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Gegenkopplung+A -A |
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Autor |
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pelmazo
Hat sich gelöscht |
#1 erstellt: 26. Feb 2008, 00:41 | |
Bei manchen ist die Gegenkopplung schon fast ein Synonym für schlechten Klang, und manche Hersteller von Verstärkern und anderen Gerätschaften rühmen sich, keine Gegenkopplung zu verwenden. Wenn sie zwischendurch mal besonders korrekt sein wollen schränken sie das auf die globale Gegenkopplung ein, der Gebrauch von lokaler Gegenkopplung wird schon deutlich kleinlauter eingestanden. Dabei hat kaum etwas auf die Qualität eines Verstärkers so durchgreifend positive Auswirkungen wie eben die Gegenkopplung, und es ist daher geradezu widersinnig sie so zu verteufeln. Ich werde daher hier eine Lanze für die Gegenkopplung brechen, mit hoffentlich genug Hintergrund und Argumenten, damit der geneigte Leser nicht mehr Gefahr läuft daß ihm bei diesem Thema ein windiger Geschäftemacher den Kopf schwindlig redet. Bevor man erkennt warum Gegenkopplung nicht nur gut, sondern sogar nötig ist, und man einschätzen kann was man von ihr zu erwarten hat, muß ich erklären wie es funktioniert und wie man darauf kam. 0. Geschichte Gegenkopplung ist eigentlich uralt. Sie kommt quasi "natürlich" vor und ist bei sehr vielen natürlichen Vorgängen und Prozessen beteiligt. Der Mensch - so kann man es sehen - hat daher die Gegenkopplung nicht erfunden sondern bloß entdeckt, das heißt neue Anwendungen für das alte Prinzip entdeckt. Gegenkopplung ist ein Bestandteil und Wirkprinzip einer jeden sich selbst regelnden Anordnung oder Apparatur. Wenn etwas zu viel ist, dann wirkt irgend etwas zurück auf den Ursprung und hemmt die Vermehrung. Wenn etwas zu wenig ist wirkt es umgekehrt und begünstigt die Vermehrung. So pegelt sich das rechte Maß von selbst ein. Ein Regelkreis also, der durch die Gegenkopplung stabilisiert wird. So simpel sich das anhört, so vielfältig sind die Anwendungen und die Effekte, die darauf beruhen. Für die Technik hat sich das als einer der Pioniere James Watt, der Erfinder der Dampfmaschine, zu Nutze gemacht, als er den Fliehkraftregler erfand, mit dem er die Drehzahl der Maschine konstant halten konnte. Eine einfache mechanische Gegenkopplung. Für die Elektronik hat dies Harold Black entdeckt, der den gegengekoppelten Verstärker erfunden hat. Das war in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts, und damit in der Zeit als das Telefon einen rasanten Siegeszug angetreten hatte. Black arbeitete für die Bell Laboratories, dem herausragenden Forschungszentrum in den USA, und ein enorm wichtiges Problem war damals wie man Verstärker so baut daß man für interkontinentale Telefongespräche auch viele davon hintereinander schalten konnte ohne daß die Sprachqualität zu sehr litt. Black erkannte daß man überschüssige Verstärkung durch Gegenkopplung eintauschen konnte in andere wünschenswerte Eigenschaften wie Stabilität, Verzerrungsarmut, Unempfindlichkeit gegen Temperaturschwankungen, Alterungserscheinungen und Fertigungstoleranzen, und so weiter. Das war revolutionär zu der Zeit. Verstärkung war nicht übrig, sondern teuer, und man war eher geneigt, durch Mitkopplung (also das Gegenteil von Gegenkopplung), die Verstärkung über das hinaus zu erhöhen was man von der Röhre allein damals bekam. Verstärkung dreinzugeben wäre den meisten als Verschwendung erschienen. Aber man kann ja etwas dafür bekommen was sonst noch schwieriger zu erreichen wäre, und zwar gleich mehrere wünschenswerte Eigenschaften zugleich. Black selbst machte klar daß durch Gegenkopplung fast jede Eigenschaft des Verstärkers sich verbessern ließ, durch bloßes Eintauschen von Verstärkung. Das Prinzip funktionierte, und eroberte die