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Debussy, Claude: Pelléas et Mélisande - mit und gegen Wagner+A -A |
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Autor |
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Klassikkonsument
Inventar |
#1 erstellt: 19. Nov 2013, 02:00 | |
Hüb' schrieb im allgemeinen Debussy-Thread:
Wobei ja das für eine Oper Untypische den Nicht-Opern-Fan vielleicht gerade ansprechen könnte Klanglich ist der Pelléas grob gesagt nicht so weit von La Mer entfernt. Teils ist Debussys Konzept wohl antiwagnerianisch: z.B. wird garantiert nie gebrüllt, und es ist eine normal abendfüllende Oper, die auf 2 CDs passt und nicht so ein Monster, für das man 4 CDs braucht Aber es entstand eben in Auseinandersetzung mit Wagner, so dass diese Oper in gewisser Weise eine der wagnerianischsten Opern überhaupt ist. Das sieht man am Fehlen von Strukturen wie Rezitativ, Arie, Chor und dem Gesang, der näher am Sprechen als am Lied ist. Wagner hatte ja seinen eigentümlichen Gesangsstil ab dem Holländer vom Rezitativ her entwickelt. Bei Wagner sind dann so Stellen wie Siegmunds Lied "Winterstürme wichen dem Wonnemond" aus der Walküre sozusagen Rückfälle. Wobei diese Arie allerdings zu Recht ein veritabler Hit ist. Debussy greift also einige der neuen Aspekte von Wagners Musikdrama heraus, verfolgt sie konsequent und entwickelt sie weiter: Er wollte eben "eine vollständig durchkomponierte Oper" schreiben, "in der Text, Musik und Handlung (unter Verzicht auf abgeschlossene musikalische Formen) zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen" wie der bereits erwähnte Wikipedia-Artikel sagt. Er schließt damit wohl vor allem an Wagners Tristan und Isolde und den Parsifal an. Das schlägt sich auch im Charakter des Dramas und der Musik nieder: Die Figuren leiden meistens still vor sich hin; ein merkwürdiger Mehltau hat sich über die gesamte Handlung und die Musik gelegt. Das erinnert an den 3. Akt vom Tristan (und die "Vorarbeit" dazu, das Wesendonck-Lied Im Treibhaus), wenn der Titelheld lange Zeit dämmernd vor sich hin kränkelt und die oft verhaltene Stimmung im 1. und im 3. Akt vom Parsifal bei der Gralsritterschaft, die ja nun ihre glorreichsten Tage schon länger hinter sich hat. Es gibt auch schon ein Paar Anklänge an Wagners Musik, aber (ich glaube bei der instrumentalen Einleitung zum 2. oder 3. Akt) auch an das Vorspiel zum 3. Akt von Verdis Aida. Allgemein hat Debussy jedoch schon seine eigene Musiksprache gefunden. Gut, da habe ich den Pélleas sehr durch die Wagner-Brille betrachtet. Und meine Charakterisierung als undramatische Anti-Oper ist vielleicht nicht die beste Werbung für das Werk. Trotzdem mag ich diese Oper und habe auch 3 Einspielungen davon: Ansermet (Decca, stereo, es wurde kürzlich wohl noch eine ältere Mono-Aufnahme wieder aufgelegt) - damit habe ich den Pélleas kennengelernt und am häufigsten gehört. Der Titelpart klingt hell und jugendlich und hebt sich gut vom älteren Bruder Golaud ab, obwohl beide Partien wohl Baritone sind. Eine Live-Aufnahme fürs Radio mit Désiré-Émile Inghelbrecht (auch schon stereo). Hier heben sich die Brüder stimmfarblich leider nicht so deutlich voneinander ab. Ansonsten gilt diese Aufnahme als "idiomatisch": Zum Einen hat der Dirigent wohl Debussy noch gekannt; zum Andern wegen der französischen Instrumente im Orchester, was ich aber noch nicht so herausgehört habe. Jedenfalls scheint mir diese Aufnahme aber auch nicht so dem Klischee vom diffus-verwischten Klang des Impressionismus zu entsprechen. In die Richtung geht der Ansermet vielleicht eher. Abbado mit den Wiener Philharmonikern. Habe ich noch praktisch gar nicht gehört. [Beitrag von Klassikkonsument am 19. Nov 2013, 02:12 bearbeitet] |
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Hüb'
Moderator |
#2 erstellt: 19. Nov 2013, 07:38 | |
Hi, danke für diesen tollen Eröffungsbeitrag! Ich "kenne" nur die Wiener-Abbado-Aufnahme aus der Debussy-Edition der DG: Wie diese Einspielung zu beurteilen ist, kann ich kaum sagen. Mir hat sie das Werk aber nicht sonderlich nahe gebracht, was aber an meinen "Berührungsängsten" mit Blick auf Opern liegen mag, zumal, bei vergleichsweise "ungewöhnlichen/modernen" Werken, wie dem vorliegenden. Ansermet hat das Werk zwei mal eingespielt (1952 in mono, 1964 in stereo) und gilt nicht wenigen Hörern wohl immer noch als Referenz. Die jüngst wiederveröffentlichte Mono-Fassung ist diese hier: Die Stereo-Version scheint momentan nicht regelhaft verfügbar zu sein (daher nur teuer hier). Eine interessante Werks-Diskographie findet sich übrigens bei Wiki. Grüße Frank [Beitrag von Hüb' am 19. Nov 2013, 07:39 bearbeitet] |
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op111
Moderator |
#3 erstellt: 22. Nov 2013, 17:23 | |
