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Wieso verzerren laute Platten?+A -A |
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Autor |
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DJ-Spacelab
Inventar |
#1 erstellt: 01. Apr 2015, 07:38 | |
Ein Freund von mir hat ein Problem mit seinem Plattenspieler und mich um Hilfe gefragt. Obwohl ich alles ausprobiert habe konnte auch ich ihm nicht helfen. Und zwar verzerren laut aufgenommene Platten. Er ist DJ und möchte nun seine Platten digitalisieren da kaum noch eine Disco einen Plattenspieler da stehen hat. Er hat so einen DJ Plattenspieler wie man ihn für rund 120 Euro überall zu kaufen bekommt. Vormontiert war ein Audio Technica System. Keine Ahnung was das für eine Bezeichnung hat. Der Nadelträger ist weiß/grau. Jedenfalls verzerrt es bei laut aufgenommenen Platten extrem. Also hatte ich mal ein Ortophon OMB10 montiert. Genau das gleiche. Laute Platten verzerren. Also als letzten Ausweg ein Ortophon Concorde DJ montiert und auch hier das deutliche verzerren. Als Vorverstärker haben wir den Phonoeingang seines alten Yamaha Verstärkers benutzt. Um diesen aber auch als Fehlerquelle ausschließen zu können haben wir noch einen NAD PP2 benutzt. Das Ergebnis ist immer das selbe. Leise Platten wie diese typischen 80er Jahre Pressungen, sind kein Problem. Aber basslastige Technoplatten verzerren. Woran kann das liegen? Wir hatten doch verschiedene Abnehmer und Vorverstärker getestet. |
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akem
Inventar |
#2 erstellt: 01. Apr 2015, 12:21 | |
Du hast bei Vinylabtastung leider grundsätzlich ein höheres Verzerrungsniveau als bei Digital-Audio. Das liegt in der Natur der Sache. Eine Ursache ist einfach die mechanische Abtastung. Hier sollte der Nadelschliff möglichst gut sein, um insbesondere höhere Frequenzen noch korrekt abtasten zu können. Auch im Innenbereich der Platte, wo die Modulationen näher zusammenrücken (gleiche Drehzahl aber geringerer Radius -> geringere sog. Bahngeschwindigkeit). Wenn der ganze Dreher samt Tonabnehmer nur 1xx€ gekostet hat, muß man davon ausgehen, daß ein Simpelst-Tonabnehmer montiert, wahrscheinlich ein AT91 oder was ähnliches. Dazu kommt das Geometrische Setup, das stimmen muß. Wenn der Tonabnehmer schon werksseitig montiert war, kann man davon ausgehen, daß das paßt oder zumindest nicht grob daneben liegt. Dann gibt es die Geschichte mit der kapazitiven Anpassung. Ein MM-Tonabnehmer hat eine große Induktivität, was per se einen frühen Pegelabfall zu hohen Frequenzen hin mit sich bringt. Um dem entgegen zu wirken braucht man eine gewisse Kapazität (gebildet durch die Kabelkapazität und einen Kondensator im Eingang der Phonostufe). Diese bildet zusammen mit der Induktivität des Tonabnehmers einen sog. Schwingkreis, der den Frequenzgang im Hochton wieder "aufpolstert". Dazu muß aber der Wert der Kapazität zur Induktivität passen, sonst kann im Hochton leicht eine Pegelüberhöhung entstehen, die die Verzerrungs-Harmonischen krass verstärken! Das bedeutet, daß es sich mit einem optimal passenden Kapazitätswert vielleicht schon bei weitem weniger verzerrt anhört... Warum ist das nun gerade bei lauten Platten besonders ausgeprägt? Ein Tonabnehmer ist ein mechanisches System. Die Nadel hat eine elastische und bedämpfte Aufhängung mit einer bestimmten Nachgiebigkeit (engl. Compliance; diesen Wert findest Du in den technischen Daten des Tonabnehmers). Diese Nachgiebigkeit muß zum Tonarm passen. Das kann man in Deinem Fall als gegeben betrachten. Dennoch ist es so, daß die Aufhängung mit steigender Auslenkung der Nadel auch einen steigenden mechanischen Widerstand entgegen setzt. Je lauter nun die Platte ausgesteuert ist, desto weiter müßte die Nadel dieser Auslenkung quasi ohne Bremsen folgen können. Genau das kann sie aber nicht, sondern irgendwann setzt die Aufhängung der Auslenkung Grenzen. Ein Maß für die Fähigkeit, laute Passagen sauber abzutasten ist die sog. Abtastfähigkeit. Man sagt, daß 60µm normalerweise ausreichen, wenn Du bzw. Dein Kumpel mehr so laute Platten hat, sollte man vielleicht ein System mit einer Abtastfähigkeit von 80µm