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ECM, die Edition of Contemporary Music und ihre Platten

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andreas3
Inventar
#51 erstellt: 24. Jun 2019, 23:01
Vielleicht sollte man diese noch erwähnen:

freigeweht

Rainer Brüninghaus - Freigeweht
ECM 1187 (1981)

Im August 1980 nahm der langjährige Pianist der Jan Garbarek Group Rainer Brüninghaus mit Schlagzeuger Jon Christensen, Kenny Wheeler am Flügelhorn und Brynjar Hoff an Oboe und English Horn sechs Stücke auf, die typisch für die damalige Zeit sind: etwas schwermütig, und trotzdem eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlend. Keyboardakkorde bilden den Rahmen, den sonst meist der Bass setzt, und die beiden Bläser spielen eher harmonisch als frei. Großartig die Beiträge von Jon Christensen, er sorgt dafür dass die Musik die nötige Spannung erhält. Brüninghaus am Flügel ist ein Gedicht, die synths stehen meist im Hintergrund.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#52 erstellt: 25. Jun 2019, 08:36
Da möchte ich dann auch gleich den Nachfolger erwähnen:
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Rainer Brüninghaus
Continuum
ECM 1266, 1984

Mit Freddy Studer an den Drums und einem großartigen Markus Stockhausen an den Trompeten stehen die Keyoards hier mehr im Vordergrund als auf dem Vorgängeralbum. Aber natürlich hört man Brüninghaus auch auf dem Flügel und kann hier seine Talente als ausschweifender Erzähler und Maler opulenter Tastenbilder eindringlich erleben. Stockhausens sonnenstrahlende Trompete ist die ideale Ergänzung in diesem Setting, dass Studer mit fibriger Schlagzeugarbeit untermauert. Hier erklingen Stücke voll britzelnder Spannung und treibender Schönheit.
andreas3
Inventar
#53 erstellt: 26. Jun 2019, 22:13
Guten Abend!

@ Mr._Lovegrove:

Sowohl Stockhausen als auch Studer weiß ich zu schätzen, die werde ich mir bestellen.

@ all:

Ich denke Carla Bley wäre einen Eintrag wert, leider habe ich da nichts vorzuweisen. Ich hatte in (sehr!) jungen Jahren mal Escalator Over The Hill ausgeliehen, da kam ich nicht so mit klar, aber ich habe gerade mal die Besetzungen durchgelesen, aus heutiger Sicht interessant.
Kann da jemand was zu schreiben?

Grüße!


[Beitrag von andreas3 am 26. Jun 2019, 22:14 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#54 erstellt: 27. Jun 2019, 07:41

andreas3 (Beitrag #53) schrieb:
Ich denke Carla Bley wäre einen Eintrag wert ... Kann da jemand was zu schreiben?


Ja, kann ich gerne übernehmen, ich komme aber vermutlich erst am Wochenende dazu.
dietmar_
Inventar
#55 erstellt: 27. Jun 2019, 07:55

arnaoutchot (Beitrag #54) schrieb:

andreas3 (Beitrag #53) schrieb:
Ich denke Carla Bley wäre einen Eintrag wert ... Kann da jemand was zu schreiben?


Ja, kann ich gerne übernehmen, ich komme aber vermutlich erst am Wochenende dazu.

Hatte ich schon erwähnt gehabt, komme aber auch wieder wenig zum Musikhören. Vielleicht klappt es bei mir in den kommenden Tagen.
Außerdem war es zuletzt einfach zu heiß für's Musikzimmer.

edit:
Escalator Over The Hill steht hier zwar, habe mich aber mit diesem komplexen Werk leider nie ausführlicher beschäftigt.
Wenn arnaoutchot etwas dazu schreiben könnte, wäre das toll.

Aber ...


[Beitrag von dietmar_ am 27. Jun 2019, 08:26 bearbeitet]
dietmar_
Inventar
#56 erstellt: 27. Jun 2019, 08:28
...
Da stellen sich mir ein paar grundsätzliche Fragen, wenn ich an Carla Bleys Output denke:
Wie halten wir es mit Unterlabeln oder Zweitverwertungen? Escalator Over The Hill ist bei JCOA Records erschienen, erst sehr viel später (1998?) bei ECM. Die meisten Carla Bley Alben erschienen beim Unterlabel WATT Works („manufacturing and distribution by ECM Records“).
Wie ist es dann mit JAPO?
Mr._Lovegrove
Inventar
#57 erstellt: 27. Jun 2019, 08:55
Mir persönlich wäre das zu abschweifend. Ich bin in diesem Fall dafür, wirklich nur Alben von ECM selbst zu behandeln.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 27. Jun 2019, 08:56 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#58 erstellt: 27. Jun 2019, 09:10
Und da mache ich jetzt einfach mal mit weiter. Bei B fällt mir natürlich ein neuzeitlicherer Klassiker des Labels ein:
jpc.de
Ketil Bjørnstad
The Sea
ECM 1545, 1995

Zusammen mit Terje Rypdal (g), David Darling (cello) und Jon Christensen (dr) erkundet der Pianist und Buchautor die wilden Wogen der See. Die Kompositionen sind geprägt von tiefer Melancholie, von Traurigkeit, vom Schicksal, aber auch von der rauhen Schönheit des Meeres. Das ist so intensiv, so poetisch und erzählerisch stark musiziert, dass es mir schwer fällt, die ganze Platte durchzuhören. Und gerade Rypdal überrascht mich hier enorm. Seine Stratocaster verbindet sich mit Darlings dunklen Cellotönen zu einer atmosphärischen Einheit, die wie das Meer erklingt: Mal rau aufwühlend, mal ruhig plätschernd, mal stürmisch, mal sonnig. Bjørnstad ist als Pianist hier dann der Erzähler der Geschichten, die vor diesem Hintergrund passieren, die dieser Hintergrund prägt. Und Christensen macht das, was er am besten kann; er bildet einen puristischen, feingliedrigen Rhythmusteppich voller Raffinesse. Unter den nordischen Jazzplatten auf ECM zählt diese hier zu den ganz großen! Auch klanglich ist das hier sehr fein im Rainbow Oslo ausgestalten. Ketil Bjørnstad war wohl so zufrieden mit Kongshaugs Arbeit, dass dieser sogar mit einem Foto im Booklet vertreten ist.

Kurzes OT dazu: Die beiden scheint einiges zu verbinden, denn Bjørnstad wurde später die Ehre zu teil, die letzten Aufnahmen im alten Rainbow abzuhalten, sowie die allerersten im neuen (und da sogar einmal die letzte Aufnahme auf dem alten Steinway und die erste auf dem neuen Steinway Flügel) All das gibt es auf der 3- CD Box "Rainbow Sessions" zu hören. Die erschien aber nicht auf ECM, sondern auf EmArcy.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 27. Jun 2019, 09:13 bearbeitet]
HansFehr
Inventar
#59 erstellt: 27. Jun 2019, 17:58
Danke für den Tipp. Ich habe es bei Tidal Hifi überspielt. Gefällt mir sehr gut. Alle Instrumentalisten. Ich habe lange überlegt an was mich das Spiel des Pianisten teilweise erinnert. Jetzt, beim dritten Mal anhören fällt es mir ein. Erik Satie.
Micha_L
Stammgast
#60 erstellt: 27. Jun 2019, 18:34
Beeindruckend finde ich das sparsame Pianospiel - kraftvoll, mit genau den "richtigen" Tönen.
andreas3
Inventar
#61 erstellt: 27. Jun 2019, 22:59
Guten Abend,

mir stellt sich schon lange die Frage, weshalb Manfred Eicher manche Musik auf Japo veröffentlicht hat, warum hat er denn überhaupt ein zweites Label gegründet? Die Japo´s in meinem Bestand würden imho das ECM- Programm bereichern. Wenn jemand Näheres weiß, freue ich mich über eine Auskunft.

