Akustikprüfraum

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Hitman
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 22. Apr 2008, 17:11
Hi,

diese Anfrage passt nicht ganz ins HiFi-Forum, aber vielleicht könnt ihr mir dennoch helfen. Es geht darum einen recht kleinen Raum (ca. 310 x 150 x 290 - LxBxH) in einen Akustikprüfraum zu verwandeln. Dieser Raum hat keine Fenster, eine Tür und an der Decke eine Leuchstofflampe (relativ groß). Der Boden ist Estrich mit einem Schutzbelag überzogen.

Nun soll dieser Raum akkustischen Messungen dienen und muss deshalb so verändert werden, dass er möglichst das gesamte hörbare Schallspecktrum an den Wänden absorbiert.

Wäre super wenn ihr dafür Ideen habt

Danke

Hitman

P.S. Wenn möglich soll auch elektromagnetisch Strahlung absorbiert werden - ich dachte hierbei an ein entsrechendes Drahtgitter. Habt ihr dazu auch eine Idee?


[Beitrag von Hitman am 22. Apr 2008, 17:15 bearbeitet]
Ydope
Inventar
#2 erstellt: 22. Apr 2008, 20:10

Hitman schrieb:
Hi,
Nun soll dieser Raum akkustischen Messungen dienen und muss deshalb so verändert werden, dass er möglichst das gesamte hörbare Schallspecktrum an den Wänden absorbiert.


Das ist nicht möglich, daher sind reflexionsarme Räume auch meist deutlich größer.
Am nächsten würde man dem wohl durch Verbundplattenresonatoren an sämtlichen Begrenzungsflächen kommen. Aber im Bassbereich wird der Raumeinfluss nicht zu eliminieren sein.

Gruß
Klaus-R.
Inventar
#3 erstellt: 23. Apr 2008, 09:35
Moin Hitman,

Eines der Probleme in Messräumen sind die Raummoden, aus diesem Grund wurde auch das Konzept der "optimalen" Raumabmessungen entwickelt.

In Räumen mit schrägen Wänden gibt es nur noch die obliquen Moden, die axialen und tangentialen werden durch die Schrägstellung eliminiert. Da oblique Moden geringere Energie besitzen, sind sie leichter zu behandeln. Die niedrigste Mode in Deinem Raum läge bei ca. 140 Hz, dies entspräche einer Absorberdicke von ca. 61 cm. Da oblique Moden durch die 6 Raumbegrenzungsflächen erzeugt werden, denke ich, daß die Behandlung einer Fläche reichen würde, bei 2.90 m Raumhöhe in Deinem Fall also der Decke.

Ich glaube, daß 4º als Winkel reichen, müsste ich gegebenenfalls nochmal nachschauen.

Klaus
Ydope
Inventar
#4 erstellt: 23. Apr 2008, 12:28

Klaus-R. schrieb:
Eines der Probleme in Messräumen sind die Raummoden


Ein anderes Problem ist einfache akustische Interferenz, welche durch schräge Wände nicht verhindert wird.
Hitman
Ist häufiger hier
#5 erstellt: 23. Apr 2008, 20:32
vielen Dank für diese ersten Hilfestellungen!

Die Raummaße sind nicht 100 prozentig richtig (ich messe bis Dienstag v.a. die Breite noch einmal nach). Ich habe hier eine STUDIOBOX gefunden die auf noch kleinerem Raum eine "hohe Qualität" verspricht. Haltet ihr dies denn für falsch?

@Ydope: könntest du mir mal einen link zu den Verbundplattenresonatoren geben, damit ich weiß wie so etwas aussieht?

@Klaus-R.: Könntest du mir die Herleitung deines Ergebnisses kurz skizzieren und begründen?
Meinst du solche Kantenabsorber um einen 4°Winkel zu erreichen oder hab ich das falsch verstanden? Würdest du außerdem nur die Decke dämmen (trotz der großen, ungünstigen Lampe)?
Ydope
Inventar
#6 erstellt: 23. Apr 2008, 20:41

Hitman schrieb:

@Ydope: könntest du mir mal einen link zu den Verbundplattenresonatoren geben, damit ich weiß wie so etwas aussieht?


http://www.casakustik.de/forum/index.php/board,29.0.html

Der Lautsprecher hat nur wenig Einfluss darauf, was der Raum danach aus dem ausgesandten Schall macht und kann somit nur begrenzt seinen Einfluss minimieren. Stell dir z.B. einen digitalen Reverb oder ein Echo vor, der über Musik gelegt wird. Man wird die Musik nicht weiter vorne in der Signalkette so ändern können, dass der Effekt nicht zu hören ist.

