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HIP - Historisch Informierte Aufführungspraxis & Werktreue

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Beitrag
Mellus
Stammgast
#1 erstellt: 22. Jan 2010, 18:05

Klassikkonsument schrieb:
Ok, "Bashing" ist überzogen. Bei Bernstein halte ich es für wichtig differenzierter die Vor- und Nachteile zu erwägen. Er steht nämlich für einen Musizieren, das mal was riskiert, also mit interessanten Überlegungen von den Partituranweisungen abweicht.
Nicht zuletzt mit der Etablierung der "historisch informierten" Aufführungspraxis gibt es eine Tendenz zu philologischer Genauigkeit, die sicher gute Argumente hat. Aber im Extremfall führt sie zu der Illusion, die Subjektivität des Interpreten gehöre beseitigt (so habe ich Kuijken im Booklet zur CD mit Kammermusik von Debussy jedenfalls verstanden).
Da bietet Bernstein eine erfrischende Gegenposition, die vielleicht gerade zu Mahlers Musik besonders passt. Denn die scheint mir u.a. auch gegen die Philisterei gerichtet zu sein, in die philologische Genauigkeit ausarten kann.


edit op111: Zitat aus Ursprungsthread eingefügt

Wenn ich's recht verstanden habe, geht es bei historisch-informierter Aufführunspraxis weniger bis gar nicht darum, die Noten besser oder richtiger zu lesen und wiederzugeben - so zumindest verstehe ich in diesem Zusammenhang "philologisch". Es geht doch vielmehr um das, was nicht in den Noten steht, z.B. Phrasierungen und Spieltechniken. Das tut doch dem subjektiven Ausdruck des Interpreten keinen Abbruch.

Und überhaupt: Einerseits wird Dirigenten vorgeworfen, dass sie nicht das spielen, was in den Noten steht. Andererseits werden Dirigenten verehrt, die die Noten besonders frei auslegen. Da soll man noch durchfinden!

Viele Grüße,
Mellus


[Beitrag von op111 am 22. Jan 2010, 19:40 bearbeitet]
op111
Moderator
#2 erstellt: 22. Jan 2010, 18:26

Mellus schrieb:
Und überhaupt: Einerseits wird Dirigenten vorgeworfen, dass sie nicht das spielen, was in den Noten steht. Andererseits werden Dirigenten verehrt, die die Noten besonders frei auslegen. Da soll man noch durchfinden!


Das gehört doch zum Spiel!
Das sind die immanenten Widersprüche und Brüche des realen Lebens.

Ich will nicht zu sehr vom Thema abschweifen, aber wenn ich z.B. Shakespeare historisch getreu aufgeführt haben möchte, stelle ich mir das ein wenig überhöht so vor: ich brauche in letzter Konsequenz das Globe-Theater, alte Bühnentechnik, Originalsprache, die passende Kleidung, die passende Atmosphäre (Kerzenlicht, Smog, üble Gerüche, keine modernen Toiletten die damals üblichen Krankheiten , Hintergrundgeräusche) das passende Zeitgefühl - mit anderen Worten eine Zeitreise mit langer Akklimatisationszeit.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich diese Zeitreise überleben sollte, gehe ich nur noch in moderne Stücke, versprochen!
Ähnlich könnte es mit alter Musik sein.



[Beitrag von op111 am 22. Jan 2010, 18:46 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#3 erstellt: 22. Jan 2010, 18:54

Mellus schrieb:
Wenn ich's recht verstanden habe, geht es bei historisch-informierter Aufführunspraxis weniger bis gar nicht darum, die Noten besser oder richtiger zu lesen und wiederzugeben - so zumindest verstehe ich in diesem Zusammenhang "philologisch". Es geht doch vielmehr um das, was nicht in den Noten steht, z.B. Phrasierungen und Spieltechniken. Das tut doch dem subjektiven Ausdruck des Interpreten keinen Abbruch.


Die Phrasierungen und Spieltechniken ergeben sich z.T. auch aus Erkenntnissen darüber wie der Notentext zu lesen sei. Und das macht auch korrekte Urtext-Ausgaben erforderlich.
Aber HIP betrifft natürlich auch mehr. Eine Gefahr, die sich natürlich nicht zwingend ergibt und nach Jahrzehnten Praxis wahrscheinlich auch immer weniger besteht, ist, dass durch die Konzentration auf die Rekonstruktion des alten Klangs andere Aspekte der Musik unter den Tisch fallen. Überhaupt besteht doch die Schwierigkeit dem Notentext umfassend gerecht zu werden.
Artur Schnabel z.B. wird immer wieder dafür gelobt sich um die richtigen Tempi in den schnellen Sätzen von Beethovens Sonaten bemüht zu haben. Dabei wird eingeräumt, dass er über seine technischen Möglichkeiten hinausging. Manche sagen auch, er hat schlampig gespielt.


Und überhaupt: Einerseits wird Dirigenten vorgeworfen, dass sie nicht das spielen, was in den Noten steht. Andererseits werden Dirigenten verehrt, die die Noten besonders frei auslegen. Da soll man noch durchfinden!


Beides ist falsch oder kann zu unbefriedigenden Resultaten führen. Zu welchen Mängeln subjektivistische Exzesse in der Interpretation führen können, ist schnell nachgewiesen.

Die positivistische Korrektheit kann aber auch auf einen Holzweg führen. Ich denke da z.B. an Schoonderwoerds Aufnahmen der Beethoven-Klavierkonzerte. Es ist albern und völlig ohne Belang, dass die tatsächlich mal in Kammer-Ensemble-Stärke aufgeführt worden sind. Da hat man dann bei den Streichern z.B. bloß ein Streichquartett + Kontrabass. Lässt sich so etwa beim 4. Konzert adäquat das Solo-Cello im Schlusssatz darstellen?

Man sollte die interpretatorische Subjektivität nicht hinter historischer Korrektheit verstecken. Die bedeutet ja auch keineswegs bloß chaotische Willkür, die es möglichst zu zügeln gelte. Vielmehr muss das Subjekt immer überlegen, was sinnvoll ist und was nicht.
Um beim Schoonderwoerd zu bleiben: Die Mittelstimmen der Streicher sind in Aufnahmen vielleicht noch nie so gut herausgekommen. Das klapprige historische Klavier im 4. Konzert liefert aber ein eher verwaschenes Resultat.

Interpreten wählen auch immer aus, worauf sie besonders Wert legen (z.B. richtige Tempi, Durchhörbarkeit). Andere Aspekte können dagegen zu kurz kommen.
Und Non-Vibrato bei Streichern ist für mich immer noch gewöhnungsbedürftig. Wobei ich da noch nicht aufgegeben habe.