Grüße!
Mr._Lovegrove
Inventar
#62 erstellt: 28. Jun 2019, 08:21

andreas3 (Beitrag #61) schrieb:
Guten Abend,

mir stellt sich schon lange die Frage, weshalb Manfred Eicher manche Musik auf Japo veröffentlicht hat, warum hat er denn überhaupt ein zweites Label gegründet? Die Japo´s in meinem Bestand würden imho das ECM- Programm bereichern. Wenn jemand Näheres weiß, freue ich mich über eine Auskunft.


So, nur kurz im Netz geforscht. Das Label JAPO (Jazz by Post) wurde 1970 von Karl Egger gegründet. Egger hat Eicher damals den ECM Start finanziert und ist bis heute zweiter Geschäftsführer von ECM. Eicher vertrieb Eggers Label schließlich über ECM.

Nach dem Ende von JAPO gab es übrigens einige Alben, die Eicher auf CD unter dem ECM Label wiederveröffentlicht hat. Das wußte ich alles aber vorher auch nicht, von daher bin ich denn doch aufgeschlossen gegenüber JAPOs. Man lernt nie aus....
Don_Tomaso
Inventar
#63 erstellt: 28. Jun 2019, 14:11
Danke für den Hinweis auf The Gary Burton Quartet & Eberhard Weber - Passengers. Läuft gerade und gefällt mir ausnehmend gut. Flotter als "Dreams so real"...
Ein kurzer Nachtrag zu

amazon.de

Anouar Brahem - Blue Maqams. Mit Anouar Brahem (oud), Dave Holland (db), Jack DeJohnette (dr) und Django Bates (p). Klar, da kann man schon fragen "Ist das noch Jazz oder kann das weg?", zumindest aufs erste hinhören. Und genau das ist es, was ich so faszinierend finde. Brahem selber räsoniert im Booklet über diese Frage, er ist, nach eigenem Verständnis, kein Jazzer, sondern klassischer Oud-Spieler. Und ebensowenig, wie er sich dem Jazz anbiedern will, möchte er, das sich Jazzer ihm anbiedern. also weder verjazzter Ethno noch verfolkter Jazz. Aus dieser Spannung, so beschreibt es Brahem, entsteht, was diese Platte ausmacht. Gelingen konnte das nur, weil er Dave Holland von der Zusammenarbeit bei "Thimar" gut kennenlernte und das Vertrauen gewonnen hatte, sich einzulassen. Holland widerum kannte Jack DeJohnette seit Jahrzehnten und Brahem beschreibt, wie sich das Vertrauen dieser beiden ineinander, das Verlassen aufeinander, auf ihn übertrug und sie so dann den - überraschend selbstbewusst spielenden - Django Bates einbinden konnten.
Das Resultat finde ich streckenweise verblüffend. Die Musiker scheinen sich fast blind zu verstehen. Gerade Brahem ist eher ein Mann der leisen Töne, der sparsamen Kompositionen und das trägt hier. Wie das im ersten Stück vorgestellte Thema immer wieder aufscheint, wie natlos das schon etwas ältere "Bahia" eingebunden und so fast zum Mittelpunkt des Albums wird, fasziiniert mich.
Es ist ein sehr ruhiges Album, nichts um sich ein wenig aufzupushen. Perfekt für ruhige Stunden. Dem Diktum "langweilig" muss ich aber aufs entschiedendste widersprechen, Euer Ehren!
arnaoutchot
Moderator
#64 erstellt: 28. Jun 2019, 14:48

Don_Tomaso (Beitrag #63) schrieb:
Diktum "langweilig" muss ich aber aufs entschiedendste widersprechen, Euer Ehren! :D


Je nun, ich habe mich dieser Tage auch nochmals mit der Blue Maqams befasst. Ich mag bekanntlich Holland und DeJohnette sehr gerne und habe auch nichts gegen Brahem und Bates. Aber das Album blieb langweilig für mich. Alleine schon die Länge der Platte mit fast 80 Minuten und die Überlänge der Stücke, bei denen jedes auf fast 10 Minuten ausgewalzt ist ! Da kann ich nach noch so viel Vertrauen, blindem Verständnis der Musiker und innerer Spannung suchen, aber das fesselt mich einfach nicht. Lediglich den beiden minimal peppigeren Tracks mit den brasilianischen Titel konnte ich etwas mehr abgewinnen. Aber muss ja nicht ...

Und noch zu JAPO, WATT und CARMO. Das sind ECM-Unterlabel, die hier aus meiner Sicht definitiv mitbesprochen werden sollten. Ich erinnere mich noch an meinen ersten Besuch als Jüngling bei Jazz by Post in der Gleichmannstrasse in München-Pasing. Ich weiss nicht so recht, was ich erwartet hatte, aber das war weniger ein Laden denn ein Lager. Die Wände waren voll mit gefüllten Regalen mit den Produkten des Labels. Die Preise waren fix, LPs kosteten mW DM 14,80, Doppel-LPs DM 22,80. Ich habe dann im Nachgang ziemlich oft dort bestellt, weil es die ausgefalleneren LPs damals in den Läden gar nicht so einfach gab.
crim63
Inventar
#65 erstellt: 29. Jun 2019, 14:00
Hallo !


Don_Tomaso (Beitrag #63) schrieb:
Anouar Brahem - Blue Maqams.....

Ich habe die Platte schon eine ganze Weile im Einkaufswagen bei JPC und nach Deinem Post Thomas war ich fest entschlossen zu bestellen.
Nun kam der Michael in die quere und ich hab mal die Rezensionen bei JPC gelesen, fast Einstimmig wurde da die schlechte Qualität der Vinylausgabe
bemängelt, einige haben sogar zurückgesandt deswegen.
Vinyl wollte ich ja haben, nun muß ich noch weiter drüber "schlafen" ob oder ob nicht.......

Gruß Maik
arnaoutchot
Moderator
#66 erstellt: 29. Jun 2019, 16:57
Hallo Maik, lass Dich durch meine unmassgebliche musikalische Meinung nicht beirren. Offensichtlich bin ich ja hier eher alleine als nicht bedingungsloser Fan der Platte. Zu Vinylpressungen kann ich nichts sagen, habe auch wenig Erfahrungen mit neuen Pressungen von ECM. Die alten Pressungen aus den 1970ern gehören qualitativ in den meisten Fällen immer noch zu meinen Referenzplatten. Aber dieser Status mag sich leider heute auch geändert haben.

Aber ich wollte noch etwas zu Carla Bley schreiben. Unglaublich, dass die Dame bereits 83 Jahre alt ist !

Es wurde nach Escalator over the Hill (ECM/JCOA 1971) gefragt. Nun, ich weiss nicht ob ich hier viel Kluges beitragen kann. Das ist eine der rätselhaftesten Platten der Musikgeschichte für mich. Ist es eine Jazz-Rock-Oper ? Ist es eine Sammlung der kreativen Energie, die in den Jahren der Aufnahme des Werks 1968-71 kursierte ? Möglicherweise wurde die Platte auch durch ihre schwierige Deutbarkeit berühmter als sie es eigentlich verdient hat ? Am besten hilft wie immer selbst hören. Die Schar der beteiligten Musiker ist beeindruckend, neben Jazzern wie Charlie Haden, Paul Motion, Enrico Rava, Gato Barbieri, Roswell Rudd, Don Cherry u.v.m. sind auch Musiker eher aus dem Rock- oder Jazz-Rock-Bereich anwesend wie Jack Bruce oder John McLaughlin. Einflussreich war die Platte allemal, was speziell die Arbeiten von Bley oder Haden mit grösseren Besetzungen angeht.