Gruß

PS: sehe gerade, dass die BOX kein Lautsprecher ist. Somit vergiss meine Ausführungen dazu.


[Beitrag von Ydope am 23. Apr 2008, 20:44 bearbeitet]
Klaus-R.
Inventar
#7 erstellt: 24. Apr 2008, 10:41

Hitman schrieb:
@Klaus-R.: Könntest du mir die Herleitung deines Ergebnisses kurz skizzieren und begründen?


In rechteckigen Räumen gibt es drei Typen von Moden:

axial - zw. zwei parallelen Begrenzungsflächen
tangential - in einer Ebene über 4 Begrenzungsflächen
oblique - über alle 6 Begrenzungsflächen

siehe hier

http://www.sengpielaudio.com/Rechner-raum-moden.htm

Raumresonanzen in nicht-rechteckigen Räumen sind in der Fachliteratur beschrieben:

Bolt, “Normal modes of vibration in room acoustics: experimental investigations in nonrectangular enclosures”, J. of Acoust. Soc. of America 1939, vol. 11, p.184

Milner, “An investigation of the modal characteristics on nonrectangular reverberation rooms”, J. of Acoust. Soc. America 1989, vol.85, p.772

Van Nieuwland, “Eigenmodes in non-rectangular reverberation rooms”, Noise control engineering 1979, Nov., p.112

Durch die Schrägstellung der Wände können sich keine axialen und tangentialen Moden mehr ausbilden. Da die obliquen Moden über alle 6 Begrenzungsflächen laufen, haben sie weniger Energie und liegen bei höheren Frequenzen, sind also leichter zu absorbieren. Da sie per Definition über alle 6 Begrenzungsflächen laufen, genügt es, eine dieser Flächen zu behandeln, um die Mode zu killen.

Wohlgemerkt, von den 3 Paaren der einander gegenüberliegenden Begrenzungsflächen muss jeweils eine Fläche schräg sein, sonst funzt das nicht. Ist bautechnisch mit Sicherheit sehr aufwendig. Kantenabsorber reichen da nicht. Vielleicht hilft auch eine einfache wandgrosse Rigipsplatte, die nur an den Seiten abgestützt ist und somit frei schwingen kann und dadurch den Moden Energie entzieht.


Würdest du außerdem nur die Decke dämmen (trotz der großen, ungünstigen Lampe)?


Für die Behandlung obliquer Moden reicht eine Begrenzungsfläche, die Decke bietet sich naturgemäss an. Für die Absorption des gesamten Spektrums reicht die Decke allein allerdings nicht. Wie Ydope schon sagt, ist der Raum wahrscheinlich zu klein für akustische Massnahmen. Vielleicht hilft es, die Reflexionen durch geeignete Mess-Zeitfenster auszuklammern, kenn mich da nicht aus.


Klaus

Ich kann bei Interesse die Artikel einscannen und per email schicken.
Hitman
Ist häufiger hier
#8 erstellt: 28. Apr 2008, 12:49
ok jetzt weiß ich schon wieder etwas mehr
Erreiche ich denn eine ausreichende "schrägstellung" der Wände, indem ich zwei Wände mit Noppenschaum
überziehe? dadurch verhindere ich doch gerade wände auch und es müssten sich möglichst viele oblique Moden ergeben.

Ich verstehe auch, dass dieser Raum sehr ungünstig ist (die exakten Maße bestimme ich morgen noch einmal) aber wir werden ihn trotzdem für unsere Messungen nehmen müssen.
Es soll dabei um die Geräuschentwicklung tribologischer Versuche im Kunststoffbereich gehen, insofern wird eine "perfekte" Akustik nicht voraussgesetzt aber was wären denn praktisch umsetzbare Tips um diesen Raum zumindest hinsichtlich der Schallabsorbtion zu verbessern?

Gruß

Hitman
Verrückter
Inventar
#9 erstellt: 28. Apr 2008, 15:20
Mh, was wollt ihr denn genau messen? Den Frequenzgang? ...

Stefan
Ydope
Inventar
#10 erstellt: 29. Apr 2008, 00:52

Hitman schrieb:

Erreiche ich denn eine ausreichende "schrägstellung" der Wände, indem ich zwei Wände mit Noppenschaum
überziehe?


