Umfrage
Gibt es eine "Klassikkrise"
1. Ja. Klassik will heutzutage kaum jemand mehr hören (22.4 %, 11 Stimmen)
2. Es wird derzeit weniger Klassik gehört, aber das ist eine Zeiterscheinung (10.2 %, 5 Stimmen)
3. Das Interesse an Klassik ist ungebrochen, aber den Vermarktern ist *alles* zuwenig (67.3 %, 33 Stimmen)
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Gibt es eine "Klassikkrise"

+A -A
Autor
Beitrag
op111
Moderator
#51 erstellt: 24. Apr 2004, 16:40
Walter schrieb:
vorgestern wurde im Klassik Forum ausserplanmässig ein "verspanischter Walkürenritt" zum Thema "unsägliches Crossover" vorgestellt - wirklich schauderhaft. Ich habe mir mal die Website herausgesucht (http://www.gateway-orchestra.de) und festgestellt, die meinen's ernst.


Hallo Walter,

danke für den Tip, leider hab ich's verpasst. Crossover ist wirklich eine der tollsten Erfindungen, man nehme von allem wenig, mixe es so zusammen, daß nur ein Brei übrigbleibt, Ergebnis: verdünnte Wassersuppe.


Erleben Sie klassische Musik im zeitgemäßen Gewand.


Das "Gateway Symphony Orchestra" ist wohl sowas wie Portsmouth Sinfonia ohne Humor und Spaß. Crossover ist scheint's halt immer etwas "ohne" - nie was "mit".

Der Beitrag zu ECM hat mich an meine ersten LPs dieses Labels erinnert: Abercrombie/Towner "Sargasso Sea", Jan Garbarek "Witchi Tai To" und Keith Jarretts "Köln Concert"
Jede LP ein Ereignis.

Gruß
Franz
Klassikliebhaber
Stammgast
#52 erstellt: 09. Sep 2004, 07:54
na ja...ihr müsst mal sehen,wie es in anderen Ländern ist.
In Asien (besonders Korea und Japan)ist Klassik bei vielen sehr beliebt. Und da sind viel mehr Klassikhörer und Klassikkenner als hier. Und da gibt es auch viel jüngere Hörer und auch viele ältere Hörer.Das Schöne daran ist,dass man nicht schräg angeguckt wird,wenn man sagt,dass man klassik hört und in konzerte/oper/theater geht.
Desweiteren spielt fast jeder Asiate ein Instrument.

Und in Deutschland? Wenn ich Asien als vergleich nehme...dann würde ich sagen...ja deutschland steckt in einer klassikkrise,was sehr schade ist!
frag ich den bekanntenkreis...antwort von denen:
klassik ist zu langweilig,zu lahm,wenig abwechslungsreich.
die typischen vorurteile eben. Natürlich ist klassik sehr anspruchsvoll.aber ist das nicht allein schon ein ansporn wenigstens zu versuchen des öfteren klassik zu hören?
Ein weiterer Faktor sind die KOSTEN.
Während die Pop branche rechtzeitig auf die Bremse getreten hat,bleibt die klassikbranche ihrer linie treu.
keinen vergünstigungen (oder selten).
und eine mp3 tauschbörse mit klassik kommt für einen guten hörer sowieso nicht in frage;also hat die industrie dadurch auch keinen schadne erlitten.
Da könnten die doch mal die Preise senken; auch für neuere CDs!


Ich komme mir vor wie ein ausgestorbener Dino


btw:
Hier sprach einer von Hamelin (Hyperion).
Der Mann ist echt der HAMMA! Ein absoluter GIGANT!
Spielt sachen,die sich andere gar nicht erst trauen oder können. z.b.die Godowsky etüden sind echt klasse (leider haben sie auch ihren preis). Der gute Mann hat in Korea ein Konzert in Seoul gegeben. Das Konzert war restlos ausverkauft. Und das beste ist,das nach dem konzert die ganzen godowsky etüden cds vom markt verschwunden sind.
RESTLOS AUSVERKAUFT! Und das bedeutet schon was. in der 10.grössten metropole der Welt...in KEINEM CD Laden (jeder laden hat ne extragrosse Klassikabteilung)gab es die DoppelCD noch!!! Das nenne ich Erfolg!
Möchte mal zu gerne wissen,wie er andere Sachen wie Mozarts KK KV 467,KV 488 u.a. spielt~
op111
Moderator
#53 erstellt: 02. Jul 2010, 07:09
Umsatzeinbrücke bei den Plattenfirmen, Personalreduktionen
und sich leerende Konzertsäle ...

Konzertleben
Friedrichshafen. Sie lieben Beethoven und Mozart, sie haben feste Abos und sind bereit, für Qualität in der Kultur Geld auszugeben. Aber die klassische Konzertszene muss um den „Nachwuchs“ der Generation 50+ bangen. ...
Der Kulturwissenschaftler Martin Tröndle erforscht das Thema. Lars von der Gönna sprach mit ihm.

WAZ: Klassik-Szene-bangt-um-Nachwuchs
Thomas133
Hat sich gelöscht
#54 erstellt: 04. Jul 2010, 13:05

op111 schrieb:
Umsatzeinbrücke bei den Plattenfirmen, Personalreduktionen
und sich leerende Konzertsäle ...


Ich würde auch eine andere Antwortmöglichkeit vorziehn, nämlich "es gibt sie - noch - nicht, aber es ist nur eine Frage der Zeit"
Hier in Wien ist jedenfalls der Altersdurchschnitt der Konzertbesucher relativ hoch angesiedelt, die Mehrheit des Publikums im Regelfall über 60 (jüngere Leute muß man schon direkt suchen gehn) zum. in den größten, bekanntesten Konzerthäusern dem Wiener Konzerthaus und dem Musikverein.
Die Frage ist was nachkommt bzw. übrigbleibt wenn in ca.20-30 Jahren die Hauptstütze des Klassikkonzertwesens allmählich nicht mehr da sein wird. Ich weiß es aus eigener Erfahrung weil meine Jugendzeit noch nicht allzu lange herliegt - mit Klassik kann man zum. hier locker mind. 95 % aller jungen Leute regelrecht jagen.
Ob sich das mit zunehmenden Alter ändert bezweifel ich, im Regelfall werden Hörgewohnheiten doch beibehalten.
Vielleicht werden noch mit Japan und Venezuela 2 Länder aus anderen Kontinenten u.a. unsere (Klassik-)Kultur aufrecht erhalten, überspitzt formuliert vor dem Vergessen bewahren bis wieder vielleicht irgendwann mal wieder bessere Zeiten bei uns kommen.
Traurig ist ja jetzt schon das viele Leute meinen das zB Andre Rieu oder Helmut Lotti (als Weltklassegeiger und Startenor) zur Klassiksparte zählen und diese auch voll und ganz repräsentieren, also man schon anhand dessen sieht das nicht der geringste Bezug zur Klassik vorhanden ist.
lg
Thomas
Martin2
Inventar
#55 erstellt: 05. Jul 2010, 20:25

Thomas133 schrieb:

Traurig ist ja jetzt schon das viele Leute meinen das zB Andre Rieu oder Helmut Lotti (als Weltklassegeiger und Startenor) zur Klassiksparte zählen und diese auch voll und ganz repräsentieren, also man schon anhand dessen sieht das nicht der geringste Bezug zur Klassik vorhanden ist.
lg
Thomas


Wenn man den qualitativen Unterschied zwischen guter und schlechter Musik nicht hört, dann macht es auch nichts, wenn man die gute Musik verpaßt. Daran ist dann auch nichts traurig.

Ansonsten ist halt jeder für sich selber verantwortlich. Punkt. Wer klassische Musik hören will, soll das tun, wer nicht, soll es eben lassen.

Und ich habe auch keine Lust, ins kulturpessimistische Horn zu stoßen. Gute Musik wird immer ihr Publikum finden. Auch gegen jede massenmediale Verblödung und ihren "Vereinnahmungen", "ganz Deutschland" im Freudenrausch wegen Lena etwa.