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Das zeigt sich bei Carla Bley dann schon ein paar Jahre später zB mit European Tour 1977 (ECM/WATT 8, 1978). Nicht live, sondern in den Bavaria Studios München aufgenommen, hat diese ihren typischen Stil mit oftmals ironischen Titeln und musikalischen Themen (Star Spangled Minor and other Patriotic Songs). Hier sind Teile von Soft Machine (Elton Dean, Hugh Hopper), Michael Mantler, Roswell Rudd, Andrew Cyrille etc. dabei.

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Im Prinzip ähneln sich viele der folgenden Platten, tendenziell wurden sie immer stärker besetzt, was dann in ihrer Big Band oder gar Very Big Band gipfelte. Beispielhaft sei hier die Big Band Theory (ECM/WATT 25, 1993) genannt. Sehr amüsant, abwechslungsreich, und immer wieder mit neuen Musikern frisches Blut in die Musik gebracht. Hier name dropping mässig dabei Wolfgang Puschnig, Andy Sheppard, Gary Valente, Lew Soloff und natürlich wie bei jeder Platte ab den 1980ern ihr Mann Steve Swallow am Bass und als Produzent. Inhaltlich zB mit einer tollen Version von Goodbye Pork Pie Hat ...

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Abschliessen will ich aber noch mit einer wunderbaren Platte in sehr kleiner Besetzung, nämlich im Trio. Trios (ECM 2287, 2013 - nicht mehr unter WATT!) Bley mit Steve Swallow (e-b) und Andy Sheppard (ts, ss) und meinem Liebllingsstück von Bley Utviklingssang in einer traumhaften Version. Tolle Musik !

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dietmar_
Inventar
#67 erstellt: 29. Jun 2019, 19:01

arnaoutchot (Beitrag #66) schrieb:
Abschliessen will ich aber noch mit einer wunderbaren Platte in sehr kleiner Besetzung, nämlich im Trio. Trios (ECM 2287, 2013 - nicht mehr unter WATT!) Bley mit Steve Swallow (e-b) und Andy Sheppard (ts, ss) und meinem Liebllingsstück von Bley Utviklingssang in einer traumhaften Version. Tolle Musik!


Freut mich, dass du in die Bresche gesprungen bist. Ich bin leider nicht zum schreiben gekommen.
Dieses Album mag ich insbesondere wegen der tollen Version von "Utviklingssang".

Etwas nach Erscheinen dieses Albums sah und hörte ich das Trio in Middelburg, eines der nachhaltigsten Konzerterlebnisse überhaupt für mich. Kleiner Wermutstropfen: Utviklingssang spielte das Trio an diesem Nachmittag leider nicht.
Wer die Möglichkeit hat die Drei live zu sehen, sollte die Chance nutzen! Sie sind recht aktiv im Konzertbetrieb unterwegs.


edit:
Im Laufe des Abends bestimmt fünf Mal versucht das Zitat kenntlich zu machen, vergebens, ich erkenne den Fehler nicht.


[Beitrag von dietmar_ am 07. Jul 2019, 00:59 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#68 erstellt: 30. Jun 2019, 14:22
Hallo!

@ Mr._Lovegrove: Danke für die Aufklärung, auf die Idee mal nachzuforschen kam ich irgendwie nicht. Vom der musikalischen Bandbreite her ist ECM ja so weit aufgestellt dass ich mich frage inwieweit sich JAPO musikalisch abgrenzen lässt. Aber das scheint ja gar nicht der Grund für das Zweitlabel zu sein.

@ arnaoutchot: Danke für deine Aussagen zu Carla Bley, das Trio mit Swallow und Sheppard interessiert mich auf jeden Fall, und irgendwie reizt mich auch der Escalator, wie auch das Werk von Keith Tippet aus dem Jazzfred (was ich nicht kenne) sind das schon einzigartige Werke. Damals hatte ich leihweise ein Platte von Michael Mantler (ich meine mit C. Bley), die war auch irgendwie abseits der Spur, aber interessant.

@ dietmar: Bley/Swallow/Sheppard würde ich gerne mal live sehen, ich wusste nicht dass die zu Dritt noch touren.

Ich wünsche einen schönen Sonntag!
Mr._Lovegrove
Inventar
#69 erstellt: 01. Jul 2019, 07:50
Wenn ich mir übrigens die Künstler mit B so anschaue, gäbe es noch einige interessante. Ich persönlich kann aber zu keinem dieser etwas beitragen.
Richard Beirach, Stefano Bollani, Lester Bowie, Tim Berne und Wolfert Brederode (aus der jüngeren Zeit) wären so die bekanntesten Namen.
arnaoutchot
Moderator
#70 erstellt: 01. Jul 2019, 07:57
Ich kann zu Bowie und Berne etwas sagen, von Bollani hab ich auch eine. Ich schau mal, vielleicht heute Abend.
Don_Tomaso
Inventar
#71 erstellt: 01. Jul 2019, 14:30
Danke für den Tipp mit Carla Bley und “Trios“. Ganz zauberhaft.
arnaoutchot
Moderator
#72 erstellt: 01. Jul 2019, 20:09
Bitteschön !

Nun zu Lester Bowie. Unter eigenem Namen hat er - wenn ich mich nicht verguckt habe - bei ECM vier Platten veröffentlicht, zwei unter Lester Bowie's Brass Fantasy und zwei nur unter Lester Bowie. Jeweils die erste davon finde ich sehr gelungen, die jeweiligen Nachfolger fallen stark ab. Namentlich gelungen sind The Great Pretender (ECM 1209, 1981) und die Brass Fantasy - I Only Have Eyes for You (ECM 1296, 1985).

The Great Pretender ist eine wilde Mischung aus Jazz, R'n'B, Gospel, Doo-Wop, Funk, ein bisschen Sun Ra, und natürlich hört man, dass der Mann tagsüber im Art Ensemble arbeitet. Das war witzig und gekonnt. Der Nachfolger All the Magic (ECM 1246/47, 1983), der das ganze dann auf zwei LPs bzw. CDs ausbreitet, ist dann schon eher bemüht. Gleichermassen ist es bei der Brass Fantasy. Die I Only Have Eyes for You hat für das Nonett aus Blechbläsern starke Nummern wie gleich den Titel-Track oder das Reggae-beeinflusste Coming Back Jamaica. Ich habe diese Besetzung Mitte der 1980er auch live gesehen, das war ein sehr vergnügliches Konzert, erinnere ich. Der Nachfolger Avant Pop (ECM 1326, 1986) war dann allerdings auch eher crappy ...

Bilder gibt es nur von den guten ...

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arnaoutchot
Moderator
#73 erstellt: 01. Jul 2019, 20:32
Nun muss ich ein wenig zurückrudern, heute früh hatte ich gesagt, ich könnte was zu Tim Berne sagen. Das war weit übertrieben ! Ich hatte es mit David Torn verwechselt, auf dessen Platte Prezens er mitspielt, von seinen eigenen Aufnahmen für ECM unter dem Namen Snake Oil habe ich (leider?) nichts. Kann jemand etwas dazu sagen ?

Aber ich hab zwei ECM-Platten von Stefano Bollani. Der florentinische Pianist wurde im Dunstkreis von Enrico Rava gross, und mit ihm hat er aus meiner Sicht auch seine besten Platten gemacht, sei es bei ECM oder auf anderen Labeln (zB die superbe Shades of Chet auf fonè). Von ihm selbst habe ich die Piano Solo (ECM 1964, 2006) und die Stone in the Water (ECM 2080, 2009) im Trio mit Jesper Bodilsen (b) und Morten Lund (dr). Fangen wir mit dem Trio an. Das ist schon sehr zurückgenommen, jeder Klang wird ausgehört, es fällt kaum ein lauter Ton, das Lyrische steht im Vordergrund. Wer auf sehr ruhigen kammermusikalischen Jazz steht, der ist hier richtig. Tolle Musik, kein Zweifel, aber manchmal wünsche ich mir ein wenig mehr Punch ...