Viele Grüße
Kreisler_jun.
Inventar
#4 erstellt: 22. Jan 2010, 22:55
Das Interessante bei Mahler ist ja, dass - von vom Komponisten bespielten Klavierrollen abgesehen - drei recht berühmte Interpreten sich durch persönlichen Kontakt legitimieren können: Bruno Walter, Willem Mengelberg und Otto Klemperer. Zwar liegen etwa die Sinfonien 3,6 und 8 mit keinem von diesen vor, aber ein paar Sachen kann man festhalten: Alle drei dirigieren Mahler ziemlich unterschiedlich, aber, wenn man vom späten Klemperer absieht, kommen extrem gedehnte Tempi wie man sie von späteren Interpreten kennt, nicht vor. Klemperer brauchte ca. 1950 z.B. nur gut 70 min. für die 2. Sinfonie, gut 10 Jahre später ist er mit 79 immer noch zügiger unterwegs als etliche andere Dirigenten.

Wie auch immer. Ich glaube eine gewisse Skepsis gegenüber Bernstein ist nicht zuletzt deswegen gerechtfertigt, weil er aufgrund seiner charismatischen Persönlichkeit, seiner Identifikation mit der Musik und seines Einsatzes für Mahlers Musik mitunter als ultimativer Mahler-Guru angesehen wird.
Aber es setzten sich eben schon lange vor der "Mahler-Renaissance" nicht nur die drei oben genannten, sondern besonders auch Scherchen, Mitropoulos u.a. für diesen Komponisten ein.

JK jr.
Hörbert
Inventar
#5 erstellt: 23. Jan 2010, 11:37
Hallo!

Erstmal sollte man doch m.E. eine Unterscheidung in Werktreue Interpretationen (z.B. Leibowitz/Beethoven, Wand/Bruckner) und sogenannten Historische Interpretationen (möglich orginalgetreue Instrument und Besetzungen) machen.

Wäheren bei einer Werktreuen Interpretation versucht wird den Partituranweisungen möglichst zu folgen und so ein Werk mit heutigen Mitteln aber nach Möglichkeit nach den intentionen des Komponisten zu präsentieren versucht ja die Historizierende Aufführungspraxis das Werk wie zu den Zeiten seiner Entstehung zu präsentieren. Beide Aufführungsstile haben ihre Berechtigung, -die Historische um so mehr je älter das Werk ist-.

Bei den Dirigenten hat sich im laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrunderts ein allmählicher Wandel von einer Aufführungspraxis in der der Personalstil dominierte (Toscanini, Karajan) zu einer moderneren Aufführungspraxis bei der das Werk im Mittelpunkt steht vollzogen. Dieser Wandel ist keinesfalls vollständig oder abgeschlossen, nicht ausgeschlossen ist ein ständiges nebeneinander von gemilderdem Personalstil (Abbado, Rattle) und Werkssichtiger Position.

Eine schlußendlich gültige Auffassung was richtiger oder orginaler ist wird es m.E. nicht geben, die Disskussion darüber erschöpft sich schlußendlich im Geschmacklichen.

MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#6 erstellt: 23. Jan 2010, 23:24
Hallo Günther,

ist "alles Geschmackssache" nicht doch zu abstrakt? Für der Werktreue oder sogar der historisierenden Aufführungspraxis verpflichtete Interpreten geht es doch jedenfalls um mehr, auch vielen ihrer Anhänger.

Viele Grüße
Kreisler_jun.
Inventar
#7 erstellt: 24. Jan 2010, 10:56

Hörbert schrieb:

Wäheren bei einer Werktreuen Interpretation versucht wird den Partituranweisungen möglichst zu folgen und so ein Werk mit heutigen Mitteln aber nach Möglichkeit nach den intentionen des Komponisten zu präsentieren versucht ja die Historizierende Aufführungspraxis das Werk wie zu den Zeiten seiner Entstehung zu präsentieren. Beide Aufführungsstile haben ihre Berechtigung, -die Historische um so mehr je älter das Werk ist-.

Bei den Dirigenten hat sich im laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrunderts ein allmählicher Wandel von einer Aufführungspraxis in der der Personalstil dominierte (Toscanini, Karajan)


Vom Selbstverständnis und auch in der allgemeinen Wahrnehmung war Toscanini ein Dirigent, bei dem gerade nicht der Personalstil dominierte wie bei Furtwängler, Mengelberg o.a. ("Sie hören das Schicksal an die Pforte pochen - ich höre Allegro con brio") Und Karajan folgt ihm da in gewisser Hinsicht (klanglich luxuriöser, mitunter kontrastärmer oder auch weicher, aber was Tempi und Freiheiten betrifft allemal näher Toscanini als Furtwängler).
Andererseits lassen sich die "objektivistische" und die "subjektivistische" Interpretationstradition bis in die 1830er/40er Jahre zurückverfolgend. Dort standen sich in der Rezeption Beethovens und dem entsprechenden Interpretationsansatz Wagner einerseits und Mendelssohn sowie der franz. Dirigent Habeneck andererseits gegenüber. Die eine Richtung steht für breite Tempi, romantisches Rubato usw., die andere für einen strafferen, zügigeren und auch nüchternen Zugriff.



zu einer moderneren Aufführungspraxis bei der das Werk im Mittelpunkt steht vollzogen. Dieser Wandel ist keinesfalls vollständig oder abgeschlossen, nicht ausgeschlossen ist ein ständiges nebeneinander von gemilderdem Personalstil (Abbado, Rattle) und Werkssichtiger Position.


Auch Furtwängler war selbstverständlich der Ansicht, das Werk stünde im Mittelpunkt. Nur zeigt sich für diese Richtung Werktreue eben gerade nicht in einer Zurücknahme des Interpreten, sondern in einer mitunter spontanen "Nachschöpfung", in der stellenweise freien Auslegung des "Buchstabens" zugunsten des "Geistes" dahinter. Einige HIPisten haben die o.g. andere Richtung so auf die Spitze getrieben, dass uns die Objektivisten vergangener Zeiten wie Weingartner oder Toscanini kaum mehr als solche erscheinen. Und natürlich kann keine starke Interpretenpersönlichkeit sich völig verbergen.
(Und einige, mitunter als manieriert erscheinende Eigenheiten von Interpreten wie Harnoncourt, Jacobs, Minkowski rücken diese vielleicht näher an Furtwängler als die meisten heutigen Dirigenten moderner Orchester.)


JK jr.
Martin2
Inventar
#8 erstellt: 24. Jan 2010, 11:58
Ich finde das Thema grundsätzlich interessant, habe aber nur wenig HIP Einspielungen. Alte Instrumente höre ich grundsätzlich schon ganz gerne. Ich fand etwa das alte Klavier bei den Mozartviolinsonaten mit Kuijken schon sehr interessant und sogar schön klingend - während mich das alte Instrument bei einem der Schubertklaviersonaten in meiner Brilliantbox geradezu abstieß.

Problematisch wird HIP meiner Meinung nach da, wo eine historische "Informiertheit" suggeriert wird, die meines Erachtens in vielen Fällen gar nicht so da sein kann. Denn über vieles in der Musik ist man ohnehin ziemlich "uninformiert". Was aber letzlich nur zählt, ist das Resultat, und ich tue mir keinen Zwang an und höre was mir gefällt. Also mal HIP, mal nicht HIP - es muß mir gefallen; das ist das Entscheidende. Vielleicht ist diese meine Haltung etwas oberflächlich - aber ich stehe dazu.

Gruß Martin
Hörbert
Inventar
#9 erstellt: 24. Jan 2010, 18:24
Hallo!

