Cheap Trick: Röhrenvorstufe/Kopfhörerverstärker für ca. 200 Euro

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RoA
Inventar
#1 erstellt: 10. Dez 2005, 16:23
Hallo Zusammen,

nachdem hier im Forum in den letzten Monaten des öfteren über den Eigenbau einer Röhrenvorstufe gepostet wurde, möchte ich euch hier nun mein Bastelprojekt für diesen Winter vorstellen: Es handelt sich um eine Vorstufe mit der PCL 86. Die reine Elektronik ohne Gehäuse und teure Peripherie wie Fernbedienung, Eingangswahlschalter etc. kostet dabei nur ca. 200 Euro und kann mit ein bißchen Erfahrung an einem Wochenende aufgebaut werden. Die Schaltung stammt von Gerhard Haas (www.experience-electronics.de) und wird seit Jahren in verschiedenen Variationen in Gerätschaften der gehobenen Preisklasse so ab 1.000 Euro aufwärts für den Bausatz vertrieben; als Fertiggerät kosten die Teile etwa 500 Euro mehr, d.h. zumindest preislich befindet man sich hier schon im high-endigen Bereich.

Wie kam es nun zur Entscheidung, gerade diese Vorstufe aufzubauen? Es gibt doch so viele andere! Nun, ich spielte schon lange mit dem Gedanken, mir in diesem Winter einen Kopfhörer-Verstärker aufzubauen. Ich hatte mir schon diverse Schaltpläne angesehen und liebäugelte entweder mit einem Klassiker a’la ECC 83 und EL 84, der C3g oder mit der ECC 88. Als Budget für die reine Elektronik waren ca. 200 Euro eingeplant. Vor ein paar Monaten landete ich eher zufällig auf dieser in jeder Hinsicht lesenswerten Seite (). Dort hatte sich jemand die Mühe gemacht, aus der Playstation 1 einen vollwertigen CD-Player zu bauen. Als Krönung spendierte der gute Mann seiner Playstation eine Röhrenausgangstufe, und die Platine ähnelte sehr stark einer Vorstufenplatine, die ich vor ca. 4 Jahren bei ebay von einem erfolglosen Bastler als Bestandteil eines ganzen Konvoluts von angefangenen Projekten ersteigert hatte.

Die Schaltung selbst wird ausführlich in dem Buch „High-End mit Röhren“ von Gerhard Haas bzw. in dem aktuellen Sonder-Heft Röhren von Elektor besprochen. Wer das Buch bzw. das Sonderheft nicht hat und auch nicht kaufen möchte findet sie auch in Jogis-Röhrenbude in der Rubrik Verstärker „Vorverstärker mit ECL 86“, in dem praktisch die gleiche Schaltung besprochen wird ([url]http://www.jogis-roehrenbude.de/Verstaerker/ECL86-VV.htm]www.methe-family.de/...taerker/ECL86-VV.htm
).

Ich hatte mich damals mit der Schaltung beschäftigt, aber kein Interesse gehabt, etwas damit anzufangen, weil die Krux an dieser Schaltung die Stromversorgung ist, worauf in Jogis Röhrenbude nicht weiter eingegangen wird. Tatsächlich hätte man, wenn man nach dem Schaltungsvorschlag gemäß Buch vorgegangen wäre und alles bei Experience gekauft hätte, für die Stromversorgung so viel ausgeben müssen, daß das Projekt preislich nicht mehr attraktiv gewesen wäre. Außerdem wären die Stromversorgungsplatinen samt Kühlkörper und Drossel recht sperrig ausgefallen, d.h. mit der ganzen Elektronik kann man schon locker ein 19-Zoll-Gehäuse mit 2HE füllen. Wenn dann die beiden Röhren noch zu sehen sein sollen (Vorbedingung!), ergibt das eine recht bescheidene Optik. Man hätte sicherlich auch eine andere Stromversorgung in Erwägung ziehen können, aber so groß war meine Euphorie damals nun doch nicht, also hatte ich das Teil erstmal ad acta gelegt.

Die Stromversorgung bei der Ausgangsstufe für die Playstation sah dagegen sehr kompakt aus und kommt offenbar auch ohne Drossel aus, und müßte demnach auch entsprechend günstiger sein. Damit wurde dieses Projekt wieder aktuell. Die PCL 86 ist eine hochinteressante NF-Röhre. Sie beinhaltet eine Triode, die der ECC 83 entspricht und eine Pentode, die in ihren klanglichen Eigenschaften mit der EL 84 vergleichbar ist, aber etwas weniger an Leistung liefert. Der Vorteil dieser Konstruktion ist, daß sie so niederohmig ist, daß sie sogar Kopfhörer treibt, also als Vorverstärker Leistung schon fast im Überfluß bringt. Das sensationelle an ihr ist aber ihr Preis: Bei BTB bekommt man sie ab 2,50 Euro!