Gruß Martin
op111
Moderator
#56 erstellt: 06. Jul 2010, 12:02

Thomas133 schrieb:

op111 schrieb:
Umsatzeinbrücke bei den Plattenfirmen, Personalreduktionen
und sich leerende Konzertsäle ...
"es gibt sie - noch - nicht, aber es ist nur eine Frage der Zeit"

Die Klassik"abteilung" mancher traditionsreichen renommierten Weltfirma besteht nur noch aus 2-3 Mitarbeitern, die vom Coverlayout bis zum Marketing *alle* Aufgaben übernehmen müssen.
CD-Läden existieren auch in Großstädten entweder nicht mehr oder die Klassikecke, wenn vorhanden, besteht aus ein paar Netrebko-Postern.
Thomas133
Hat sich gelöscht
#57 erstellt: 06. Jul 2010, 13:37

Martin2 schrieb:
Wenn man den qualitativen Unterschied zwischen guter und schlechter Musik nicht hört, dann macht es auch nichts, wenn man die gute Musik verpaßt. Daran ist dann auch nichts traurig.


Ich meinte weniger das es traurig ist das diese Leute für sich selber die Klassik "verpassen" sondern das bei einigen Unwissenden der Eindruck entsteht das ein Rieu oder Lotti Spitzeninterpreten der Klassik darstellen (kein Wunder also das sich manche garnicht mehr näher damit auseinandersetzen wollen) Denn ich könnte mir schon vorstellen das Manche nur die richtigen Schlüsselerlebnisse bräuchten um sich weitergehend darauf aufbauend mehr zu erschliessen, der Klassik wären mehr Interessenten sicher nicht zum Nachteil.


op111 schrieb:
Die Klassik"abteilung" mancher traditionsreichen renommierten Weltfirma besteht nur noch aus 2-3 Mitarbeitern, die vom Coverlayout bis zum Marketing *alle* Aufgaben übernehmen müssen.
CD-Läden existieren auch in Großstädten entweder nicht mehr oder die Klassikecke, wenn vorhanden, besteht aus ein paar Netrebko-Postern.


Meine Beurteilung war eher auf das Konzertleben gerichtet (und noch ist ja zum. hier in Wien fast jedes Konzert ausverkauft) Was die Labels anbelangt kann ich das nicht beurteilen dazu müßte ich Statistiken der wirtschaftlichen Entwicklung über die letzten Jahrzehnte sehn und inwieweit es hier einen Einbruch gab (aber dann müßte man auch berücksichtigen das es allgemein in der Musikindustrie mehr oder weniger je nach Konzern seit dem "Internetzeitalter" bergab ging)
Reine Studioproduktionen sind ja in der Regel (außer sie werden mit zugkräftigen Stars aufgenommen) sowieso schon zu teuer geworden aber wenn das Konzertwesen in die Krise geraten würde, würde das heissen das es immer weniger interessante Konzertmitschnitte geben würde, das was ja heute im Grunde genommen fast alle neuen Klassikaufnahmen sind (weil es sich wahrscheinlich nur noch so finanziell rechnet)
Vielleicht wird in Zukunft nur noch etwas rausgebracht wenn gerade zufällig eine Japan-Tournee eines Orchesters ansteht. Viele Orchester müßten dann natürlich umso mehr subventioniert werden.
lg
Thomas
op111
Moderator
#58 erstellt: 06. Jul 2010, 13:49

Thomas133 schrieb:
bei einigen Unwissenden der Eindruck entsteht das ein Rieu oder Lotti Spitzeninterpreten der Klassik darstellen

Wie siehts bei den Nachbarn aus:
gramophone charts

1. Forever Vienna
André Rieu Decca 5323879

2. The 50 Greatest Pieces of Classical Music
London Philharmonic Orchestra / David Parry
X5 CATCO162446578

3. Goodall - Pelican in the Wilderness
Enchanted Voices; Tippett Quartet
Classic FM CFMD13 ...

Maastricht
Inventar
#59 erstellt: 06. Jul 2010, 15:53
Noch schlimmer ist:

Those currently without reviews will be getting them shortly, so do check back at a later date.

und dazu gehören die drei.

Gruss, Jürgen
Joachim49
Inventar
#60 erstellt: 06. Jul 2010, 21:58
Manches läuft glaube ich noch recht gut: z.B. Oper. Wenn man kein Abonnement hat und nicht schnell Karten bestellt, ist es oft unmöglich einen Platz zu ergattern. Zumindest ist es hier in Brüssel und Antwerpen so, trotz relativ hoher Preise.
Allerdings besteht wahrscheinlich der Verdacht, dass nicht alle Leute aus reiner Musikliebe in die Oper gehen (Statussymbol, etc.).
Die symphonischen Konzerte laufen auch gut, selbst wenn es keine "Kassenschlager" sind, die gespielt werden. Sehr gut läuft hier auch alles 'Barocke', zumindest wenn es keine Kammermusik ist. Allerdings bleibt das Problem des Alters. Ich bin immer wieder verblüfft, wie wenig junge Leute in den Konzerten zu sehen sind, obwohl sie es für Spottpreise angeboten bekommen.
Was den CD Markt betrifft: hier wundert es mich, wieviele kleinere Labels mutige Entscheidungen treffen, während die grossen jammern oder Pleite gehen. Man sollte doch eher erwarten, dass die kleinen Probleme haben, aber cpo, naxos, hyperion, zig-zag, harmonia mundi France scheinen munter zu produzieren, während die EMI alles verramscht, oder die DG interessanter in Wiederauflagen ist, statt in Neuproduktionen. Ich habe nicht das Gefühl, dass der CD-Markt nichts mehr zu bieten hat. (Wir müssen ja eher aufpassen, dass wir uns nicht ruinieren)
Demgegenüber steht die Tatsache, dass das Angebot in Läden immer schlechter wird. Hier in Antwerpen sind 4 von 5 Läden verschwunden, der einzige, der übrigblieb wurde auch immer kleiner (Fnac). Aber vor einiger Zeit hat ein Laden mit ausschliesslich Klassik und Jazz geöffnet, in dem es aber fast nie Kunden gibt.
Aber es gibt auch dem widersprechende Symptome. In Frankreich haben beispielsweise die Gesprächskonzerte J.F. Zygels einen riesigen Erfolg. Da wird - manchmal ein bisschen von Bernstein abgeschaut - in bekannte Kompositionen eingeführt, und der Saal Pleyel ist immer wieder voll, auch mit jungem Publikum.
Aber im grossen und ganzen ist die Lage deprimierend. Meine eigenen (inzwischen erwachsenen)Kinder haben sich nie für die umfangreiche Klassikkollektion im Elternhaus interessiert. Ich habe den Eindruck, dass man unter 25 jungen Menschen mit 'gehobenem Bildungshintergrung' etwa einen findet, der Interesse an Klassik hat. Das ist nicht ganz hoffnungslos.
Aber die meisten Sorgen würde mir trotzdem auch die Alterspyramide machen.
Joachim
Martin2
Inventar
#61 erstellt: 09. Jul 2010, 09:34
Hallo Joachim,

ich sehe die Dinge bei weitem nicht so düster wie Du. Die meisten meiner Freunde hören klassische Musik. Und auch in diesem Forum erleben wir ja immer wieder, daß junge Leute zur klassischen Musik dazustoßen.

Übrigens gehe ich sehr selten in klassische Konzerte, aber das mag sich, wenn ich älter werde, auch ändern. Insofern habe ich selber wenig Grund, mich über leere Konzertsäle zu beklagen.

Gute Klassikgeschäfte sterben aus, aber ich finde es dann anderseits auch wieder erstaunlich, daß man Klassik beim Drogisten Rossmann findet und auch die Klassik bei Zweitausendeins oder Wohlthat ist in den letzten Jahren nie merklich reduziert worden.

Das Aussterben von Klassikgeschäften ist eine Sache anderer Distrubition und die Klassikforen wie dieses machen ja nun schon seit Jahren Schleichwerbung für Anbieter wie JPC und Amazon und das können die kleinen Klassikhöker letzlich nicht überleben ( einen davon haben wir noch in Hamburg).

