Miles Davis

Randysch (Beitrag #548) schrieb:

oder taugt die erschwingliche Perfect Miles Davis Collection was?

Diese Box taugt auf jeden Fall was, aber es ist wohl so, dass wenn man bei Miles sinnvoll einsteigen will, auch um ein paar seiner Prestige- Platten nicht drumherum kommt. Arnaoutchots Liste ist schon wirklich bezeichnend als Einstieg. Ich würde noch folgende ergänzen:

- "Workin'", "Steamin'", "Relaxin'", "Cookin'"
Die letzten vier Alben auf Prestige und zugleich das erste Miles Davis Quintett auf seinem Höhepunkt.
Diese 4 CDs gibts günstig in einer Box und man sollte sie auch alle zusammen erwerben. Das ist fast wie ein Viereralbum.

- "E.S.P"
Michael schrieb ja "hier liegen eigentlich alle Platten des Quintetts Kopf an Kopf", aber E.S.P. ist in meinen Augen noch die zugänglichste und der beste Einstieg in den einzigartigen Klangskosmos des zweiten Quintetts. Eine "Miles Smiles" ist wirklich, ernsthaft und ohne Übertreibung deutlich schwieriger zu rezipieren, auch wenn es eine noch interessantere Platte ist.
Dieses Album ist ja auch in der Box enthalten

- "Milestones"
Im Titelstück bereitet Davis seinen Ausritt in die Welt des modalen Jazz vor, auch deshalb eine wichtige Platte (und nicht in der Perfect Collection enthalten)

- "Birth of the cool"
Bestimmt keine einfache Musik, aber wer die späteren Kollaborationen mit Gil Evans ("Miles Ahead", "Sketches of Spain, "Porgy & Bess", "Quiet Nights") sowie Miles Hang zu "coolen" Sounds genauer verstehen will, muss hiermit anfangen. Dies ist die Ursuppe vieler Merkmale seiner stilistischen Bandbreite bis Anfang der 60er.

Nur nochmals zur Klarstellung: Die oben genannten 10 Platten sind wirklich eine stark kondensierte Top Ten. Etwas ausführlicher und umfassender ist die Chronologie, die ich am Anfang des Threads zusammengestellt habe.

Dort fehlt allerdings auch die Tetralogie der letzten Prestige-Platten des Quintetts. Sollte man ergänzen. Ich finde aber die zeitlich folgenden Columbia-Aufnahmen des Quintetts (zB Round About Midnight) etwas frischer und innovativer, bei den Prestige-Aufnahmen merkt man mE, dass die vier Platten recht schnell zur Erfüllung des Vertrages "heruntergespielt" wurden. Daher auch die einfallslosen Titel. Nur dem hochkarätigen Quintett ist es zu verdanken, dass die Prestige-Platten dennoch hochwertige Klassiker sind.

Eine meiner beiden Lieblingsscheiben fehlt da auch noch:

"A Tribute To Jack Johnson", 1971

Die gefällt mir zusammen mit "On The Corner", 1972, am besten. Das sind wohl auch die beiden "schwärzesten" Scheiben von ihm.

Dann habe ich noch ein Highlight, das nur wenige teilen, musikalisch ist es wahrscheinlich nicht der Höhepunkt:

"You're Under Arrest", 1985, eine sehr poppige Scheibe, die erste, die ich von ihm gehört habe und danach das einzige Mal, dass ich ihn live erlebt habe.
Jazzmusiker werden ja oft dafür kritisiert, wenn sie Popmusik machen, dass sie nur für den Profit ihre Seele verkaufen. Das gleiche war bei Al Jarreau mit den poppigen Alben so. Ich sehe das anders. Ohne diese Alben würde ich die zwei vielleicht bis heute nicht kennen, so habe ich sie kennengelernt und später nach und nach auch die jazzigen Werke lieben gelernt.

Und "You're Under Arrest" gefällt mir immer noch ausgezeichnet.

Was mich an "You're under arrest" am besten gefällt, sind in der Tat die beiden Coverversionen. "Human Nature" ist großartige, aber was er aus "Time after Time" gemacht hat, da ziehe ich meinen Hut vor. Der Originalsong ist ja schon sehr sehr schön, aber Miles transportiert die sanfte Romantik auf ein ganz anderes Level. Er hat aus einem Klassiker einen neuen Klassiker gemacht. Wow!
Und da Jazz ja seit seiner Geburt auch aus der Interpretation populärer Lieder besteht, kann man Miles Davis alles hier alles vorwerfen, aber bestimmt nicht Verrat am Jazz oder irgendeine Verweichlichung oder sowas wie "Das ist kein Jazz mehr". Das ist meine Meinung dazu.