Die Solo-Platte verlässt dann den Jazz noch weiter, ein paar Standards tauchen noch auf, werden aber durch Improvisationen unterbrochen. Das erinnert dann schon an die Solo-Improvisationen des Label-Kollegen Jarrett, nur ohne dessen Gesang Auch hier erkennbar grosse Kunst, aber man muss es schon mögen und sich darauf einlassen. Edit: Läuft gerade, heute finde ich es hervorragend. Ist insofern offensichtlich stimmungsabhängig ! Klanglich sind beide Aufnahmen hervorragend.

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Bei der Suche nach Stefano Bollani habe ich noch einen anderen Stefano in meiner Sammlung gefunden, Stefano Battaglia Trio - Songways (ECM 2286, 2013). Das sagt mir gar nichts (mehr), den muss ich erst mal wieder hören. Ich melde ich wieder.


[Beitrag von arnaoutchot am 01. Jul 2019, 20:41 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#74 erstellt: 04. Jul 2019, 20:05
Dann will ich das hier noch vervollständigen: Stefano Battaglia Trio - Songways - ECM 2286, 2013. Die war mir völlig entgangen, ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich sie beim oberflächlichen Daraufschauen für eine Platte des Stefano Bollani Trios gehalten habe ...

Nun, jetzt hab ich sie mal gehört. Das hat mir gut gefallen. Battaglia (*1965) kommt aus der Klassik, was man auch deutlich hört. Das Album Songways ist - dem Titel entsprechend - stark songorientiert. Das Trio kostet vergleichsweise einfache und ruhige, teilweise hymnische Songstrukturen aus. Ich habe gerade gesehen, dass es noch mindestens vier weitere Platten von Battaglia auf ECM gibt, darunter eine, die Pasolini gewidmet ist. Die kenne ich aber nicht. Diese hier ist gut !

Das war's jetzt bei mir auch mit B, wenn ich nichts übersehen habe. Ich warte auf weitere Instruktionen ...

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andreas3
Inventar
#75 erstellt: 04. Jul 2019, 22:30
Noch schnell was zu Gary Burton´s Dreams So Real: Sie läuft seit einigen Tagen im Auto, und ich finde sie mit jedem Hören besser, die Musik erschließt sich zusehends. Carla Bley steht jedenfalls jetzt auf der Liste.
Mr._Lovegrove
Inventar
#76 erstellt: 05. Jul 2019, 07:06
Dann mache ich mit C weiter. Und beginne mit einem direkten Verweis auf Michaels Carla Bley Besprechungen. Denn u.a. auf der "European Tour 1977", aber auch auf anderen Scheiben der guten spielte John Clark das Horn. Er selber hat auf ECM eine einzige Scheibe gemacht, die es zudem nie als CD gab.
image
John Clark
Faces
ECM 1176, 1981

Zunächsteinmal finde ich das Cover von Dieter Rehm wirklich fantastisch. Er machte das Foto und auch das Design und ich halte es für äußerst stimmungsvoll und sehr gelungen.
Clark hat sich mit David Darling (c), Dave Friedman (vib) und Jon Christensen (dr) genau die richtigen Mitmusiker für diese so ungewöhnliche wie hervorragende Platte an Bord geholt. Das Quartett erforscht die Zwischenwelten des kammermusikalischen Jazz und entdeckt Faszinierendes. Vieles ist hier sehr durchkomponiert und strukturiert und erinnert zuweilen mehr an die moderne Klassik des 20 Jahrhunderts als an Jazz. Doch gerade weil hier vier extrem starke Charaktere und farbkräftige Musiker spielen, entwickelt sich aus dieser Struktur heraus eine sanft schillernde Kolorierung voller feiner Abstufungen. Clarkt lässt sich und seinen Leuten aber auch improvisatorischen Spielraum, der exezellent genutzt wird. Mit Hilfe von Jon Christensens teils schwebenden Drums entsteht ein fast schon ätherischer Klangkosmos ganz besonderer Art.
Die Produktion ist gut und entspricht dem damaligen ECM Standard.
Dies ist eine dieser ECM, die eine CD mehr als verdient hätten. Da frage ich mich manchmal wirklich, wonach Eicher das je bemessen hat.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 05. Jul 2019, 07:19 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#77 erstellt: 05. Jul 2019, 08:05
@Andreas: Freut mich. Ja, Burton ist ein Grower und Carla Bley hat schon wirklich ein Händchen für gute Kompositionen.


Eine mit B habe ich noch gefunden: Berlin Contemporary Jazz Orchestra - s/t - ECM 1409, 1990. Alexander von Schlippenbachs orchestrales Free Jazz Projekt, immer ein wenig mit zwinkerndem Auge, für diejenigen, die so etwas mögen, sicherlich hörenswert. Die saubere ECM-Produktion tut dieser Musik natürlich gut. Als "Stargäste" sind Willem Breuker, Kenny Wheeler und Misha Mengelberg dabei.

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Bei C stechen mir auf Anhieb zwei grosse Namen ins Auge: Chick Corea (solo, mit Circle, im Trio etc) und Don Cherry (mit CODONA und Ed Blackwell im Duo). Ich komme in den nächsten Tagen dazu, freue mich aber immer, wenn jemand anderes "vorlegt".

Edit: Bill Connors und Alex Cline fielen mir noch ein, aber da bin ich blank.


[Beitrag von arnaoutchot am 05. Jul 2019, 08:15 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#78 erstellt: 06. Jul 2019, 06:58
Von Bill Connors habe ich eine der drei unter seinem Namen bei ECM erschienen Alben:
jpc.de
Bill Connors
Of Mist And Melting
ECM 1120, 1978

Bill Connors Guitar
Jan Garbarek Saxophones
Gary Peacock Bass
Jack DeJohnette Drums

Die Besetzung lässt Großes erwarten und genau das bekommt man in einer gewissen Weise auf jeden Fall. Gleich im ersten Stück fahren die vier im hohen Gang an; DeJohnette prescht mit intensivm Groove vor, Garbarek nimmt sich in typischer Art des Themas an, wähend Connors schließlich in aschfahler Gräue soliert. Das erklingt so faszinierend wie frierend- kalt und ist dabei auf düsterste Art mitreißend.
Der Rest des Albums gibt sich nach diesem Sturm deutlich verhaltener, aber dennoch nicht minder interessant. Connors und Garbarek bilden ein reizvolles und hervorragend harmonierendes Paar voller stilistischer Schattierungen. Den Albumtitel erfüllen sie mit winterkühler und melancholischer Poesie ganz besonders intensiver Sorte. Connors Gitarrenstil auf der Akustischen ist dabei so unverkennbar und einzigartig wie brillant unprätentios. Er hat es nicht nötig, sich in Virtuosität und Saitensprungspirenzien zu ergießen, sondern brilliert als Klangfarbengestalter
Und während Peacock eher verhalten agiert, hält DeJohnette sich hier übrigens keineswegs zurück, sondern ist mitprägend für dieses dichte und vernebelte Meisterstück. Ich persönlich höre die Platte vorallem im Winter sehr gerne. Sie passt perfekt in diese Jahreszeit.
Klanglich mag ich die Scheibe. Wenn auch kein audiophiles Meisterwerk, so geht Eicher hier doch sehr geschickt mit diversen Hallfahnen um und verstärkt die Wirkung der Musik so.
Der CD Erstrelease bekam übrigens ein völlig neues Cover, während die neuerliche Veröffentlichung aus der Touchstone Serie wieder das ursprüngliche Artwork beinhaltet, welches auch viel schöner ist.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 06. Jul 2019, 07:11 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#79 erstellt: 06. Jul 2019, 12:58

Mr._Lovegrove (Beitrag #78) schrieb:
Bill Connors - Die Besetzung lässt Großes erwarten und genau das bekommt man in einer gewissen Weise auf jeden Fall.


