Willsenton R-800i (805) – Erfahrungen

Guten Tag in die Runde. Ich habe hier schon eine Weile lang immer mal wieder im Forum mitgelesen und da ich nun etwas Zeit und Tee habe, will ich mal kurz von meinen Erfahrungen mit meinem Chinakracher erzählen.

Über zehn Jahre hatte ich eine Kombination aus Einsteiger-Rotel-Geräten und Audio Physic-Boxen in Betrieb und war damit sehr zufrieden. Nur war im letzten Jahr dann etwas Geld auf der hohen Kante und der Bedarf da, die Wohnküche etwas umfassender mit Klang zu füllen. Vorangestellt sei, dass ich nun so gar kein Audiochecker bin und von Elektronik noch weniger verstehe. Und da sich um mich herum nur ein Bekannter für das Thema interessiert, und ich nicht hier und da mal probehören konnte, musste ich also lesen lesen lesen. Und da wurde schnell klar, dass ein Röhrengerät zu mir passen würde. Es sollte schön klingen und warm, die Idee gefiel mir sehr gut. Und weil ich nicht der Typ dafür bin, mich in kurzer Folge durch verschiedene Geräte zu hören, zu kaufen und weiterzuverkaufen, wollte ich gleich etwas in die Vollen und war bereit, mehr zu investieren als für ein reines Einsteigergerät. Es gab da eine ganz Reihe von youtube-Videos und Tests der Willsenton-Amps, bei denen beide gut beurteilt wurden. Von den in Frage kommenden Modellen (R8 oder R800-i) entschied ich mich für letzteren. Das ist wiederum in zwei Ausführungen erhältlich: Entweder mit 845er- oder 805er-Röhren am Ende. Es ist dann – ich kann jetzt gar nicht mehr sagen, warum – das 805er-Modell geworden.
Hier geht es zur Verkäufer-Seite mit allen Infos zum Amp.
Bestellt habe ich das Gerät hier und es kam dann relativ fix im Land an, musste dann nur noch durch den Zoll, was noch einmal etwas Zeit und Geld kostete.
Ach ja, noch ein Hinweis: Ich lebe in Polen, in Grenznähe zu Deutschland.
Versand, Verpackung etc. war alles in Ordnung, das Gerät kam in tadellosem Zustand hier an.



Schon beim ersten Hören war klar, dass das Gerät soundmäßig in einer ganz anderen Liga spielt, als der kleine Rotel zuvor. Bevor ich zum Klang was sage, noch kurz zum weiteren Weg und Drumherum: In den kommenden Monaten habe ich die mitgelieferten Röhren allesamt ersetzt. Schon ohne Veränderung war es ein enormer Sprung, mit neuen (alten) Röhren ist der Klang aber noch viel besser. So habe ich in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Röhren angetestet – ein ganz eigenes Kapitel. Was da gerade an Preisen für alte Röhren aufgerufen wird, ist der Wahnsinn. Und so detailversessen und wohlhabend bin ich dann doch nicht, dass ich bereit bin, abertausende Euro für alte Western Electric und Mullard-Röhren auszugeben. Bei den Tarifen würde ich die Welt der diminishing returns betreten, so sieht das für mich aus. Was nicht heisst, dass der Ersatz der Röhren unterm Strich nicht auch wieder kostspielig war. Denn derzeit verrichten folgende darin ihren Dienst:

– 1x Svetlana 5U4G NOS (Black Plate)
– 1x Telefunken ECC83 NOS
– 2x Foton 6H8C NOS (6NS7-Ersatz)
– 2x Elrog WE 300B
– 2x PSVane Acme 805

Gerade bei der ECC83- und der 6SN7-Position rotiere und probiere ich gerne, eben weil es bei den 300B und der 805 so sehr ins Geld geht. Ich muss aber sagen, dass die Telefunken ihrem Ruf wirklich gerecht wird. Toll! Und die Foton ist eine tolle, saugünstige Alternative zu anderen, viel teureren NOS-Röhren.

Das Gerät musste neulich einmal zur Reparatur, etwas stimmte nicht drin. Da darf nun gerne gelacht werden, aber ich habe den polnischen (und zusätzlich nuschelnden) Elektrofachmann trotz Nachfrage kaum verstanden und kann nicht sagen, was da genau vorlag. Unterm Strich spielt es nun wieder normal, das ist das Wichtigste.
Während das Gerät aber weg war, habe ich den alten Verstärker wieder angeschlossen. Und der Unterschied war wie Tag und Nacht: flach und farblos, unvorstellbar, wie ich das mal gut finden konnte.
Denn das ist mein Höreindruck des Willsenton R-800i: Die Wärme ist da, eine unglaubliche Räumlichkeit, eine Breite und Tiefe, eine Detailliertheit, es ist einfach begeisternd, damit Musik zu hören. Besonders, wenn in der Musik nicht zu viel los ist, spielt er seine Stärken aus: Einzelne oder wenige Instrumente und natürlich menschliche Stimmen. Es gab immer wieder Momente, in denen ich ungläubig staunte, da kam wirklich alles zusammen. Beispielsweise bei einer Bonus-CD der amerikanischen Wüstenrockband Calexico – sicher kein audiophiles Material. Aber es war wirklich so, als wäre die Band bei mir zu Gast, da sitzt der Gitarrist, da der Schlagzeuger und so weiter. Ich wollte Kaffee anbieten. Natürlich machen gerade gut aufgenommene Platten damit noch einmal mehr Spaß, aber es gilt auch generell, dass das Musikhören damit mehr Freude bereitet und auch unauffällige oder eigentlich gar nicht so gute Aufnahmen, damit viel schöner klingen. Ob es jetzt die billo-Harry Belafonte-10CD-Box oder die sehr laut abgemischten Hip Hop-Stücke von Kenny Beats sind. Oder Rock oder Ambient oder Elektro-Fiepen und -Brummen von Alva Noto. Dabei habe ich nie das Gefühl, dass ich mir die Anlage anhöre, es ist immer die Musik.
Schlimm ist nur, dass ich jetzt sogar Dinge als Fehler wahrnehme, über die ich vorher einfacher hinweghören konnte. Eine Leichte Übersteuerung beim Orgelintro zu Portishead´s „Roads“ – voher egal, jetzt hör ich es IMMER.

Wie oben erwähnt, habe ich keinen Vergleich zu anderen Verstärkern und kann eventuelle Schwächen oder Stärken nicht aus dem Vergleich heraus benennen. Soweit bin ich aber sehr froh über meine Entscheidung und nach rund 9 Monaten immer noch und immer wieder sehr, sehr glücklich mit dem Gerät.
Ach ja: Hübsch anzusehen ist der Verstärker auch. Ich bin ein Freund des schlichten Designs und manch höherpreisige Audiokomponente spricht mich da eher weniger an.

Zum Rest der Anlage: Uralter Rotel-CD-Player, ein Paar Klipsch Cornwall IV, SVS PB-1000 Pro Subwoofer, diverse Kabel.

Vielleicht hat hier noch jemand Erfahrungen mit dem Gerät. Oder Fragen. Soweit erstmal: Alles Gute aus Szczecin.