Erik Satie und Minimal Music

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mohnkuh
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 13. Mai 2008, 17:29
Hab hier mal ne Frage über Erik Satie. Ist Erik Satie ein Vorläufer der heutigen Minimal Music? Wo finde ich irgendwelche belege dafür?
Minimal Music ist doch so eine Art Hintergrundmusik oder irre ich da?
Ich mache zu diesem Thema eine Präsentation fürs Abi. Wäre super wenn ihr mir dabei helfen könnte, dass ich da nichts falsches erzähle...
Mein Thema lauftet: ""Eric Satie" als Vorläufer der "Minimal Music"?"

Danke an euch

Gruß
Mohnkuh
Joachim49
Inventar
#2 erstellt: 13. Mai 2008, 17:53
Hallo Mohnkuh,
ich bin nicht gerade ein Spezialist, aber hier mein Eindruck: Die Minimal music ist sehr stark repetitiv, d.h. bestimmte Muster werden mit kleinen Abweichungen ständig wiederholt. Das findet man bei Satie glaube ich nicht. Andererseits bevorzugen sowohl die Minimalisten als auch satie eine recht einfache Harmonik. Was die rhythmischen Elemente betrifft, gibt's wahrscheinlich auch eher Unterschiede. Mein Eindruck wäre, dass es mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten gibt.
Hast du das Thema selbst gewählt, oder wurde es dir auferlegt? Was ist Dein eigener Eindruck beim Hôren?
Die seutsche Wikipedia erwähnt im Artikel MM allerdings Satie als Vorläufer, jedoch eher halbherzig. "Manchmal wird auch Satie als Vorläufer erwähnt", oder so ähnlich.
Freundliche Grüsse
Joachim
mohnkuh
Ist häufiger hier
#3 erstellt: 13. Mai 2008, 18:05
Also wenn ich mir seine Gymnopedien anhöre, oder die Gnossiennes könnte man, denke ich, schon meinen, dass irgendein Grundmuster immer wieder wiederholt wird. Das Thema wurde mir auferlegt. Ich frage mich immer nur, warum er als Vorläufer erwähnt wird. Ich habe noch keinen Artikel gefunden, der dies begründet, bzw. wiederlegt.
Gibt es keine oder bin ich zu doof welche zu finden?

Danke für alles

Gruß
Mohnkuh
Klassikkonsument
Inventar
#4 erstellt: 13. Mai 2008, 19:39
Hallo Mohnkuh,

zwar bin kein Kenner von Satie oder Minimal Music, aber ich würde vermuten, dass bei Satie die Begleitung relativ repetitiv erscheint, weil sie aus zerlegten Akkorden besteht. Darüber spannt sich dann aber eine Melodie, die zwar auch einen 'minimalen' Charakter hat, aber bei genuiner Minimal Music vielleicht nicht so üblich ist.
Ich dachte Minimal Music ist eher mit der Gamelan-Music und minimalem Techno verwandt, wo nur repetitive Strukturen mit subtilen Abwandlungen vorkommen.

nur meine zwei Cents

mohnkuh
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 13. Mai 2008, 21:07
also gut,
vll. kann ja jeder, der was weiß, mal schreiben, was an Satis Stücken für bzw. gegen minimal musik spricht.

Wäre nett von euch... da ich wie ihr auch kein Kenner der minimal music und Eric Satie bin

Danke

Gruß
Benedict
Martin2
Inventar
#6 erstellt: 13. Mai 2008, 21:40
Hallo Benedikt,

na ja, ich habe so den leichten Verdacht, daß Dir ein ebensolches Thema aufgebürdet wurde, da im Internet vielleicht dazu wirklich nichts zu finden ist. Lehrer sind ja auch nicht von gestern. Also mußt Du Dir dazu selber was aus den Fingern saugen.

Ich persönlich halte es für eine Schnapsidee, Satie mit den Minimalisten vergleichen zu wollen. Minimalismus ist die ständige Wiederholung von meist kurzen und einfachen Musikmustern bei leichten Veränderungen. Damit hat Satie wirklich nichts zu tun. Bestenfalls ließe sich unter dem Stichwort "einfache Strukturen" eine Gemeinsamkeit herausfinden. Die finde ich aber reichlich oberflächlich.

