HIFI-FORUM » Musik » Klassik » Stücke in ungewöhnlichen Taktarten | |
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Stücke in ungewöhnlichen Taktarten+A -A |
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Autor |
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Martin2
Inventar |
#1 erstellt: 21. Dez 2012, 15:14 | |
Welche Stücke in ungewöhnlichen Taktarten kennt ihr? Eine ungewöhnliche Taktart ist etwa ein Fünfvierteltakt. Tschaikovski hat ihn mal verwendet, ich glaube in seiner 5. Sinfonie ( leider habe ich meinen zerfledderten Konzertführer verlegt, kann das im moment nicht nachprüfen). Also solche Taktarten werden gelegentlich mal verwendet und bei Tschaikovski klingt das auch gar nicht schräg, aber das ganz große Gros der Werke ist in Taktarten wie 2/2 oder 4/4 oder 3/4 geschrieben worden. Es würde mich allerdings überhaupt nicht wundern, wenn im 20. Jahrhundert mehr mit solchen Dingen experimentiert worden wäre, nur weiß ich darüber wenig, vielleicht weiß jemand anderes mehr? Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#2 erstellt: 21. Dez 2012, 19:31 | |
Hallo! Schon Stravinsky hat im "Sacre" seinerzeit mit ungewöhlichen Taktarten experimentiert, ebenso Bartok (z.B. in seinen Klavierkonzerten) Sehr bekannt durften hier auch die Experimente von Boris Blacher sein, z. B. bei seinen Streichquartetten, in der seriellen Musik der 50ger und 60ger Jahre wurde dann der Takt wie jeder andere Parameter auch dem Werk, respektive dem gewählten Musikmaterial angepasst und somit ergeben sich hier eigentlich ständig ungewöhnliche Taktarten. MFG Günther |
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Klassikkonsument
Inventar |
#3 erstellt: 25. Dez 2012, 22:35 | |
Von Boris Blacher habe ich das Streichquartett Nr. 5 - Variationen über einen divergierenden in C-Moll-Dreiklang mit dem Leipziger Streichquartett auf MDG (zusammen mit Lutosławskis aleatorischen Beitrag zur Gattung). Im Booklet gibt es auch ein paar Ausführungen zu den rhythmischen Besonderheiten. Leider gibt es die CD neu nur noch überteuert. Sonst müsste es noch einiges bei Ives geben. |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#4 erstellt: 28. Dez 2012, 00:05 | |
Hallo Martin, bei einem anderen Klassikforum (verlinken und nennen werd ich wohl nicht dürfen) wurde darüber schon mal diskutiert. Ich nenne hier nur ein paar der dort gefallenen Beispiele: George Antheil - A Jazz Symphony J.S.Bach - Präludium aus BWV 547 in 9/8 Klavierstücke von Stockhausen gewisse Lieder von Dave Brubeck ... Sicher gibt es gerade in der Moderne viele Beispiele, ist aber bekanntlich nicht mein Spezialgebiet und das Thema interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich. lg Thomas |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#5 erstellt: 28. Dez 2012, 10:46 | |
Ist 9/8 eine so ungewöhnliche Taktart? Wenn auch nicht so häufig wie 6/8 oder 12/8 scheint mir das doch regelmäßig vorzukommen. 5/4-Takte gibt es schon vor Tschaikowksys 6. einige Male. Überhaupt vermute ich, dass eine Reihe rhythmischer Besonderheiten, etwa bei Beeinflusssung durch Volksmusik schon in einiger Musik noch früherer Zeiten zu finden wären, wenn auch vielleicht nicht explizit in ungewöhnlichen Taktarten notiert. So gibt es in der süddeutsch-österreichischen Volksmusik den "Zwiefachen", einen Tanz mit Abwechslung zwischen 2er und 3er Takt: zB, /1+2+/1+2+/1-2-3/-1 -pause-pause/ usw. Ich bin mir relativ sicher, in einigen Menuetten Haydns ähnliches gehört zu haben, bloß wird das dann im 3/4-Takt mit entsprechenden Synkopen notiert, anstatt 2/4-Takte einzuschieben. Was im Barock (etwa in Courante-Sätzen) nicht selten ist, ist ein Wechsel zwischen 2er und 3er Rhythmus im 6/4-Takt: *1*23 *4*56/ *1*23 *4*56/ *1*2 *3*4 *5* 6 usw. (Es gibt einen Chor im Messiah, bei dem so etwas zur Anpassung an den Sprachduktus genutzt wird, ich komme nur gerade nicht auf die konkrete Stelle.) |