Nein. Das wird auf die tiefen Frequenzen keinen Einfluss haben.
Ich halte auch nicht viel von dem Versuch der Anschrägung. Das würde den Raum noch deutlich weiter verkleinern, bis es wirksam ist und je kleiner der Raum desto größer die Probleme.


Hitman schrieb:

Es soll dabei um die Geräuschentwicklung tribologischer Versuche im Kunststoffbereich gehen, insofern wird eine "perfekte" Akustik nicht voraussgesetzt


Bis runter zu welchem Frequenzbereich braucht ihr denn aussagekräftige Ergebnisse?

Gruß
Hitman
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 29. Apr 2008, 10:24
@Verrückter: Was genau alles gemessen werden soll kann ich leider noch nicht sagen

@Ydope: Gemessen werden soll im hörbaren Bereich.
Brauche ich denn überhaupt keinen Noppenschaum? Ich habe bisher gedacht, dass ich vielleicht zuerst eine Schwerschaummatte verwende für die tiefen Frequenzen und darüber obenen genannten Noppenschaum klebe. Aber ist das zweckmäßig?

Update: Ich habe den Raum noch einmal nachgemessen, hier die exakten Maße: 305x160x295 (LxBxH)
Ydope
Inventar
#12 erstellt: 30. Apr 2008, 14:16

Hitman schrieb:

@Ydope: Gemessen werden soll im hörbaren Bereich.
Brauche ich denn überhaupt keinen Noppenschaum? Ich habe bisher gedacht, dass ich vielleicht zuerst eine Schwerschaummatte verwende für die tiefen Frequenzen und darüber obenen genannten Noppenschaum klebe. Aber ist das zweckmäßig?


Im Bassbereich kannst du schon sher froh sein, wenn du in diesem Raum auf eine Schwankung von nicht mehr als +- 8 dB kommst, je nach Frequenz.
Wenn du den Raum rundum mit irgendeiner Form von Schaumstoff abdeckst, wirst du in den höheren Frequenzen in Richtung schalltot kommen, aber die tieferen werden davon unbeeinflusst sein. Um bei tiefen Frequenzen auf einen grünen Zweig zu kommen, braucht man Masse und Platz (Wandabstand/Dicke). Platz hast du aber nicht. Wenn du unterhalb von 300 Hz brauchbare Werte benötigst, ist das m.E. in dieser schmalen Kammer nicht machbar.

Gruß
Hitman
Ist häufiger hier
#13 erstellt: 02. Mai 2008, 11:51
ok, dann werde ich mich damit benügen müssen nur oberhalb von 300Hz akzeptable werte zu erreichen.

Ich würde nun also den (ganzen?) Raum mit diesen Platten auskleiden, da die den höchsten Absorptionsgrad haben. Wird das Ergebnis umso besser, je mehr Fläche ich abklebe?

Soll ich außerdem noch Kantenabsorber
verwenden oder hilft mir das bei diesem Raum ohnehin nichts?

Den Boden werde ich unbehandelt lassen.

Für einzelne tiefe Frequenzen(Moden) könnte ich noch Helmholtz-Resonatoren aufstellen - könnte das weiterhelfen?

Vielen Dank für die viel Hilfe - auf bei diesem ungünstigen Projekt...
Ydope
Inventar
#14 erstellt: 02. Mai 2008, 15:16
Hi,

Vorneweg: Mineral-/Steinwolle (ca. 50 kg/m³) oder ähnliche Dämmwollplatten sind effektiver als Schaumstoff.

Diese sollten angebracht werden (nach Priorität):
1. an der gesamten Wand/Deckenfläche
2. mit möglichst großem Wandabstand (bis 40-60 cm)
3. möglichst dick (bis 25-50 cm).

Dabei die Hohlräume mit fluffiger Dämmwolle füllen.

So sähe das erreichbare Optimum in etwa aus. Ein paar Kubikmeter Material sind aber definitv erforderlich, wenn man überhaupt in einen brauchbaren Bereich kommen will. Man muss scharf überlegen, wieviel Raum man zwischen den 1,60 Wänden noch hergeben kann (Wieviel Platz benötigen die Gegenstände, die ihr messt? Was muss sonst noch in den Raum?) und die Deckenhöhe maximal nutzen.
Nur viel hilft viel, die Ausgangslage ist schlecht, aber wenn mans richtig macht ist m.E. ein gutes Ergebnis im anvisierten Frequenzbereich möglich, wobei die Schmalheit des Raums das Hauptproblem bleibt.


Gruß
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