DIY-Kopfhörerverstärker: Ein flotter Dreier (Vergleichstest)

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Lülly
Stammgast
#1 erstellt: 18. Nov 2014, 20:36
Hallo liebe Lötkolben- und Kopfhörerfreunde!

Jeder Musikgenießer, der sich mit dem Kopfhörervirus infiziert hat, kennt die quälende Suche nach einer Wiedergabekette, die ihn glücklich macht. Diese Kette beginnt äußerst objektiv mit einer Musikquelle, die weil ja digital, über jeden Zweifel erhaben sein sollte. In meinem Fall ist dies eine recht große Ansammlung an Flac Dateien und CDs. Das heißt verlustfrei 44,1 kHz & 16Bit "sollten" das Maß der Dinge sein - sprich besser ist auch ok.

Je weiter man in Richtung Schallwandler geht, desto subjektiver wird die Wahrnehmung. Besonders wenn man sich Hörberichte zu Kopfhörern durchliest begegnet man unterschiedlichen Meinungen. Aber bevor die Musik da ankommt, muss sie erst gewandelt werden. Mein Favorit bei den DACs ist der HRT Music Streamer II.

Und was kommt danach? Richtig, ein Verstärker und ein Kopfhörer. Klingt KH "A" and KHV "2" anders als an KHV "1" ? Das Thema beschäftigt mich nun seit 2 Jahren.

Ich habe mittlerweile bekannte Größen wie Fiio E10, Cmoy und Objective O² gehört bzw. selbst zusammengelötet. Für meinem Lieblingskopfhörer, den AKG K601, hat aber subjektiv keiner der KHV ausgereicht.


Dieser Vergleichstest lässt 3x Schaltungen gegeneinander antreten, die ich selbst zusammengelötet habe:
A - OPA 2132 + 2x2 Transistorpaare (BD139/BD140 & BC550/560) Lehmann Klon
B - Sapphire Desktop Headphone Amplifier (discret diamond buffer output stage, pro Kanal OPA 134 + 2x BD139/BD140)
C - 2x LME49710 + LME49600 (reiner IC KHV, ähnlich dem Fiio E12)

Alles was ich messen konnte (Transistoren, Widerstände und Kondensatoren) wurde gematched und selektiert. Seit 2 Monaten höre ich mit ihnen beinahe täglich Musik. Dieses Review hätte deshalb auch früher stattfinden können, doch ich musste erst sicherstellen, dass ich beim Verfassen des Berichtes keine rosarote Brille mehr aufhabe.

Mein Versuchsaufbau in den letzten 30 Tagen sah wie folgt aus:
Mit einer ABC Verteiler-Kiste konnte ich schnell zwischen den Verstärkern wechseln ohne große Zeitverzögerungen in Kauf zu nehmen.
IMG_20141106_143629

Weil die Schaltungen recht verschieden sind habe ich große Unterschiede im Klang erwartet. Die Preise für alle Projekte pegeln sich ungefähr bei 100-150€ ein (ohne Gehäuse).

Der Lehmann Klon benutzt das einfachste Netzteil (LM317+LM337), der Sapphire hat seine zwei seperaten Netzteilschaltungen mit zwei Transformern und der LME49600 wird von einem Mosfet Netzteil nach Takashi Kubota versorgt. Der Lehmann hat keine Gegenkopplung und nur halb so viele Leistungstransistoren wie der Sapphire KHV. Der 49600er verwendet nur ICs für Vor- und Endstufe.

A
Bild: Lehmann Klon
Lehmann Klon

B
Bild: Sapphire KHV
IMG-20140920-01141

C
BIld: 2x LME49710 + LME49600
LME49710 + LME49600


Und jetzt holen wir den Hammer direkt aus dem Sack und schlagen zu. Sie klingen alle gleich!!

Nein, das ist natürlich nicht korrekt genug, aber es war mein erster Gedanke. Die Unterschiede sind minimal. Bei dem Aufwand, den ich beim Aufbau betrieben habe, erwartete ich große Unterschiede. Doch man muss auf dem Teppich bleiben. Hier werden Kopfhörerverstärker und keine Kopfhörer verglichen.

A:
Der Lehmann Klon klingt einfach musikalisch und bekommt von mir den Stempel HiFi aufgedrückt, weil das Zusammenspiel absolut ausgewogen klingt. Tiefe, mittlere und hohe Töne werden breitbändig verstärkt und bilden stets eine angenehme Klangsumme. Okay, "breitbändig verstärkt" ist keine Klangbeschreibung, auf die ich als Schreiberling stolz sein kann, aber es ist schwer zu erklären. Er macht einfach Spaß ohne mit zu vielen Details anzustrengen. Insgesamt erhält er von mir die beste Bewertung, da sowohl eine kritische Betrachtung einer Aufnahme möglich ist, als auch der simple Genuss von Musik. Er verfärbt den Ton etwas in Richtung Badewanne, was mit sehr neutralen Hörern richtig Spaß machen kann.