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flutedevoix
Stammgast |
#6 erstellt: 28. Dez 2012, 15:39 | |
9/8-Takt ist sicher kein ungewöhnlicher Takt, überspitzt könnte man von einem ternären oder triolischen 3/4-Takt sprechen (obwohl es da natürlich in moderner Musik auch unterschiedliche Gruppierungen gibt!) Hemiolen und die Schwerpunktverschiebungen im 3er-Takt der Renaissnce sind gerade in Couranten häufig anzutreten. In der Tat ist Musik des Mittelalters und der Frührenaissance ganz oft nur mit größter Mühe in unsere heute gebräuchliche Notation zu übertragen. Das resultiert dann schon mal in 3 verschiedenen Übertragungen des selben Stückes in drei verschiedenen Taktarten. |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#7 erstellt: 28. Dez 2012, 15:58 | |
Das kommt drauf an wie man ungewöhnlich definiert. So wie ich Martin verstanden haben wollte er Beispiele abseits der "Mainstream"-Taktarkten haben (zu denen für mich vor Allem 4/4, 3/4 und 2/4 gehören) und zu den häufiger vorkommenden gehört ein 9/8 auf keinen Fall. Ich weiß ja nicht was du unter regelmäßig verstehst aber der überwiegende Großteil der Werke in meiner Klassiksammlung ist nicht im 9/8-Takt geschrieben (auch wenn ich oftmals nicht die Partitur dazu kenne bin ich mir da ziemlich sicher). Sind rythmische Spielerein wie Verschiebungen, Synkopen, Betonungen usw. innerhalb eines geläufigen Taktes nicht wieder ein anderes Thema? (wie zB auch in diesem Beispel Beethoven 3.Sinfonie übrigens eine recht gute Seite zur Analyse des Werkes) @ flutedevoix Er mag ja vielleicht nicht ungewöhnlich klingen aber 9/8 wird man zum. in der Klassik und Romantik nicht im Großteil der Werke finden. Aber ihr beiden Johannes könnt ja gerne konkrete Beispiele nennen was eurer Ansicht nach wirklich ungewöhnlich (mal Renaissance und Moderne ausgenommen) ist. [Beitrag von Thomas133 am 28. Dez 2012, 16:06 bearbeitet] |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#8 erstellt: 28. Dez 2012, 16:52 | |
5/4 ist schon ziemlich ungewöhnlich, aber wie gesagt, gibt es schon im 19. Jhd. eine Reihe von Beispielen. Außer Tschaikowsky zB die "Promenade" in Bilder einer Ausstellung, Russische Ostern von Rimsky und vermutlich noch etliche andere aus dem slawischen Raum. Bei Bartok ist 7/8 u.ä., sowie häufige Taktwechsel sozusagen Standard, das beruht wohl auf der entsprechenden Volksmusik. Ich kenne aber auch nicht genügend konkrete Beispiele ohne nachzusehen. Bei 9/8 dachte ich ebenfalls, dass das als "triolischer" 3/4 nicht so viel seltener wäre als 6 oder 12. Schon bei Bach gibt es auch mal 6/16 o.ä., was wohl eine besonders leichten und schnellen Gigue-Charakter bezeichnet. Es gibt auch Gigues o.ä. Tänze in 9/8 ein paar Bsp. Bach: etliche Präludien im WTK, kann ich gerade nicht nachschauen Beethoven (alles langsame Sätze) op.31/1, 2. Satz 9/8 adagio grazioso op.110, Arioso dolente 12/16 op.111, Arietta beginnt in 9/16, später gibt es 12/32 u.ä. Im Kopfsatz von Brahms 3. Sinfonie wechselt der Takt von 6/4 zum Seitenthema zu 9/4 |