Über Satie und Minimal Music läßt sich aber ganz sicher etwas im Internet herausfinden, wobei man die Möglichkeiten einer guten Bibliothek auch nicht unterschätzen sollte. Also ich würde zum Beispiel mal danach Ausschau halten, wie denn Minimal Music und Satie mit der Modulation umgeht. Arbeitet also weder Satie noch Minimal Music vielleicht wenig oder gar nicht mit Modulationen, wäre ja eine Gemeinsamkeit gefunden. Dann mußt Du halt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausarbeiten. Die eigene Arbeit - auch wenn sie riskant ist - läßt sich wohl nicht vermeiden. Auf der sicheren Seite ist man natürlich, wenn man sich der versierten Meinung eines Fachmanns bedienen kann, der einem die Arbeit abnimmt. Das wird wohl diesmal nicht geschehen.

Ich bin übrigens in Punkto Musiktheorie absolut kein Fachmann. Meine Meinung hat also keine Bedeutung. Also auch von mir meine zwei Cents.

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 13. Mai 2008, 21:42 bearbeitet]
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 13. Mai 2008, 22:15
Wenn man von strukturellen Dingen (zu denen ich auch gar nichts beitragen kann) mal absieht, könnte eine weitere Gemeinsamkeit die etwas distanzierte, unemotionale Haltung, die sich in der Musik findet, sein. Das scheint mir auf beides zu passen. Beide sind anti-romantisch, anti-expressionistisch und zwar in einem viel stärkeren Maße als der "Neoklassizismus" oder die volksmusikbeeinflußten "Barbaro"-Stile Stravinsky und Bartoks.
Beide schaffen eine Art "Hintergrundmusik", gleichmäßige Klangteppiche (natürlich viel extremer bei Minimal)

Noch etwas, wobei ich nicht weiß, ob das Satie betrifft. Debussy (u. evtl. später Ravel) waren sehr beeindruckt von indonesischer Gamelan-Musik, die meines Wissens auch mit repetitiven Patterns arbeitet, wie dann Minimal. Riley, Reich oder irgendein anderer Guru der Minimal hat dann mit afrikanischen Perkussionisten gearbeitet bzw. sich von denen beeinflussen lassen.

Vielleicht sind das einige Richtungen, in die man weiter sehen kann, was sich draus machen läßt.

(Auch ich finde es allerdings den Sinn einer Präsentation, daß man sich das Thema selber aussucht...)

viele Grüße

JK jr.
mohnkuh
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 14. Mai 2008, 23:35
Das Thema wurde mir empfohlen, da ich mich schon für Minimal Music interressiert hab. Hab aber doch einige Artikel gefunden, der belegt, dass einige seiner Werke minimalistische Ansätze haben.

Hier ein Zitat:
Die Einfachheit, Abkehr von Dramatik, stehende Klangbänder - der Zustand seiner Klavierstücke, anders betrachtet also auch die Starrheit und Monotonie seines Werkes, brachten eine neue Nuance in das Gepräge. Durch das Weglassen des Unwesentlichen, der Rückbesinnung auf das Mittelalter und die Aufgabe von Funktionsharmonik gelingt ihm reine, unverfälschte Musik. In den „Trois Gymnopédies“, drei langsamen Walzern ähnelnden Klavierstücken z.B., äußert sich diese „Rückkehr zum Schlichten“ in einem antivirtuosen Satz, einem simplen, zwischen zwei Akkorden pendelndem Begleitmodell und modalen Zügen in Melodik und Harmonik. Er verzichtet auf Leittonspannungen und schafft somit Vorraussetzungen für den „reinen Ton“

Trifft doch schon auf Minimal Music zu. Zwar nicht in dieser Extreme, aber als Vorläufer könnte man ihn schon bezeichnen, somal er auch Stücke geschrieben hat, die sehr repititiv sind:
"bei seiner Filmmusik zu ‘Entr’acte’ - einem Film von René Clair. Dieser Film diente als Intermezzo in dem sur­realistischen Ballett ‘Relâche‘ (1924), dessen Musik ebenfalls von Satie stammte. Mit dieser Musik mit ihren ständig repetierenden, übergangslos aneinander montierten Phrasen (‘minimal music‘ in ihrer reinsten Form) wollte Satie nichts anderes, als ein akustisches Dekorschaffen, worin der Zuschauer sich ganz und darauf das Geschehen auf der Leinwand konzentrieren konnte"

Danke nochmals an alle

Gruß
Schneewitchen
Inventar
#9 erstellt: 23. Mai 2008, 22:24
"Vexations" ist eine frühe Form der Minimal Music.
Der nachfolgende Artikel erklärt,warum das so ist.
Erik Satie war seiner Zeit ein paar Jahrzehnte voraus,stieß auf Unverständnis und starb in Armut.
Anhörenswert ist eine preiswerte 5 CD-Box von EMI-Classics"Pianoworks" von Aldo Ciccolini.Darin ist auch "Vexations" enthalten,aber nur 1:35 Minuten kurz.Stellt man den CD-Player auf Wiederholung ein,kann man das Stück 28 Stunden genießen,wenn es sein muß.

