Gehe zu Seite: |vorherige| Erste 2 Letzte

Brahms: Johannes Brahms - (k)ein unterschätzter Komponist?(!)

+A -A
Autor
Beitrag
Kings.Singer
Inventar
#101 erstellt: 16. Feb 2012, 23:06

Kreisler_jun. schrieb:
Ich bin weder Chorsänger noch -experte, aber es würde mich wundern, wenn der dänische oder amerikanische Chor besser wären als der Berliner Ernst-Senff- bzw. Rundfunkchor.


Was Intonation betrifft, so freue ich mich, wenn ein Chor in etwa so klingt:
http://www.youtube.com/watch?v=bka5NqBm1Bs
Also ich würde es nicht als Referenz bezeichnen, was Intonation betrifft, aber ich freue mich wenn ein Profichor diesen Standard halten kann. Nur, dass mal klar ist, was in meinen Augen "gute" Intonation ist.

Da brauch ich so ein Rumgewurschtel wie an dieser Stelle nicht, egal ob es ein Rundfunkchor ist, oder nicht:
http://www.youtube.com/watch?v=BISqtrh3iI0&t=1m55s

Viele Grüße,
Alexander.

P.S. Es tut dem Monteverdichoir (Gardiner) völlig unrecht, denn sie sind ohne Zweifel Weltklasse. Allein die tollen Bruckner Motetten a cappella oder Alte Musik wie Victoria oder Beethoven - damit haben sie sich auf jeden Fall an die Weltspitze gesungen.
Aber in den meisten Fällen würde ich auch das Collegium Vocale Gent dem Monteverdichoir vorziehen. Ein Stück weit stört mich dieser charakteristisch englische Klang schon. Da klingen die belgischen Kolleginnen und Kollegen meist doch entschlackter (und sind dabei nicht minder durchsetzungsfähig).


[Beitrag von Kings.Singer am 16. Feb 2012, 23:10 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#102 erstellt: 17. Feb 2012, 13:16
Um mein Argument auch nicht ganz ohne faktische Grundlage zu lassen: Nänie, Takt 47, 2 nach Buchstabe C (Breitkopf) "Einmal nur erweichte die Liebe" in der Aufnahme von Gardiner mit dem Monteverichoir
http://www.youtube.com/watch?v=hb4qj_z4294&t=2m53s
Dieses Basssolo ist für mich der Inbegriff englischer Chorkunst, in allen positiven, wie auch negativen Belangen. Tolle, ausgebildete Stimmen - kraftvoller Klang trotz kleiner Besetzung. Trotzdem nicht wirklich homogen. Den Männerstimmen wird in England scheinbar ein sehr kraftvolles Singen antrainiert und bei Sängern der Oberklasse wie in diesem Chor zahlt sich das auf jeden Fall auch aus. Aber wenn, sagen wir, die Hälfte der Bassisten hier ein wenig aus dem Individualklang heraus gehen würde und mehr Fokus auf den Gesamtklang legen würde, dann ergäbe sich meiner Ansicht nach eine völlig andere Phrase.
Allein der Text. So aussagekräftig und doch intim. Entsprechend würde ich mir auch den Klang wünschen. Eine homogene Bassgruppe, mit weniger Kraft gesungen und schon würde es auch viel leichter fallen den Bogen der Phrase über fünf Takte zu ziehen. So wie es aufgenommen wurde fehlt mir - zumindest in dieser Phrase - trotz aller Manneskraft die Spannung. Zumal die Vokalfarbe nicht aller Bassisten gleich zu sein scheint. Einige färben sehr hell, andere sehr dunkel ("ei" und "ie", "erweichte" und "Liebe") - Mittelweg wäre angesagt.

Da ich ja mitunter auch mal Satzproben leite: Wenn ich einstudiert hätte, hätte ich auf alles was ich oben beschrieben habe, sehr viel Wert gelegt.

Zugegeben, das ist jetzt Erbsenzählerei. Aber an dieser Stelle wurde mir spätestens klar, dass es nicht der Gardiner sein soll. Und ein Weltklasse Chor muss sich solche Kritik gefallen lassen, und kann sie auch verkraften.

