Warum ist ein Bass-Reflex-Subwoofer "unpräzise"?

+A -A
Autor
Beitrag
Wildy
Stammgast
#1 erstellt: 03. Nov 2004, 13:05
Mahlzeit

Ich lese ja nun desöfteren, daß ein Subwoofer oder auch LS mit Bass-Reflex-Prinzip unpräzise sein sollen.

Würde mich freuen, wenn diejenigen (die dieser Meinung sind) mir das mal erklären könnten. Also wieso das so ist, physikalische Begründungen sind herzlich willkommen.

wildy
natrilix
Inventar
#2 erstellt: 03. Nov 2004, 16:22
am BR - Rohr können z.B. Strömungsgeräusche auftreten und damit kann der Bassbereich unsauber werden. "Pustgeräusche" können auftreten: z.B. als brummen, rauschen, etc. das stört und verunglimpft das Klangbild, und natürlich die Präszision.
Ist aber nicht bei jedem Sub so, gute Modelle haben anders geformte BR-Röhren und sind Strömungsoptimiert gebaut, so dass nur minimale oder keine Geräusche auftreten.

Bei billigen SW´s kann das aber häufiger auftreten! Daher immer testen, und mal ans Rohr horchen - ob das was störendes kommt.
AH.
Inventar
#3 erstellt: 03. Nov 2004, 16:55
Hallo,

Ein Baßreflexsubwoofer nutzt einen zusätzlichen Helmholtz-Resonator zur Baßerzeugung. Ein aus dem Alltag bekannter Helmholtzresonator ist z.B. eine leere Flasche, die wir durch anblasen anregen können, einen Ton zu erzeugen. Bei der Baßreflexbox ist das Rohr quasi der Flaschenhals und die Box selbst die leere Flasche. Er wird auch nicht durch blasen angeregt, sondern vom Lautsprecher.

Baßreflexsysteme stellen einen akustischen Hochpaß 4. Ordnung dar, ihr Amplitudenfrequenzgang fällt zu tiefen Frequenzen mit 24dB/8ve. Geschlossene Systeme stellen nur einen Hochpaß 2. Ordnung dar. Je geringer die Filterordnung, desto geringer die Phasendrehungen. Pro Filterordnung dreht sich die Phase um 90°, bei Baßreflexsystemen also um 360°, bei geschlossenen nur um 180°.
Die Ableitung des Phasenganges nach der Zeit ist die Gruppenlaufzeit. Sie gibt anschaulich die Verzögerung an, mit der ein Signal vom Lautsprecher abgestrahlt wird. Baßreflexsysteme verursachen schlicht die doppelte Laufzeitverzögerung, die im Tieftonbereich durchaus hörbare Größenordnungen erreicht.
Erschwerend kommt bei Subwoofern hinzu, daß schon bei ca. 90Hz ein Filter 4. Ordnung (24dB/8ve) zur Trennung benötigt wird, was ebenfalls Laufzeitverzerrungen verursacht.

Man vergleiche die Gruppenlaufzeit (frequenzabhängige Signalverzögerung) eines Vollbereichslautsprecher im geschlossenen Gehäuse:



mit einem Sat-Sub-System mit Baßreflexsubwoofer mit ähnlicher Grenzfrequenz:



Die Wahrnehmbarkeitsschwelle für Gruppenlaufzeitverzerrungen im Tieftonbereich liegt bei ca. 10ms. Um es anschaulicher zu machen: Die Schallgeschwindigkeit unter Normalbedingungen beträgt ca. 340 m/s, 10ms Laufzeitverzögerung wirken sich so aus, als ob sich die eigentliche Schallquelle 3,4m hinter dem Lautsprecher befindet. Bei 20 ms sind es 6,8m usw.

Baßreflex hat gegenüber geschlossenen Systemen durchaus Vorteile, v.a. auf der Kostenseite. Ohne digitale Gruppenlaufzeitentzerrung sind die Nachteile jedoch nicht zu beseitigen. Für hohe Ansprüche an die Wiedergabequalität wählt man ein geschlossenes Gehäuse mit entsprechend reichlich dimensionierter Strahlerfläche. Man benötigt einen zusätzlichen Strahler und die doppelte Verstärkerleistung - das ist ein wenig teuerer, als ein leeres Rohr Allerdings wirkt der Resonator nur schmalbandig, so daß die geschlossene Box mit doppelter Strahlerbestückung schon etwas oberhalb der Tuningfrequenz pegelmäßig dem einfachen Reflexwoofer weit überlegen ist.
Für sehr hohe Ansprüche an die Wiedergabequalität verzichtet man auf Subwoofer und wählt ein echtes Dreiwegesystem, wo der Tieftöner so hoch (typisch ~ 500Hz) getrennt ist, daß die aus der Trennung resultierenden Laufzeitverzerrungen unhörbar sind.

