006, 14:38 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#6 erstellt: 03. Sep 2006, 14:34
Hallo!

Das kommt auf die lage der Elkos relativ zur Wärmequelle an, zudem auf die Dauer der Leerlaufphasen da die erhöhte Wärmeentwicklung nur in dieser Zeit uberhaupt zum tragen kommt. Sobald die Endstufe ein Signal zu übertragen hat das den Spiegel des Ruhestromes übersteigt wird die erhöhte Wärmeentwicklung quasi überdeckt.

MFg< Günther
Earl_Grey
Inventar
#7 erstellt: 07. Sep 2006, 10:13
Das stimmt, da habt Ihr Recht: Da müsste die Kiste ansonsten ja schon Tag und Nacht angewesen sein -> Der Alterungseffekt ist da wohl wirklich vernachlässigbar.
Vielen Dank für Euer Feedback!
Foto_Christian
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 13. Sep 2006, 20:44
Mich würde mal interessieren, warum der 15 Jahre alte Verstärker mindestens 8-10 Jahre mit den falschen Ruhestrom-Einstellungen betrieben wurde.

Hat da jemand den Ruhestrom hochgedreht (oder vieleicht runtergedreht)?

Die korrekte Ruhestromeinstellung im Service Manual 40 mV könnte u.U. "veraltet" sein, wenn der Hersteller das Platinenlayout geändert hat.

Kurze Einleitung:

Von jedem Transistor geht vom Emitter (beim Bipolaren) bzw. von Source (beim Feldeffekt) ein niederohmiger Leistungswiderstand zum gemeinsamen Signalausgang (z.B. linker Kanal).
Die Werte liegen üblicherweise bei 0,1 Ohm, 0,22 Ohm oder 0,47 Ohm. Da es sich i.d.R. um einen Gegentaktverstärker haldelt, sind pro Kanal immer zwei Widerstände vorhanden; in einer Stereoendstufe gibt es also generell vier davon.
Anmerkung: Der Harman/Kardon HK970 besitzt zwar pro Kanal vier End-Transistoren (Zwei sind immer parallel geschaltet), es sind aber trotzdem nur zwei (Mess-)Widerstände pro Kanal drin.

Der Ruhestrom wird als Spannungsabfall entweder über beide Widerstände oder aber nur über einen Widerstand gemessen.

In einem Fall, den mir schon unterkam, sieht das so aus:

Laut Service Manual soll der Spannungsabfall auf 10 mV für beide Kanäle eingestellt werden. Im Schaltplan sind die beiden Prüfpins über beide Widerstände (je 0,1 Ohm) angeschlossen.

Bei meiner Überprüfung maß ich aber nur ca. 5 mV !!!
Daraufhin bemerkte ich zufällig, dass im Platinenlayout des Service Manuals die Prüfpins nur an einem der beiden Widerstände anliegen. Darauf hin habe ich die Endstufe ausgebaut und nachgesehen, wo die Prüfpins tatsächlich "hängen" -> Nur an einem, dem oberen Widerstand.

Resume

Bevor du also jetzt den Ruhestrom änderst, überlege dir genau, ob der angegebene Wert von 40 mV sich auf einen oder auf beide Widerstände bezieht,
denn der Hersteller könnte da was geändert haben.
Earl_Grey
Inventar
#9 erstellt: 13. Sep 2006, 22:06
Danke, Foto_Christian für den Hinweis: Ich werde die Übereinstimmung SM und Layout einmal prüfen (Abweichungen wären ja nicht nur an der Ecke eventuell "interessant" ).

Allerdings war in meinem Fall der Ruhestrom nicht zu niedrig sondern zu hoch eingestellt (Ich vermute "Tuning - Wärmerer Klang" - Da geistern doch solche Tips durch die Gegend).
Foto_Christian
Ist häufiger hier
#10 erstellt: 14. Sep 2006, 12:00
Au weia!
Wenn das meine Französischlehrerin sieht!
Da hab' wieder mal Résumé falsch geschrieben.
---

Ja, das mit dem Ruhestrom ist ein bisschen Ansichtssache:
Ein höherer Ruhestrom sorgt generell für einen insgesamt niedrigeren Klirrfaktor bei Zimmerlautstärke oder etwas mehr.
Das dabei die maximal erreichbare Ausgangsleistung minimal absinkt ist zwar richtig, aber uns interessiert doch nur die Ausgangsleistung gemessen bei einem bestimmten Klirrfaktor! Wir wollen doch nicht die Transistoren kaputtmachen.
Und dieser Leistungswert bei z.B. 0,007% Verzerrungen wird kaum geringer ausfallen als mit kleinem Ruhestrom.