Dann bin ich ja doch nicht der Einzige, dem das gefällt.

Ich habe mir heute meine erste Platte von Miles Davis gegönnt


Jetzt habe ich mich nach weiteren Platten im Internet umgesehen und ich habe die Qual der Wahl
Wer kann helfen? Soll ich mich am Preis orientieren oder welcher Jahrgang ist besser?



Bei Kind of blue ist es noch schlimmer




Auf welcher Seite kann man sich über die verschiedenen Pressungen informieren?

Das war bei mir damals in den Achtzigern auch die erste. Und obwohl die von vielen Miles-Liebhabern nur belächelt wurde, finde ich die richtig gut, ein guter Einstieg für Nicht-Jazzer in den Jazz.

Bei der Auswahl der richtigen Pressung kann ich dir leider nicht helfen, ich weiss aber, dass weder der Preis, noch der Jahrgang entscheidend ist.

Bei https://rateyourmusic.com/release/album/miles-davis/kind-of-blue/ kannst du dir Bewertungen zu den verschiedenen Ausgaben ansehen. Aber erstens sind dort nicht immer alle Ausgaben vertreten und jeder bewertet was er gehört hat, meistens ohne zu vergleichen. Bei Downloads ist es auch nicht immer eindeutig, welche Ausgabe es ist.
Ich habe dort "meine" bewertet, ohne zu wissen, ob andere besser oder schlechter sind.
Es gibt dort auch "Reviews", da ist aber nicht immer klar, ob sich jemand auf die Scheibe allgemein oder eine bestimmte Ausgabe bezieht.

Und noch zwei Punkte, die im weiteren Sinne auch mit Miles Davis zu tun haben:

Heute war der Start der Tour von einem der letzten Aktiven, die bei der Erfindung von Jazz Fusion dabei waren, Billy Cobham. auch wenn er heute, 79-jährig, am Stock geht, ist sein Spiel am Schlagzeug immer noch sehr intensiv, er wird auch ein paar Konzerte in Deutschland geben, sehr zu empfehlen, intensiv, aber kurz, bei seinem Alter zu verstehen.

Dann gibt es noch eine neue Band, M.E.B. (Miles Electric Band), welche Miles' letzten Jahre (mit Rap und so, gefällt nicht jedem) wieder aufleben lässt, es sind noch Leute aus dieser Zeit dabei, dazu jede Menge neue, ein paar Gastmusiker und natürlich Samples von Miles himself.

Speziell bei Kind of Blue ist der Fall ja bekanntlich ein besonderer. Bei der ersten Session am 02.03.1959 lief die originale Bandmaschine leicht zu langsam. Und so sind alle Versionen, egal ob LP, CD oder auch andere Formate, bis 1995 und dem Erscheinen der SBM Mastersound Gold CD, auf der ersten Seite, bzw. den ersten drei Tracks leicht zu langsam.
Die Situation danach wird aber nicht einfacher. Masteringingenieur Mark Wilder hat im Laufe der Jahre ab 1995 drei Remixe der originalen Dreispurbänder, die von der Sicherheitskopie stammen, erstellt. Zwei dieser Remixe fanden und finden sich auf diversen CD Derivaten und in unterschiedlichsten Masteringqualitäten wieder. Der zweite und bekanntere Remix (original auf CD erschienen mit der Katalognr. CK 64935) wurde und wird auch für verschiedenste Vinylvarianten verwendet, ist aber auch in den besten Masteringvarianten nicht optimal.
Und hier kommen Classic Records, Analogue Productions, Bernie Grundman aber auch noch mal Mark Wilder selbst ins Spiel.
Letzterer hat 2013 den dritten Remix speziell für eine rein digitale Veröffentlichung für HD Tracks erstellt. Dieser Remix orientiert sich ganz klar am originalen LP Mix von 1959 und stellt die Spitze der digitalen Varianten dar; ohne wenn und aber.
Bernie Grundman seinerseits hatte schon 1995 einen eigenen Remix für das erste Classic Records LP Reissue erstellt und sich ebenso am Klang der Original Vinyl orientiert. All die Classic Records Pressungen, die daraus resultierten, sind gesuchte Sammlerstücke.
Auf diesem Remix basiert schlußendlich auch die schon legendäre UHQR One Step Analogue Productions LP, die 2021 erschien. Die ist ekelig teuer, aber klanglich sicher die Spitze in Sachen Vinyl.