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#62 erstellt: 13. Jul 2010, 06:00
Hallo,

mir bereitet weniger die Tonträger-Distribution Kopfschmerzen, als vielmehr das Wegsterben des Publikums. Einkommen für Künstler wird zu einem Großteil durch Auftritte generiert, da mit Tonträgern vergleichsweise kaum ein Blumentopf zu gewinnen ist. Insofern wird - demographiebedingt und den Versäumnissen des Bildungswesens geschuldet - der Markt immer enger werden. Wir in Deutschland kommen da noch von einer absolut luxuriösen Ausgangsposition, ist doch ein Großteil sämtlicher Orchester Weltweit in unserem Land angesiedelt.
Die Ausdünnung wird IMHO vor allem die "Provinz" betreffen.

Grüße
Frank
Hüb'
Moderator
#63 erstellt: 13. Jul 2010, 13:53
Diese Nachricht wurde automatisch erstellt!

Das Thema wurde aufgeteilt und einige themenfremde Beiträge wurden verschoben. Das neue Thema lautet: "Klassik-MP3-Datein taggen"
Martin2
Inventar
#64 erstellt: 13. Jul 2010, 19:59

Hüb' schrieb:
Hallo,

mir bereitet weniger die Tonträger-Distribution Kopfschmerzen, als vielmehr das Wegsterben des Publikums.


Viele jüngere Leute sind heftigst ins Berufsleben eingespannt, Rentner aber haben Zeit viel Zeit. Das ist etwas, was mich hoffnungsfroh stimmt.

Was ich einfach nicht verstehe: Ich kenne den Strawinsky von Boulez nicht, aber man hört manches gutes und ich werde ihn mir wohl holen.

Aber wenn man dann liest: Irgendein David Garret spielt das Air von Bachs 3. Orchestersuite auf der Violine und liegt mit einem solchen Crossoverprodukt auf Platz 1 der Verkaufsränge bei Amazon, dagegen der Strawinski mit Boulez nimmt den Verkaufsrang 5231 im Bereich Musik ein, dann wundert man sich doch schon über die ganze Absurdität der heutigen Zeiten.

Aber wiegesagt: Rentner haben Zeit, während Berufstätige mit Kindern vielleicht nur für ein bißchen Klassik für Zwischendurch Zeit haben. Deshalb wird uns die Fraktion der Grauhaarigen ja vielleicht doch erhalten bleiben.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#65 erstellt: 13. Jul 2010, 20:04

Viele jüngere Leute sind heftigst ins Berufsleben eingespannt, Rentner aber haben Zeit viel Zeit. Das ist etwas, was mich hoffnungsfroh stimmt

Das ist IMHO ein schwaches Argument, wenn man sich mal bei einem Rockkonzert umschaut, was ich ebenfalls recht regelmäßig tue.
Martin2
Inventar
#66 erstellt: 13. Jul 2010, 20:12
Hallo Frank,

das mag sein, aber Klassik erfordert Muße und Beschäftigung. Rockmusik eher weniger. Rentner haben diese Zeit schon; mein Vater etwa liest seit er Rentner geworden ist, einiges an Klassikern, für die er als berufstätiger Mensch nie Zeit hatte.

Natürlich muß man sagen, daß das Gros der Musikhörer einen grottenhaft schlechten Geschmack hat, aber wer nie zur Ruhe kommt, kann zur Klassik m.E. auch keine Beziehung aufbauen. Zur Populärmusik schon.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#67 erstellt: 13. Jul 2010, 22:55
Noch mal dazu ergänzt: Man kann den Leuten die tollste Musik der Welt in den tollsten Interpretationen der Welt in einer 100 CD Box für 5,95 anbieten und vermutlich wird diese Box dann so auf Rang 3590 von Amazon zu finden sein. Das ist etwas, was ich nie verstehen werde. Wobei ich den Strawinski mit Boulez nicht kenne, aber das wird sich ändern. Aber es gab und gibt diese "Supreme Bargains of the catologue", wie die Decca Piano Masterworks Box, die Karajan Box und einige andere mehr. Und was kaufen die Leute? David Garret, der Bachs Air fiedelt.

Gruß Martin
op111
Moderator
#68 erstellt: 14. Jul 2010, 07:12

Hüb' schrieb:

Viele jüngere Leute sind heftigst ins Berufsleben eingespannt, Rentner aber haben Zeit viel Zeit.

Das ist IMHO ein schwaches Argument, wenn man sich mal bei einem Rockkonzert umschaut, was ich ebenfalls recht regelmäßig tue. :D
... und trotz beruflicher Belastung z.T. weite Anreisen in Kauf genommen werden.

---
I'll see you on the dark side of the moon.


[Beitrag von op111 am 14. Jul 2010, 07:13 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#69 erstellt: 14. Jul 2010, 12:07
Na ja Rockmusik ist ja auch nicht immer unbedingt schlecht und ich habe auch so ein Regal mit populärer Musik. Lieber guter Pop als schlechte Klassik.

Klassik kämpft meiner Meinung nach nicht nur mit schlechtem Geschmack, sondern vor allem mit der Ignoranz. Von Menschen, die im Grunde keine eigene Meinung haben, und gerade darum zutiefst beleidigt sind, wenn Du sie in Frage stellst, weil da rührt man ja an die heiligsten Bezirke. Erinnere mich nur an die Paul Pott Diskussion.

Ich habe das aber letzlich aufgegeben, Menschen noch in irgendeiner Weise erziehen zu wollen. Man ändert Menschen letzlich doch nicht und macht sich nur unbeliebt. Gibt wahrscheinlich auch Leute, die 10.000 Euro bei Neun Live verspielt haben, aber wenn Du auch nur ein kritisches Wort gegen ihr geliebtes Neun Live sagst, werden sie Dich körperlich bedrohen. Denn schließlich ist Neun Live ihnen heilig. Das ist die Mentalität des von Massenmedien gesteuerten Menschen. Und es muß ja auch nicht sein, alle Menschen zum Wohltemperierten Klavier meinetwegen zu bekehren ( das auch mir schwer fällt). Aber daß die Leute überhaupt irgendeine Offenheit besitzen, daß sie überhaupt eine andere Meinung auch nur an sich heran lassen - das ist selten. Deshalb muß man das auch aufgeben.

Aber man hört ja Musik sowieso nicht für andere, sondern für sich selbst. Und deshalb geht es mir im Grunde auch am Arsch vorbei. Und insgesamt ist es schon verblüffend, welche ungeheure Breite der Klassikkatalog hat angesichts der sicher niedrigen Verkaufszahlen. Und ich hoffe, daß uns das erhalten bleibt. Aber die Sache mit den Downloads wird vermutlich zunehmen, leider.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#70 erstellt: 14. Jul 2010, 12:10

Und deshalb geht es mir im Grunde auch am Arsch vorbei.

Mir - ehrlich gesagt - nicht so sehr, da es meine zukünftigen Optionen einschränken könnte.
Martin2
Inventar
#71 erstellt: 14. Jul 2010, 12:43

Hüb' schrieb:

Und deshalb geht es mir im Grunde auch am Arsch vorbei.

Mir - ehrlich gesagt - nicht so sehr, da es meine zukünftigen Optionen einschränken könnte.
:prost


Ja, wenn die Klassik vollkommen einbrechen würde dann schon. Aber das glaube ich nicht. Was ich halt fürchte in den nächsten Jahrzehnten ist, daß die Downloaderei immer mehr zunehmen wird. Ich habe aber keine Lust, mich damit zu beschäftigen. Aber irgendwann, wenn ich an gewisse Dinge heran kommen will, wird mir nichts anderes übrig bleiben - was ich aber nur mit dem größten Widerwillen tun werde.