@Kreisler_jun.

Wenn du Toscanini odere Karajan als werktreue Dirigenten bezeichnest hast du eine völlig andere Auffassung von Werktreue und Personalstil als ich.

Gerade diese beiden Dirigenten verkörperten doch den Maestro-Stil bei Dirigenten wie kein anderer, -allenfalls Bernstein konnte da noch mithalten.

Ganz gleich wie man zu den Werktreuen und/oder zum Personalstil steht, -es gibt ausser Geschmacklichen Gründen schließlich keine Einwände gegen das eine oder andere-, sehe ich in meinem Sinne keine Werktreuen Ansätze bei Toscanini oder Karajan hier dient meiner Ansicht nach das Werk legendlich als Träger für eine Selbstinzenierung des Dirigenten. Jeder kennt wohl den Disput zwischen Toscanini und Ravel über Toscaninis Interpretation des Bolero, in der Toscanini Ravel vorwarf er hätte seine Eigene Komposition nicht verstanden und erst seine, -Toscaninis-, Sicht des Werkes wäre die Gültige. Hand auf´s Herz, ist das die Sicht eines Werktreuen Dirigenten?

@Martin2

Nein, daß du dir die Interpretationen nach deinem persönlichen Geschmack auswählst halte ich nicht für Oberflächlich, jeder sollte sich die Interpretationen aussuchen die ihm den besten Zugang zu einem Werk verschafft.

Eine authentische Interpretation von Werken des Barock und teilweise auch der Frühklassik ist auch meiner Meinung nach niemals vollständig möglich, sehr wahrscheinlich sind sogar die Werke der Wiener Klassik nur sehr eingeschänkt in einer Originalinterpretation wiederzugeben. Aber spätestens ab Beethoven sollte eine authentische Interpretation möglich sein. Owohl man eine Beethovensymphonie auch mit einem Orchester von Wagner/Strauss-Typ wiedergeben kann leidet doch für meinen Geschmack hier die Durchhörbarkeit zu sehr. Aber, -da stimme ich dir zu-, kann man auch bei den vorgeblichen Originalinterpretationen schnell das Kinde mit dem Bade ausschütten, seit Berlioz ist die gegenwärtige Orchestrierung und Orchesterbesetzung durchaus angebracht, diese Werke sind schon für den Gebrauch der umgebauten Instrumente mit den heutigen Resonanzböden und für große Säle konzipiert.

MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#10 erstellt: 24. Jan 2010, 18:57

Hörbert schrieb:
Jeder kennt wohl den Disput zwischen Toscanini und Ravel über Toscaninis Interpretation des Bolero, in der Toscanini Ravel vorwarf er hätte seine Eigene Komposition nicht verstanden und erst seine, -Toscaninis-, Sicht des Werkes wäre die Gültige. Hand auf´s Herz, ist das die Sicht eines Werktreuen Dirigenten?


Egal, wie wo man Toscanini konkret einordnet, ist er auf jeden Fall nicht der Meinung, dass er da eine Geschmacksfrage mit Ravel erörtert.
Das Ravel/Toscanini-Beispiel ist insofern spannend, weil dieser Dirigent ja durchaus ein bedeutender Vertreter der Werktreue war. Dabei hat er sich auf Verdi berufen, der sinngemäß forderte, es solle so gespielt werden wie es in den Noten steht.
Dennoch hat Toscanini, wenn ich mich recht entsinne, auch schon einmal Verdi von der Änderung eines Notentextes überzeugt (leider weiß ich nicht mehr, welche Oper das war). Der Dirigent stritt sich mit einem Sänger, der sich auf die Noten berief, Toscanini fragte mit seiner abweichenden Meinung beim Komponisten nach, der ihn bestätigte.

Ein anderer für Werktreue bekannter Dirigent ist Pierre Boulez. Im TV sah ich mal wie er Strawinsky über die Schulter guckte, während der eine von ihm angeregte Änderung im Sacre in die Partitur eintrug.

Werktreue bedeutet also nicht unbedingt kritikloses Abnicken des Gedruckten. Wobei für Boulez wohl nur vom Komponisten bestätigt Abweichungen in Frage kommen.

Viele Grüße
Hörbert
Inventar
#11 erstellt: 25. Jan 2010, 14:26
Hallo!

Zur Verdeutlichung hier einmal die Anekdote von Rubinstein über den Vorfall bei Toscaninis Aufführung des Boleros:

"Ich hatte meinen Platz im Parkett in der Oper -- hinter mir saß zufällig Ravel mit seiner guten Freundin, der Geigerin Morhange. Wir begrüßten uns. Ich sagte zu ihm: "Ich freue mich, den Bolero zu hören!" Ravel winkte nur ab. Toscanini dirigierte unglaublich, aber doppelt so schnell. Das Publikum war begeistert. >Bravo! Bravo! Zugabe!< Toscanini mußte zweimal herauskommen. Ich machte den Fehler, mich zu Ravel umzuwenden. Ravel war außer sich vor Wut über Toscanini. Er schrie immer wieder laut in den Saal: "Ich bin der Komponist!" Ich rief ihm zu: "Stehen Sie doch auf, Meister!" Er aber weigerte sich und schimpfte: "Das Schwein hat zu schnell gespielt, das ist unverzeihlich! Das ist unglaublich! Das Stück ist ruiniert!""

Das anschließende Gepräch Ravels mit Toscanini ist offenbar so abgelaufen: Ravel zu Toscanini: "Das entspricht nicht meiner Tempobezeichnung!" Toscanini: "Wenn ich Ihr Tempo spiele, hat es überhaupt keine Wirkung!" Ravel: "Gut, dann spielen Sie den Bolero eben nicht!" Toscanini: "Sie haben keine Ahnung von Ihrer Musik. Das ist die einzige Möglichkeit, damit Ihre Musik überhaupt ankommt!"

Hier handelt es sich also ausdrücklich nicht um eine Abänderung die das Stück spielbarer oder besser durchörbarer machen sollte sondern um eine bewußte Mißachtung der Intentionen des Komponisten. Laut Ravel selbst ist für den Bolero eine aufführungsdauer von exakt 18 Minuten vorgesehen. Noch heute hat Toscaninis Handlungsweise bezüglich des Boleros schwerwiegende Konzequenzen für die Aufführungspraxis, er wird in der regel mit einer Dauer von weniger als 16 Minuten aufgeführt.Selbst die Interpretation von Boulez liegt mit 15:26 Minuten unterhalb des von Ravel geforderten Zeitmaßes.

Tascaninis Ruf als werktreuer Dirigent fördert diese Affäre jedenfalls bei mir nicht.

MFG Günther
Martin2
Inventar
#12 erstellt: 25. Jan 2010, 14:45
Etwas ähnliches las ich über den Bolero im Reklam Konzertführer:


Im Konzertsaal zählt das Werk ... zu den härtesten Belastungsproben für Dirigenten, denen es in der Regel Mühe macht, das betont langsame Grundzeitmaß durchzuhalten. Für sie gilt Ravels Paradoxon anläßlich zweier extrem unterschiedlicher Interpretationen durch Toscanini und Furtwängler: "Wenn man den Bolero schnell spielt, so erscheint er lang, wenn man ihn langsam spielt, erscheint er kurz."