Uuh ja, das war wahrscheinlich immer der Grund, warum ich die nie gekauft habe. Eiszapfen gefrieren lassen, das kann er, der Jan ...


Fangen wir mal bei C mit Don Cherry an, wenngleich ich gerade mit Freude nach vermutlich dreissig Jahren mal wieder Corea's Solo Improvisationen höre.

Von Don Cherry gibt es auf ECM aus meiner Sicht zwei wesentliche Aufnahmen, eine davon besteht aus drei Teilen: Codona und Cherry/Blackwell. Daneben gibt es noch einiges als Sideman (Old and New Dreams, Haden Liberation Music Orchestra etc.), da kommen wir später noch dazu.

Codona war das personifizierte beste Beispiel für Jazzmusiker, die Weltmusik spielten. Ob Afrika, Asien, Südamerika, sie bezogen Einflüsse aus der ganzen Welt ein. Colin Walcott (tabla, sitar, perc), Don Cherry (tp, melodica, org) und Nana Vasconcelos (perc, voice). Ich weiss noch, dass ich am Anfang skeptisch war, ob die optisch sehr karge Besetzung wirklich eine Platte trägt. Sie tat es. Sogar drei: Codona, ECM 1132, 1979, Codona II, ECM 1177, 1980 und Codona III, ECM 1243, 1982. Heute gehören die Codona-Platten zu meinen Lieblingsplatten von ECM ! Ich habe das Original-Vinyl und die drei Platten zusammengefasst als CD-Box, beides ist klanglich superb.

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Gegen Ende der Codona-Zeit reduzierte Cherry dann die Besetzung nochmals um einen Mann und tat sich (erneut, nach den Mu Sessions 1969) mit seinem alten Ornette-Coleman-Kollegen Ed Blackwell (dr) zusammen. Sie nahmen El Corazon auf (ECM 1230, 1982). Ein fantastisches Duo für Trompete und Schlagzeug, zwischen frei und lyischem Ausdruck. Auch hier ist die Klangqualität der frühen Digitalaufnahmen superb, ein Highlight ist das Stück The Voice of Silence, bei dem Cherry mit der Trompete in einen offenen Flügel bläst, dessen Saiten dann als Resonanzboden dienen. Für Wagemutige kann hier ein Schatz zu heben sein !

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Don_Tomaso
Inventar
#80 erstellt: 06. Jul 2019, 15:24
So eiseskalt fand ich Bill Connors - Of Mist and Melting gar nicht. Da ja der ECM-Katalog streambar ist, läuft gerade “Theme to the Gaurdien“, eine Soloplatte von Connors, sein Debüt bei ECM. Exquisit, sowohl die Aufnahme wie auch sein Spiel und die Kompositionen.
andreas3
Inventar
#81 erstellt: 06. Jul 2019, 19:52
arnaoutchot schrieb:


Codona war das personifizierte beste Beispiel für Jazzmusiker, die Weltmusik spielten.
Heute gehören die Codona-Platten zu meinen Lieblingsplatten von ECM !


Da bin ich zu 100 Prozent bei dir. Und ich möchte behaupten, dass alle drei beteiligten Musiker hier ein Meisterwerk abgeliefert haben, was seinesgleichen sucht. Die drei sind es wert, einzeln gezeigt zu werden:

codona

Codona
ECM 1132 (1979)

codona 2
Codona 2

ECM 1177 (1980)

codona 3

Codona 3
ECM 1243 (1982)

Grüße!

Edit: Wers nicht weiß, Codona steht für Collin, Don, Nana.


[Beitrag von andreas3 am 06. Jul 2019, 21:55 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#82 erstellt: 06. Jul 2019, 21:15
Auf jeden Fall erwähnt werden sollte Don Cherrys Alterswerk, meines Wissens seine letzte Veröffentlichung unter eigenem Namen vor seinem zu frühen Tod, er wurde nur 58 Jahre alt. Ich kenne das meiste von ihm, er hat wirklich alles ausgelotet was sich in seine Musik irgendwie integrieren ließ:

dona nostra

Don Cherry - Dona Nostra
ECM 1448 (1994)

Zusammen mit Lennart Äberg (sax, flute), Bobo Stenson (piano), Anders Jormin (bass), Anders Kjellberg (drums) sowie seinem alten Freund Okay Temiz (percussion) hat er hier ein sparsames, aber bei näherem Kennenlernen äußerst schönes, subtiles, intensives Alterswerk vorgelegt, er ist zur Ruhe gekommen. Sie spielen nochmal Ornette Coleman´s Race Face und What reason coult I give, mehrere Gruppenimprovisationen, und als hätte er es geahnt ein Stück von Lennart Äberg: In Memoriam. Ich habe lange gebraucht, um diese Aufnahme zu verstehen, aber gerade beim Wiederhören nach längerer Zeit läuft es mir den Rücken herunter..


Edit: Ich möchte noch erwähnen, dass Herr Kongshaug auch hier wieder im Rainbow Oslo eine fantastisch saubere, jederzeit gut durchhörbare, transparente Aufnahme geschaffen hat.
Ja, und El Corazón läuft hier seit mehreren Jahrzehnten immer wieder gerne, genial.


[Beitrag von andreas3 am 06. Jul 2019, 21:22 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#83 erstellt: 06. Jul 2019, 22:14
Ein willkommener Anlass, diese mal wieder aufzulegen:

return to forever

Chick Corea - Return To Forever
ECM 1022 (1972)

Ein Meilenstein, wenn auch umstritten. Wie alle Jazzer, die sich vermeintlich zu weit aus dem Fenster zur U- Musik hängen, wird auch diese Scheibe manchmal als seicht empfunden. Ich bin da sehr voreingenommen und möchte mir kein Urteil erlauben, aber ich hatte meine erste eigene Wohnung, am Wochenende meine Liebste zu Besuch, zurück vom Einkaufsbummel durch Tübingen, und als die Platte das erste Mal lief ging die Sonne auf, genau die richtige Musik für unsere damalige Stimmung. Und gerade jetzt macht sie mir wieder richtig Spaß. Zumal die Besetzung aus heutiger Sicht prominent ist:
Corea am piano und fantastisch am e- piano, Joe Farrell an flute und soprano- sax, Stanley Carke an ac- und e- bass sowie Airto Moreira, Gründungsmitglied von Weather Report, an drums und percussion. Traumhaft.
.


[Beitrag von andreas3 am 06. Jul 2019, 22:16 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#84 erstellt: 07. Jul 2019, 17:40

andreas3 (Beitrag #82) schrieb:
Cherry - Dona Nostra: Ich habe lange gebraucht, um diese Aufnahme zu verstehen, aber gerade beim Wiederhören nach längerer Zeit läuft es mir den Rücken herunter.


Hmm, dann bist Du schon eine Bewusstseins- und Verständnisebene über mir. Ich hatte die Platte mal hier, mich hat sie nicht angesprochen. Das beste Stück fand ich noch In Memoriam, auf dem Cherry nicht (mehr) spielt. Leider.

