Norrington, Roger: Unbedankter Revolutionär?

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Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 07. Mrz 2004, 10:44
Hallo Klassikfreunde,





Heute möchte ich das Interesse auf einen nicht unumstrittenen, lebenden Dirigenten lenken, dessen Einspielungen oft für Diskussionen sorgten, und, wie ich hoffe, noch sorgen werden...

Aufmerksam auf Norrington wurde ich vor etwa 10 Jahren, aber eben nur aufmerksam. Trotzdem kaufte ich keine CDs von ihm, weil mein "Mainstream-Repertoire" damals, wie ich meinte, schon weitgehend abgedeckt war, und ich mich zu dieser Zeit vor allem Einspielungen von unbekannten Kleinmeistern des 18. und 19. Jahrhunderts widmete.
Ein jüngerer Bekannter, mit dem ich damals gelegentlich "Klassiknächte" verbrachte, d.h. wir hörten Musik bis 4 Uhr früh, hatte etliche Aufnahmen von von ihm.
Ich konnte das nicht verstehen, fehlten in seiner Sammlung doch so ziemlich alle "großen" Dirigenten der Vergangenheit.
Irgendwann las ich dann Artikel über Norrington im Fonoforum, aber den Ausschlag, eine CD zu mit ihm zu kaufen, gab eine Fernsehsendung über ihn, mit Musikbeispielen und Statements über seine Klangphilosophie.
Der Mann interessierte mich plötzlich und ich wollte eine CD mit ihm kaufen.
Aber das war offenbar gar nicht so einfach. EMI hatte fast sämtliche Titel mit ihm schon aus ihren Katalogen "gestrichen".
Nach und nach, entdeckte ich dann Wiederveröffentlichungen auf EMIs Tochterlabel Virgin(Veritas).
So ergatterte ich 3 CDs mit Beethoven , je eine mit Mendelssohn und Schumann. Auch Mozart habe ich inzwischen.
Haydn war nicht zu haben.
Zunächst hörte ich in die Beethoven-Sinfonien hinein und fand, daß Norrington Beethoven so ziemlich alles nahm, was ich bisher mit Beethoven in Verbindung gebracht hatte.
Andererseits hörte ich auch Feinheiten, die mir bisher nicht aufgefallen waren, und so ordnete ich Norrington zu den "interessanten" Dirigenten ein, auch finde ich, daß die von ihm 1978 gegründeten "London Classical Players" (gibts die überhaupt noch ?) einen charakteristischen Eigenklang haben, etwas das man heutzutage sehr selten findet.
In Deutschland wird Norrington, soweit ich herausgefunden
habe, ja eher geschätzt.So wurde die Aufnahme seines Beethoven-Cyklus von 1989/90 mit dem "Deutschen Schallplattenpreis" ausgezeichnet.
Nicht so in Amerika. Dort kann die Mehrheit, zumindest in den Foren, nichts mit ihm anfangen. Anlass zur Kritik gaben
ja von jeher seine Tempi. Hier fällt mir ein Statement in Bezug auf die Eroika von ihm ein, das ich jenen, die es noch nicht kennen, nicht vorenthalten möchte:


"Beethoven will, daß sein Pferd im Galopp läuft. Wie Sie wissen, ist ser Galopp ein sehr schnelles Rennen. Für einen Helden aus Bronze sicher zu schnell, aber für einen lebenden und galoppierenden Helden ist es ein ganz natürliches Tempo"


Norrington nimmt ja derzeit mit zwei Orchestern auf:
dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart und der Camerata-Academica Salzburg, wobei sein Schwerpunkt bei ersterem liegt, eine Entscheidung, die ich nicht ganz verstehen kann.
Immerhin wurden die neuen Einspielungen von Beethovens Sinfonien, soweit ich weiß, eher positiv aufgenommen, doch standen sie irgendwie im Schatten von Rattles neuester Aufnahme, man findet sie kaum im Wiener Plattenhandel, wie Hänssler-Produkte überhaupt.
Nach dieser langen Einleitung komme ich zur obligaten Frage:

Welchen Stellenwert nimmt Norrington in eurer Klassikwelt ein? Besitzt jemand schon Aufnahmen aus der jüngeren Vergangenheit ? Wenn ja, was gibts dazu zu sagen?

Schönen Sonntag noch
Alfred
op111
Moderator
#2 erstellt: 21. Mrz 2004, 22:14
Hallo zusammen,

wenn denn sonst niemand was schreiben möchte:
Norringtons Beethoven (Sinfonien) und
Berlioz (symphonie fantastique op. 14)
kenne ich seit ihrer Erstveröffentlichung und ich halte sie für maßstäblich.