Was spielen eigentlich Abbado und Inbal, die ich habe? 14,21 und 14,25. Auch viel zu schnell offensichtlich.
op111
Moderator
#13 erstellt: 25. Jan 2010, 16:22
Hallo zusammen,

Klassikkonsument schrieb:
Das Ravel/Toscanini-Beispiel ist insofern spannend, weil dieser Dirigent ja durchaus ein bedeutender Vertreter der Werktreue war.


von Toscanini liegt mir keine schriftliche Äußerung zur Werktreue vor, wohl aber von einem jüngeren Dirigenten und Komponisten, dessen Text ich auszugsweise zitieren möchte.
Obwohl der Text vor den jüngsten Entwicklungen (Beethovensinfonien mit 28 Musikern) geschrieben wurde, scheint er manchen HIP-Exzess kritisch zu sehen.


... versuchen wir etwa‚ Passionen und Kantaten Bachs in der Originalbesetzung aufzuführen. Wir bedenken dabei nicht, dass das Orchester und die Chormitwirkenden Bachs deshalb zahlenmäßig so beschränkt waren, weil es sich fast ausnahmslos um bezahlte, festangestellte Musiker handelte; dann aber, dass die Stärke eines Klangkörpers von der Größe und Artung (Akustik) des Raumes, in dem musiziert wird, abhängig ist und dass daher auch die Klangkörper in unseren heutigen, meist um das Vielfache größeren Räumen entsprechend größer sein müssen. Gerade historisch gesehen, ist es daher völlig falsch, in unseren großen Sälen — etwa der Berliner Philharmonie — die zahlenmäßige Originalbesetzung zu fordern
...
Der verkleinerte, der Klangkraft des Cembalos angepasste Klang eines Händelschen Concerto-grosso-Orchestertutti, gespielt von der Berliner Philharmonie, ist nicht der Klang, der Händel vorgeschwebt hat, sondern durchaus eine Fälschung. Die „kammermusikalischen“ Wirkungen, von denen wir heute angesichts gewisser Musikepochen reden, das heißt, das künstlich und bewusst auf das Dünne, Zierliche und Trockene restringierte Musizieren hat es niemals gegeben, außer in unseren Köpfen. Das Fortissimo eines Beethovenschen Streichquartetts im Zimmer, das Fortissimo eines Händelschen Konzerts im verhältnismäßig kleinen Barocksaal hat der Wirkung eines Fortissimo Brucknerscher oder Mahlerscher Provenienz in unserer heutigen Philharmonie nichts nachgegeben.
...
Wir müssten mit der alten Besetzung vor allem auch die alten Räume wieder herzustellen versuchen, mit den alten Räumen aber möglichst auch gleich die „Mentalität“ des damaligen Publikums. — Übrigens ist es ja auch sonst mit unserer Konsequenz nicht weit her. Immer wieder betonen wir, wie anders heute unsere Ohren sind als die früherer Zeiten, wie anders unsere Nerven, unsere Auffassungsgabe als die der Zeitgenossen Bachs und Händels. Und dennoch machen wir ungekürzte Bach- und Händel-Aufführungen, Aufführungen, die bei Bach nur durch die Verbindung mit dem Gottesdienst möglich waren, die bei Händel aber überhaupt zur größten Seltenheit gehörten, da seine Werke — zumal in Bezug auf die Arien — meistens mehr den Charakter von Sammelwerken als von fortlaufenden dramatischen Oratorien hatten.
...
Wäre es indessen nicht besser, wenn man etwas mehr dafür sorgte, dass der Inhalt der Musikstücke selbst klarer zum Ausdruck käme? In diesem Punkte ist man aber von einer vielfach geradezu rührenden Bescheidenheit und Anspruchslosigkeit, die sehr merklich kontrastiert zu der Rigorosität, mit der man die Strichlosigkeit, das Cembalo, die Originalbesetzung und was sonst für Beweise „historischer Treue“ verlangt. Im Ernst — welchem Publikum der Welt, und bestünde es ausschließlich aus geschulten Musikern, könnte man etwa die ‚Kunst der Fuge“ en bloc vorsetzen, in der Erwartung, dass es dieses Werk beim Hören wirklich verstünde — ja, dass es beim Charakter der durchschnittlichen Aufführungen auch nur eine der Fugen wirklich zu „hören“, d. i. in ihrem Werden zu erleben, imstande wäre?


[Beitrag von op111 am 25. Jan 2010, 16:24 bearbeitet]
op111
Moderator
#14 erstellt: 25. Jan 2010, 16:41

Martin2 schrieb:
Was spielen eigentlich Abbado und Inbal, die ich habe? 14,21 und 14,25. Auch viel zu schnell offensichtlich.

Inbal 14'02
Ansermet 14'27 (der sollte es eigentlich wissen)
Boulez neu (DG) 14'58 alt (CBS) 15'30
Bernstein 15'43
Karajan 16'16
Celibidache (Stuttgart)16:25
Moritz_H.
Stammgast
#15 erstellt: 25. Jan 2010, 19:11

op111 schrieb:

Karajan 16'16
Celibidache (Stuttgart)16:25


Celibidache, Münchner Philharmoniker: 18:11
op111
Moderator
#16 erstellt: 25. Jan 2010, 19:27

Moritz_H. schrieb:
Celibidache, Münchner Philharmoniker: 18:11 8)

Der Celi wusste eben genau, was der Komponist wollte.
Klassikkonsument
Inventar
#17 erstellt: 25. Jan 2010, 21:00

Hörbert schrieb:
Das anschließende Gepräch Ravels mit Toscanini ist offenbar so abgelaufen: Ravel zu Toscanini: "Das entspricht nicht meiner Tempobezeichnung!" Toscanini: "Wenn ich Ihr Tempo spiele, hat es überhaupt keine Wirkung!" Ravel: "Gut, dann spielen Sie den Bolero eben nicht!" Toscanini: "Sie haben keine Ahnung von Ihrer Musik. Das ist die einzige Möglichkeit, damit Ihre Musik überhaupt ankommt!"

Hier handelt es sich also ausdrücklich nicht um eine Abänderung die das Stück spielbarer oder besser durchörbarer machen sollte sondern um eine bewußte Mißachtung der Intentionen des Komponisten. Laut Ravel selbst ist für den Bolero eine aufführungsdauer von exakt 18 Minuten vorgesehen. Noch heute hat Toscaninis Handlungsweise bezüglich des Boleros schwerwiegende Konzequenzen für die Aufführungspraxis, er wird in der regel mit einer Dauer von weniger als 16 Minuten aufgeführt.Selbst die Interpretation von Boulez liegt mit 15:26 Minuten unterhalb des von Ravel geforderten Zeitmaßes.

Tascaninis Ruf als werktreuer Dirigent fördert diese Affäre jedenfalls bei mir nicht. :)


Na ja, es heißt ja auch Werk-Treue und nicht Komponisten-Treue.