Viele Grüße,
Alexander.

P.S. Interessante Beobachtung. Den von mir im letzten Beitrag stark kritisierten Rundfunkchor Berlin kann ich in der Aufnahme unter Thielemann nur Positives abgewinnen. Auch hier wird natürlich kraftvoll und mit Vibrato gesungen, aber es ergibt sich ein homogenerer, kompakterer Gesamtklang (weniger Fokus auf Individualklang) als beim Monteverdichoir.
Zu vergleichen beispielsweise bei "dass das Vollkommene stirbt" (T. 110ff., 9 vor G). Gardiner ab 6:55, Thielemann ab 0:08.
http://www.youtube.com/watch?v=XBrLttVrOzk
Oder sitze ich nur einem Trugschluss auf und es ist allein durch die reduzierte Besetzung bedingt? Aber ich glaube auch mit einer kleinen Gruppe kann man einen kompakten und gleichzeitig kraftvollen Gesamtklang erzeugen.
Leider habe ich keine Gelegenheit diese Stellen bei Herreweghe nachzuhören, da er das Werk nicht aufgenommen hat.


[Beitrag von Kings.Singer am 17. Feb 2012, 13:34 bearbeitet]
Kaddel64
Hat sich gelöscht
#103 erstellt: 17. Feb 2012, 21:16

Kings.Singer schrieb:
Da brauch ich so ein Rumgewurschtel wie an dieser Stelle nicht, egal ob es ein Rundfunkchor ist, oder nicht:
http://www.youtube.com/watch?v=BISqtrh3iI0&t=1m55s

Nanana, da haste aber was ausgegraben...
Da muss der Aufnahmeleiter in der Post-Production die Takes verwechselt haben. Das kann man auch nicht mehr als "mangelnde Intonationssicherheit" durchgehen lassen. Der 1. Tenor singt schlicht falsch.

Aber sei mal nicht so streng. So etwas passiert auch Musikern und Tontechnikern mit zig-jähriger Aufnahmepraxis. Mit einem solchen Maßstab wirst Du vermutlich kaum eine zufriedenstellende Aufnahme finden, Weltklasse-Profi-Chor hin oder Rundfunkchor her. Oder Du musst zur Strafe den Thielemann nehmen.

Auch der BR-Chor zeigt übrigens gewisse Schwächen. Dennoch gefällt mir Davis besser als Abbado, und Gardiner, dessen Aufnahme ein Konzertmitschnitt ist, hat für mich die Nase vorn. In dessen Rhapsodie singt ebenfalls Nathalie Stutzmann, das war mir ganz entfallen. Habe daraufhin gerade ihre beiden Aufnahmen (Davis 1993; Gardiner 2007) gegeneinander gehört: Die jüngere ist deutlich von einem HIP-Ansatz geprägt, facettenreicher und auch technisch besser eingefangen.

Was Du über den typischen Klang englischer Chöre schreibst, kann ich nachvollziehen. Ich vermute eine andere "Chorerziehung" im Hinblick auf die Gesangstechnik und jedenfalls eine andere Gesangstradition. Die Mikrofonierung spielt sicher ebenso eine Rolle wie die Chorstärke. Wobei Gardiner für "Nänie" sogar mit 43 Sängern antrat (SATB = 16/9/8/10). Insgesamt empfinde ich die von Dir aufgezählten Merkmale englischen Chorklangs beim Monteverdi Choir als vergleichsweise schwach ausgeprägt, da gibt es extremere Beispiele. In seinem Brahms-Requiem nehme ich die Nachteile gerne in Kauf, um jenen "kraftvollen Klang" in den entsprechenden Passagen genießen zu können.

