Was ist eigentlich Trinaural?

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paga58
Inventar
#1 erstellt: 15. Jan 2011, 19:19
Nabend,

um einen anderen Thread nicht zu stören, möchte ich hier versuchen zu erklären, was Trinaural überhaupt ist.



Während Surround Mehrkanal Systeme auf Kino zugeschnitten sind, ist die Wirkung bei Musik nicht so arg überzeugend. Zwar sind in AV Receivern auch Modi für (erweitertes) Stereo integriert, mancher möchte aber Surround und Stereo nicht in einem Gerät vereint sehen.

Oft ist aus aufstelltechnischen Gründen das ideale "Stereodreieck" mit zwei Lautsprechern nicht machbar. Im einen Extrem gibt es keine stabile Mittenortung, im andern ist die Bühne zu schmal.
Wegen des Mittenlochs einen dritten (Center-) Lautsprecher mit der Summe L+R aus den beiden Stereokanälen anzusteuern, ist seit den 50er Jahren nicht unüblich. Etwas später kam die Variante L-R als Stereo diff (für Differenz) dazu.
Als scheinbar neue Variante für drei Lautsprecher ist "Trinaural" zur Zeit wieder stark im Gespräch. Trinaural ist als 2 auf 3 Spezialfall einer Multimatrix dem altbekannten Mitte-Seite Mikrofonieverfahren sehr ähnlich, klappt aber nicht ganz so gut: Mikrofone sind klein und sehr eng zusammen plazierbar - akustische und elektrische Differenzsignale stimmen gut überein; im Gegensatz dazu sind Lautsprecher groß und stehen weit auseinander*.

Im Bild ist ein "nur R ausgesteuert" Stereosignal zu sehen, und wie es nach Bearbeitung durch eine gute Trinaural Matrix zur Ansteuerung von drei Endverstärkern ausschaut (ich habe zur Demonstration nacheinander vier unterschiedliche Basisbreiten einstellt, darum je 4 Ausgangskurven). Grün ist links, blau ist Mitte, rot ist rechts.



Links ist im Beispiel ja nicht angesteuert (Stereo R ausgesteuert, Stereo L = 0), also sollte man auch nichts von dort hören: die Matrix erzeugt für Tri L ein gegenphasiges Signal zu C. Zwischen L und C ist somit durch Auslöschung nichts wahrzunehmen. Das Stereo R wird als Tri R und ein wenig auch als übrig gebliebener C Signalrest ausgegeben.

Praktisch klappt das leider wegen * (s.oben) nicht ganz. Besonders der Hochtonbereich lässt sich so trotz perfekter elektrischer Ansteuerung der Lautsprecher akustisch nicht wirklich löschen. Gut gemachte Systeme schaffen es aber, dass der Störeffekt klein bleibt und Tri ein stabiles Klangbild liefert.
Ist bei einer Stereoaufnahme ein Instrument "auf Mitte" gemischt worden, geben es alle Lautsprecher des Tri-Systems gleichphasig wieder. Wie die Pegel genau verteilt werden, legt der Entwickler der Matrix fest, feineinstellbar durch den Endnutzer.

Trinaural ist ein interessantes System. Je nach Wiedergabeumfeld verbessert es gelegentlich (günstiger Abhörraum) bis häufig (nicht so guter Hörraum) die Bühnenabbildung. Das hängt allerdings auch stark vom gespielten Audiomaterial ab. Manche Quellen scheinen wie für Trinaural gemacht, andere klingen eher schlechter als bei Stereo.


Perfekt geeigneter Oldie: Mehrkanalamp für L, R, Center und Subwoofer

Mythen: Die Notwendigkeit eines 3. Lautsprechers weckt natürlich kommerzielle Begehrlichkeiten und auch für die Decodiermatrix werden recht stattliche Summen genommen. Der meiner Meinung nach beste gewerblich hergestellte Decoder ist leider nicht mehr erhältlich, er lag preislich im gehobenen dreistelligen Eurobereich. Mir bekannte auf den Markt drängende neue Decoder ähnlichen Preisniveaus sind qualitativ eher mittelmäßig. So hat derjenige Pech, der nicht selbst eine im WWW kursierende Schaltung nachbauen kann, die genauso ordentlich funktioniert und äußerst preiswert aufzubauen ist. Sie bringt nicht ganz die Möglichkeiten wie die ausgefuchstere Version, deren Wirkung oben gezeigt ist. Durch die angesprochenen akustischen Nebeneffekte fällt das aber nicht allzu sehr ins Gewicht. Übrigens - bei gut durchdachtem Aufbau funktioniert Trinaural entgegen anderslautenden Gerüchten auch mit mittelgroßem Centerspeaker plus Subwoofer einwandfrei. Das kann Geld und Stress mit der Herrin des Hauses sparen.