C:
Der reine IC Kopfhörerverstärker genießt den Vorteil des besten Netzteiles im Test. Das ist ohne Oszillator schwer beweisbar, aber der Umstand, dass dieser KHV wirklich gar nicht rauscht, nicht einmal bei 90 von 100% des Lautstärkereglers sollte ausreichen. Dieser KHV ist streng genommen nicht geplant worden. Nach und nach haben sich die Teile dafür aufgetan und wollten nur noch verbunden werden. Den Klang zu bewerten ist sehr schwer. Er klingt ähnlich wie der Lehmann, jedoch wird der Hochton ein wenig mehr betont.
Spätestens jetzt wird man als Tester paranoid. Genau hier verläuft die Grenze zwischen wissen und spekulieren. Mit dem Lehmann Klon klingt die Musik stets unangestrengt und angenehm. Der Texas Instruments KHV zeigt schneller nervige Höhen auf oder fehlenden Bass. Die Bühne im Kopf ist genauso groß, doch fallen Aufnahmen hier teilweise mit Leblosigkeit auf. Deshalb bekommt der "C" KHV von mir den Stempel High-End bzw. absolut neutral . Dieser KHV macht keinen Unterschied zwischen Genres oder Instrumenten. Eine miese Aufnahme klingt hier langweilig und ermüdend, während eine grandiose CD am Kopfhörer mit absoluter Klarheit wiedergegeben wird. Im Gegensatz zum Klon färbt der IC KHV den Ton nicht, jedoch ist dieser Effekt beim Lehmann. Klon äußerst gering. Ich spreche hier nur von winzigen Nuancen im Klang.

B:
Weder Fleisch noch Fisch bekommt den Hörer beim Sapphire. Er rauscht ein bisschen weniger als der Klon und etwas mehr als der LME49710+49600er. Die Auflösung ist ein wenig schlechter als bei KHV-C aber etwas besser als beim KHV-A, dem Klon. Das sagt eigentlich schon alles über ihn aus. Der Sapphire erlaubt sich zwar keine Schwächen, jedoch wird er sich mit dem letzten Platz in diesem Vergleich zufrieden geben müssen, weil er dem Klon in Sachen "Schönfärberei" und dem LME49710 + LME49600 im Bereich der Feinzeichnung unterlegen ist.

Fazit:
Weil dies hier mein erstes längeres Review ist und die Testprobanden außerordentlich nahe beieinander liegen, will ich meine Assistentin beim ABC Vergleichstest zitieren.
"Die klingen alle sehr gut und wenn man nicht ständig hin und her wechseln würde, dann würde man auch nichts vermissen. Man kann mit allen entspannt Musik hören und sich zurücklehnen."
Besser kann ich es nicht formulieren. Eigentlich wollte ich dieses Review gar nicht schreiben, weil ich über einen Monat getestet habe und die Unterschiede nur so geringfügig sind.


[Beitrag von Lülly am 19. Nov 2014, 14:30 bearbeitet]
LeFlo777
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 18. Nov 2014, 23:27
Hallo,

danke für den Test. Ich habe mit Spannung darauf gewartet
ich bin fast ein wenig enttäuscht, dass so wenig Unterschiede vorhanden sind. Die Aufbauten sind doch relativ unterschiedlich.

Anderseits bin ich erleichtert, dass die KHVs so ähnlich klingen, weil ich kein großer Anhänger vom "Verstärker-Klang" bin - sofern der Amp nicht am Leistungslimit betrieben wird (Stichwort Laststabilität, Impulsbelastung).
Alle KHVs sind leistungsmäßig üppig dimensioniert, und vielleicht ist genau das die große Gemeinsamkeit. Es ist genug Leistung vorhanden, wodurch die Amps nie ans Limit kommen.

Wir können als wieder in Ruhe Musik hören mit dem KHV unserer Wahl - ohne uns zu viele Gedanken machen zu müssen
Ich werde den Lehmann Klon fürs Nebenzimmer und für Reisen verwenden, und jetzt auch ohne schlechtes Gewissen (geht da noch mehr?!)

Spannend wäre es trotzdem, die KHVs gegen richtig teure und richtig billige KHVs ins Rennen zu schicken. Richtig billige KHVs kenn ich und weiß auch, dass es sich lohnt ein wenig Geld auszugeben. Aber wie sieht's mit den Edel-KHVs aus? Können die mehr?
audiophilanthrop
Inventar
#3 erstellt: 24. Nov 2014, 22:06
Es wundert mich, daß der O2 hier nicht ausgereicht hat. Sooo viel weniger Pegel als die genannten sollte er im Netzbetrieb doch auch wieder nicht hergeben... vielleicht 3 dB weniger (nicht ganz 7 Veff statt ~9 Veff - viel mehr als +/- 15 V Betriebsspannung haben die anderen doch sicherlich auch nicht, oder?). Man sollte halt seine Verstärkungen mit Bedacht wählen, um ihn einerseits gut auszufahren und andererseits die Spannungsverstärkerstufe noch nicht zu clippen. Wer die (maximalen) Quellpegel einigermaßen genau kennt, ist klar im Vorteil.