Bei anderen Künsten als der Musik (besonders Literatur) ist es leichter zu zeigen, dass man besser das Werk und die Intentionen des Urhebers trennen sollte. Ein Autor ist sich doch oft selbst nicht ganz im Klaren darüber, was er da gerade tut.
Schönberg meinte mal, wenn ich mich recht entsinne, dass in der Musik Sachen ausgedrückt werden, die man sich im Übrigen nicht gerne eingestehen würde.

Aber im Ernst: Toscanini ignoriert beim Bolero den Willen des Komponisten eindeutig und kann wohl sowieso nicht eigentlich unter das Stichwort "Werktreue" subsumiert werden. So hat er ja auch keine Hemmungen gehabt, die Instrumentierung z.B. bei Beethoven zu "verbessern". Da war er ganz Kind seiner Zeit.
Allerdings wird er im Allgemeinen (etwa mit seiner Tempogestaltung und Rubati-Armut - Vorwurf: "Taktschläger!") schon als einer der Vorkämpfer für die Beseitigung von Gewohnheiten gehandelt, die erst im Laufe der Aufführungstradition entstanden.

Toscanini mag beim Bolero unrecht haben. Aber er denkt über das Werk nach und versucht Argumente für seine Entscheidungen anzubringen.

Und genau das versuchen ja auch die Vertreter der HIP. Nur ist der Verweis auf die nackten historischen Fakten ("In dem Palais haben sie damals Beethovens Eroica aber mit 28 Leuten gespielt, und der hat sich nicht beschwert") nicht immer das beste Argument.
Aber mit "Alles Geschmacksache" kommt man da jedenfalls auch nicht weiter.

Die einzige Aufnahme vom Bolero, die Ravels Wunsch-Spieldauer 18 Minuten einhält, scheint die Münchner von Celi zu sein. Selbst der HIPpe Jos van Immerseel mit seiner ANIMA ETERNA spielt ihn in 16:53. Aber es ist schon nah dran.

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 25. Jan 2010, 21:07 bearbeitet]
Klassikkonsument
Inventar
#18 erstellt: 25. Jan 2010, 21:19
Hallo Franz,


op111 schrieb:
Obwohl der Text vor den jüngsten Entwicklungen (Beethovensinfonien mit 28 Musikern) geschrieben wurde, scheint er manchen HIP-Exzess kritisch zu sehen.


...


Von wem ist das Zitat? Gab es da nicht mal eine überraschende Äußerung von Furtwängler?

Viele Grüße


[Beitrag von Klassikkonsument am 25. Jan 2010, 21:20 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#19 erstellt: 25. Jan 2010, 21:27
Hallo!

Eine der der Originalen Aufführungspraxis angenährte Interpretation kann zuweilen für den Zugang zu einem Werk oder auch für ein neues, -besseres-, Verständniss eines Werkes nützlich sein. Aber sie hat genau genommen nicht mehr und nicht weniger Berechtigung als eine Interpretation mit zeitgemäßen Mitteln und einer nicht allzu historischen Sicht der Dinge. Ohnehin sind die Intentionen der Barockkomponisten und ihre Musiksprache im Grunde längst vergangene Artefakte und das Rezeptieren dieser Musik durch einen Menschen der Gegenwart löst wesentlich andere Empfindungen und Assoziationen aus als in den Hörern zu den Zeiten als diese Musik neu war.

So bleibt uns doch in der Tat nur die Sphäre des Geschmacklichen, allenfalls noch die des Weltanschaulichen übrig um eine Begründund für die eine oder andere Vorliebe zu finden. -Aber muß eine andere überhaupt sein-?

MFG Günther
op111
Moderator
#20 erstellt: 26. Jan 2010, 08:37
Hallo zusammen,

Klassikkonsument schrieb:
Von wem ist das Zitat? Gab es da nicht mal eine überraschende Äußerung von Furtwängler?

Gratuliere, gut erkannt!

Bemerkungen zur Darstellung
alter Musik (1932)
Aus: Wilhelm Furtwängler, Ton und Wort. Aufsätze und Vorträge 1918 bis 1954. Mit 10 Abbildungen und Notenbeispielen. F. A. Brockhaus, Wiesbaden 1954.


Der Text ist mir in der Bibliothek zufällig in die Hände gekommen.
Er zeigt, dass der als willkürlicher Subjektivist verschriene Dirigent durchaus über die Aufführungspraxis nachgedacht hat und zu (für mich zumindestens) vernünftigen Schlussfolgerungen kam.

Zu Ravels 18min:
Zu den Komponisten, die genaue Spieldauern notierten, und dann selbst davon abwichen, fällt mir zunächst Bartok ein, von dem Aufnahmen dies dokumentieren.
Ob Celi auch schneller als der Rest gewesen wäre, wenn Ravel z.B. 13min vorgegeben hätte? Ich fürchte nicht, dass er mit 18 Ravels Tempo trifft ist purer Zufall, wären 18min üblich, hätte er 24 gebraucht.


[Beitrag von op111 am 26. Jan 2010, 09:49 bearbeitet]
op111
Moderator
#21 erstellt: 26. Jan 2010, 10:02

Hörbert schrieb:
Ohnehin sind die Intentionen der Barockkomponisten und ihre Musiksprache im Grunde längst vergangene Artefakte und das Rezeptieren dieser Musik durch einen Menschen der Gegenwart löst wesentlich andere Empfindungen und Assoziationen aus als in den Hörern zu den Zeiten als diese Musik neu war.


Eine Sicht, die ähnlich auch Strawinsky mitgeteilt hat:

I.S. - Musikalische Poetik schrieb:
Die Vergangenheit entzieht sich unserem Zugriff. Sie liefert uns verstreute Dinge. Das Band, das sie vereint, entgleitet uns.
...
Alterumswissenschaft bringt uns keine Gewissheiten, sondern vage Hypothesen. Und im Schatten dieser Hypothesen gefällt es gwissen Künstlern, zu träumen, indem sie sie weniger als Elemente des Wissens denn als Quellen der Inspiration betrachten...
Eine derartige tendenz verlangt an sich weder Lob noch Tadel. Wir wollen nur feststellen, daß diese imaginären Reisen uns nichts einbringen und uns nicht anleiten, die Musik besser zu verstehen.
Kings.Singer
Inventar
#22 erstellt: 26. Jan 2010, 16:37
Hi.

Also für mich ist eine historisch informierte Einspielung oder Aufführung eindeutig ein Qualitätskriterium. Ein Freund fragte mich vor einiger Zeit, ob er Karten für Ton Koopman erwerben solle, der in München Bachs h-moll Messe dirigiere (mit dem Chor und SO des BR). Ich habe ihm abgeraten, es sei denn er würde Studentenpreise kriegen.