Grüße

Achim
xpi9999
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 09. Mai 2011, 15:04
Super Beitrag, danke!
Folgendes verstehe ich nicht ganz, vielleicht bist Du so nett und hilfst mir auf die Sprünge:

Als scheinbar neue Variante für drei Lautsprecher ist "Trinaural" zur Zeit wieder stark im Gespräch. Trinaural ist als 2 auf 3 Spezialfall einer Multimatrix dem altbekannten Mitte-Seite Mikrofonieverfahren sehr ähnlich, klappt aber nicht ganz so gut:


"Scheinbar": Ist es in Wahrheit L+R oder L-R?
"2 auf 3": ok, klar, Stereo auf Stereo+Center
"Multimatrix mit Mitte-Seite Mikrofonie..": -heißt das es wird L-R oder R-L genommen, jeweils das mit dem stärkeren Signal (damit nicht bei einem "Schwenk" das Mittensignal leiser wird)?


---

Ich habe meine LS an einem Stereo-Amp hängen, der sein Signal von einem Surround-Decoder bekommt. Am Surround-Decoder (der hat eine eingebaute Endstufe) direkt hängt der Center-Lautsprecher. Ich hab das auch schon versucht, den Center beim Stereo-Hören einzuschalten, fand das aber aufgrund der verschiedenen Sound-Charakteristik der Boxen nicht gut. Beim Surround-Decoder schalte ich dazu auf "Multichannel".

Weißt Du was der in dieser Einstellung macht - entspricht das dem von Dir beschriebenen Matrixverfahren?
thx



----
edit:
ist das von dir beschriebene verfahren ident mit den gleichungen in post #26 - wenn ja, dann hab ichs kapiert.


[Beitrag von xpi9999 am 09. Mai 2011, 15:26 bearbeitet]
Dr.Who
Inventar
#3 erstellt: 09. Mai 2011, 19:46
Hallo,

einfach mal ins Handbuch schauen, da wird in aller Regel genau erklärt was wie funktioniert. So aber bleibt nichts weiter übrig als zu raten. Ich tippe mal auf eine spezielle Dolby-Schaltung, oder aber es wird das Summensignal von R/L wiedergegeben.

Trinaural ist nicht meine Welt. Im Grunde genommen schade, die Voraussetzungen dafür sind bei mir stimmig


[Beitrag von Dr.Who am 09. Mai 2011, 19:54 bearbeitet]
paga58
Inventar
#4 erstellt: 09. Mai 2011, 21:23
Nabend,

nein, der Center gibt nicht "einfach" L+R wieder, sondern gleichzeitig werden die Pegel aller 3 Wiedergabekanäle nach den Kanalverhältnissen des Stereosignals verstellt. Damit ist das System etwas komplexer als frühe Mittenlautsprecheranordnungen aus den 50er Jahren (= Summe oder Differenz über Center, außen ändert sich nichts).

Die äußeren Lautsprecher wurden bei einigen experimentellen Aufbauten schon vor der Wortschöpfung TRINAURAL mit bearbeitet, trinaural bezeichnet eine gewisse Art der Gewichtungsfaktoren in der Matrix.

Du hast recht, dass konstanter Schalldruck bei einem virtuellen Richtungsschwenk angestrebt ist. Wie das praktisch gelingt, hängt vom Audio-Quellmaterial und dem konkreten Wiedergabesystem ab. Die "amtliche" Matrix funktioniert gelegentlich schlechter als eine variierte. Darum ist es nützlich, wenn man gezielt andere Wertungsrichtlinien der Matrix einstellen kann.

Im Kurvenbild oben würde der Center bei einem mittigen Signal lauter, die Seitenlautsprecher würden -nun gleichphasig (!)- mitspielen.


Gruß

Achim
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