In der aktuellen Ausgabe der "FonoForum" wird die Herreweghe-CD besprochen. Eigenartigerweise ist dort in der Inhaltsangabe "Nänie" aufgezählt. Das ist definitiv falsch, denn es sind enthalten: Schicksalslied op. 54, Alt-Rhapsodie op. 53, Begräbnisgesang op. 13, Gesang der Parzen op. 89 und die Motette op. 74/1.
Der vom Chorgesang her kommende Rezensent Marcus Stäbler schreibt zu der Aufnahme unter anderem (ich denke, ein kurzer Auszug sei hier gestattet):
FonoForum 03/12 schrieb:
Zwischendrin gibt es (...) immer wieder mal Momente, in denen das Ensemble [Collegium Vocale Gent] sein gewohntes Spitzenniveau unterschreitet. Die intonatorische Feinabstimmung der Sänger mit den Bläsern des Orchestre des Champs-Élysées ist nicht durchweg optimal eingestellt, ebenso wie die Mischung der einzelnen Gruppen. Zwischen (...) wunderbar ausbalancierten Akkorden stechen (...) ab und an einzelne Stimmen aus dem Gesamtklang heraus, wie etwa im Tenor, der auch bei einigen Stellen im "Gesang der Parzen" einen Tick zu tief singt.

Aber alles halb so schlimm; da "Nänie" fehlt, war die CD ohnehin schon ausgeschieden.
Kings.Singer
Inventar
#104 erstellt: 18. Feb 2012, 10:51
Hallo Kaddel,

jaja, alles Kritik auf hohem Niveau. Das muss ich schon zugeben. Ich habe wohl auch schon selbst zu sehr im Kopf, wie diese oder jene Passage zu singen ist. Vor allem in der Nänie, die ich übrigens sehr viel reichhaltiger finde als das Schicksalslied - sowohl kompositorisch, als auch textlich!, werde ich wohl kaum eine mich rundum zufriedenstellende Interpretation finden.


Kaddel64 schrieb:
Oder Du musst zur Strafe den Thielemann nehmen.


Ich mag Thielemann nicht besonders, aber ich sehe dennoch gewisse Gebiete, auf denen er mir zusagt. Dazu gehören Brahms und Bruckner. Selbst wenn seine Sichtweise heute antiquiert zu sein scheint. Diesen Ausschnitt der Nänie finde ich ganz gelungen. Außerdem habe ich der Digital Concert Hall schon Bruckner Symphonien verfolgt, die ich mich ebenfalls angesprochen haben. Sein Brahms-Requiem ist glaube ich komplett bei Youtube zu finden - nicht meine liebste Interpretation (da bevorzuge ich, ganz exotisch, Sawallisch!) - und das ist auch vergleichsweise gut.


Kaddel64 schrieb:
Insgesamt empfinde ich die von Dir aufgezählten Merkmale englischen Chorklangs beim Monteverdi Choir als vergleichsweise schwach ausgeprägt, da gibt es extremere Beispiele. In seinem Brahms-Requiem nehme ich die Nachteile gerne in Kauf, um jenen "kraftvollen Klang" in den entsprechenden Passagen genießen zu können.


Klar, wieder Kritik auf hohem Niveau. Ich kann mich an ein Youtube Video aus der St. Paul's Cathedral erinnern, zum Kronjubiläum der Queen oder so. Da wurde Parrys "I was glad" gesungen. Man hört quasi nur Tenor!
Obwohl ich auch hier realistisch genug bin um zu realisieren, dass beim Fernsehen oft irgendein Praktikant die Musik einfängt und das Hauptaugenmerk auf dem Bildmaterial liegt (selbst schon erlebt).
http://www.youtube.com/watch?v=2YstlGy1Ld0

Viele Grüße,
Alexander.
AH.
Inventar
#105 erstellt: 03. Dez 2018, 22:16
Liebe Leserinnen und Leser,

Johannes Brahms gehört zu den Spätromantikern. Er galt als konservativ (z.B. im Vergleich zu Bruckner), verwendet aber auch Alterationsharmonik ("Chromatik"). Früher Brahms zeigt noch avantgardistische Züge (Klaviersonaten). Seine Sinfonien hat Günter Wand in Hamburg, dem Geburtsort von Johannes Brahms, oft mit dem NDR-Sinfonieorchester gespielt.

