Bragi: The Headphone (Kabelloser In Ear Kopfhörer)

Anfang Januar kam er an, mein erster drahtloser In-Ear Kopfhörer.

Vor einigen Jahren wurde Bragis The Dash vorgestellt, ich war damals sehr interessiert, so wirkte das Konzept sehr futuristisch.
Aber angesichts früherer Erfahrungen mit Crowdfunding zögerte ich noch und wartete noch, was sich als richtig erwies, denn zu Marktstart war the Dash wohl noch nicht ausgereift und abgesehen von großen Verbindungsproblemen auch klanglich wohl definitiv nicht mit In-Ears der 300€ Klasse zu vergleichen.
Auch bei anderen drahtlosen In-Ears wie den Apple Air Pods schienen - drastisch ausgedrückt - fehlende Kabel einen 1000% Preisaufschlag zu bedeuten.
Kurz vorweg: So ist es bei The Headphone nicht!
Als der kleinere Bruder von the Dash vorgestellt wurde, zögerte ich jedenfalls nicht lange, angesichts eines 30€ Vorbesteller Rabatts.
Als er dann endlich (mit deutlicher Verzögerung) ankam war ich erstmal erleichtert:
Der Bluetooth Empfang war auch von der Hosentasche meist störungsfrei und der Klang schien ganz ordentlich.
Seine wahre Stärke zeigt er dann aber unterwegs:
Zuvor hatte ich beim Radfahren den Xiaomi Dual Driver In Ear mit übertriebenem Bass dabei, meist nur in einem Ohr und für Hörbücher (ich fahre täglich eine Stunde durch einen ziemlich unbefahrenen Waldweg).
Das mit den Kabeln war aber ziemlich problematisch, der Abspieler konnte nicht in der Hosentasche gelassen werden und sie verhedderten sich permanent beim Fahren.

The Headphone sitzt bei mir bombenfest und die Audio Transparency Funktion (mit einem Knopf auf dem rechten In-Ear aktivierbar) sorgt effektiv dafür, dass die Umgebung sehr gut und auch räumlich hörbar bleibt.
Ohne Kopfbedeckung ist bei hohen Geschwindigkeiten aber der Fahrtwind problematisch, wenn man sie aktiviert hat.
Die Mikrofonqualität scheint ganz ordentlich zu sein und könnte interessante Binaurale Aufnahmen ergeben, aber leider habe ich bisher keine Möglichkeit gefunden, diese auch aufzunehmen.

Verbunden mit dem Google Assistant (mit abgeschaltetem Smartphone Display) wirkt er ziemlich futuristisch, und es erinnert etwas an die berührungsfreie Bedienung von Jarvis aus Iron Man unterwegs, wenn man Infos einfach rein per Sprachsteuerung und Kabellos abrufen kann, meinesachtens mit noch etwas besserer Software wohl eines der faszinierendsten Wearables. Auch wenn The Headphone hier natürlich nur vermittelt.

Aber nun zur Klangqualität:
Zum Vergleich hatte ich einen Shure SE425 sowie einen Beyerdynamic T90 da, ich verwendete das Smartphone (ZUK Z1) als Ausgangsbasis, da dieses den aktuellsten Bluetooth Standard besitzt. Da der Kopfhörerausgang des Smartphones leider den Klang leider massiv verschlechtert, schloss ich einen USB DAC an.

Einige Vergleichseindrücke von unterschiedlichen Stücken:

"Best of Wives and best of Women" Hamilton
Shure: die Szene ist unglaublich klar, die Stimmen erscheinen sehr real
Bragi: Die Stimmen sind weit weniger scharf, alles weicher, aber harmonisch
T90: Die Stimmen sind plötzlich unglaublich viel plastischer, der Bass klingt sehr real

Habanera, Carmen, Bernstein:
Die Bühne ist relativ breit, der Bragi wird aber überfordert, das ganze ist eher schwammig
Beim Shure dagegen ist das Orchester wesentlich weiter ausdifferenziert, das Orchester klingt auch absolut präzise, das Ergebnis ist aber nicht sehr mitreisend
Der T90 die Bühne ist plötzlich unglaublich offen, das Stück zieht jemanden schlagartig hinein, ist sehr präzise

Operator, Diana Krall
Bei Bragi klingt das Stück hübsch, der Bass ist persönlich ein bisschen zu aufdringlich
T90 alles ist viel detailliert, der Hochtonbereich ist ein bisschen agressiv
Shure: Nun ist das Stück deutlich trockener als zuvor, klingt aber nicht allzu reizvoll

Javerts Suicide, Les Miserables 1988
Bragi: hier könnte etwas druckvoller herüberkommen, es ist einfach nicht sehr mitreissend
Shure: das ganze ist nun viel härter, die Instumente klingen sehr schön, die Gesangszenen eher zu hart
Beyerdynamic: Nun klingt das ganze wesentlich runder, und nun auf einen Schlag wirklich mitreisend

Calm under The Waves, Maria Mena:
T90: Sehr warm und präzise, Stimme zischelt etwas
Bragi: Die Stimme nicht so präsent, etwas dumpf, gut hörbar
Shure: deutlich klarer, die Stimme zischelt, Instrumente klingen sehr gut

I Don't Wanna See You With Her, Maria Mena
Bragi, der Bass schleppt sich, das Ergebnis klingt aber gut
Shure: Stimme zischt etwas, in seiner Klarheit klingt das ganze nicht sehr gut
T90: Stimme zischelt schon ziemlich, Ergebnis klingt ziemlich schief

Also generell:

Der Bass des Bragi ist im Vergleich zu den anderen deutlich lauter, teils ein bisschen zu stark. Die anderen sind wesentlich präziser.
Die meisten Stücke klingen damit angehm und harmonisch, bei klassischen, fordernden Stücken wird er schwammig und eher langweilig.
Am besten schlägt er sich da, wo die anderen beiden versagen, nämlich bei nicht besonders gut aufgenommener Pop Musik.
Insgesamt finde ich den Klang für den Preisbereich eigentlich nicht schlecht, letztlich ein guter "nicht-Hi-Fi" Kopfhörer.


Fazit:
Unterwegs prima, praktischer als Kopfhörer mit Kabeln und einfach irgendwie futuristisch.
Der Klang ist angenehm und Bassbetont, aber definitiv nicht so detailliert wie der des SE425 oder so plastisch wie der T90
Für Hörbücher eignet er sich ziemlich gut, bei Pop Musik klingt er auch ganz überzeugend.

Preislich ist er letztlich ganz interessant, gerade wenn man ihn unterwegs nutzen möchte, gerade weil es momentan (Februar 2017) meineswissens kaum attraktive Konkurrenz auf dem Markt gibt.