Elektronik so nachhaltig, daß man von einer der wichtigsten Entdeckungen des 20. Jahrhunderts sprechen kann. Elektronik ohne Gegenkopplung ist in der Form nicht vorstellbar. Gegenkopplung ist allerdings nicht völlig problemlos, denn sie ist nicht unendlich schnell und unter bestimmten Umständen wird sie dadurch zur Mitkopplung, nämlich wenn sich die Korrektur so spät einstellt daß sie in die falsche Richtung geht. Dann fängt das System womöglich an zu schwingen oder verhält sich gar chaotisch. Das war schon Harold Black klar, und einer seiner Kollegen, Harry Nyquist, entwickelte Regeln, die man einzuhalten hat um solche Schwingeffekte zu vermeiden. Das war der Anfang einer umfangreichen Forschungsarbeit wann unter welchen Umständen wieviel Gegenkopplung noch sicher ist und wann nicht mehr. Die wichtigsten davon waren Mitte der 30er Jahre klar. Mit der Qualität von Verstärkern ging es rapide bergauf, und zehn Jahre später existierten Hifi-Verstärker, deren Qualität noch heute von vielen geschätzt wird. Vom Telefonnetz ganz zu schweigen. Daß also Gegenkopplung funktioniert ist inzwischen in derart vielen abermilliarden Beispielen in allen Nuancen unter Beweis gestellt worden daß man sich schon sehr wundern muß wenn jemand auf die Idee kommt man würde besser auf sie verzichten. Mir kommt das vor wie der Vorschlag, zurück auf die Bäume zu steigen. Ich könnte das noch halbwegs respektieren wenn neben der ganzen Kritik, die man an der Gegenkopplung anbringt, auch zu erkennen wäre daß sich der Kritiker über die positiven Effekte der Gegenkopplung wohl im Klaren ist, und in der Lage ist eine Abwägung zu treffen, auch wenn seine Prioritäten vielleicht andere sein mögen als meine. So ist es aber selten. Eher schon wird kein gutes Haar an der Gegenkopplung gelassen, und das zum Teil mit Argumenten die mich fragen lassen ob derjenige eigentlich eine Ahnung hat wovon er redet. Immerhin kann man bei Einigen vermuten daß die Einseitigkeit etwas mit ihrem Geschäft zu tun haben könnte. Aber ich weiß nicht was besser ist: Ahnungslosigkeit oder Gewissenlosigkeit. Was werden zum Beispiel für Argumente gegen die Gegenkopplung ins Feld geführt? 1. Die Gegenkopplung ist zu langsam und kommt immer zu spät Unendlich schnell ist sie natürlich nicht. Das Korrektursignal kommt immer etwas später als der Fehler, der korrigiert werden soll. Die Regelschleife, die durch die Gegenkopplung gebildet wird, hat eine gewisse Umlaufzeit. Aber was ist zu langsam und zu spät? Dafür gibt's ziemlich klare Kriterien, und die gehen auf den schon erwähnten Herrn Nyquist zurück. Man kann damit bestimmen, wie schnell eine Regelschleife sein muß damit sie für eine bestimmte Situation schnell genug ist. Es hängt mit den höchsten interessierenden Signalfrequenzen im System ab, wo hier die Grenze liegt. Und für elektronische Verhältnisse ist diese Grenze bei Audio komfortabel niedrig, zumal wenn man heutige Bauelemente zugrunde legt. Man kann gegengekoppelte Verstärker bauen (und als Chips für ein paar Cent kaufen), die über tausend mal so schnell sind als sie es für Audio sein müßten. Was ist also daran zu langsam? Die meisten Audio-Verstärker sind nicht gar so schnell. Weil das nichts bringen würde. Wenn ein Verstärker schon 10mal so schnell ist wie nötig hat man wenig davon ihn nochmal 10mal schneller zu machen. Im Gegenteil, man muß dazu oft an anderen Stellen Kompromisse machen. 2. Gegengekoppelte Verstärker neigen zum Schwingen Ja, das tun sie wenn man auf die Kriterien von Nyquist nicht aufgepaßt hat. Zu einem gegengekoppelten Verstärker gehört eine sorgfältige Frequenzkompensation. Die Lehrbücher sind voll davon welche Methoden es dafür gibt, wie man sie berechnet, worauf man aufpassen muß, usw. und trotzdem ist für viele Leute das immer noch eine schwarze Kunst. Statt die Gegenkopplung zu verteufeln könnte man also stattdessen auch ein schlaues Buch lesen... 