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Gobert versaut Heine+A -A |
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Autor |
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Torquato
Stammgast |
#1 erstellt: 15. Feb 2005, 12:15 | ||||
Ich habe gerade eine Rezitation Boy Goberts von folgendem Heine-Gedicht gehört, das mir bislang eines der liebsten des Autors war: Sie saßen und tranken am Teetisch, Und sprachen von Liebe viel, Die Herren, die waren ästhetisch, Die Damen von zartem Gefühl. Die Liebe muß sein platonisch, Der dürre Hofrat sprach. Die Hofrätin lächelt ironisch, Und dennoch seufzet sie: Ach! Der Domherr öffnet den Mund weit: Die Liebe sei nicht zu roh, Sie schadet sonst der Gesundheit. Das Fräulein lispelt: Wieso? Die Gräfin spricht wehmütig: Die Liebe ist eine Passion! Und präsentieret gütig Die Tasse dem Herrn Baron. Am Tische war noch ein Plätzchen; Mein Liebchen, da hast du gefehlt. Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, Von deiner Liebe erzählt. Dabei spricht Gobert die letzte Strophe zynisch, so als wolle er Heines "Liebchen" in die Riege der in dem Gedicht zuvor vorgestellten DummschwätzerInnen einreihen, ja sogar ausdrücken, dass das abwesende Liebchen die Vorredner in Ihrem Reden über Liebe an Dumpfheit noch übertroffen hätte. So habe ich das Gedicht bisher nie verstanden, ja nicht einmal geahnt, dass man es so verstehen kann... Ist es nicht vielmehr so, dass das lyrische Ich ausdrücken will, dass sein (vielleicht verstorbenes?) Liebchen allein das Gespräch auf die höhere Ebene einer wahren, echten Liebe hätte bringen können? Bitte bestätige mich eine/einer in meiner Lesart. So wie Gobert das liest, mag ich das Gedicht nicht mehr Verzweifelt, Torquato |
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good.g
Hat sich gelöscht |
#2 erstellt: 15. Feb 2005, 12:41 | ||||
Hallo Torquato, Du kannst das Gedicht doch weiterhin so deuten, wie Du willst. An Deinem Verständnis kann doch eine einzige Interpretation, die Deiner Lesart widerspricht, nichts ändern, oder?
Wie kommst Du darauf, daß das Liebchen verstorben sein könnte, das lese ich z.B. überhaupt nicht. Auch das Anheben der Konversation auf die höhere Ebene einer wahren und echten Liebe ist von dem Liebchen und dem Schätzchen aus meiner Sicht wohl eher nicht zu erwarten. Vielmehr eine vielleicht naiv-auftrichtige, eben hübsche Art von der eigenen Liebe zu sprechen. Das ganze Gedicht ist doch in einem heiter-ironischen Tonfall verfasst, allzu tiefe Betrachtungen über den Gegenstand der Liebe werden nicht angesprochen und sind aus meiner Sicht auch nicht intendiert. Na ja,hab' schon lange keine Gedichte mehr interpretiert. Aber um den Kreis noch zu schlagen: Richtig oder falsch gibt es hier nicht: Die für Dich richtige Lesart kann Dir keiner nehmen, wenn Du das nicht willst. Nebenbei bemerkt: Hier findet sich sicher eins der ganz seltenen Beispiele eines, wie nennt man das noch mal?, inversiven ?? Reims: Teetisch - ästhetisch: Zumindest phonetisch wird das erste Reimwort im zweiten wiederholt!! Sehr schön !! Gruß, Klaus |
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Oliver67
Inventar |
#3 erstellt: 15. Feb 2005, 13:35 | ||||
Ich las das Gedicht eben zum ersten Mal. Dumpfheit kann ich nicht erkennen, in den Anwesenden. Eher eine gewisse Lebens- und Liebeserfahrung (vom Fräulein abgesehen), die nun mal zwangsläufig darin mündet, dass man die Liebe nicht mehr (nur) verklärt sieht. Könnte fast von Kästner sein Deshalb sehe ich mich außerstande den Schiedsrichter zu spielen, der Dichter könnte: a) mit seinem Liebchen ein naives, ungestörtes Liebesverhältnis haben (auf welcher Ebene auch immer) und es also so meinen, wie Du, Torquato, es wohl herauslasest b) sich von seinem Liebchen enttäuscht getrennt haben, oder sonstig schwer enttäuscht sein, so dass er es bitterböse meint c) lebenserfahren, weil alle oben angesprochenen "Liebesprobleme" schon erprobt und überstanden, davon sprechen, das hätten sie beide auch schon alles erfahren und liebten sich dennoch, viel inniger vielleicht, sicher aber beständiger, weil nicht mehr in einer naiven Form, sondern in einer die im Alltag gefestigt, durch Alltagsprobleme geläutert Version c) gefällt mir am besten. Es gibt sicherlich noch x andere Möglichkeiten. Oliver |
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Torquato
Stammgast |
#4 erstellt: 15. Feb 2005, 16:59 | ||||
Danke für Eure Antworten! good.g schrieb:
Ja, das ist mir sehr recht. In meiner naiven Liebesvorstellung sind Deine Worte genau das, was eine "höhere Ebene einer wahren, echten Liebe" ausdrückt Der Schock, welchen Goberts Rezitation in mir hervorrief (auf das Gedicht der Platte "Amüsantes Amouröses" hatte ich mich am meisten gefreut) hat mich leider daran gehindert etwas reflektierter zu schreiben.