Hallo zusammen, als eine der ersten Opern habe ich (noch vor dem Parsifal) "Pelleas" in der alten Boulez-Aufnahme kennen gelernt: Claude Debussy (1862-1918) Pelleas und Melisande Elisabeth Söderström, George Shirley, Donald McIntyre, Chorus and Orchestra of the Royal Opera House Covent Garden, Pierre Boulez Sony, ADD, 1970 3CDs Überzeugend ist hier vor allem die unglaubliche Tranzparenz und Klarheit des Orchesterklangs. Strawinsky mochte diese Aufnahme wegen der nichtfranzösischen Sänger und deren Intonation nicht und meinte sie diene nur dazu, den Absatz der Ansermet-Platten zu erhöhen. Neben Ansermets Stereo-Aufnahme besitze ich noch eine alte Aufnahme, die von der aktuellen Debussy-Literatutur meist als Beispiel eines veralteten diffusen impressionistischen Stils bezeichnet wird, der von Ansermet und noch konsequenter Boulez schließlich überwunden wurde. Joachim, Jansen, Etcheverry, Cernay, Cabanel, Orchestre de la Societe des Concerts du Conservatoire, Desormiere ADD/m, 1941 Die umstrittene Karajan-Produktion steht noch auf meinem Wunschzettel, die Bewertungen liegen extrem auseinander, das könnte spannend sein. [Beitrag von op111 am 22. Nov 2013, 17:25 bearbeitet] |
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op111
Moderator |
#4 erstellt: 22. Nov 2013, 18:08 | |
Ansermets Mono & Stereo Aufnahmen gibt es in dieser preiswerten Box: Ernest Ansermet Edition - French Music Vol.1 Stereo: Erna Spoorenberg (Mélisande), Camille Maurane (Pelléas), George London (Golaud), Guus Hoekman (Arkel), Josephine Veasey (Geneviève), Rosine Brédy (Yniold), John Shirley-Quirk (Doctor), Gregore Kubrack (Shepherd) Union Chorale, Chœur des Dames de Lausanne L'Orchestre de la Suisse Romande, Decca, ADD, 1952-1963 30CDs |
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Hörbert
Inventar |
#5 erstellt: 28. Nov 2013, 18:13 | |
Hallo! Ich bin nun ja nicht gerade ein unkritischer Karajan-Anhänger. Allerdings hat diese Karajan-Interperetation: Frederica von Stade, Jose van Dam, Ruggero Raimondi, Chor der Deutschen Oper Berlin, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan (klappt grade aus irgendeinem Grund nicht mit der JPC und Amazon Coverfunktion) Bei mir als einziger "Pellas" überdauert, alle anderen Interpretationen gingen früher oder später wieder. MFG Günther |
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op111
Moderator |
#6 erstellt: 28. Nov 2013, 18:53 | |
Claude Debussy (1862-1918) Pelleas und Melisande Frederica von Stade, Jose van Dam, Ruggero Raimondi, Chor der Deutschen Oper Berlin, Berliner Philharmoniker, Herbert von Karajan EMI, ADD, 1978 *** Inkl.CD-ROM mit Libretto und Synopsis mit eckigen Klammern: {jpc}Bestellnummer{/jpc} [Beitrag von op111 am 28. Nov 2013, 18:54 bearbeitet] |
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Klassikkonsument
Inventar |
#7 erstellt: 29. Nov 2013, 13:39 | |
Die letzten Tage habe ich mir nochmal die Abbado- und die Inghelbrecht-Aufnahme angehört. Meinem momentanen Eindruck nach hat Abbado schon eine "dramatischere" Lesart. Wenn man das Werk demnach auch in seiner Interpretation spannungslos findet, dann liegt das vielleicht am Werk selbst. Allerdings ist die Spannungslosig- und Höhepunktlosigkeit von Pelléas et Mélisande eher ein generelles Urteil, was natürlich nicht falsch ist, aber vielleicht doch nur die halbe oder Vierfünftel-Wahrheit. Es wird ja, gerade gegen Ende schon auch mal lauter und heftiger (mindestens von Golauds Seite). Nur scheinen markante Stellen in dem kontinuierlichen Fluss der Musik leicht unterzugehen. Die Tendenz zum "Mehltau", ergibt sich nicht nur durch eine im Einzelnen eher verhaltene Musik, sondern durch eine ungewohnte "Dramaturgie" der Musik: Z.B. keine wörtlichen Wiederholungen. Ein interessantes Beispiel ist der sehr kurze und ungewöhnliche Matrosenchor in der 3. Szene des 1. Akts ("Hoé! Hisse Hoé!"). Dieser Part ist so knapp wie eine Miniatur von Webern, wird von den drei Figuren im Vordergrund leicht überdeckt und ist schnell vergessen. Eine drollige Vorstellung, ihn auf einem Opernchor-Sampler zu finden. Er wirkt dadurch aber auch irritierend, rätselhaft, vielleicht auch unheimlich. Schade, dass der Golaud der Inghelbrecht-Aufnahme ein recht helles Timbre hat. Aber sonst gefällt mir die Live-Atmosphäre, und mittlerweile habe ich den Eindruck, ein wenig davon mitzukriegen, was die französischen Instrumente klangmäßig ausmacht. Schade auch, dass die Naïve-Box, in dem diese Aufnahme enthalten ist, gerade nur zu Fantasie-Preisen auf dem marketplace erhältlich ist. Irgendwann werde ich mal gucken, welche Aufnahmen noch die Bibliothek so bereit hält. [Beitrag von Klassikkonsument am 29. Nov 2013, 15:28 bearbeitet] |
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