Was halt wirklich toll ist: Klassik ist ein wirklich globaler Markt. Heino mag in Deutschland ne große Nummer sein, aber außerhalb Deutschlands kennt ihn kein Mensch. Die globale Vernetzung wird immer weiter zunehmen und Klassik kann man letzlich auch in den USA, Frankreich und bald wahrscheinlich auch in Südkorea oder Rußland bestellen. Gerade deshalb bleibe ich auch optimistisch. Auch war die Möglichkeit, sich im Internet zu informieren und anregen zu lassen, nie so gut wie heute; viele Dinge habe ich als junger Mensch nicht mal gekannt; Charles Ives hätte ich zu jener Zeit nie kennen gelernt, wenn es nicht das Radio gegeben hätte. Heute gibt es den globalen Austausch über klassische Musik und man ist nicht mehr auf einen dämlichen Konzertführer angewiesen, wenn man sich über Musik informieren will. Auch dies fördert für mein Gefühl eine immer größere Verbreiterung des Klassikmarktes.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#72 erstellt: 14. Jul 2010, 12:48
Hallo Martin,

es geht vielmehr um wegfallende Konzerte und einen zu erwartenden Rückgang an Orchestern und Musikern - weniger um die Verfügbarkeit von Tonträgern.

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#73 erstellt: 14. Jul 2010, 13:15
Hallo Frank,

ja für Musiker könnte es sehr bitter kommen. Und bei leeren öffentlichen Kassen steht das zu befürchten. Allerdings mache ich mir als Hamburger da wenig Sorgen, daß das wirklich völlig einbricht. Jetzt bauen sie bei uns gerade die Elbphilharmonie, dann haben sie mit der Laiszhalle zwei große Konzertsäle, da werden sie vermutlich kein Orchester schließen. Aber ich bin sowieso kein großer Konzertgänger, was sich aber auch mal wieder ändern kann.

Gruß
Martin
Hüb'
Moderator
#74 erstellt: 14. Jul 2010, 13:22
Hallo Martin,

Du denkst zu kurzsichtig.
Künstler LEBEN vorwiegend von Konzerten - und ob man ausschließlich von den Konzertsälen der Großstäde leben kann, wenn man nicht gerade in der Champions-League unterwegs ist?

Weniger Konzertbesucher, weniger Konzerte, weniger Konzerte, weniger Künstler - der Markt wird enger/umkämpfter - zudem steigen die Kartenpreis, da weniger Publikum in Zeiten leerer Haushaltskassen die Gagen bezahlen müssen. Höhere Preise, höhere Hemmschwelle. Die Katze beißt sich in den Schwanz. Allenfalls der Sammler hat grund zur Freude, da die Preise für Musikkonserven weiter unter Druck geraten werden (zunehmende Verramschung der Back-Kataloge).

Grüße
Frank


[Beitrag von Hüb' am 14. Jul 2010, 13:52 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#75 erstellt: 14. Jul 2010, 13:50
Hallo Frank,

was heißt schon "allenfalls der Sammler hat Grund zur Freude". Also erstens mag ich zwar ungefähr 1500 CDs haben, betrachte mich aber keinesfalls als "Sammler", sondern als Musikhörer. Übrigens, daß die Preise noch weiter "unter Druck" geraten glaube ich nicht - den Zustand haben wir schon seit Jahren.

Ich sehe die Angelegenheit schlicht aus einer anderen Perspektive als Du. Mir ist die Musik wichtig, Konzerte sind für mich nur gelegentliche Events, die ich auch mal wahr nehme, aber die CDs sind für mich die Musikquelle, die mich wirklich ernährt. Und auf den "guten Plätzen" habe ich sowieso nie gesessen.

Was Du dann mit "allenfalls" umschreibst, ist für mich essentiell. Diese Entwicklung finde ich im Grunde genommen auch gut. Klassik hört auf teures Bildungsgut zu sein und sie ist im Grunde für jeden erschwinglich. Was für ein Problem sollte ich damit haben? Natürlich gibt es trotzdem noch besonders gute Aufnahmen, die auch ihren Preis haben. Aber im wesentlichen ist Klassik eben heute für jeden erschwinglich und das ist keine Krise sondern höchst erfreulich. In gewisser Hinsicht ist das auch ein ganz normaler Prozeß. So wie die Bibel zuerst von Gutenberg gedruckt wurde, um dann irgendwann bei Aldi zu landen. Ändert das irgendwas an der Bibel? Und natürlich haben durch den Buchdruck auch manche Schreiber, die die Bibel abschrieben, ihren Posten verloren.

Ich stelle nur fest, daß die einen etwas als "Niedergang" betrachten, was sie aber nur aus einer äußerst exklusiven Sichtweise tun können. Meine Perspektive ist eine andere.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#76 erstellt: 14. Jul 2010, 13:53
Hallo Martin,

schau' Dir die von mir oben skizzierten Wirkzusammenhänge noch einmal an.

Langfristig (vielleicht nicht diese oder die nächste Generation) könnte sich "Klassik" wieder in eine sehr exklusive Richtung bewegen.

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#77 erstellt: 14. Jul 2010, 14:22

Hüb' schrieb:
Hallo Martin,

schau' Dir die von mir oben skizzierten Wirkzusammenhänge noch einmal an.

Langfristig (vielleicht nicht diese oder die nächste Generation) könnte sich "Klassik" wieder in eine sehr exklusive Richtung bewegen.

Grüße
Frank
:prost


In Bezug auf Konzerte gebe ich Dir da unbedingt recht. Das sind aber letzlich politische Entscheidungen. In Bezug auf Musikkonserven, die gängiges klassisches Repertoire einspielen, glaube ich das dagegen kaum. Und letztere sind mir viel wichtiger.

Natürlich muß ich anderseits auch wieder sagen, daß ein lebendiges Musikleben schon ein Wert an sich ist. Das will ich auch gar nicht bestreiten.

Preise bestimmen sich - das ist ein elementares Gesetz der Volkswirtschaft nach der Nachfrage und der Seltenheit des Nachgefragten. Natürlich ist jede Aufführung selten - sogar einzigartig. Und wenn sie gut ist, besteht da eine Nachfrage. Dagegen Einspielungen von Beethovensinfonien sind an sich eben doch nicht so selten und sie werden immer weniger selten, je weiter die Zeit voranschreitet. Deshalb werden Preise für Klassik an sich immer niedriger. Daran werden auch zukünftige Generationen nichts ändern können.

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#78 erstellt: 14. Jul 2010, 14:24
Bei Konserven gebe ich Dir Recht.
Nur: wie soll etwas nachwachsen?
Wie kommt ein Hörer überhaupt dazu, sich für eine Konserve zu begeistern, wenn nicht durch das Konzerterlebnis?

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#79 erstellt: 14. Jul 2010, 14:30
Hallo Frank,

dieses Argument verstehe ich überhaupt nicht. Meine ersten Klassikerfahrungen habe ich am Radio gemacht, sogar einem ziemlich schlechten. Ich hörte viel Brahms am Radio. Und die alten zerkratzten Platten von meinen Eltern mit Mozarts Es Dur Sinfonie und Beethovens 5. hinterließen einen großen Eindruck.

Daß ich später dann auch Klassikkonzerte besuchte, war für mich ein großes Erlebnis - hatte aber überhaupt keinen Einfluß auf meine Hörentwicklung. Viele Komponisten, die ich sehr schätze habe ich im Konzert nie gehört.

Und Abba hat sowieso immer nur Playback gesungen

Gruß Martin
Hüb'
Moderator
#80 erstellt: 14. Jul 2010, 14:35
Hallo Martin,

bei Anderen mag das Interesse auf anderem Wege geweckt worden sein.

Grüße
Frank
Martin2
Inventar
#81 erstellt: 14. Jul 2010, 14:50
Hallo Frank,

das glaube ich eher nicht. Klassik verlangt wiederholtes Hören und das bietet das Konzert eben nicht. Kann ein Konzert Interesse wecken? Ja vielleicht, aber ich zweifle an der Tiefe des Interesses. Das erinnert mich an die Leute die sagen: Ja zuhause würde ich mir eine Oper ja nie anhören, aber in die Oper zu gehen ist halt doch etwas anderes.

Klassik ist heute geradezu unendlich leicht erreichbar: Radio, Büchereien, Youtube, Download und billige CDs - nichts ist leichter erreichbar als die Klassik.