Vielleicht sehe ich das schon wieder zu verkopft und viellicht bin ich da viel zu sehr Hardliner... Aber mir stellt sich da immer wieder die Frage nach dem Verständnis eines Werks. Höre ich einen Bach-Choral, möchte ich absolut transparenten und analysierbaren Klang haben. Bachs Satz soll nachvollziehbar sein, denn es gibt kaum komplexere Chorsätze als von Bach. Da braucht es für mich ein kleines Ensemble (aber: Solistische Aufführungen seiner Oratorien lehne ich ebenso ab) ohne Vibrato - eben das, für das die historische Aufführungspraxis momentan steht.
Betrachte ich dagegen das Dies Irae aus dem Verdi Requiem, so ist es hier der Effekt, den ich möglichst überwältigend umgesetzt haben möchte. Da ist die Einspielung unter Gardiner, obwohl HIP, in meinen Augen misslungen. Ich bevorzuge den Solti mit den Chicagoern. (Ähnlich verhält es sich bei der Symphonie Fantastique - hinfort mit Gardiner, her mit Bernstein!!!)

Aber generell gilt trotzdem: Bei der richtigen Musik (Monteverdi, Schütz, Händel, Bach, Mozart, Beethoven,...) ist historische Aufführungspraxis für mich absolut ein Qualitätskriterium!

Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 26. Jan 2010, 16:41 bearbeitet]
Mellus
Stammgast
#23 erstellt: 26. Jan 2010, 16:49
So schnell kommt man zu einem Thread!

Aber mal etwas zur Sache, auch wenn es nur Fragen sind.

Wie weit erstreckt sich eigentlich historische Aufführungspraxis? Wird auch Mahler historisch aufgeführt? Oder Schönberg? Ich komme drauf, da in Kings.Singers vorangehenden Beitrag die Antithese "Transparenz vs. Bernstein" angedeutet ist, die auch schon bei "Mahler: Die Sinonien" eine Rolle spielte.

Mit dem Anfang des letzten Jahrhunderts kommen wir dann in eine Zeit, aus der Tondokumente überliefert sind. Die möglichst nahe Imitation von Originalaufnahmen kann aber dann doch auch nicht historisch informiert bedeuten, oder?.

Viele Grüße,
Mellus
Hörbert
Inventar
#24 erstellt: 26. Jan 2010, 20:20
Hallo!

@Mellus

So spätestens mir Berlioz sollte an sich die Interpretation mit rückgebauten Instrumenten und die Aufführung in kleinen Sälen enden. Schon Berlioz hat für einen großen Saal und Instrumente die den heutigen gleichen geschrieben.

Ab der Ära Brahms/Wagner sind große Orchester des heutigen Typs üblich geworden, (man redet nicht umsonst von einem Orchester vom Wagner-Strauss-Typus) also könnte man sagen daß alle Musik neueren Datums als Berlioz-Wagner ohnehin mit Originalinstrumenten aufgeführt wird.

Auch bei Beethoven-Schubert ist eine Originalinterpretation m.E. nicht zwingend notwendig, wie schon die alten (Werktreuen) Leibowitz-Aufnahmen zeigen kann man zumindestens diese Musik auch mit einem Orchester Gegenwärtigen Typs transparent und ohne Blechpanzerung darbieten.

Schönberg (+ 1951) und Mahler (+ 1911) sind Komponisten der Wende zum 20. Jahundert und haben nicht nur für ein Orchester dieser Art geschrieben, es gab auch bis ins letzte Drittel des vorigen Jahrunderts noch Dirigenten die auf eine persönliche Bekanntschaft mit ihnen zurückblicken konnten.



MFG Günther
Klassikkonsument
Inventar
#25 erstellt: 26. Jan 2010, 20:33
Hallo Mellus,


Mellus schrieb:
Wie weit erstreckt sich eigentlich historische Aufführungspraxis? Wird auch Mahler historisch aufgeführt? Oder Schönberg?


Ich meine letztens eine Aufnahme von Schönbergs Klavierwerk gesehen zu haben, wo ein Klavier aus der entsprechenden Zeit (Steinway Imperial?) verwendet wurde. Oder sogar mehrere?

Historische Instrumente gibt es bei Immerseels Ravel (z.B. Klavierkonzert f.d. linke Hand: ein Erard von 1905) und dem Debussy der Kuijkens (Erard-Klavier (1894), Erard-Harfe (1926), bei den Streichern allerdings auch Instrumente von deutlich später als Debussys Tod).

Norrington soll seinen Mahler auf modernen Instrumenten (aber vibratoarm, Geigen rechts & links verteilt) spielen lassen.


Ich komme drauf, da in Kings.Singers vorangehenden Beitrag die Antithese "Transparenz vs. Bernstein" angedeutet ist, die auch schon bei "Mahler: Die Sinonien" eine Rolle spielte.


So untransparent ist der Bernstein (Mahler 4, DGG) für traditionelle Spielweise und Orchester gar nicht.


Mit dem Anfang des letzten Jahrhunderts kommen wir dann in eine Zeit, aus der Tondokumente überliefert sind. Die möglichst nahe Imitation von Originalaufnahmen kann aber dann doch auch nicht historisch informiert bedeuten, oder?


Im Booklet vom Immerseel-Ravel werden auch historische Aufnahmen als Quellen für die Vorbereitung erwähnt. Die sind tontechnisch so schlecht, dass es z.B. für den Einsatz von Vibrato immer noch Interpretationsspielraum gibt. Aber einfach nur in besserer Klangqualität wollte Immerseel sie wohl nicht reproduzieren, zumal er auch bei der von Ravel selbst geleiteten Aufnahme des Bolero nicht naiv von Authentizität spricht. Unsicherheitsfaktoren sind u.a. die Beschränkung des Mediums (eine Plattenseite reichte damals nicht) und Wille & Vermögen der Ausführenden.

Interessant übrigens die Zeiten für den Bolero: Toscanini braucht so 13:25 (von doppelt so schnell wie vorgesehen kann also keine Rede sein), Paul Paray sogar bloß 13. Pedro de Freitas-Branco gelang mit etwa 18:25 vielleicht der Langsamkeits-Rekord.
Als theoretisches Ideal hat Ravel wohl von 17 Minuten geschrieben. In seiner eigenen Einspielung von 1930 dauert der Bolero 16:10.

Zu berücksichtigen ist bei Erwägung eines "werkgetreuen" Tempos auch, dass Ravels eigne Partitur 66 Viertelnoten pro Minute verlangt, wogegen die Durant-Ausgabe bereits auf 72 beschleunigt. Was das in Sekunden heißt, weiß ich aber nicht.

Viele Grüße
Mellus
Stammgast
#26 erstellt: 29. Jan 2010, 20:08
Man sollte den Dirigenten, egal welcher Aufführungspraxis sie angehören, erst einmal den Vertrauensvorschub gewähren, dass ihnen allen daran gelegen ist, dem Werk und dem Komponisten gerecht zu werden. Nur gibt es halt verschieden gesetzte Maßstäbe, wie das zu erreichen ist. Man muss gar nicht den "Geist" oder "Sinn" hinter den Noten bemühen. Ein Blick in die Partituren genügt um zu sehen, dass dort neben Noten (und vielleicht Metronomangaben) eine Menge sprachlicher Prädikate vorkommen. Und da beginnen doch die Interpretations-Probleme. Was ein a ist, ist ziemlich klar: eine bestimmte Frequenz (auf die man sich freilich auch einigen muss). Aber solch eine numerische Bezugsgröße gibt es für allegro sostenuto oder in gemessenem Schritt einfach nicht. Allein durch die Vagheit und Kontextabhängigkeit dieser Ausdruckshinweise sind verschiedene Ausführungsweisen bereits zu erwarten.