3. Gegengekoppelte Verstärker klingen schlecht Nicht gegengekoppelte Verstärker klingen auch schlecht. Zur Erinnerung: Die Gegenkopplung wurde erfunden weil die damaligen Verstärker zu schlecht für die Ferntelefonie waren. Durch die Gegenkopplung wurde das dramatisch besser, und nicht nur bei der Telefonie. Wenn jemand die charakteristischen Verzerrungen mag, die man bei nicht gegengekoppelten Verstärkern eher findet, dann soll er einfach seinen Geschmack als solchen zugeben anstatt ein unsinniges Dogma daraus zu machen. 4. Gegengekoppelte Verstärker haben ein problematisches Clippingverhalten Kann schon sein. Wenn man das für ein Problem hält kann man auch was daran ändern ohne daß man dafür auf die Gegenkopplung verzichten müßte. Aber wieso sollte das überhaupt wichtig sein? Wenn ein Verstärker ins Clipping kommt ist er sowieso am Anschlag und dann ist nicht die Gegenkopplung das Problem, sondern daß er zu schwach auf der Brust ist. 5. Gegengekoppelte Verstärker können bei bestimmten Lasten instabil werden Ja, sowas gibt's. Wieder muß man da auf Nyquist verweisen. Man kann Verstärker so bauen daß sie bei jeder Last stabil bleiben. Das ist nicht unbedingt trivial, aber wenn man will kann man das schaffen, wie etliche reale Exemplare zeigen. Und das heißt nicht daß der Verzicht auf Gegenkopplung automatisch stabile Verstärker beschert. Epilog Vielleicht bleiben wir doch lieber von den Bäumen runter. Auch wenn Gegenkopplung nicht völlig ohne Probleme ist braucht man das Kind bestimmt nicht mit dem Bad auszuschütten. Oder anders gesagt: Wenn etwas schlecht ist (oder scheint) braucht das Gegenteil noch nicht besser zu sein. Es kann leicht noch schlechter sein. Bei der Gegenkopplung ist die Frage nicht "ja oder nein?", sondern "wieviel?". Nur so hat die Frage einen Sinn. [Beitrag von pelmazo am 26. Feb 2008, 00:42 bearbeitet] |
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Kurt_von_Kubik
Neuling |
#2 erstellt: 11. Aug 2009, 11:01 | |
Sehr gute herstellung. Gegenkopplung verursacht genau was du schreibst. Dazu kan man auch wehlen z.b. ein endverstärker ein bisschen alternativ anzuschauen. Wenn man globalen gegenkopplung in ein endverstärker verwendet, will die strohme die vom lautsprecher generiert werden im verstärker und gegenkopplungskreislauf eindringen. Das bedeutet, das der verstärker nicht nur das musiksignal behandeln muss, aber auch die strohme vom lautsprecher neutralisieren. Das kan ein grosse aufgabe werden abhängich von die elektroakustishe daten vom lautsprecher. Ein gute endverstärker solte deshalb dimensioniert werden, als ob es ohne gegenkopplungskreislauf funktionieren solte oder vielleicht noch kräftiger als ein gegenkopplungsfreie endverstärker. wenn das beachtet wird, glaube ich das die negative wirkungen vom gegenkopplung sehr begrenzt wird, ob es überhaubt welche gibt. Verwendet man sehr grosse mängen von gegenkopplung z.b 100dB, kan man sagen das man das einkommende signal fast wekwerft, um es dan wieder zu verstärken. Das passiert oft mehrmals auf den weg durch die hifi kette, und meistens ist das signal am swachsten beim eingang der endverstärker, wo z.b. electromagnetischer strahlung und andere nich sehr nutzliche einflüsse erscheint. In meine kette wird keine globale gegenkopplungs kreislaufe verwendet, aber das habe ich nicht aus "religiösen" grunden gewehlt, sondern nur aus klangliche ursachen. Ob mein DAC, vor - und endverstärker besser klanglich sein könte ob gegenkopplung eingesätzt würde, weiss ich nicht. Aber in meine optik, kan man gegenkopplung als stabilizierender faktor einsätzen, aber als liniarisierende faktor solte man meine meinung nach anderswo suchen. |
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