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 02:18 bearbeitet]
BigBerlinBear
Stammgast
#3 erstellt: 21. Mrz 2004, 22:26







Anmerkung: Meine Änderung bestand lediglich in der Korrektur dahingehend, daß das Bild so sichtbar wurde, wie BBB er eigentlich beabsichtigt hatte

Alfred_schmidt, Moderator


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 22. Mrz 2004, 00:04 bearbeitet]
cr
Inventar
#4 erstellt: 22. Mrz 2004, 01:40
Ich habe einen Beethoven-Sampler von ihm (Symphonien). Ich habe aber daraufhin dennoch nie eine gekauft, obwohl ich sie nicht uninteresant finde.
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 22. Mrz 2004, 05:32

Ich habe einen Beethoven-Sampler von ihm (Symphonien). Ich habe aber daraufhin dennoch nie eine gekauft, obwohl ich sie nicht uninteressant finde.


Dann wäre jetzt die passende Zeit dafür. Ich habe unlängst
die Kassette mit "allen" Beethoven Sinfonien (Virgin veritas)
für ca 22 Teuro im Handel gesehen....

Leider nix für mich, ich habs lieber einzeln, und ausserdem hab ich schon 3 Einzel-CDs

Gruß Alfred


[Beitrag von Alfred_Schmidt am 22. Mrz 2004, 05:34 bearbeitet]
op111
Moderator
#6 erstellt: 22. Mrz 2004, 10:40

Dann wäre jetzt die passende Zeit dafür. Ich habe unlängst die Kassette mit "allen" Beethoven Sinfonien (Virgin veritas) für ca 22 Teuro im Handel gesehen....

Hallo Alfred,
es geht noch billiger, zw. 12,95 und 19,99 hab ich die 5 CDs schon gesehen. Amazon nimmt 17,99.
Nicht nur im Vergleich zum Erstverkaufspreis von 125 DM fast geschenkt. Nebenbei: Tocaninis späte Aufnahme aller 9 gibt's es bei 2001 für nur 20 Teuro.
Virgin class. (EMI) macht es Hänssler/Naxos mit dieser Preisgestaltung sehr schwer.

Weitere ungemein spannende Norringon-CDs sind
die Sinfonien von R. Schumann und J. Brahms mit den London Classical Players.
Die Spitzenleistung Norringtons bleibt für mich:

Berlioz: Symphonie fantastique, Overture Les Francs-juges
London Classical Players / Sir Roger Norrington

Virgin 5613792


Die Beethoven Klavierkonzerte mit Melvyn Tan mochte ich wegen des Solisten und des verwendeten Instruments weniger.

Insgesamt habe ich den Eindruck, daß Norrington für die eine seriöse HIP-Bewegung Pionierleistungen erbracht hat, andere allerdings (z.B. Gardiner) den Erfolg eingestrichen haben.

Kennt jemand Norringtons Aufnahmen von Smetanas "Ma Vlast", den Mendelssohn und Mozart Sinfonien?

Gruß
Franz


[Beitrag von op111 am 22. Mrz 2004, 11:10 bearbeitet]
Hilda
Stammgast
#7 erstellt: 22. Mrz 2004, 12:10
Hallo Franz-J.


Die Spitzenleistung Norringtons bleibt für mich:

Berlioz: Symphonie fantastique, Overture Les Francs-juges
London Classical Players / Sir Roger Norrington
Virgin 5613792


finde ich interessant... ich empfand diese Aufnahme als unerträglich langweilig . Was gefällt Dir daran (muss ich mir sie etwa mal wieder anhören )

Gleiches gilt für Norringtons Beethoven mit dem London Classical Players. Einige Sachen gefallen mir da sehr gut, wie die Pastorale, anderes ist IMHO ein Totalausfall (die neunte). Was ich bisher an Ausschnitten gehört habe, muss sein aktueller Zyklus mit dem SWR Orchester um Klassen besser sein.

Sein Schumann hätte mich interessiert - gibt's den noch irgendwo?
Ich habe dann noch eine 2. Brahms, an die ich mich aber nicht erinnern kann Muss ich mal wieder rauskramen...

Ganz witzig finde ich Norringtons Aufnahme mit Wagner Ouvertüren - besonders wenn man nach seiner Meistersinger-Ouvertüre Celibidache auflegt...

Gruss
Klaus
BigBerlinBear
Stammgast
#8 erstellt: 22. Mrz 2004, 12:48
Die CD mit Wagner Ouverturen kann man sich anhören, danach die mit Gielen und dann Celibidache.
Die absolute "Zitrone" jedoch ist Norrigtons Einspielung des
"Deutschen Reqiem" von Brahms. Das ist betulich-langweilig,
von miserabler Aufnahme-Qualität und selbst die von mir sonst geschätze Lynne Dawson kann das ganze nicht retten.
Also wer das in Sachen Einstiegs-CD für Norrington präsentiert bekommt ist geheilt und schwört, in Zukunft nur noch Aufnahmen des späten Karajan zu hören...
Das Coverbild gibt den Gesamtzustand treffend wieder: Da lann man nur die Hände vors Gesicht halten und hoilen
Hilda
Stammgast
#9 erstellt: 22. Mrz 2004, 13:42
Wird ja immer interessanter...