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Martin2
Inventar |
#9 erstellt: 28. Dez 2012, 17:09 | |
Ich denke, mir ging es nicht unbedingt darum, ob eine Taktart häufig oder weniger häufig ist. Selbst wenn der 9/8 Takt sehr selten wäre, wäre er trotzdem nicht außergewöhnlich, wie Flutedevoix das ganz richtig schreibt, ist er eine Taktart, die mit anderen Taktarten wie 3/4 letzlich verwandt ist. Letzlich gibt es ja nur zwei häufige Taktarten. Zum einen 2/2, 4/4, 2/4, 8/8, also alle diese Taktarten, die gewissermaßen eine symetrische Regelmäßigkeit haben. Dann gibt es die andere Taktart und das ist dann 3/4, 6/8 oder meinetwegen auch 9/8. Diese zweite Gruppe ist letzlich schon außergewöhnlicher, trotzdem natürlich relativ häufig. Diese Taktart ist gewissermaßen schon nicht mehr "regelmäßig", man kann sie gewissermaßen "interpretieren" als etwas "Zusammengesetztes", man kann den 3/4 Takt meinetwegen interpretieren als einen ständigen Wechsel zwischen 2/4 und 1/4. 5/4 ist dann noch außergewöhnlicher, man kann ihn interpretieren als eine permanente Quintole oder als einen beständigen Wechsel zwischen 2/4 und 3/4. Es könnte auch ein Takt 10/8 oder etwas dergleichen sein. Wie Kreisler Jr. aber schreibt, kommt dies durchaus auch mal vor, wenn er da etwas konkreter werden könnte, wäre mir das sehr angenehm, ich würde mir das gerne mal gezielter anhören. Ich kannte halt nur das Beispiel von dem Tschaikovski. Wenn ich mir das überlege, hat die "Außergewöhnlichkeit" von Taktarten ganz sicher etwas damit zu tun, inwieweit die Takteinteilung auf bestimmte Primzahlen zurückzuführen ist. Ein 4/4 Takt ist letzlich auf die Primzahl 2 zurückzuführen und damit das Gewöhnlichste. Ein 9/8 Takt ist auf die nächst höhere Primzahl 3 zurückzuführen. 5/4, schon sehr außergewöhnlich, auf die 5. Ein 7/4 Takt wäre die nächste Stufe der Ungewöhnlichkeit, die mir noch nie untergekommen ist, dann käme 11, 13, 17 usw., in der modernen Musik hat man vermutlich all das auch schon gemacht, die Frage ist nur, ob man das dann wirklich auch hört, also ob man ein musikalisches Gefühl für einen 17/16 Takt bekommt, was ich doch sehr stark bezweifle. So jetzt habe ich das nun alles geschrieben, aber Kreisler Jr. ist mir mit seinem Beitrag zuvorgekommen, wie ich gerade realisiere, sehr interessant, aber ich lasse meinen Beitrag jetzt mal stehen. Gruß Martin |
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Hörbert
Inventar |
#10 erstellt: 29. Dez 2012, 15:36 | |
Hallo! @Martin Ganz so ungewöhnlich ist ein 7/4-Takt auch wieder nicht, im Jazz wird er relativ häufig verwendet. Zudem ergibt sich hier die Möglichkeit der Taktteilung in 3+4 oder 4+3 oder 6+1 mit dementsprechender harmonischer und melodischer Phrasierung was ebenfalls nicht ungewöhnlich ist. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 29. Dez 2012, 19:37 bearbeitet] |
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WolfgangZ
Inventar |
#11 erstellt: 29. Dez 2012, 16:45 | |