Gut, es mag natürlich auch Männer geben, die nur dann ein Interesse am weiblichen Geschlecht finden, wenn man sie zwangsweise 2 Monate mit einer Frau einsperrt. Ähnlich mag es dann auch mit der Klassik sein, daß man einfach genug Sitzfleisch für Bayreuth aufbringen muß, um zum Klassikliebhaber zu werden.

Gruß Martin
Kreisler_jun.
Inventar
#82 erstellt: 14. Jul 2010, 15:02
Die Tiefe des Interesses würde ich gewiss nicht bezweifeln.
(Die Musik wurde schließlich nicht für Konserve komponiert, sondern fürs Konzert o.ä.)

Mir scheint es aber allein aufgrund der Allgegenwart von CDs, Radio usw. viel wahrscheinlicher, dass das Interesse hierüber geweckt wird als über ein Konzert.
Warum geht jemand in ein klassisches Konzert, das oft nicht billig ist, wenn er nicht schon vorher Interesse hat? Weil ihn seine Frau reinschleppt, das dürfte wohl der häufigste Grund sein...

Dennoch ist es m.E. ein Problem, wenn das Konzertleben außer in Großstädten weitgehend verarmt bzw. Karten sehr teuer werden und nur Schlachtrösser gegeben werden, weil sonst die Säle ganz leerbleiben.
Da ich z.B. bisher weitgehend in der relativen Provinz gelebt habe, gehe ich nur sehr selten ins Konzert. Was geboten wird, ist mir oft den Preis bzw. Aufwand nicht wert. Lebte ich in Hamburg, Köln oder Berlin wäre das sicher anders.

viele Grüße

JK jr.
Martin2
Inventar
#85 erstellt: 14. Jul 2010, 15:38

Kreisler_jun. schrieb:

(Die Musik wurde schließlich nicht für Konserve komponiert, sondern fürs Konzert o.ä.)


Ich denke, Musik wird doch wohl in erster Linie dafür komponiert, gehört zu werden. Und da die Möglichkeiten klanglicher Reproduktion heute hoch sind, spricht gar nichts gegen die sogenannte "Konserve". Ich gehe ja auch gelegentlich ins Konzert oder die Oper, aber ich höre lieber eine gute Interpretation auf CD, als eine lausige im Konzert.
Thomas133
Hat sich gelöscht
#86 erstellt: 15. Jul 2010, 17:03
Es gibt ja von Harnoncourt einiges Kritisches zu diesem Thema und ich finde er hat großteils nicht so unrecht wenn auch stellenweise etwas radikal formuliert (im Interview "bald sind wir nur noch steineschmeissende Affen" )

"...Die Politiker wissen überhaupt nicht, was sie zerstören mit dem Austrocknen der Erziehung der Kunst. Die Frage ist, was vom Menschen übrigbleibt, wenn man ihm die Kunst wegnimmt. Viele bedeutende Denker sagen, daß der Mensch mit der Kunst überhaupt erst anfängt. Schauen Sie: Ein Affe, der, um Nüsse aufzuknacken, einen Stein nimmt, ist bereits ein Techniker. Alles das, was eine Weiterentwicklung dieses Steins ist, das führt für mich zum Computer. Der Computer ist auch nichts Besseres als der Stein des Affen; das ist nur eine Weiterentwicklung. Dazu ist der Affe also fähig, das kann er. Aber wo ist der Affe, der eine rührende Melodie singt? Der ein Bild auf einen Stein malt? Ein solcher Affe wäre der erste Mensch. Wir aber finden den Stein des Affen heute hundertmal wichtiger als das Bild auf dem Stein. Das ist die Katastrophe unserer Zeit..."

Er führt weiter aus das heutzugate vor allem nur die Logik gefördert werden würde "Wenn ausschließlich das gefördert wird - ja, dann wird es eines Tages nicht mehr möglich sein, dieses Andere wiederum wachzukriegen...Wenn man heute nun sagt `Wozu brauchen wir die Musik? Wir werden nicht satter von Musik!` ja dann kann ich nur sagen, daß die Komponente des Glücks und der Phantasie ganz falsch gewichtet, ganz falsch gewertet wird. Heute wird Glück ja beinahe ausschließlich mit Sättigung in Zusammenhang gebracht, mit einer wohlschmeckenden Mahlzeit, mit einer noch größeren, noch schöneren Wohnung. Einem solchen Denken sind irrsinnige Werte bereits verlorgengegangen. Und keiner merkt es. Bald wird es zu spät sein. Und dann ist es zu spät. Dann sind wir nur noch die steineschmeißenden Affen, die letztlich auch dazu bereit sind, sich zu zerstören."

Oder zu dem Thema das in der Pisa-Studie der Schwerpunkt Musik so gut wie gar keine Rolle spielt
"...Das Musische ist also wegrationalisiert worden - von jenen Politikern, die auch die Lehrpläne erstellen. Wenn man mit denen spricht, sagen sie: Mit 15 Jahren kann man sowieso wählen, ob man Flöte spielen will oder nicht. Daß dann aber die grundsätzliche Basis längst fehlt, daß man sich damit reine Hedonisten heranzieht, das hat man übersehen. Die Gefahr besteht, daß alles Transzendentale verschwindet und der Mensch wieder zur Bestie wird. Für die Logik gibts keine Moral...Die Einsicht, welche Stoffe für die Erziehung wichtig sind, ist viele Jahrtausende alt. Das Zurückdrängen des Musischen dagegen ist sehr jung. Es geht Hand in Hand damit, die Glückserwartungen nur im Materiellen zu sehen."

..."Sie können heute in der Klassik hinschauen, wo immer Sie wollen - Sie kriegen immer etwas Endzeithaftes. Nur muß man dabei in Jahrhunderten denken. Der erste, der das so radikal formuliert hat, war Oswald Spengler. Wenn man sich die Linie der Entwicklung anschaut, dann wird einem angst. Wenn die keinen Haken schlägt, was einem Wunder gleichkäme, dann geht sie ins Nichts"...

Ich hab mir gerade die Daten zum Deutschen Klassik Martanteil angesehn, eigentlich blieb er die letzten Jahre (2002-2009) ziemlich konstant, also von 6,6 bis 8,3 %, mal auf mal ab. (Aber man muß sich dann auch vergegenwärtigen das hier wahrscheinlich so Sachen wie Rieu,Lotti,Neujahrskonzert usw. einen Großteil ausmachen)
Was ich nicht wußte das der Schlager-Bereich ähnlichen Marktanteil hat, dachte der wäre durch die vielen Schlager-Fernsehshows größer.
Also anhand dieser Daten kann man eigentlich noch nicht die Krise festmachen ( da müßte man wahrscheinlich eher den Marktanteil der unter 30jährigen ermitteln ) aber sie zeichnet sich sicher in Zukunft ab, zum. was dann Neueinspielungen anbelangt denn durch fehlendes Konzertpublikum fehlt dann letztendlich auch dafür das Geld - wie geschr. sind ja reine Studioproduktionen was zum. Orchester und Chorwerke anbelangt sowieso nur noch selten, wenn dann noch die finanzielle Stütze des Konzertpublikums wegfällt wird man wahrscheinlich zukünftig fast nur noch von schon Dagewesenem (Eingespieltem) zehren müssen (damit kommt man zwar persönlich gut über die Runden aber doch Schade für die Klassik selber wenn sie zum. vorübergehend so versumpft).
lg
Thomas


[Beitrag von Thomas133 am 15. Jul 2010, 17:12 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#87 erstellt: 15. Jul 2010, 19:54
Ehrlich gesagt, finde ich Harnoncourts Ausführungen nicht besonders pfiffig, dafür unerträglich moralisierend.

Beim Stichwort "Katastrophe unserer Zeit" fallen mir ganz andere Sachen ein.