Zu bedenken ist allerdings, dass bei doppeltem Ruhestrom die Wärmeleistung am Kühlkörper sich vervierfacht: P=U²/R

Wenn jetzt Bedenken bestehen, die Elektrolytkondensatoren könnten bei der höheren Gesamtwärme Schaden nehmen, so gilt dies auf jeden Fall bei "Billig" Elkos mit einer Temperaturangabe von 85°C.

Ein ordentlicher Verstärker hat aber nur die Industrieausführungen mit 105°C.

Da heisst es Augen auf!
Emo
Inventar
#11 erstellt: 14. Sep 2006, 13:12
Ruhestrom einstellen ist immer so eine Sache, bei den meisten Geräten ist der nämlich mitnichten bei jedem Erwärmungszutsand konstant! Kann also sein, dass der Ruhestrom über einen Emmi innerhalb der ersten 10 Minuten sagen wir mal auf 3mV steht und nach 30 Minuten auf 7mV oder noch viel krasser.

Aufpassen!
Earl_Grey
Inventar
#12 erstellt: 14. Sep 2006, 13:28
Also ich messe normalerweise ca. 30 Minuten nach dem Einschalten wobei an allen Ein-/Ausgängen nichts angeschlossen ist ...
Hörbert
Inventar
#13 erstellt: 14. Sep 2006, 18:17
Hallo!

@Earl_Grey

Eine Messung nach ca. 30 Minuten im unbelasteten Zustand ist vernünftig da dann das Thermische Gleichgewicht der Endstufe auf alle Fälle stabil sein dürfte. Allerdings solltest du nach einigen Stunden Dauerbetrieb die Endstufe von den Lautsprechern und dem VV trennen (ohne sie dabei auszuschalten) und den Ruhestrom nochmals kontrollieren, in der Regel sollte er dann nicht ganz auf dem Ausgangswert stehen aber auch nicht mehr als etwa 10% davon abweichen. Eine in etwa Jährliche Nachkontrolle (Idealerweise mit vorhergehender innerer Entstaubung des Gerätes) ist kein Fehler.

@Emo

Also ein Driften des Ruhestroms innerhalb von 30 Minuten um 130% (dein Emmibeispiel) hielt ich für bedenklich, allenfalls 20-30% wären noch im Rahmen des Üblichen.

MFG Günther
Earl_Grey
Inventar
#14 erstellt: 14. Sep 2006, 18:24
@Hörbert: Danke für den Hinweis, hatte ich aber auch schon gemacht: Eine Messung nach einigen Stunden Betrieb brachte eine Abweichung von um die 5% im Vergleich zur "Ruhemessung" - Das scheint mir o.k.
Emo
Inventar
#15 erstellt: 14. Sep 2006, 19:13

Also ein Driften des Ruhestroms innerhalb von 30 Minuten um 130% (dein Emmibeispiel) hielt ich für bedenklich, allenfalls 20-30% wären noch im Rahmen des Üblichen.


Das war (nahezu) ein Beispiel aus den meisten mir bekannten Endstufen der Fa. Rotel (in den ersten 10 Minuten auf 5mV über 0,22Ohm ab etwa 30 Minuten halbwegs stabile 7mV). Du hast die "Hauptschwachstelle" der Schaltungen erkannt, glückwunsch

Klanglich is das glücklicherweise wurscht, verzerrt in den ersten paar Minuten evtl. minimal mehr am Analyzer.

Gruß, Kevin


[Beitrag von Emo am 14. Sep 2006, 19:16 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#16 erstellt: 14. Sep 2006, 19:48
Hallo!