Grundsätzlich sollte bedacht werden, daß Reflexsysteme unterhalb der Tuningfrequenz kaum belastbar sind und hohe Verzerrungen erzeugen. Auch sind sie viel empfindlicher bezüglich Arbeitspunktverschiebungen (oft sichtbar als im Takt der Bass-Drum hüpfende Membrane - das sichtbare Gewackel dient nicht der Musikerzeugung). Gute Reflexsysteme sind in der Praxis sehr schwer zu realisieren.

Gruß

Andreas


[Beitrag von AH. am 03. Nov 2004, 18:20 bearbeitet]
Wildy
Stammgast
#4 erstellt: 04. Nov 2004, 06:28

AH. schrieb:
Hallo,

[...]

Grundsätzlich sollte bedacht werden, daß Reflexsysteme unterhalb der Tuningfrequenz kaum belastbar sind und hohe Verzerrungen erzeugen. Auch sind sie viel empfindlicher bezüglich Arbeitspunktverschiebungen (oft sichtbar als im Takt der Bass-Drum hüpfende Membrane - das sichtbare Gewackel dient nicht der Musikerzeugung). Gute Reflexsysteme sind in der Praxis sehr schwer zu realisieren.

Gruß

Andreas


Hi Andreas,

SUPER die Erklärung! Die Phasendrehungs-Geschichte war mir aus früheren Zeiten noch bekannt, aber der Rest so nicht, Respekt!

Da bei meinen LS die Bassreflex-Lösung nicht nur einfach aus einem Rohr, sondern auch aus mehreren Kammern besteht, will ich mal hoffen, das die Lösung recht brauchbar ist, schlecht anhören tut es sich glücklicher Weise nicht

wildy
mILLhAuS
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 08. Nov 2004, 23:04

AH. schrieb:
reichlich dimensionierter Strahlerfläche. Man benötigt einen zusätzlichen Strahler und die doppelte Verstärkerleistung
was genau ist eine Strahlerfläche? und weshalb benötigt man die doppelte Amp-Leistung?

Also deinem Standpunkt zufolge, sind geschlossene Gehäuse vom Pegeldruck her eher besser, als BR Gehäuse!?

Ach und wie ist es mit dem Tiefbass? Denn ich habe mal gehört, dass BR bei einer bestimmten Frequenz eben ein Stückchen tiefer gehen, als geschlossene?
AH.
Inventar
#6 erstellt: 09. Nov 2004, 13:39
Hallo,

1. Tiefbaß macht man durch Entzerrung. Immer. Wer seine Gehäuse auf einen lineare Frequenzgang im Tieftonbereich optimiert, ist schlicht doof.

2. bei einem gegebenen Strahler bringt die Baßreflexbauweise einen höheren Nutzpegel. Das sind knapp 8dB, aber nur in der Nähe der Tuningfrequenz.
Um dies im geschlossenen Gehäuse zu erreichen, braucht man einen zweiten Lautsprecher, d.h. die doppelte Strahler(=Membran)fläche. Dabei steigt der Wirkungsgrad um 3dB aufgrund des doppelt so hohen Realteil des Strahlungswiderstandes. Um beide Lautsprecher mechanisch voll aussteuern zu können (z.B. +/-5mm) braucht man die doppelte Verstärkerleistung. Dann hat man einen 6dB höheren Nutzpegel, allerdings - im Gegensatz zur Baßreflexbauweise - im gesamten Übertragungsbereich (sofern die Strahler näher als eine halbe Wellenlänge zueinander montiert sind).

Wenn es um extrem leistungsfähige Woofer geht, gibt es keine Alternative zu geschlossenen Systemen. Man muß hierfür einfach die Zahl der Strahler und die Verstärkerleistung erhöhen. Also statt einem 25er mit 100W zwei mit 200W, vier mit 400W, 8 mit 800W,......512 mit 51,2kW,........

Gruß

Andreas
Bass-Oldie
Inventar
#7 erstellt: 09. Nov 2004, 16:11

vier mit 400W, 8 mit 800W,......512 mit 51,2kW,........