Aber Du hast Chick Corea angestossen. Ich hatte gestern schon die Solo Piano Improvisations Vol. 1 & 2 hier aufliegen (ECM 1014 & 1020, 1971). Das hat mir nach langem Wiederhören sehr gut gefallen. Sehr einfalls- und abwechslungsreich, von der emotionalen Ballade bis zu experimentellen freien Versuchen gibt es alles auf den Platten. Die Stücke sind griffig genug, dass keine Langeweile aufkommt. Klanglich ist es für die Zeit der Aufnahme tadellos. Zusammen mit seinen Children's Songs aus den frühen 1980ern gibt es das nun ebenfalls als Box.

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Zur gleichen Zeit in Paris ging es bei Circle - Paris Concert (February 1971), ECM 1018/19, 1971, deutlich zahnschärfer zu. Ein Quartett, bei dem alle Musiker irgendwo mal mit den freieren Bereichen des Jazz in Berührung gekommen waren, fand sich mit Corea (p), Anthony Braxton (reeds, perc), David Holland (b, cello), Barry Altschul (perc) . Inhaltlich werden zwar noch Kompositionen zitiert (zB Nefertiti von Wayne Shorter), aber eigentlich ist die 1. Platte der alten Doppel-LP ein Stück von etwa 55 Minuten Länge, das kaum wirkliche Enden und Anfänge kennt. Das Quartett stellt sich in verschiedenen Solo-, Duo- oder Triosituationen vor, die Soli sind wie zu erwarten auf höchstem Niveau. Ein Klassiker des Free Jazz, würde ich sagen. Klanglich ist es für eine Live-Aufnahme der Zeit gut und direkt, aber audiophile Massstäbe sollte man natürlich nicht ansetzen.

amazon.de
arnaoutchot
Moderator
#85 erstellt: 07. Jul 2019, 18:09
Wir kommen sicherlich noch zu einigen Platten von Corea, aber ich wollte zwei neuere Artisten bzw. Platten mit C kurz einwerfen, bevor ich sie vergesse.

Avishai Cohens Quartettaufnahme Cross My Palm With Silver (ECM 2548, 2017) landete neulich mal per Download hier bei mir an. Irgendwie kam ich aber damit nicht zurecht. Das sind hervorragende Musiker, die auch perfekt aufeinander hören und zusammenspielen, aber irgendwo fehlt mir das Spontane und Emotionale ... das ist kühl abgespult für mich. Wahrscheinlich bin ich auch zu alt und verstehe das einfach nicht mehr. Randbemerkung: Ich habe ja schon öfters angemerkt, dass die Länge einer Platte nichts mit der Qualität zu tun haben sollte. Aber dass Cohen noch nicht mal 40 Minuten Laufzeit für die o.g. Platte aufnimmt, ist schon ein wenig fragwürdig.

Zum zweiten eine Frage: Hat schon jemand Andrew Cyrilles neue Lebroba (ECM 2589, 2018) gehört ? Das Trio mit Wadada Leo Smith (tp) und Bill Frisell (g) erinnert mich ein wenig an Codona ... habe ich noch nicht gehört ... das muss ich mal antesten.

jpc.de jpc.de
dietmar_
Inventar
#86 erstellt: 07. Jul 2019, 20:16

arnaoutchot (Beitrag #85) schrieb:
Avishai Cohens Quartettaufnahme Cross My Palm With Silver (ECM 2548, 2017) landete neulich mal per Download hier bei mir an. Irgendwie kam ich aber damit nicht zurecht. Das sind hervorragende Musiker, die auch perfekt aufeinander hören und zusammenspielen

Von dem Trompeter Avishai Cohen habe ich das ECM-Album Into The Silence, wurde bisher aber auch nicht so richtig warm damit. Teils hochgelobt, teils sehr zwiespältig eingeschätzt - inklusive deiner Worte - passt das irgendwie zu meinem Hören.
Der namensgleiche Bassist hat nicht für ECM eingespielt, glaube ich?


arnaoutchot (Beitrag #85) schrieb:
Zum zweiten eine Frage: Hat schon jemand Andrew Cyrilles neue Lebroba (ECM 2589, 2018) gehört ? Das Trio mit Wadada Leo Smith (tp) und Bill Frisell (g) erinnert mich ein wenig an Codona ... habe ich noch nicht gehört ... das muss ich mal antesten.

Lebroba kenne ich nicht, wurde ein wenig abgeschreckt von enttäuschten Reaktionen anderswo im Netz. Cyrilles ECM-Vorgänger "The Declaration Of Musical Independence" kenne/habe ich und mag es sehr. Richard Teitelbaum irritiert zwar mitunter (u.a. Synth), ansonsten empfand ich das schon als eine Art Wegruf einmal wieder in Richtung Andrew Cyrille, den ich ziemlich schätze z.B. wegen "Metamusician's Stomp" aus den Spät-70ern, seiner Mitwirkung seit den frühen 60ern bei Cecil Taylor, Walt Dickerson usw. und unbedingt auf Tapscotts "Dark Tree".
Mr._Lovegrove
Inventar
#87 erstellt: 08. Jul 2019, 08:03

andreas3 (Beitrag #83) schrieb:

Chick Corea - Return To Forever
Ein Meilenstein, wenn auch umstritten. Wie alle Jazzer, die sich vermeintlich zu weit aus dem Fenster zur U- Musik hängen, wird auch diese Scheibe manchmal als seicht empfunden.

Als ich die das erste mal hörte, war ich absolut gebannt! Vorallem und gerade weil Corea neben Herbie Hancock derjenige Pianist ist, der aus dem Fender Rhodes E-Piano und seinen speziellen Möglichkeiten alles, aber auch wirklich alles rausholt, damit außerdordentlich gestalterisch umgeht und es nicht nur als Klangfarbeninstrument sieht.
Seichtigkeiten kann ich hier gar nicht erkennen, allerhöchstens ist "What game shall we play today" ein extrem eingängiger Song mit Popappeal, doch oberflächlich ist auch der nicht.



dietmar_ (Beitrag #86) schrieb:

Von dem Trompeter Avishai Cohen habe ich das ECM-Album Into The Silence, wurde bisher aber auch nicht so richtig warm damit.

Ich fand die Aufnahme extrem langweilig und nichtssagend. Wie ich schonmal erwähnte, hatte ich beim Hören das Gefühl, dass Cohen diese Musik gar nicht wirklich spielen wollte. Aber sie hat dennoch viele Freunde gefunden. Und ich gönne jedem Jazzmusiker seinen Erfolg. Die haben es eh zumeist schwer.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 08. Jul 2019, 08:04 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#88 erstellt: 08. Jul 2019, 20:56
Ich erinnere mich dunkel an das Duo Chick Corea / Gary Burton Crystal Silence. Damals gerne gehört, aber lange nicht mehr verfügbar und da kann ich jetzt nichts zu sagen. Hat die jemand?

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#89 erstellt: 08. Jul 2019, 21:45
Die hab ich in diesem Thread hier schon vorgestellt (unter Burton, weil er namentlich erstgenannt ist).
andreas3
Inventar
#90 erstellt: 09. Jul 2019, 18:52
Jaja, das Alter...
Mr._Lovegrove
Inventar
#91 erstellt: 09. Jul 2019, 19:58
Zwischendurch möchte ich mal erwähnen, dass mein ehemaliger Kunstlehrer alle, aber auch wirklich alle ECMs besitzt. Das nenne ich mal Sammelleidenschaft.
arnaoutchot
Moderator
#92 erstellt: 09. Jul 2019, 23:07
Na, dann rege doch mal an, dass er sich hier beteiligt.