Viele Grüße,
Mellus
op111
Moderator
#27 erstellt: 30. Jan 2010, 12:23

Mellus schrieb:
Man muss gar nicht den "Geist" oder "Sinn" hinter den Noten bemühen.

und nähert sich damit der Auffassung der Dirigenten-Fraktion, die in der Orchestermusik sich z.B. auf die Toscanini-Linie beruft. (Szell, Karajan, Solti, Boulez, Gielen)
Die romantische "Sinnsuche" hinter den Noten dagegen ist eher in der "Furtwängler-Fraktion" verbreitet.
Beide Auffassungen führen sowohl zu faszinierenden als auch fragwürdigen Ergebnissen.


[Beitrag von op111 am 30. Jan 2010, 12:25 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#28 erstellt: 31. Jan 2010, 22:23
Hi.

Sind die beiden von dir nachgezeichneten Linien denn voneinander getrennte "Mikrokosmen"? Gibt es auch Dirigenten, die einen offensichtlichen bzw. ausdrücklichen Mittelweg gehen?

Ich frage deshalb, weil es mir einfach widersinnig erscheint bei der Beschäftigung mit einem Werk entweder das eine oder das andere zu tun. Ich persönlich zumindest versuche sowohl die Noten für sich sprechen zu lassen, als auch einen tieferen Geist oder Sinn hinter den Noten zu entdecken, wenn ich ein neues und mir bislang unbekanntes Werk versuche auszuloten...

Viele Grüße,
Alex.
op111
Moderator
#29 erstellt: 01. Feb 2010, 09:12
Hallo Alex,

Kings.Singer schrieb:
Sind die beiden von dir nachgezeichneten Linien denn voneinander getrennte "Mikrokosmen"?

natürlich nicht, die "Fraktionierung" kann man nicht mathematisch streng nehmen - ist eher eine grobe Orientierung. Schließlich sind die verbalen Äußerungen mitunter auch mit polemischen Überspitzungen durchzogen.
Man denke nur an Celibidache.
Solti hat z.B. sich in seinen Beethoven-Interpretationen um 1970 wechselweise Furtwängler und Toscanini angenähert.
Die späteren Aufnahmen (nach 1990, insbesondere die rasanten Live-Aufnahmen) gehen eher in die Toscanini-Richtung, wobei er zusätzlich Einflüsse der HIP-Bewegung in seiner Autobiografie einräumt (Reduktion der Orchesterbesetzung u.a.).
Boulez ist auch nicht streng und klar einem der beiden Pole zuzuordnen. Besonders deutlich wird das in der Aufnahme der 8. Bruckner mit ihren zahlreichen Rubati.


[Beitrag von op111 am 01. Feb 2010, 09:13 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#30 erstellt: 01. Feb 2010, 11:29
Hi.

Vielen Dank für deinen höchst informativen Beitrag (v.a. zu Solti).
Ich versuche die Dinge immer möglichst plakativ zu formulieren und frage deshalb: Sind wir nun also an dem Punkt, wo wir sagen, dass sich die Vertreter einer wirklichen historischen Aufführungspraxis also möglichst stark ab- oder (vielleicht sogar) "ausgrenzen" müssen, um sich vom sonst eher üblichen Dirigenten-Mischmasch abzuheben? Dann würde der (Ver-)Fall ins Extreme sogar umso verständlicher.

Zumindest kommt es beispielsweise bei Mozart oder Beethoven Interpretationen so rüber, dass wir entweder die historische Aufführungspraxis haben oder eben das was alle anderen machen. Alles was irgendwo dazwischen liegt, wird meistens zunächst eher belächelt ob des Mangels eines klaren Bekenntnisses (Shakespeare alike: "to be [HIP] or not te be [HIP]") und hat es wesentlich schwerer sich zu profilieren und anerkannt zu werden.
Wobei ich den Eindruck habe, dass gerade diesem Zwischenraum inzwischen wesentlich mehr Aufmerksamkeit zukommt...

Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 01. Feb 2010, 11:36 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#31 erstellt: 02. Feb 2010, 11:08
Hallo!

Einen Fall in die Extreme sehe ich im großen ganzen eigentlich weder bei den Vertretern der historischen Aufnahmepraxis noch bei den kleinen Häufchen der streng Werktreuen oder der ausgeprochenen Subjektivisten. Die Mehrzahl der aktuellen Dirigenten verfolgt m.E. ohnehin einen eher Pragmatischen Kurs zwischen den unterschiedlichen Standpunkten und nimmt sich aus jedem Dorf einen Hund, -wie es eben gerade passt-, was durchaus legitim ist und im Endeffekt der gespielten Musik eher nutzt als schadet.

Extremisten aller Coleurs sind m.E. eher selten geworden, nach den Stürmen und Richtungskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jahunderts scheint gegenwärtig ein eher ruhiger Zeitabschnitt angesagt zu sein. Wobei man sich allerdings fragen kann ob das die Ruhe vor dem nächsten Sturm oder eher die Ruhe der Erschöpfung ist.

MFG Günther
op111
Moderator
#32 erstellt: 02. Feb 2010, 11:59
Hallo,

Hörbert schrieb:
Extremisten aller Coleurs sind m.E. eher selten geworden, nach den Stürmen und Richtungskämpfen der zweiten Hälfte des 20. Jahunderts scheint gegenwärtig ein eher ruhiger Zeitabschnitt angesagt zu sein.


das scheint mir auch so. Die plötzliche HIP-Flut in den 1980ern war m.E. auch Folge der Marktsättigung in den umsatzstarken Bereichen. Man brauchte neue Argumente und Alleinstellungsmerkmale, um breite Käuferschichten dazu zu verleiten, noch ein weiteres Mal Mozart, Beethoven und die Romatiker usw. zu kaufen und sich eine ausreichende Platzauslastung im Konzert zu erobern.

Ich empfinde nicht grundsätzlich den Einsatz schwerer spielbarer und unzuverlässiger Instrumentenmodelle als Gewinn. Den sehe ich eher im Einsatz von exotischen aus der Mode gekommenen Instrumenten, die den Originalklang wie vom Komponisten gewünscht realisieren, falls das moderne Ersatzinstrument dies nicht leistet. Z.B. der Serpent bei Berlioz oder die vielfältigen Streichinstrumente im Lullyschen Orchester.


[Beitrag von op111 am 02. Feb 2010, 12:29 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#33 erstellt: 02. Feb 2010, 21:11
Hallo!

@op111

Ich denke mal das es bei Beethovens Symphonien bestimmt nicht auf den Einsatz der Wiener Oboen im Holz ankommt sondern darauf wie das Werk in seiner Gesamtheit präsentiert wird. Im Endeffekt befindt sich in meiner Sammlung ein gehöriges Durcheinander von Werktreuen-, Subjektivisten- und Originalinterpretationen. Je nachdem welche Interpretation mir den besten Zugang zu einem Werk verschafft hat.