raussuchen. Übrigens betrifft dieses Problem meiner Meinung nach nicht nur die Wiedergabeseite sondern genauso auch die Aufnahmeseite. Daß im Rahmen des "Loudness War" (zu dem Thema kannst Du mal googeln) viele Aufnahmen schon im Studio digital übersteuert werden, ist leider bekannt und passiert den Musikproduzenten trotzdem immer wieder, weil's denen nie laut genug sein kann (die bilden sich halt ein, daß sich die Musik besser verkauft, wenn sie möglichst laut ist... ). Aber auch beim Schneiden der Plattenrohlinge hat man ein mechanisches System, das einem Tonabnehmer nicht unähnlich ist und nur "andersrum" funktioniert. Und auch da gibt es die gleichen mechanischen Limitierungen in grün und die führen dann natürlich auch zu Verzerrungen. Das bedeutet, daß bei (zu) lauten Platten ein gerüttet Maß an Verzerrungen schon in der Platte selbst steckt. Gruß Andreas |
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DJ-Spacelab
Inventar |
#3 erstellt: 01. Apr 2015, 12:39 | |
DANKE für die wirklich tolle ausführliche Erklärung! Es ist sehr schade das sich manche so wenig Mühe beim erstellen/pressen der Platten geben. Da sind nämlich echt ein paar sehr feine Demos/White Labels dabei sonst nie mehr irgendwo aufgetaucht sind. |
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flyingscot
Inventar |
#4 erstellt: 01. Apr 2015, 13:50 | |
Verzerren laute Platten bei der normalen Wiedergabe über Lautsprecher oder ist die digitalisierte Version verzerrt? Bei letzterem würde ich auf eine Übersteuerung des A/D-Wandlers tippen. |
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DJ-Spacelab
Inventar |
#5 erstellt: 01. Apr 2015, 13:56 | |
Ne es verzerrt leider auch über Lautsprecher. |
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Passat
Inventar |
#6 erstellt: 01. Apr 2015, 14:19 | |
Abhilfe schafft ein Tonabnehmer mit deutlich höherer Abtastfähigkeit. Das OMB 10 schafft 70µm, das Concorde DJ schafft 80 µm. Das könnte u.U. nicht reichen. Auch der miese Tonarm kann für die mangelnde Abtastfähigkeit verantwortlich sein. Die Tonarme dieser Billig DJ-Dreher kann man alle in die Tonne kloppen: Hohe Lagerreibung, miese Geometrie, resonanzanfälliges Tonarmrohr, oft kein Antiskating, etc. etc. Da kann auch der beste Tonabnehmer nichts mehr retten. Ich würde da immer einen HiFi-Dreher bevorzugen. Die haben mit Ausnahme dieser Billig-Plastikfräsen für weniger als ca. 200,- € alle einen brauchbaren Tonarm. Ich würde einfach einmal mit einer der Problemplatten zu einem HiFi-Laden gehen und mir damit ein paar Geräte vorführen lassen. Grüße Roman [Beitrag von Passat am 01. Apr 2015, 14:22 bearbeitet] |
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beeble2
Stammgast |
#7 erstellt: 01. Apr 2015, 14:37 | |
Sag mal !?!?! Hat dieser DJ-Plattenspieler eventuell schon einen eingebauten Entzerrer ?? Wenn dem so ist dann ist es klar das es verzerrt wenn ihr in den Phonoeingang des Verstärkers geht. (Würde aber wahrscheinlich auch an leisen Stellen schon verzerren) Ulli |
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DJ-Spacelab
Inventar |
#8 erstellt: 01. Apr 2015, 14:40 | |
Nein so schlau sind wir natürlich schon das. Vor allem würden dann ja sogar leise Platten schon verzerren. |
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Bepone
Inventar |
#9 erstellt: 01. Apr 2015, 16:24 | |
Hallo, @Roman: Die Tiefenabtastfähigkeit (meist gemessen bei Frequenzen um 300Hz), die du ansprichst, ist dafür leider kein Wert, den man heranziehen kann. Es verzerren nämlich immer die hohen Tonlagen im Kiloherzbereich. 80µm Tiefenabtastfähigkeit kann die billigste und verschlissenste Rundnadel erreichen. Es kommt auf einen richtig guten Nadelschliff (ab scharfer Ellipse) und eine gut eingestellte Geometrie an, dann kann man die Verzerrungen auch gegen Plattenende soweit minimieren, dass Schallplatte auch über Kopfhörer zum Genuss wird. Gruß Benjamin |
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Beaufighter
Inventar |
#10 erstellt: 01. Apr 2015, 16:24 | |
Moin moin Sende doch mal ein Bild des Plattenspielers den dein DJ Freund benutzt. Gruß Beaufighter |
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