https://www.jpc.de/j...phonies/hnum/5988437

Sein erstes Klavierkonzert schildert im 1. Satz eine Katastrophe, hier gespielt von Hélène Grimaud:

https://www.jpc.de/j...rt-Nr-1/hnum/8366799

Seine Streichquartette werden hier ausdrucksvoll vom Alban Berg - Quartett vorgetragen:

https://www.jpc.de/j...uintett/hnum/8521833

Er schrieb drei Klavierquartette, hier gespielt vom Domus-Ensemble:

https://www.amazon.d...hms+Klavierquartette

Die vier Balladen werden hier von Emil Gilels vorgetragen:

https://www.jpc.de/j...1-op-25/hnum/7287370

Seine Klaviersonaten sind nach meiner Ansicht nur selten geglückt gespielt, hier tut es Hélène Grimaud:

https://www.amazon.d...words=Brahms+grimaud

https://www.amazon.d...words=Brahms+grimaud

Die Cellosonaten spielen hier Truls Mork und Juhanni Lagerspetz:

https://www.jpc.de/j...-Nr-1-2/hnum/6358421

Er fand im Alter noch Inspiration an dem Klarinettisten Eberhard Mühlfeld und schrieb - wie Mozart - ein Klarinettenquintett:

https://www.jpc.de/j...intette/hnum/8346451

Besonders geglückt finde ich die Klarinettensonaten op. 120:

https://www.amazon.d...rahms+120+webersinke

liebe Grüße

Andreas


[Beitrag von AH. am 03. Dez 2018, 22:29 bearbeitet]
Suche:
Gehe zu Seite: |vorherige| Erste 2 Letzte
Das könnte Dich auch interessieren:
Brahms, Johannes: In "Beethovens Schatten"
Martin2 am 06.02.2005  –  Letzte Antwort am 16.09.2005  –  5 Beiträge
* Der größte/bedeutendste deutsche Komponist des 20. Jahrhunderts
FabianJ am 18.12.2013  –  Letzte Antwort am 21.04.2015  –  13 Beiträge
Unbekannter Komponist: Otto Martin
enterprise11 am 15.07.2022  –  Letzte Antwort am 17.07.2022  –  5 Beiträge
* Frühester bekannter Komponist?
Qoma am 11.03.2008  –  Letzte Antwort am 11.03.2008  –  3 Beiträge
Der viertbeste Komponist der Klassik
Martin2 am 24.01.2009  –  Letzte Antwort am 08.06.2009  –  23 Beiträge
* Komponierender Dirigent oder dirigierender Komponist?
Hüb' am 29.07.2014  –  Letzte Antwort am 01.12.2018  –  26 Beiträge
Debussy, Claude - ein Komponist nur weniger Meisterwerke?
Martin2 am 04.11.2007  –  Letzte Antwort am 24.03.2016  –  43 Beiträge
Field, John - Komponist und Erfinder der Nocturnes
Martin2 am 10.02.2017  –  Letzte Antwort am 07.03.2017  –  18 Beiträge
McCartney: Paul McCartney als klassischer Komponist?
Heinerich am 13.02.2007  –  Letzte Antwort am 15.02.2007  –  20 Beiträge
Goldsmith, Jerry: (Film)komponist Jerry Goldsmith gestorben
sound67 am 22.07.2004  –  Letzte Antwort am 24.07.2004  –  3 Beiträge

Anzeige

Produkte in diesem Thread Widget schließen

Aktuelle Aktion

Partner Widget schließen

  • beyerdynamic Logo
  • DALI Logo
  • SAMSUNG Logo
  • TCL Logo

Forumsstatistik Widget schließen

  • Registrierte Mitglieder925.746 ( Heute: 1 )
  • Neuestes MitgliedCole_Pfeiffer
  • Gesamtzahl an Themen1.551.121
  • Gesamtzahl an Beiträgen21.538.667

Hersteller in diesem Thread Widget schließen