Für entscheidend halte ich, in welcher Konsequenz eine Taktart durchgehalten wird und in welchem Verhältnis die Taktart zur Komplexität der Rhythmik steht. Einerseits wird man suchen müssen, will man eine Komposition finden, die konsequent im 13/4-Takt gehalten ist. Andererseits gibt es Volksmusik von äußerster metrischer Komplexität - siehe auch die bulgarische Rhythmik in einigen Werken Bartoks. Das kann ich dann wiederum sehr unterschiedlich notieren und zerlegen. Es zu "hören" ist wieder ein ganz anderes Problem; da wird Martin wohl Recht haben. Schließlich kann ich ein modernes Stück so notieren, dass die Taktart quasi mit jedem Takt wechselt. Bei Blacher findet man Tendenzen dazu, wahrscheinlich auch schon früher und sicher auch im Jazz und erst recht in der Avantgarde. Schließlich kann ich auch auf Taktmarkierungen verzichten. Ganz zu schweigen davon, was Rhythmus in indischen Ragas bedeutet - ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, davon etwas zu verstehen ... Wolfgang [Beitrag von WolfgangZ am 29. Dez 2012, 16:48 bearbeitet] |
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monsterbox
Stammgast |
#12 erstellt: 12. Jan 2013, 23:23 | |
Es gibt für die ungeraden Taktarten auch den treffenden, alten Begriff "zusammengesetzte Taktarten". Damit wird sogleich die von "Hörbert" angesprochene Frage der Einteilung des Taktes angezeigt. Ich finde den Verweis auf die Volksmusik des Südosteuropäischen Kulturraums wichtig, insbesondere, weil der ungerade Takt nach meiner Wahrnehmung allermeistens nicht das Produkt einer intellektuellen Fingerübung gegen die Konvention ist (oder gar eine neuere Erfindung), sondern simultan mit einem musikalischen Einfall entsteht. Der Reiz des ungeraden Taktes besteht in der Hauptsache in einer natürlichen Vertauschung von Down- und Offbeat an der Taktgrenze, weshalb man auch zwischen "unechten" und "echten" ungeraden Takten unterscheiden kann. Die Unechten sind an ein Motiv über je zwei verbundene Takte gebunden, wodurch man die "Eins" des jeweils zweiten Taktes stets als Offbeat empfindet. Bei den Echten zwingt einen das Motiv bei jeder "Eins" auf den Downbeat. Die Einteilung ungerader Takte erfolgt regelmäßig in "2er" und "3er". Beim 5er Takt gibt es also den "2-3er" und den "3-2er", beim 7er Takt den 3-2-2er, 2-3-2er und 2-2-3er (der häufigste), und beim 9er wachsen die Möglichkeiten auf 3-2-2-2er, 2-3-2-2er, 2-2-3-2er, 2-2-2-3er, und, wie oben erwähnt, speziell der 3-3-3er. Meines Erachtens stellt der oben bereits erwähnte Einfluß der Osmanischen Musikkultur auf Bulgarien die Eintrittspforte für die hier beschriebenen ungewöhnlichen Taktarten in der Klassik dar. Wenn man die 3er und 6er Takte als in Westeuropa noch gewöhnliche Taktarten anerkennen möchte (Walzer), scheint mir mit dem Werk von Bartok wie auch Strawinsky die deutlichste Aufprägung in die klassische Musiktradition erfolgt zu sein. Man erahnt aber, wie ich meine, die wohl eher lange Vorgeschichte ungerader Taktarten aus ihren evidenten Spuren in den Volksmusiken. Dazu seien als verkürzte Plausibilitätserklärung das Altgriechische Instrument Lyra, der Begriff Lyrik und die Altgriechischen Versmaße, wie z.B. das Pentameter genannt. Mit besten Grüßen! Detlef [Beitrag von monsterbox am 13. Jan 2013, 13:26 bearbeitet] |
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qwerzt
Ist häufiger hier |
#13 erstellt: 15. Jan 2013, 17:51 | |
Bei dem Titel ist mir direkt die Serenade Op.22 von Derek Bourgeois eingefallen. Sie fängt im 11/8 Takt, wechselt dann in den 13/8 Takt und zurück. Die ist so weit ich weiß eigentlich für Orgel geschrieben, wird aber oft von Blasorchestern gespielt. Hier kann man mal reinhören: Klick! |
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