Ich füge gerne noch Chick Corea - Barry Altschul - Dave Holland - A.R.C. (ECM 1009, 1971) an, die ebenfalls im Dunstkreis der Circle entstanden ist. Kreativer kraftvoller Trio-Jazz der 1970er. Der Titel stammt übrigens aus der Scientology-Lehre (Affinity - Reality - Communication), der Corea bereits seit den frühen 1970ern anhängt. Ich habe die Vinyl-Ausgabe, die ein wesentlich hübscheres Cover hat als die späteren Veröfentlichungen.

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andreas3
Inventar
#93 erstellt: 10. Jul 2019, 22:10
Schön dass noch was zu Chick Corea kommt, ich fand seine Beiträge bei Miles Davis sehr gelungen, hatte aber auch Scheiben wie The Mad Hatter, die mir nie richtig gefallen hat. Aber A.R.K. und Circle interessieren mich doch.

Ich fange gerade schon mit D an, hier läuft:

cycles

David Darling - Cycles
ECM 1219 (1982)

David Darling - cello, 8-string electric cello
Collin Walcott - sitar, tabla, percussion
Steve Kuhn - piano
Jan Garbarek - tenor-, soprano sax
Arild Andersen - double-bass
Oscar Castro-Neves - guitar

Diese Aufnahme gehört für mich zu den Sternstunden des Labels, Oslo im November 1981 von Kongshaug aufgenommen und von Eicher produziert. In dieser Musik kann man tief versinken. Collin Walcott war der einzige der sowohl Sitar als auch Tabla meisterlich beherrschte, und spielte immer musikdienlich. Andersen setzt herrliche Fundamente, Kuhn genial, Garbarek macht hier alles richtig. Darling komponiert Stücke von entrückter Schönheit, bietet seinen Mitmusikern gleichzeitig Struktur und Freiraum, immer wieder schön zu hören.

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#94 erstellt: 10. Jul 2019, 22:29

andreas3 (Beitrag #93) schrieb:
David Darling - Diese Aufnahme gehört für mich zu den Sternstunden des Labels


Puh, da sind wir leider diametraler Meinung. Ich fand die Cycles die furchtbarste ECM-Platte von allen Das Gesäge von Darling mit dem Getute von Garbarek gepaart waren unerträglich für mich und ich habe die Vinylplatte noch in den 1980ern verschenkt. Das habe ich sonst mit keiner ECM-Platte gemacht. Aber wie Du schon mal so schön sagtest, die Verschmäcker sind geschieden ...

Bevor der Zug endgültig in den Buchstaben D fährt, noch kurz eine letzte Corea-Platte, obwohl es noch einige weitere auf ECM gäbe. Trio Music Live in Europe (ECM 1310, 1986). Tolles Trio schwebend zwischen Standards, klassischen Vorbildern (Scriabin) und dem Erfahrungsschatz der beteiligten Musiker (siehe Cover). Es gab auch eine Vorgängerplatte im Studio, aber ich finde die Live-Platte noch direkter.

amazon.de
Mr._Lovegrove
Inventar
#95 erstellt: 11. Jul 2019, 08:45

andreas3 (Beitrag #93) schrieb:

David Darling - Cycles
Diese Aufnahme gehört für mich zu den Sternstunden des Labels

Dies unterschreibe ich sofort! Ich liebe die Platte geradezu. Ich hatte mir vor langer Zeit mal folgendes zu diesem Album notiert:

"David Darling findet auch hier wieder Wege, das eher ungewöhnliche Cello kongenial in die improvisierte Musik zu integrieren. Er und Pianist Steve Kuhn verleihen dem “Cycle song” eine bittere Süße, die aber nicht in reine Trauer umschlägt, sondern sich durch melancholische Tupfer des Pianisten eher davon entfernt. Walcott entwirft dazu mit der Sitar einen transzendentalen Gegenpart. Im zweiten Stück dann bebildert Jan Garbarek die Musik mit seiner fesselnden nordischen Mythik, macht sie frei vom Wehen. Percussionist Walcott umrandet dies schöne Bild mit seinen Arabesquen. Der interessante Punkt an dieser Platte ist tatsächlich die scheinbare Dissonanz zwischen Kuhns und Darlings fast stillstehender Spielweise und dem eher singenden Saxophon vom Norweger. In “Ode” allerdings wird deutlich, wie wunderbar diese Unterschiede ineinander greifen und sich in fast vollendeter Harmonie begegnen. “Cycle three” dann wiederum wird durch Arild Andersens Bass eher urban getrieben. In “Jessicas sunwheel” schließlich hebt Darling das Konzept auf eine mental völlig befreite Ebene und beschließt diesen hypnotischen Reigen damit meisterhaft."

Aber ich kann auch Michael verstehen, dass er sie so gar nicht mag, bzw. verabscheut.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 11. Jul 2019, 08:46 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#96 erstellt: 11. Jul 2019, 09:50
Ich mache dann mal direkt mit dem meistgebuchten Drummer der jüngeren Jazzgeschichte weiter; Jack DeJohnette. Der Tausendsassa an der Schießbude hat so einige Scheiben als Leader auf ECM veröffentlicht. Ich muß zugeben, dass ich die wenigstens davon kenne, geschweige habe. Zum einen wäre da:
image1
Jack DeJohnette New Directions
Untitled
ECM 1074, 1976

Jack DeJohnette - Drums, Tenor Saxophone
Mike Richmond - Bass, Electric Bass
John Abercrombie - Electric Guitar, Acoustic Guitar
Alex Foster - Tenor Saxophone, Soprano Saxophone
Warren Bernhardt - Piano, Electric Piano, Clavinet, Cowbell

DeJohnette nahm unter dem Bandnamen "New Directions" drei Alben auf ECM auf, die tatsächlicherweise sehr unterschiedlich ausfallen, da sie auch unterschiedlich besetzt waren. Einzig Abercrombie war eine Konstante in der Gruppe. Dieses erstes Album besticht durch durch einen dichten und teils pressenden, teils aber auch gleitenden Gruppenklang, der trotz elektrischer Besetzung weniger Jazzrock bietet als man vermuten könnte. Gleich das erste Stück "Flying Spirits" ist wohl absolut gesehen einer grandiosesten Momente auf einer ECM Platte überhaupt. DeJohnette bereitet mit einem für ihn so typischen Groove die Grundierung für ein schwebendes Jazzstück, in dem Alex Foster fantastisch singend auf seinem Sopransax improvisiert und John Abercrombie seine leuchtenden Licks einwirft. Das ist einfach so brillant!
Der Rest der Platte ist mehr von freieren und spontaner gehaltenen Stücken geprägt. In "The Vikings are coming" glänzt Foster aber erneut mit seinen bezirzenden Sounds.
Eine großartige Platte, die leider auch nie auf CD erschienen ist.

Und zum anderen habe ich die hier als Touchstone CD im Regal stehen:

image3
Jack DeJohnette
Special Edition
ECM 1152, 1980

Jack DeJohnette - Drums, Piano, Melodica
David Murray - Tenor Saxophone, Bass Clarinet
Arthur Blythe - Alto Saxophone
Peter Warren - Bass

Die Special Edition ist die wohl bekanntere der beiden Truppen, besetzt mit einigen der später führenden Avantgardisten des neueren Jazz. And you get what you want! Wenn Blythe und Murray auf einer Platte zusammenkommen, dann gibt es freiere und vorallem schräge Sound zweier Meister dieser Art zu hören. Und DeJohnette ist natürlich genau der richtige Mann für dieses Feuerwerk der Improvisation. Er treibt die beiden mit peitschenden Becken und krachenden Snaresounds regelrecht an. Peter Warren am Bass unterstützt ihn dabei tatkräftig und mit ebenbürtiger Gnadenlosigkeit. Und mit dem teils wilden Schlußstück "Journey to the twinplanet" kann man noch jeden Freejazzhasser so richtig ärgern. Diese Platte gilt zurecht als Klassiker des Labels und der Avantgarde.