@Earl_Grey

Ja das ist in Ordnung, durch die unter Last erzeugte Erwärmung vergrößert sich die Drift der Schaltung solange bis die Gegenkopplung greift. 5% sind ein durchaus Praxisgerechter Wert, wenn du auf Nummer Sicher gehen willst kannst du nachregeln, allerdings erhöhen sich dadurch die (messbaren) Verzerrungen beim Kaltstart geringfügig. Hörbar dürfte das allerdings nicht sein und nach ca. 5 Minuten unter Last ist die Schaltung schon Warm genug daß der Ruhestrom auf dem eingestellen Wert liegt.

@Emo

Deine Rotels haben offenbar eine geringe Gegenkopplung oder eine besonders gute Kühlung wenn es volle 30 Minuten bis zum Thermischen Gleichgewicht braucht. Ausserdem sind sie wie ich oben beschrieben habe offenbar erst nach einer Lastphase feineingestellt worden, das ist kein Fehler aber auch nicht unbedingt notwendig. Eine Änderung von 5 auf 7 Millivolt ist noch im Rahmen das sind nicht ganz 30% bei deinen Ursprünglichen Werten würde ich Oszi und Schaltplan auspacken da hätte ich ernsthafte Bedenken


MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 14. Sep 2006, 19:49 bearbeitet]
Sal
Inventar
#17 erstellt: 11. Dez 2019, 12:03
Ich habe diesen Thread überflogen, als ich den Ruhestrom meines Nakamichi IA-3S A/B Vollverstärkers gestern neu einstellte.
Er war vor 10 Jahren einer der wenigen ebay-Einkäufe, die ich nicht bereut habe - von Privat, super gepflegt.
Damals lagen die Werte weit von der Norm weg, 10mV und 20mV, das Service Manual sprach von 4mV.
6-14mV Abweichung sind eigentlich kein Wunder, die originalen Trimmer sind viel zu grob, ich habe damals stattessen Multitrimmer verlötet.

Und wie oft beim gestrigen Einstellen die Frage: Bei welcher Temperatur eigentlich?
Schrieb der Verfasser das Service Mauals während einer Tokioter Hitzewelle und ging unbewusst
von 35 Grad Raumtemperatur aus? Oder saß er gerade im Winter in Sapporo?
Ich selber heize wenig im Winter, es sind in meiner Kate um die 13-15 Grad.
Auch steht der Verstärker im Rack, er muss also ausgebaut sein, um ihn einzumessen.
Der Kühlkörper ist zentral im Gehäuse verbaut und wird über Lüftungschlitze in Deckel und Boden gekühlt.
Man stellt den Ruhestrom ohne Deckel also unter kühleren Bedingungen ein.
Ich habe bei meiner Raumtemperatur den Nakamichi auf 4mV eingestellt
(wofür ich über 3 Stunden immer wieder nachjustiert habe) und nun die kaum merklich erwärmten
Kühlkörper zum Testen mit dem Fön auf mehr als Körpertemperatur erwärmt.
Jetzt sank der Ruhestrom auf 2mV und weniger.

Ist dieses Verhalten normal? Bedingt eine höhere Lautstärke/Leistung (=Wärme)
einen geringeren Ruhestrom? Oder sollte der Ruhestrom sich (im theoretischen) Optimum nicht verändern?

Ich habe mir jetzt damit beholfen, bei per Fön erwärmten Kühlkörper (ich schätze um 50°) auf 4mV einzustellen.
Kühlt er dann wieder auf die Ausgangstemperatur ab, liege ich bei etwa 8mV.
Doppelt so viel wie in der Reparaturanleitung, aber noch immer weniger als damals beim Kauf...


[Beitrag von Sal am 11. Dez 2019, 12:04 bearbeitet]
klausES
Inventar
#18 erstellt: 14. Dez 2019, 14:48
Diese "Kaltleiter Charakter" Auslegung der Temperaturkompensation ist so geplant/gewollt und verläuft nach deiner Beschreibung auch korrekt.
Stelle den Ruhestrom nach Vorgab im SM ein. Damit wäre der richtige Arbeitsbereich für diesen Amp gesichert.
Eine "absichtliche" Erhöhung wäre machbar (wenn denn von dir angedacht), bedarf aber zunächst einer genauen Kontrolle der thermischen Verhältnisse.

Was die inbesondere auch langzeitliche Konstanz, die Potis betreffend angeht,
würde sich eine Bereichs - Anpassung erheblich besser auswirken
als der blosse Austausch, Standard Poti gegen Spindeltrimmer bei gleichem Wert.
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