Ich finde Norringtons deutsches Requiem durchaus stark - sowohl chorisch, als auch solistisch...

Was gefällt Dir daran nicht, bzw. welche Aufnahme ist Dein Favorit?

Gruss
Klaus
BigBerlinBear
Stammgast
#10 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:29
Hallo, meine favorisierte Aufnahme des "Deutschen Requiem" ist die Klemperer von 1964 mit Schwarzkopf/Fischer-Dieskau einerseits und die Gardiner von 1991 andrerseits
Hilda
Stammgast
#11 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:32


da kenn sich einer aus... Mir gefällt der Klemperer auch sehr gut und obwohl ich normalerweise eher ein Gardiner 'Fan' bin, hat mich sein deutsches Requiem enttäuscht... Wir scheinen von den beiden Aufnahmen gerade entegengesetzte Meinungen zu haben... tstststs

Na dann weiss ich zumindest, was ich demnächts mal wieder hören muss...

Gruss
Klaus
op111
Moderator
#12 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:34

Die CD mit Wagner Ouverturen kann man sich anhören, danach die mit Gielen und dann Celibidache.

Kann man sich Celibidaches Machwerke wirklich ohne Schaden anhören?
Ich glaub ja nicht! Und Gielen im selben Satz neben Celi nennen?


Also wer das in Sachen Einstiegs-CD für Norrington präsentiert bekommt ist geheilt und schwört, in Zukunft nur noch Aufnahmen des späten Karajan zu hören...

Einfach mal testen, einschlafen wie bei Celibidache wird der Probant jedenfalls nicht.
Gruß
Franz
cr
Inventar
#13 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:51

Dann wäre jetzt die passende Zeit dafür. Ich habe unlängst
die Kassette mit "allen" Beethoven Sinfonien (Virgin veritas)
für ca 22 Teuro im Handel gesehen....


Da wäre es in der Tat an der Zeit .....
Ich hoffe ohne Kopierschutz (weil Virgin?)
op111
Moderator
#14 erstellt: 22. Mrz 2004, 14:54

Ich hoffe ohne Kopierschutz (weil Virgin?)


Ein vor 6 Monaten gekauftes Exemplar hatte keinen Kopierschutz, den gibt's selbst bei EMI auch nicht durchgehend, bei Rattles 9 sind z.B. die "unbeliebten" geraden Symph. ohne.
Gruß
Franz
Alfred_Schmidt
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 22. Mrz 2004, 15:00
@cr


Ich hoffe ohne Kopierschutz (weil Virgin?)


Soweit ich weiß ohne Kopierschutz, aber da muß man aufpassen.
Mir ist eine kopiergeschützte CD passiert, weil ich sie dort nicht vermutet habe, wo sie war : In der Nipper-Kollektion !!! (Der Warnhinweis ist hinten wie immer, vorne jedoch nur mehr am linken Seitenteil der CD !!!)
Während die EMI aber droht "alles" zuschützen, dürfte ihnen offenbar schon schön langsam die Luft ausgehen.
Die neuesten Veröffentlichungen aus der Serie "Great Recordings of the Century" sind obwohl aus 2004, ungeschützt!!
Man muß halt genau schaun.

Gruß
Alfred
Mellus
Stammgast
#16 erstellt: 26. Mrz 2009, 14:10
Hallo allerseits,

nun ist das ZEIT-Interview mit Roger Norrington auch online zu lesen. Ein Highlight:


Roger Norrington schrieb:
Wenn Beethoven mit der richtigen Orchestergröße, in der richtigen Sitzordnung, mit den richtigen Tempi und der angemessenen Gestik für die Musik des 18. Jahrhunderts gespielt wird, klingt er so. Dann klingt Beethoven wie Beethoven. Man muss ihn nicht »interpretieren«, wie es Furtwängler oder Karajan getan haben. Man muss ihn sich nicht vornehmen, um etwas anderes aus ihm zu machen.




Viele Grüße,
Mellus
Hüb'
Moderator
#17 erstellt: 26. Mrz 2009, 14:19
Hi,

eine ganz ähnliche Aussage habe ich kürzlich in einem FF-Interview mit ihm gelesen.

Ich mag diesen Absolutheitsanspruch nicht sonderlich.
Wenn es so eindeutig (und einfach ;)) wäre, gäbe es nicht diese Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen.

Grüße
Frank


[Beitrag von Hüb' am 26. Mrz 2009, 14:20 bearbeitet]
Mellus
Stammgast
#18 erstellt: 26. Mrz 2009, 15:04

Hüb' schrieb:
Wenn es so eindeutig (und einfach ) wäre, gäbe es nicht diese Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen.


Was heißt "Auffassungen"? Es gibt halt immer ein paar Verirrte, die die Wahrheit nicht sehen. Nein, im Ernst: Klappern gehört wohl zum Handwerk. Insbesondere, da HIP immer wieder auf Neue Gegenstand kritischer Befragung ist.

Viele Grüße,
Mellus
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