Diese Möglichkeit assoziere ich wohl mit den Worten folgender Zeilen. "Am Tische war noch ein Plätzchen; Mein Liebchen, da hast du gefehlt"
Der heiter-ironische Tonfall des Gedichts kippt für mich mit der wie oben zitiert eingeleiteten letzten Strophe. Das was Heine neben seiner Geliebten fehlt sind ihre hübschen Betrachtungen der Liebe, die sich daher vermutlich von den zuvor gehörten Betrachtungen unterscheiden würden. Oliver67 schrieb
Genau darüber spöttelt Heine (so wie ich das Gedicht gern lesen möchte) in den ersten Strophen. Man "spricht von Liebe viel", aber eben nicht aus dem Herzen, sondern aus einer ziemlich theoretischen, zum Teil auch abgekärten Warte heraus. Deshalb benutzte ich das gemeine Wort "Dummschwätzer", dass ich gern zurücknehme. Das lyrische Ich aber distanziert sich auch geradezu von diesem Gespräch über Liebe und nicht nur durch eine ironische Erzählhaltung, das Ich selber offenbart sich dem Leser erst in der letzten Strophe - so als ob es mit dem Vorigen gar nichts zu tun haben wolle. Unter "Du hättest so hübsch, mein Schätzchen, Von deiner Liebe erzählt" stelle ich mir daher etwas im Gegensatz zu dem zuvor Gehörten wirklich Großartiges vor. Und das ist auch der Grund, warum ich das Gedicht so liebe. Das, was hier nicht gesagt wird, weil das Liebchen eben aus irgendeinem Grund (der freilich nicht in der Beziehung zwischen dem lyrischen Ich und der Geliebten begründet sein darf) fehlt, ist für mich das eigentliche Gedicht - eines der schönsten, reinsten, naivesten Liebesgedichte, die ich kenne. Vielleicht ist die Abwesenheit der Geliebten ja wirklich ein Kunstgriff Heines gewesen, um eine Liebe so hübsch auszudrücken, wie sie mit Worten eigentlich sonst gar nicht zu beschreiben wäre. Eure Antworten zeigen mir, dass ich weiter träumen darf, was die Geliebte wohl von ihrer "Liebe erzählt" hätte. Eure Interpretationen waren sehr interessant, stimmten zum Teil auch mit meinen Gedanken, die ich in der Kürze der Zeit nicht herzuschreiben vermochte, überein. Meiner Interpretation widersprechende Ansätze haben wie ich sehe auch ihre Berechtigung - mir aber verderben sie das Gedicht eben Grüße, Torquato p.s.:
Auf deutsch sagt man dazu glaube ich "reiner Reim". [Beitrag von Torquato am 15. Feb 2005, 17:08 bearbeitet] |
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Susanna
Hat sich gelöscht |
#5 erstellt: 15. Feb 2005, 21:26 | ||||
Hallo Torquato und Alle, interessant, Euere Interpretationen. Ich fühle mich direkt noch mal in den Deutschunterricht zurückversetzt. Da habe ich Lust bekommen, auch noch was zu sagen, weil Heine zu meinen Lieblingsautoren gehört. Im „Buch der Lieder“ steht das Gedicht unter „Lyrisches Intermezzo“, und da finde ich einige dieser typischen Heineschen Liebesgedichte. Sie beginnen meist sehr romantisch und enden entweder tieftraurig oder ironisch, manchmal sarkastisch und häufig ist's eine Mischung von allem. Oft wird der Liebhaber verlassen oder die Geliebte stirbt. Insofern kann Torquato mit dem verstorbenen Liebchen rechthaben. Ich glaube fast, Heine war jemand, der überhaupt seine wahren Gefühle nicht offenbaren wollte und sie gern hinter Spott versteckte. (Darin kommt er mir sehr modern vor!) Den bekommen auch seine Leser reichlich zu spüren. Man weiß ja, dass er sich über seine Romantiker-Kollegen oft lustig gemacht hat. Ähnlich empfinde ich auch dieses Gedicht. Ohne Gobert gehört zu haben, möchte ich nicht urteilen. Die ersten Strophen würden vielleicht Zynismus, eher Ironie vertragen. Mir kommt die letzte Strophe so vor, als ob zwischen Erzähler und abwesendem Liebchen eine junge, noch nicht „routinierte“ Liebe ist/ war (Oliver spricht von „lebens – und liebeserfahren“), nicht wie die der abgeklärten Tischgesellschaft, die sich trotz allem noch ein wenig an ehemalige romantische Gefühle zu erinnern scheint.
Dieser Auffassung neige ich auch gerne zu. Besonders dann, wenn ich in meinem Heine-Gedichtband zwei Seiten zurück dieses ganz andere (oder doch nicht?) Gedicht lese, das mich immer wieder beeindruckt, auch und besonders, wenn man es in der Vertonung von Schumann, Fritz Wunderlich interpretiert es, hört: http://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/BdL/Lyr-39.html
Find' ich schön! Gruß, Susanna |
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