Als dann im Elektor Sonderheft Röhren die Ausgangsstufe für die Playstation 1 vorgestellt wurde, war die Sache für mich klar: Ein kompakter und preiswerter Kopfhörer-Verstärker mit audiophilen Eigenschaften, der auch als Vorverstärker genutzt werden kann, wird mit der PCL 86 gebaut. Was für die Playstation gut genug ist, sollte auch für normale Ansprüche genügen! Ich finde die Diskussion dieser Vorstufe im Zusammenhang mit einer Playstation insgesamt etwas unglücklich, allerdings habe ich mich dadurch wieder an das Teil erinnert. Außerdem mal am Rande: Wenn die inzwischen in die Jahre gekommene Playstation als CD-Player wirklich so gut ist, wie überall zu lesen ist, dann muß sich Sony die Frage stellen lassen, warum Sony nicht endlich gute Player für moderates Geld auf den Markt bringt, anstatt die Leute mit Kopierschutz, DRM und anderen Gängeleien zu nerven.

Zur Kalkulation: Der Bausatz für den Verstärker mit allen elektronischen Bauteilen, Röhren und Sockeln samt Platine kostet 73 Euro. Die Platine ist mit 10*15 cm sehr kompakt, d.h. selbst freiverdrahtet kriegt man es kaum kleiner hin, außerdem liegt die Nachbausicherheit mit Platine bei 100%. Der Trafo kostet 82 Euro und ist allererste Sahne. Kompromißlose deutsche Wertarbeit, gebaut für die Ewigkeit. Jeder, der schon mal einen Trafo oder Übertrager von Experience in den Händen gehalten hat, wird dies bestätigen.

Bei der Stromversorgung bin ich dann pragmatisch vorgegangen. Um das ganze möglichst kompakt hinzubekommen, habe ich mir lediglich die Teile für Heizung und Hochspannung besorgt, die ich nicht in der Bastlerkiste liegen hatte. Das Netzteil wurde dann freihändig auf einer Lochrasterplatine 20*10 cm aufgebaut, auf dem auch der Trafo Platz findet; viel kompakter geht’s nicht:



Diese Lösung kostet dann nur rund 20 Euro, d.h. alles in allem kostet die reine Elektronik nur knapp 200 Euro. Eingebaut in eine simple Holzkiste (18*33cm) sieht das Ganze dann so aus:



Dies ist natürlich nicht die Endausbaustufe, aber man kann damit schon hören. Ein Gehäuse ist in Planung, dazu kommt noch ein ordentliches Poti und eine Kaltgerätebuchse mit integriertem Netzfilter (1 Ampere). Da in dem Gehäuse genügend Platz sein wird, werde ich dem Gerät später einen Eingangswahlschalter für 4 Eingänge spendieren, die über Reed-Relais geschaltet werden. Damit wird das Budget zwar leicht überschritten, aber es ist eine überschaubare Investition, die sich später vielleicht mal bezahlt macht.

Was kann das Teil? Die technischen Daten zu Frequenzgang, Klirrfaktor, Rauschabstand etc. sind zunächst einmal überzeugend, ein guter Transistor kann das auch nicht besser. Zu Beginn des Projektes hatte ich noch leichte Zweifel, ob das Teil wirklich brummfrei arbeitet, da das Netzteil ohne Drossel auskommt. Glücklicherweise waren die Zweifel unbegründet. Mit dem Kopfhörer ist im Leerlauf kein Rauschen und kein Brummen zu hören, tonale Stille sozusagen.

Die Verstärkung beträgt in der Grundeinstellung ca. 10db, d.h. aus 2 Volt Hochpegeleingang (CD-Player) werden ca. 6 Volt, umgerechnet auf 300 Ohm sind das dann an die 120 mW, die an meinem Sennheiser anliegen (würden). Der Sennheiser erreicht den technischen Daten nach einen Schalldruckpegel von 103db bei 1V, was etwa 3 mW entspricht, d.h. mit dem Verstärker kann der Kopfhörer schon fast als Lautsprecher benutzt werden, denn er ist bereits bei höheren Lautstärken im ganzen Haus zu hören. Die Verstärkung kann sogar noch erhöht werden, das kann aber nur dann wirklich Sinn machen, wenn Eingangspegel unter 300 mV verstärkt werden sollen. Zusätzlich hat man auf der Platine die Möglichkeit, den Verstärker entweder im Pentoden- oder im Triodenmodus zu bestücken; bei Bedarf könnte man dies auch schaltbar gestalten.

Alles in Einem ist der Verstärker für mich der Cheap Trick für den Winter. Gesucht wurde ein kompakter, praxistauglicher Kopfhörer-Verstärker für ca. 200 Euro, und geworden ist es eine puristische Röhrenvorstufe, die auch als Kopfhörer-Verstärker genutzt werden kann. Wer also auf der Suche nach etwas Ähnlichen ist sollte sich diese Schaltung mal näher anschauen. Es könnte der Beginn einer wunderbaren Freundschaft werden…

Beste Grüße,
Rolf


Und so sieht die PCL 86 bei der Arbeit aus - sie leuchtet wie ein Kaminfeuer, und genauso klingt sie auch!

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