Und diese platte Entgegensetzung von dem guten Musischen und dem bösen materiellen Glück ist zu einfach. Klar bietet das Musische (was immer das auch genau sein mag) oft ein Vergnügen, das mehr Mühe abverlangt als Essen oder Trinken. Aber eigentlich gilt das für das von Harnoncourt heranzitierte "wohlschmeckende Gericht" genauso, wenn man die Ansprüche daran nicht gnadenlos herunterschraubt. Wohlgemerkt nicht zuletzt auf der Seite der Rezipienten. Geschmacksbildung ist aber ohne Hedonismus nicht möglich.

Viele Grüße

PS.
Ich nebenbei zu Google: "Das Musische ist also wegrationalisiert worden"

Google darauf erstmal: "Meinten Sie: Das Musische ist also wegrationalisiert werden"
Martin2
Inventar
#88 erstellt: 15. Jul 2010, 22:02

Klassikkonsument schrieb:
Ehrlich gesagt, finde ich Harnoncourts Ausführungen nicht besonders pfiffig, dafür unerträglich moralisierend.



Ich auch. Was er zu sagen hat, ist letzlich nicht sonderlich originell. Was ich grundsätzlich nicht mag, ist die in bildungsbürgerlicher Überheblichkeit vorgenommene Kategorisierung der Musik in Kunst und "Unkunst". Ich finde es aber nur furchtbar arrogant, aller populären Musik ihr Kunstsein per se abzusprechen. Auch die Musik von Abba etwa, die viele Leute lieben, ist für mich Kunst.

Mein Weltbild war immer: Es gibt bessere Musik und schlechtere und auch ganz schlechte. Und einen bildungsbürgerlichen Kunstpopanz brauchen wir nicht. Es gibt auch gewisse vielleicht weniger gute Musik, die doch sehr spezielle Qualitäten hat, weshalb man sie doch gerne hört. Natürlich hat Beethoven gewisse künstlerische Qualitäten, die die Beatles nicht hatten und die ich sehr hoch bewerte, höher als die Beatles, aber deshalb waren gewisse Musiker der Popkultur doch gewissermaßen doch schon sehr originelle Künstler.

Man kann Menschen nie für klassische Musik gewinnen, wenn man die Musik, die sie gerne hören, vollkommen in den Dreck zieht, was Harnoncourt indirekt tut. Und Musik spielt für viele Menschen auch heute eine sehr große Rolle, so war es immer und so wird es auch weiter sein. Die Technik wird überhaupt nicht so sehr verehrt wie Harnoncourt glaubt. Man liebt nicht den Computer, sondern das, was man damit machen kann. Der Fernseher wäre gänzlich uninteressant, wenn man nicht zum Beispiel wunderbare Filme damit sehen könnte.

Und was die Moral betrifft: Ob die Musik Wagners nun wirklich die Humanität mehr gefördert hat als die Heinos, lasse ich mal dahingestellt. Die Musik Heinos kann immerhin in Israel aufgeführt werden.

Gruß Martin
Martin2
Inventar
#89 erstellt: 15. Jul 2010, 22:40
Und ergänzend gesagt. Ich hätte es auch im heute gehört Thread posten können, aber ich höre gerade die 3. CD aus folgender Box:

jpc.de

Da trällert Fritz Wunderlich teilweise Sachen, die so populär sind, dagegen ist Paul Potts CD vermutlich anspruchsvolle Kunstmusik. "Granada" und "O solo mio" und Sachen, die viel schlechter sind und die man in jedem Heimatfilm der 50 er Jahre bringen könnte. Aber Mahler, Mozart oder Schubert, Schumann und Beethoven hat er eben auch gesungen. Und gar nicht mal schlecht.

Wunderlich hat selbst das Niveau von Franz Lehar noch weit unterboten. Und das hat damals niemanden gestört. Insofern kann ich nur sagen: Laßt den Andre Riex oder den Garett, der jetzt auf Platz 1 der Bestsellerliste liegt, ruhig mal Beethovens Violinkonzert fiedeln und Paul Pott den Radames oder Tamino singen. Irgendwelche Fans würdens schon kaufen, für die Klassik wäre es gar nicht mal schlecht.

Gruß
Martin
Maastricht
Inventar
#90 erstellt: 16. Jul 2010, 05:37

Martin2 schrieb:

Da trällert Fritz Wunderlich teilweise Sachen, die so populär sind, dagegen ist Paul Potts CD vermutlich anspruchsvolle Kunstmusik. "Granada" und "O solo mio" und Sachen, die viel schlechter sind und die man in jedem Heimatfilm der 50 er Jahre bringen könnte. Aber Mahler, Mozart oder Schubert, Schumann und Beethoven hat er eben auch gesungen. Und gar nicht mal schlecht.
... Insofern kann ich nur sagen: Laßt den Andre Riex oder den Garett, der jetzt auf Platz 1 der Bestsellerliste liegt, ruhig mal Beethovens Violinkonzert fiedeln und Paul Pott den Radames oder Tamino singen.
Gruß
Martin


Hallo Martin,

Für mich geht es dabei nicht darüber was gesungen oder gespielt wird, sondern wie das gemacht wird.

Es gibt doch ziemlich viele klassische Musiker die auch mal nicht klassische Musik machen: Bryn Terfel, René Fleming, André Previn, Nigel Kennedy, Pavarotti, Menuhin, ...
Und die Wiener Neujahrskonzerte ...

Die Frage ist dann: wie hat Wunderlich z.B. Lieder von X gesungen im Vergleich zu anderen Sängern?

Übrigens tritt Rieu zur Zeit in Maastricht wieder mal ein paar Mal auf (und das ZDF war auch dabei).
Die Leute die ich spreche und die sich Rieu mit viel Vergnügen anhören, sind meistens gar keine Klassikliebhaber und ich glaube auch nicht das sie es durch Rieu werden. Mann kann sie vielleicht auch daran erkennen das sie denken das es nicht ausmacht welche Ausführung eines Musikstücks man sich anschafft.

PS. Gerade die Schreibweise von Rieu verändert. So schlimm ist das bei mir.

Gruss, Jürgen


[Beitrag von Maastricht am 16. Jul 2010, 08:23 bearbeitet]
Wilke
Inventar
#91 erstellt: 16. Jul 2010, 08:11
Da muss ich Dir unbedingt Recht geben, Maastrich.
Mein Vater liebt Rieu über alles - warum: er hat als junger Erwachsener sich für Operetten und teilweise für "einfache"
Opern (in Deutsch: Rudolf Schock, Annelise Rothenberger) begeistert.
Auch Andre Bocelli mag er gerne und die Neujahrskonzerte.

Er ist eben ein Fan von "classic ligth".
ich selbst mag lieber Klaviersonaten oder Orchesterwerke von
Beethoven, mozart, bach etc. gruß Wilke
Maastricht
Inventar
#92 erstellt: 16. Jul 2010, 08:33
Das wat bei meinem Vater auch so. Und von der Rothenberger war er ganz begeistert. Aber Rudolf Schock hatte für ihn einen Knödel in der Kehle. Und den Josef Schmidt (Ein Lied geht um die Welt) fand er auch gut.

Gruss, Jürgen
Martin2
Inventar
#93 erstellt: 16. Jul 2010, 15:42

Maastricht schrieb:


Die Frage ist dann: wie hat Wunderlich z.B. Lieder von X gesungen im Vergleich zu anderen Sängern?


Wunderlich hat wunderbar Operetten gesungen und auf einer CD mit einem Duett mit Rudolf Schock singt er diesen auch wirklich an die Wand.

Dagegen auf dieser einen CD singt er zum Teil ein Zeug, das so schlecht ist, das es jeder Beschreibung spottet und trotz Wunderlich kann ichs einfach nicht aushalten.

Wie auch immer, "Crossover" ist im Prinzip ein alter Hut. Habe auch eine CD mit einem Wilhelm Strienz, wo er klassische Lieder genauso singt wie populäre Schlager. Anfang 40er Jahre.

Gruß Martin
Thomas133
Hat sich gelöscht
#94 erstellt: 16. Jul 2010, 16:30
Ich kann natürlich nicht für Harnoncourt sprechen und will das auch nicht, aber ich denke er wollte wohl auch bewußt etwas in seinen Ausführungen übertreiben, provokant formulieren.
Find ich eigentlich eher witzig die Formulierung mit den steineschmeissenden Affen.