Erik Satie
»Vexations«

Das Klavierstück »Vexations« gilt als längstes Musikstück der Geschichte. Je nach Deutung der Interpretationsanweisung dauert eine Aufführung 14 oder 28 Stunden. Dabei besteht das Stück aus nur drei Notenzeilen, die noch dazu dasselbe Thema variieren. Laut Angaben spielt der Interpret abwechselnd das Bassthema allein und daraufhin eine der beiden Variationen, die einen doppelten Kontrapunkt zum weiterhin im Bass gespielten Thema bilden. Die ungeheure Dauer kommt durch Saties Anweisung zustande, das ABAC-Muster 840 mal zu wiederholen und das Stück in sehr langsamem Tempo (»trés lent«) zu spielen. Das Stück kam 1949 durch Henri Sauguet, einen Freund Saties, aus der Vergessenheit in die Hände von John Cage, der es zuerst für ein interessantes Konzept, jedoch unaufführbar hielt. 1963 organisierte Cage aber dann in New York die erste vollständige Aufführung.

Die Deutungen des radikalen Werks gehen weit auseinander. Manche halten es für Saties größten und zugleich erfolgreichsten Bluff oder Unsinn. Andere interpretieren es als ersten Vorläufer der Zwölftonmusik Schönbergs bzw. der seriellen Musik der 1950er Jahre, die alle zwölf Töne der Skala gleichwertig behandeln und nach strikten Schemata verwenden. Wieder andere sehen »Vexations« als einen Versuch, Langeweile künstlerisch produktiv zu nutzen, als Spiel mit endlosen Wiederholungen, dessen Gleichförmigkeit schon der Stille nahekommt. Die Nähe zu Stille und Unbeweglichkeit sind in Erik Satie Spielanweisung zu finden: »Pour se jouer 840 fois de suite ce motif, il sera bon de se préparer au préalable, et dans le plus grand silence, par des immobilités sérieuses.« John Cage ging daher sogar so weit, Saties Anmerung zu »Vexations« im Geist des Zen-Buddhismus als Anleitung zu musikalischer Meditation zu verstehen.

Der Charakter des Stücks nimmt den musikalischen Gestus heutiger installativer Arbeiten vorweg. »The static, undramatic nature of Vexations, reinforced by repetition, gives it the character of a 'sound object' (objet sonore), while the 'flatness' of the music suggests a two-dimensional surface. The immobility which the performer is advised to adopt is the immobility of the music itself, which becomes an 'immobile' sound object to be 'viewed' by the listener.« (Stephen Whittington: Serious Immobilities. On the centenary of Erik Satie's Vexations, 1999) Damit ist »Vexations« auch Vorläufer von Saties eigenem, erst viel später konkretisierten Konzept der »musique d'ameublement«, die dazu dienen soll, Räumen eine unscheinbare akustische Tapete zu geben.

Golo Föllmer
Quelle:Medien Kunstnetz
Mellus
Stammgast
#10 erstellt: 24. Mai 2008, 10:50
Ach herrje, das Konzept hinter Vexations klingt zwar interessant und eine Aufführung dürfte ihre Wirkung nicht verfehlen. Allerdings verspüre ich nach der Lektüre von Schneewittchens Beitrag doch nicht allzu große Lust, einer 28-stündigen Aufführung beizuwohnen, in der ein ABAC-Muster 840 Mal wiederholt wird! Fällt so etwas eigentlich nicht unter die Menschenrechtskonventionen?

Aber noch etwas anderes: Im vom Schneewittchen beugesteuerten Beitrag von Golo Frömmler heißt es, dass Vexations "als längstes Musikstück der Geschichte" gilt. Ich dachte immer, das längste Stück sei das Halberstadt-Projekt zu John Cages ASAP. Dauert immerhin 636 Jahre. OK, der "Trick" dabei liegt in der Langsamkeit. Aber auch der Licht-Zyklus von Stockhausen dürfte im Bereich der genannten 28 Stunden liegen. Der ist meines Wissens jedoch noch nicht vollständig eingespielt.

Beste Grüße,
Mellus
JazzDeluxe
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 05. Jul 2008, 10:13
Nur so nebenbei...

"Une barque sur l'océan" aus Miroirs und "Jeux d'eau" von Ravel hat mich stellenweise sehr an Minimal Music erinnert.


[Beitrag von JazzDeluxe am 05. Jul 2008, 10:15 bearbeitet]
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