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 11. Jul 2019, 09:52 bearbeitet]
andreas3
Inventar
#97 erstellt: 11. Jul 2019, 20:53
Guten Abend,

ja, die Verschmäcker sind geschieden. Dennoch: viele Jazzplatten haben sich mir erst nach längerer Zeit und immer mal wieder hören erschlossen, die Musik ist oft zu komplex um sie auf Anhieb zu erfassen. Ich kann mich erinnern dass ich Darling nach dem ersten Hören auch erst mal ins Regal gestellt habe.

Hier läuft gerade meine einzige Aufnahme von Jack DeJohnette, aber sie ist es wert hier genannt zu werden:

made in chicago

Jack DeJohnette - Made in Chicago
ECM 2392 (2015)

Es handelt sich um eine Live- Aufnahme vom Chicago Jazz Festival im August 2013, und in der Tat erinnert mich die Musik an Art Ensemble of Chicago, zumal Roscoe Mitchell zwei Stücke beisteuert. Das ist schräg, free, teilweise regelrecht intim, dann wieder wild, alte Meister eben. Mitchell, Threadgill und DeJohnette spielten bereits 1962 zusammen, damals spielte DeJohnette noch Piano auf der Bühne. Ein großartiges Konzert.

Grüße!
arnaoutchot
Moderator
#98 erstellt: 12. Jul 2019, 08:35
@Andreas, genau so ist es, wie Du sagst. Ich bitte auch dringend, dass man negative oder überschwenglich positive Äusserungen von meiner Seite bitte immer als subjektive Urteile betrachtet ! Objektiv gesehen kenne ich keine ECM-Platte, die wirklich schlecht ist. Und ja, manche Platten müssen wachsen bei einem. Grosse positive Zustimmung übrigens zu DeJohnettes Special Edition, die gehört zu meinen Top-Platten von ECM.

Ich schaue am wochenende, was ich zu D sagen kann. Leider sind die Wochen gut gefüllt im Moment, auch aktuell gerade im Zug am iPhone. Die Schreibfehler kommen daher.

Insgesamt würde ich gerne anregen, dass wir einen Tick langsamer voranschreiten und der TE den Kick off für den nächsten Buchstaben gibt. Das gibt auch evtl anderen die Möglichkeit, etwas beizutragen.

Edit: Bin gerade mal die Liste der Veröffentlichungen durchgegangen, WiFionICE macht‘s möglich. D ist ein karger Buchstabe ! Ausser dem frühen Wolfgang Dauner Trio - Output (ECM 1006), die ich nicht habe, fiel mir nur ein Double Image - Dawn (ECM 1146, 1979). Da ich weiss, dass das ein Favorit von Mr Lovegrove ist, lasse ich gerne ihm den Vortritt.


[Beitrag von arnaoutchot am 12. Jul 2019, 11:38 bearbeitet]
Mr._Lovegrove
Inventar
#99 erstellt: 12. Jul 2019, 11:22
So machen wir es. Zu Double Image komme ich aber erst morgen früh.
Gut, dann werde ich ab jetzt den jeweils neuen Buchstaben freigeben und genug Zeit für jeden lassen.
Mr._Lovegrove
Inventar
#100 erstellt: 13. Jul 2019, 09:36
Bezüglich der nun folgenden Scheibe nochmals danke für den Vortritt.

Aber Michael hat recht, das D ist spärlich belegt bei ECM. Aber mit "Dawn" von Double Image ist dafür ein ganz außergewöhnlicher Diamant dabei.

image
Double Image
Dawn
ECM 1146, 1979

Dave Samuels - Vibraharp, Marimba
David Friedman - Marimba, Vibraharp
Harvie Swartz - Bass
Michael DiPasqua - Drums, Percussion

Dieses mit zwei der großen Vibraphonisten ungewöhlich besetzte Quartett hat eine Musik geschaffen, die weit mehr ist als naturverbunden und zudem von höchster Vorstellungskraft. Schon der Vorgänger auf Enja war ein kraftvolles und tief durchdringendes Erlebnis voller bildhafter Tiefe. Aber auf diesem Album befreien die vier Virtuosen ihre Instrumente gänzlich vom Instrumentsein, sie erschaffen mit ihnen nicht einfach Noten- und Akkordfolgen, sondern sie benutzen sie als Gestalter von faszinierenden Naturbildern, die so unendlich schön und so unendlich farbenprächtig sind und die doch auch ihre Geheimnishaftigkeit bewahren.
Gleich im von Bassist Swartz komponierten, epischen Opener "Passage" wird der Hörer hineingezogen in diese Natur. Ein Stück, welches eigentlich gar keinen richtigen Anfang hat und sich so fantastisch entschleunigt entwickelt wie ein sonniger Morgen am Weiher. Friedman und Samuels sind ob ihrer technischen Fähigkeiten gerade als musikalische Maler einzigartig. Ihre Vibes werden zu summenden Insekten und zu aufgehenden Blüten. Der so stilsichere wie extrem versierte MIchael DiPasqua verstärkt diese Bilder noch mit sonnenglitzernder Beckenarbeit und einem erwachenden Groove.
Harvey Swartz spielt hinzukommend einen so butterweichen Bass; er erscheint die wie pulsierende Lebensader dieses Spektakels. Und wie die vier diese einzigartige Kunst beherrschen, zeigen sie noch besser im bezeichenden "Sunset Glow". Hier hört man sich im frühen Sonnenschein öffnende Blüten und summende Hummeln. Wer die Augen schließt, der blendet seine reale Welt vollkommen aus! Der Closer "Crossing" wechselt die Perspektive und wird zur veritablen Wanderung durch diese Natur.

Dabei erklingt hier auf keinen Fall kitschige, verschwurbelte oder gar esoterisch anmutende Musik! Hier wird durchaus den klassischen Tugenden des Jazz nachgegangen. DiPasquas Drumset ist von Eicher sehr prominent abgemischt worden und so hört man unverblümt, dass der Drummer auch mal vehement swingend nach vorne drückt. Die großen "D" der Wirkungsweise von Musik haben die vier maximal inhaliert und extrahieren sie aufs Konzentrierteste: Dynamik, Dramaturgie, Durchdringung, all das wird hier in einzigartiger Art und Weise geboten. Von minimalsten Beckenanschlag mit Bedeutung zum lautesten Tutti bietet das Quartett eine maximale Spannweite wie sie der Jazz erfordert.

Und hinzukomnt auch noch dieses fantastische Albumcover mit einem meisterhaften Foto von Christian Vogt und dem genial- minimalistischen Design von Barbara Wojirsch. Für mich ist es das schönste aller ECM- Cover und ihn im steckt die schönste aller ECM- Platten!

Und leider hat Manfred Eicher nie eine CD veröffentlich oder es als knisterfreie Variante im Netz zur Verfügung gestellt. Wenn es eine ECM verdient hätte, dann diese!


[Beitrag von Mr._Lovegrove am 13. Jul 2019, 11:08 bearbeitet]
arnaoutchot
Moderator
#101 erstellt: 13. Jul 2019, 12:42
Bitteschön. Sehr schön beschrieben. Schade, dass es hier tatsächlich nur die Vinyl-LP gibt.

Ich will wenigstens das Cover des Wolfgang Dauner Trios - Output (ECM 1006, 1970) zeigen. Die Trioaufnahme mit Eberhard Weber (b) und Fred Braceful (dr) hatte ich in den 1970ern wohl mal gehört, aber damals als zu abseitig verworfen. Ich glaube, ich muss da nochmals ein Ohr wagen.

1006
https://ecmreviews.com/catalogue/


[Beitrag von arnaoutchot am 13. Jul 2019, 12:47 bearbeitet]
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