Und mit dem Stellenwert der Musik in unserem heutigen Schulsystem hat er ja recht. Er führt halt dann diesen Gedanken weiter, in seiner Überzeugung das damit auch mehr verlorengeht als das reine tiefergehende Verständnis von der sog. Kunst, das der heute unabsprechbare Materialismus seiner Meinung nach in Wechselwirkung damit steht. Und es scheint ja auch irgendwie logisch das in früheren Zeiten wo es noch nicht die ganze Unterhaltungselektronik von Fernsehn über Internet bis Iphone, auch nicht die Leistungsgesellschaft von heute in der Form gab, die Musik zwangsläufig eine ganz andere Rolle gespielt hat. Heute ist es den Meisten zu mühsam und zu zeitaufwändig sich in Musik erst einhören zu müssen, auf sie konzentrieren und genau hinhören zu müssen (ganz abgesehn von einigen anderen Gründen wie Gruppenzwang, seit Kind auf eingefleischte Hörgewohnheiten und ebenso fehlende Schlüsselerlebnisse,...)

Ich bin nicht der Meinung das populäre Musik Kunst in dem Sinne ist wie man sie in der Klassik finden kann. Aber gut, über die Definition Kunst kann man schließlich streiten und ist subjektiv auslegbar - aber ich will auch konkretisieren was mir an der Popularmusik dafür fehlt. Zu wenig Abwechslung (die ständigen Wiederholungen von Strophe und Refrain, meist keine Überraschungsmomente) die Melodie für mich zu sehr im Vordergrund, ohne das hier interessante Nebenstimmen zu hören wären, ganz zu schweigen von einem Art Kontrapunkt (in sehr gut gemachter Form für mich persönlich die höchste Kunst in der Musik) und noch manches mehr.
Dabei bin ich alles andere als ein Gegner der Popularmusik, ich höre die selber oft genug (natürlich nur Gewisses, Mainstream eigentlich kaum) und die hat halt wieder für mich andere Qualitäten, die jeweilige Stimmung muß halt danach passen (hab auch manchmal keine Lust auf Klassik).
Aber meine Definition von musikalischer Kunst ist das nicht.
Und in meinem Fall ist das nicht abwertend gemeint, ich denke nämlich das man beide Bereiche schwer vergleichen kann, man auch nicht sollte es gab ja schließlich schon damals als die Komponisten lebten und die großen Symphonien und Klavierkonzerte geschrieben wurden schon Volkslieder und ab ca. der Biedermeier-Zeit fing ja schon die Strauss (zuerst vom Vater)-Walzer/Polka usw.-Musik an sehr populär zu werden und jeder Bereich hatte halt seinen eigenen jeweiligen Zweck, von jeher.

Übrigens, der Vergleich Wagner und Heino hinkt etwas da es ja für die Israelis ja nicht um die prinzipielle Ablehung von Wagners Musik sondern um seine Person in Verknüpfung seiner damaligen Ideologie geht,
außerdem hat wohl Harnoncourt gerade diesen wohl nicht vordergründig gemeint (hat er überhaupt schon je einmal irgendwas von Wagner dirigiert?)

"Katastrophe unserer Zeit" find ich auch überzogen aber das ist halt typisch Harnoncourt der gerne mal etwas übertreibt. Einmal hat er ja gemeint er wäre strikt gegen jegliche Markenartikel, als ihm seine Frau mal versehentlich ein Lacoste-T-Shirt gekauft hat, hat er das Krokodil sofort auf der Stelle vom T-Shirt reissen müssen.
lg
Thomas
Martin2
Inventar
#95 erstellt: 16. Jul 2010, 17:14
Hallo Thomas,

es gibt doch Musikunterricht an den Schulen und mir ist auch nicht bekannt, daß er eingestellt werden soll. Noch mehr Musikunterricht?

Musikhören ist vor allem eines: Etwas freiwilliges, was man gerne tut. Zur Schule zu gehen und ( auch) im Musikunterricht zu sitzen ist dagegen etwas Unfreiwilliges, was man vielleicht auch mal gerne tut, manchmal aber auch nicht.

Nur Kunst hin oder her: Anspruchsvolle Musik hört man vielleicht am Anfang mal nicht so gerne - später aber dann doch. Viele Leute wird sie ohnehin überfordern, manche Menschen haben aber auch einfach keine Lust, das bißchen "Anstrengung", die sie erfordert, zu leisten. Sie arbeiten vielleicht 30 Jahre, um sich ein Haus kaufen zu können, aber sie würden auch nicht mal 2 Stunden einer Musik, die sie noch nicht verstehen und an der sie dementsprechend auch noch keinen Genuß empfinden können, konzentriert zuhören - das wäre dann doch zuviel "Arbeit".

Sicher ist dies auch ein Phänomen des heutigen "Materialismus", aber auch ein Phänomen des Auseinanderfallens von "Arbeit" und "Freizeit". Und je brutaler die Arbeitswelt wird, desto kindischer dann das Verhalten von Menschen in ihrer Freizeit. Und da hat klassische Musik dann eher schlechte Karten. Gute Literatur zum Beispiel auch.

Gruß Martin
Joachim49
Inventar
#96 erstellt: 16. Jul 2010, 18:58
Ich halte es für eine recht merkwürdige Erscheinung, dass viele Leute, die sich nichts aus Klassik machen,manchmal doch positiv und neugierig reagieren, wenn sie zufällig damit konfrontiert werden. So geschieht es etwa recht oft, dass klassische Musikstücke beliebt werden, weil sie in Filmen verwendet werden. So hat etwa Stanley Kubrick sehr dazu beigetragen, dass manche Stücke weit über den Bereich der üblichen Klassikhörer bekannt wurde. Oder, anderes Beispiel, bei einer Trauerfeier wird der langsame Satz aus Mozarts Klavierkonzert KV 467 gespielt, und gleich will jeder wissen, was das war (die Musik wurde ja auch mal durch einen schwedischen Film bekannt, bis heute steht manchmal 'Elvira Madigan' auf den Hüllen). Und selbst hier kommt es ja manchmal vor, dass die Leute durch Fernsehwerbung einen Anreiz bekommen. Die Leute kennen die Sachen einfach nicht. Zum Teil liegt es daran, dass die Radiosender keine Gemischtwaren anbieten, wo verschiedene Genres abwechseln (es ist allerdings auch nicht leicht, zwischen zwei Schlagern à 3 Minuten, eine Brucknersymphonie einzubauen). Jedenfalls scheint mir, dass Klassik vielleicht einen etwas grösseren Markt hätte, wenn die potentiellen Hörer mehr damit konfrontiert würden. Wie sonst ist zu erklären, dass Klassik als Filmmusik offensichtlich Barrieren überwindet? Ich weiss nicht, wie der Musikunterricht heutzutage in D ist. In meiner Zeit war er beschissen (obwohl es sogar ein Schulorchester gab). Hier (in Belgien) lernen alle Kinder in der Grundschule Blockflöte (also auch Noten lesen) aber man baut nicht weiter darauf auf. Auf dem Gymnasium, das meine Kinder besuchten, gab es überhaupt keinen Musikunterricht, sondern nur Kunstunterricht. Kunstunterricht heisst hier aber beinahe ausschliesslich bildende Kunst. Allerdings mussten die Schüler einmal in der Oberstufe ein Stück romantische Musik mitbringen und erklären, was daran romantisch ist (immerhin etwas).
Joachim
Kings.Singer
Inventar
#97 erstellt: 18. Jul 2010, 10:33

Martin2 schrieb:
es gibt doch Musikunterricht an den Schulen und mir ist auch nicht bekannt, daß er eingestellt werden soll. Noch mehr Musikunterricht?


Hi.

Musik ist mit Kunst ("Malen") zusammen das Fach, das in den letzten Jahren in den Stundentafeln am radikalsten gekürzt wurde - zu Gunsten der Hauptfächer. Ich kann mich erinnern, dass ich in Hessen in der Mittelstufe immer 2 Wochenstunden Kunst und Musik hatte (ab der 7. Klasse dann immer jährlich abwechselnd Kunst und Musik). Im Zuge der G8 Einführung musste da gekürzt werden, weil ja ein Schuljahr wegfiel.