Ansonsten wundert mich das Ergebnis eher wenig - ein K601 ist zwar eher unempfindlich, aber mit 120 Ohm auch noch keine allzu anspruchsvolle Last; er ist auch nicht sonderlich impedanzkritisch. Und einigermaßen "Dampf" und einen niederohmigen Ausgang haben alle 3 Konzepte.

Bei Lehmann-Klon und Sapphire ist es halt etwas unelegant, daß die keine Gegenkopplung über der Pufferstufe haben. Ich hatte aber auch in der Simulation gewisse Schwierigkeiten, einen diskreten Diamond-Buffer bei ausreichender Stabilität zu integrieren - und wenn die Stabilität OK war, waren die Verzerrungswerte im Vergleich zum einstufigen Puffer eher enttäuschend. Beim Sapphire ist das wahrscheinlich noch kritischer, weil der gleich in beiden Stufen BD139/BD140 verwendet, die es in der ersten unter Garantie noch sehr viel geruhsamer angehen lassen als die BC550C/560C im Lehmann - ihre fT ist bei kleinen Strömen recht überschaubar [1]. Keine gute Wahl IMHO. Kein Wunder, daß den kaum jemand mit ÜAGK stabil bekommen hat (die Option ist in der aktuellen Boardrevision auch entfallen).

[1] Bei kleinen Strömen und unter der Annahme Rc klein (bei einem Puffer nicht ganz daneben) läßt sich (6.47) von hier (recht optimistisch) nähern zu
fT ~= gm / 2π (Cje + Cjc)
wobei gm = Ic/uT, also
fT ~= Ic / 2π (uT (Cje + Cjc))
mit der Temperaturspannung uT ~= 26 mV bei 295K.
Laut Datenblatt BD139 Motorola ist Cib = Cje im Vorwärtsbetrieb ~300 pF, Cob = Cjc =~= 12 pF bei 10 V Rückwärtsspannung. Zum Vergleich: ein BC550 von Philips soll da 11 pF bzw. 1,5 pF haben (andere Hersteller typisch 2,5 pF, gemessenerweise habe ich irgendwas von 4 pF im Hinterkopf). So ein Kleinvieh-Transistor braucht also für dieselbe fT u.U. weniger als 1/20 des Stroms, bzw. der große ist weniger als 1/20 so schnell. Hier reden wir bei 100 µA noch über <2 MHz statt <50 MHz (und wenn ich den berechneten Wert mit dem Graphen fT(Ic) eines On Semi BC639 vergleiche, so ist die Formel noch gut einen Faktor 2 optimistisch). Und ein BD139 fällt noch unter "medium power".
Lülly
Stammgast
#4 erstellt: 25. Nov 2014, 14:38
Hi
Danke für den Input, bin schon dabei zu recherchieren und lese das Physik-PDF (ein paar der Abkürzungen sind noch spanisch für mich wie z.B. fT - Transistor Frequenz!? )

Der Leh. Klon und der LME49600er laufen mit glatt (+/-)15V. Der Sapphire liegt etwas drunter und ihm habe ich (um das DC-Offset etwas zu drücken) eine nachträgliche ÜAGK eingebaut. Das hat am Klang wenig verändert und in beiden Kanälen ca. 20mV beseitigt. Mir war nach dem Test auch klar, dass ich einen Sennheiser HD800 oder zumindest einen DT880 mit 600Ohm brauche!

Ach, der O² gefällt mir relativ gut. Zusammen mit dem Beyerdynamic DT770 (250Ohm) und Audio technica ESW9A ist es herrlich Musik zu hören. Aber die Leistung ist mir einen Tick zu niedrig für den AKG 601. Mit Leistung meine ich nicht die Lautstärke. Ich würde es eher so beschreiben, als ob die Membran bei einer höheren mWatt Leistung anders schwingt. Die Aussage beruht nur auf meinen Lauschern, weil ich keinen Messkopf besitze. Wie sehr kennt man einen Kopfhörer und seine Klangsignatur, wenn man ihn seit über 2 Jahren benutzt?
Vor kurzem habe ich den Artikel über KHV Impedanzen gelesen und es scheint mir so, als ob da eine ganze Menge Faktoren zusammen kommen wenn es um die Kombination von KH und KHV geht.

Der O² bei mir ein gebranntes Kind, weil er immer noch Probleme macht: Einschaltplopp, DC-Offset und"akku-leer" Schutzschaltung, Größe und Gewicht. Irgendwann verliert man die Lust am Basteln und beheben der Fehler. Der O² ist ein günstiger & guter KHV, aber weil der Herr Entwickler verschwunden ist und seine Lizenzen geschützt sind, fehlt ihm so manche Revision.
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