Ahh, OK, verstanden. Und zum Schluß baut man dann Wände drumherum, Dach drauf, Haus fertig!
AH.
Inventar
#8 erstellt: 09. Nov 2004, 16:46
Hallo,

das ist nicht nötig. Das Gehäusevolumen kann man bei geschlossenen System recht klein halten. Es soll ein Hochleistungssubwoofer für Großbeschallung mit 128 25er Bässen existieren, wobei jeder 10l beansprucht. Insgesamt also ca. 1,5m^3, daß paßt sogar noch ins Wohnzimmer.
Auch ist die Rede von Systemen mit 512 Stück 13er Tieftönern (in vielleicht ca. je 2l), was als Gefechtsfeldsimulator eingesetzt wird.

Für absolute Freaks würde ich die Wohnzimmerwand aufdoppeln, so daß zwischen der alten und der neuen Wand ca. 20cm Platz sind. Auf eine typische Wand (z.B. 4m*2,5m ) gehen gut und gerne 500 Stück 13er Tieftöner. Als billige Alternative ca. 150 Stück 25er.
Du verlierst 20cm vom Raum und hast einen abartig lauten, extrem neutralen Sub. Absolute Freaks machen dasselbe auf der Rückwand, und steuern das zweite Großarray zeitverzögert an (siehe "duales bass array"). Es gibt bei so einem System keine stehenden Wellen mehr im Raum. Da jagt nur eine ebene Wellenfront einmal von vorne nach hinten durch den Raum und wird auf der Rückseite vollständig absorbiert.
Das wird nicht billig, aber zum Preis von irgendwelchem high end Müll aka Wilson etc. hat man ein tatsächlich sehr hochwertiges System.
Mit dem Lautstärkeregler sollte man jedoch vorsichtig sein, Gebäude- und Körperschäden bei den extrem hohen realisierbaren Pegeln sind nicht auszuschließen.

Gruß

Andreas


[Beitrag von AH. am 09. Nov 2004, 16:58 bearbeitet]
Bass-Oldie
Inventar
#9 erstellt: 09. Nov 2004, 16:59

von irgendwelchem high end Müll aka Wilson etc.


LOL

Sollte ich jemals das Geld für eine solche Raummodifikation übrig haben, werde ich mich bei dir melden ...
Suche:
Das könnte Dich auch interessieren:
Bass Reflex schließen, um Tief(st)bass zu begrenzen
*H2O* am 09.10.2011  –  Letzte Antwort am 09.10.2011  –  3 Beiträge
Warum???
ToLu am 12.10.2004  –  Letzte Antwort am 13.10.2004  –  11 Beiträge
Warum brummt der Subwoofer???
DJ_74 am 22.01.2005  –  Letzte Antwort am 22.01.2005  –  4 Beiträge
Subwoofer fällt aus-warum ?
AQUA_FREAK am 25.10.2005  –  Letzte Antwort am 26.10.2005  –  4 Beiträge
Warum Subwoofer Mist sind ...
sunlite am 19.03.2006  –  Letzte Antwort am 27.03.2006  –  7 Beiträge
Warum arbeitet mein Subwoofer nicht?!
micha2k4 am 20.06.2004  –  Letzte Antwort am 23.06.2004  –  8 Beiträge
Kein Bass über Subwoofer!
Lactobacillus am 16.11.2016  –  Letzte Antwort am 16.11.2016  –  6 Beiträge
Subwoofer Delay ausgleichen
Depi115 am 24.11.2012  –  Letzte Antwort am 28.11.2012  –  10 Beiträge
Subwoofer knallt beim betätigen des Zimmerlichtschalters, warum?
Misda am 24.01.2005  –  Letzte Antwort am 29.01.2005  –  4 Beiträge
Bass ohne Subwoofer?
uwe680 am 03.02.2007  –  Letzte Antwort am 08.02.2007  –  10 Beiträge
Foren Archiv
2004

Anzeige

Produkte in diesem Thread Widget schließen

Aktuelle Aktion

Partner Widget schließen

  • beyerdynamic Logo
  • DALI Logo
  • SAMSUNG Logo
  • TCL Logo

Forumsstatistik Widget schließen

  • Registrierte Mitglieder927.061 ( Heute: 1 )
  • Neuestes Mitgliedjaisantos7
  • Gesamtzahl an Themen1.554.684
  • Gesamtzahl an Beiträgen21.619.474

Hersteller in diesem Thread Widget schließen