Zu der Sache mit den Konzertbesuchern:
Es ist doch ein Irrsinn zu glauben, dass sich abseits der Profiebene klassische Musik selbst trägt, z.B. durch die Konzerteinnahmen. Aufgrund meines Engagements für den Chor habe ich ja relativ guten Einblick in die Zahlen. Wenn wir in Würzburg nicht jedes Jahr Unmengen (ca. ein Drittel der Ausgaben muss durch zusätzliche Gelder ausgeglichen werden) an Förder- und Sponsorengeldern eintreiben würden, hätten wir den Laden schon längst dicht machen können. Wir könnten also auch auf einen Teil des Publikums verzichten - auf zusätzlichen Geldfluss sind wir ja sowieso schon angewiesen.


Viele Grüße,
Alex.
flutedevoix
Stammgast
#98 erstellt: 19. Jul 2010, 20:42
Auch auf Profi-Ebene geht sich ein Konzrt finanziell selten für den Veranstalter aus. Na ja, wenn Mozart und Beethoven und Karajan auf dem Plakat stehen, dann mag das noch gehen.
Das ist jetzt sehr pessimistisch und bissig, aber die Realität.

Wir sind mitten dabei, das Angebot klassischer Musik auszudünnen. Wenn ich an Würzburg denke, fällt mir spontan die Diskussion um die Schließung des Theaters vor ein paar Jahren ein. Die Stadt hatte aber genügend finanzielle Mittel für unnötige Straßenbaumaßnahmen. Na ja, wenn eine Straße umgebaut wird, sieht man, daß etwas "sinnvoll" geschieht, bei Kulturförderung natürlich nicht. man will j ashcließlich wiedergewählt werden.

In den letzten beiden Jahren sind viele Konzertreihen eingestellt bzw. stark gekürzt worden. Ich kenne genügend Kollegen, die die Sparte wechseln und beruflich neue Wege gehen, weil sie keine Möglichkeiten mehr sehen, ihr Leben zu finanzieren.

Übrigens, ohne ein reiches Konzertleben werden sich auch die "reinen" CD-konsumenten bis in ein paar Jahren umsehen. Denn ohne Konzertleben keine Musiker, die CD's einspielen, das Musikleben dreht sich im Kreis und findet keine neue Impulse. Dann wird es auch keine neue CD's mehr geben. Denn davon kann keiner leben, im Gegenteil, viele auch größere Labels erwarte, daß man dafür zahlt, wenn man eine CD aufnehmen will!!
arnaoutchot
Moderator
#99 erstellt: 20. Jul 2010, 08:34

flutedevoix schrieb:
Übrigens, ohne ein reiches Konzertleben werden sich auch die "reinen" CD-konsumenten bis in ein paar Jahren umsehen. Denn ohne Konzertleben keine Musiker, die CD's einspielen.


Naja, da seien die Chinesen vor. Wie ich lese (Quelle erinnere ich nicht mehr) lernen ja ungefähr 20 Millionen Chinesen Klavier spielen. Wenn da nur ein minimaler Teil professionell wird, haben wir doch ausgesorgt ....

Wie empfindet ein Profimusiker wie Du, flutedevoix, eigentlich diese Konkurrenz ? Ist das eher befruchtend oder belastend ?

"Klassikkrise" kann ich eigentlich keine sehen. Wir leben doch in einer Zeit, die an Konserven mehr klassische Musik bietet als jede Generation vorher zur Verfügung hatte. Man denke nur an die ganzen Kleinmeister, die heute diskographisch perfekt und komplett aufgearbeitet werden, die Wiederveröffentlichung zurück selbst bis zu den allerersten Tonaufnahmen oder eine umfangreiche Auswahl von qualitativ hochwertigen Ton- und Bildträgern des gängigen Repertoires (z.B. Opern-BluRays). Aber auch bei Live-Aufführungen sehe ich keinen Mangel. Ich denke z.B. an die zahllosen kleineren regionalen Festivals wie z.B. bei mir hier den Fränkischen Sommer, was es früher auch nicht gab.

Grüße Michael
cr
Inventar
#100 erstellt: 20. Jul 2010, 10:22
Meiner Meinung hat sich, was es CDs anbelangt, das Ganze etwas verlagert. Der große Boom ist vorbei, weil inzwischen die LPs weitgehend durch CDs ersetzt wurden (die Leute, die ich kenne, haben praktisch alle ihre LPs inzwischen als CD nachgekauft).
Es fehlen so Zugpferde wie Karajan. Zudem ist durch sie der Markt nachhaltig verstopft, weil ihre CDs sehr viel gekauft wurden und nicht jeder Interesse hat, sich dasselbe Werk in x-facher Ausführung zu kaufen.
SACD ist gescheitert.
Bei den Videos wird geschlafen. Viele interessante Opernproduktionen, die es schon auf Laserdisc gab, sind auf DVD nicht erhältlich.
Die Veröffentlichung unbekannter Werke geht nach wie vor ganz gut (Naxos). Ich möchte hier nur zu bedenken geben, welche Komponisten inzwischen erhältlich sind, von denen man früher nicht mal den Namen kannte. Raritätenveröffentlichungen waren bis in die 80er Jahre extrem selten, seitens der DG, DECCA und EMI kam kaum was auf den Markt.
Das elitäre Gehabe vieler Klassik-Hörer nervt, vor allem die jüngeren. Leute, die nur Klassik akzeptieren, haben mM einen etwas eingeengten Horizont. Bei mir hält sich Klassik und Pop in etwa die Waage, sagen wir rund je 1000 CDs.
arnaoutchot
Moderator
#101 erstellt: 20. Jul 2010, 11:34

cr schrieb:
SACD ist gescheitert.


Einspruch. Sehe ich gerade in der Klassik nicht so. Viele kleinere Label haben sich tatsächlich auf die SACD spezialisiert (BIS, Channel, TACET etc.). Denon bringt im Sommer auch in den unteren Preissegmenten Universalplayer auf den Markt, die neben BluRay auch (wieder) SACD und DVD-Audio in Mehrkanal abspielen können. Wenn die Industrie es richtig macht, kann ein Übergang von der SACD zur BluRay Audio gelingen, nur dass diesmal die Playerbasis wesentlich grösser ist.
Thomas133
Hat sich gelöscht
#102 erstellt: 20. Jul 2010, 16:20

cr schrieb:
Das elitäre Gehabe vieler Klassik-Hörer nervt, vor allem die jüngeren. Leute, die nur Klassik akzeptieren, haben mM einen etwas eingeengten Horizont. Bei mir hält sich Klassik und Pop in etwa die Waage, sagen wir rund je 1000 CDs.


Sicher gibt es solche auch aber zum Einen ist das sicher kein primärer Grund warum junge Leute Klassik ablehnen (ich glaube es trifft einfach nicht ihren Geschmack, Vorurteile, generell kein Bezug weil seit Kind auf nie in Berührung damit gekommen usw.) zum Anderen gibt es unter Jungen mind. genauso viel schlechte Klischees gegenüber der Klassik, wo man unter Schülern wahrscheinlich noch gefoppt und gehänselt wird wenn man sich als Klassikhörer outen würde.
lg
Thomas
op111
Moderator
#103 erstellt: 20. Jul 2010, 16:46

cr schrieb:
SACD ist gescheitert.

Kommerziell sicher, ein (fallender) Marktanteil unter 0,4% spricht für sich.
SACD ist für mich weitestgehend ein anderer Name für Kopierschutz.
Und von der technischen Seite gibt es auch einge wenig HighFidel anmutende Aspekte.
Stichpunkte: verlustbehaftete Recodierung, DSD, noise shaping, hohe Störanteile und damit geringe Dynamik (<50dB) ausgerechnet im leisen Hochtonbereich.


[Beitrag von op111 am 20. Jul 2010, 16:47 bearbeitet]
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