Beispielsweise hatte ich zur Symphonik von Schubert eegaze Weile lang überhaupt keinen Zugang, erst die Aufnahmen mit Günter Wand haben mir da Zugang verschafft. Andererseits kann ich mit seinem Beethoven nicht viel Anfangen, hier hatte ich vor allem mit Leibowitz Zugang. Ohne Harnoncourt wäre wäre z.B. Monteverdi für mich heute andererseits ohne Bedeutung. Ich denke mal daß nahezu jeder hier die Beispiele genausogut beliebig fortführen könnte.

MFG Günther
flutedevoix
Stammgast
#34 erstellt: 12. Feb 2010, 09:58
Als Künstler, der sich vorwiegend in der historisch informierten Aufführungspraxis bewegt, möchte ich doch noch ein paar Gedanken beitragen, die in der momentanen Diskussion nicht berücksichtigt werden bzw. nicht klar genug dargestellt werden.

Ich glaube, die allerwenigsten von uns Künstlern erheben den Anspruch, Bach, Beethoven, Händel, Schubert oder Schumann genauso aufzuführen und zu hören, wie es zur Entstehungszeit geschah. Dazu gibt es in der Tat zu viele Unwägbarkeiten, die nicht rekonstruiert werden können, allen voran die musikalische Sozialisation des Hörers.

Grundsätzlich gibt es aber zunächst einmal das Werk, oft in verschiedenen Fassungen seitens des Komponisten, Raubdrucke (ja, auch schon damals) etc.
Ich finde es immer seltsam, daß Dirigenten von heute in den Partituren herumpfuschen müssen. Das betrifft ganz häufig die Instrumentation, weil sie bestimmte Stimmen nicht deutlich genug hören. Gerade in der Sinfonik gibt es da einige Kandidaten, z.B. Toscanini. An sich befinden sich die Dirigenten auf dem richtigen Weg: es stimmt etwas nicht, da man man nicht alle Stimmen hört. Der richtige Weg ist aber sicher, zunächst einmal den Instrumentationskünsten des Komponisten zu vertrauen und bei sich den Fehler zu suchen. Es ist immer möglich, durch die Verwendung entsprechender Instrumente, durch Artikulation und Binnendynamik eine Lösung zu finden. Gerade das beweisen viele historisch informierte Aufführung. Keine Frage - auch da gibt es genügend schwarze Schafe!

Die passenden, zeittypischen Instrumente sind für mich ein wichtiges Kriterium. Ich möchte ein schlagkräftiges Beispiel geben: In Bachs 2. Brandenburgischen Konzert gibt es die beinahe einzigartige Kombination von Blockflöte, Oboe, Trompete und Violine. In Aufführung auf modernen Instrumenten ein Graus (auch bei historisch informierter Spielweise bezüglich Tempi, Phrasierung, Vibrato, etc.), da sich kein befriedigender Klang ergibt, die Blockflöte verliert immer. Da frägt man sich in der Tat, wieso Bach diese Solo-Gruppe zusammengestellt hat.
Bei Instrumenten aus dieser Zeit sieht das ganz anders aus: Die Soloinstrumente verschmelzen unter einander und mit dem "Begleit"orchester, es stellen sich innerhalb der Sologruppen noch solo-/ Tuttieffekte ein.
Übrigens legt nicht Berlioz einfach den Schalter um. Natürlich findet bei ihm ein Instrumentationswandel ein, dennoch sind die Instrumente aus Berlioz-Zeit ganz andere als heute: Die Streicher verwenden Darmsaiten, die Blasinstrumente haben andere Bohrungen, weniger Klappen und das Klavier aus dieser Zeit ist sehr weit vom Steinway heutiger Tage entfernt. Zum Beispiel hat Strawinsky seine Balettmusiken in Paris für die dortigen Orchester komponiert, die andere Holzblasinstrumente verwenden. Das schlägt sich in der Komposition nieder, das berühmte Fagott solo zu Beginn von "Sacre de Printemps" klingt auf dem französichen Basson des frühen 20. Jh. ganz anders, viel luftiger und leichter (und ist wesentlich einfacher und risikofreier spielbar).

Dies läßt sich auch auf anderer Parameter übertragen:
Vibrato war noch bei Brahms kein Dauerzustand, es gibt Partituren aus seiner Zeit, in denen die Vibrato-Stellen eingetragen wurden.
Besetzungsstärke hat nicht nur etwas mit Lautstärke sondern auch mit Durchhörbarkeit zu tun, wie übrigens Vibrato auch.
Und Werktreue heißt zunächst einmal über die Intentionen des Komponisten und der vorliegenden Noten nachzudenken und zu versuchen diese umzusetzen. Nicht gedankenloses Abspulen der Noten, wie es im heutigen Musizierbetrieb immer häufiger zu hören ist. Aus meiner Praxis kann ich Euch sagen, daß viele Dirigenten einfach mal das Werk laufen lassen und das Orchester machen lassen, da im Streß des Musikbetriebes keine Zeit zum Proben war und die Musiker auch nicht motiviert sind, schon wieder Beethoven, Brahms oder Wagner zu spielen

Nun ist endlich das Ende meines Beitrages gekommen. Hochachtung vor allen, die sich bis zu dieser Stelle vor gearbeitet haben!
Ich würde mich freuen, etwas zur Diskussion beigetragen und wertvolle Informationen geliefert zu haben.


[Beitrag von flutedevoix am 12. Feb 2010, 10:35 bearbeitet]
Hörbert
Inventar
#35 erstellt: 12. Feb 2010, 12:22
Hallo!

@flutedevoix

Ein langer aber klar formulierter Beitrag zu dem Thema.

Natürlich hat man bei Berlioz keinen Schalter umgelegt und den Musikern auch keine Instrumente in die Hand gedrückt die den heutigen bis in alle Einzelheiten gleichen. Aber spätestens bei Berlioz beginnt das Schreiben großochestraler Werke für ein Massenpublikum und für große Sääle. Hier zeigt sich die im vollem Umfang die schom bei Beethoven begonnene Zäsur die die Europääische Orchester-Musik aus der Intimsphäre der Hofkonzerte hinaus in die Konzertsääle des Bürgertums führt. Und ja. Damals begann der Umbau des Instrumentariums hin zu höherer Lautstärke um die größeren Sääle auch musikalisch füllen zu können. Das es möglich ist mit einem zeitgenössischem Orchester Beethoven und Berlioz verstädlich und im besten Sinne Werktreu zu präsentieren haben m.E. René Leibowitz bei Beethoven und Bernard Haitink bei Berlioz mit ihren Interpretationen schlagend bewiesen.

Daß die Musik und die Intentionen der damaligen Komponisten vor 1800 für einen heutigen Menschen eigentlich nicht mehr wirklich nachvollziebar sind liegt wohl weniger an der Aufführungspraxis als hauptsächlich an den seit dieser Zeit stattgefundenen Wertewandel, dem Umbruch durch die politischen und technologischen Revotionen und dem Wissens respektive Bildungsstand der Menschen an sich.

Ist es somit überhaupt notwendig diese Musik in einem dem Originalzustand nahekommendem Rahmen respektive mit einem dem Originalen angenähren Intrumentarium zu Leibe zu rücken? Das ist doch m.E. der Punkt um den es hier überhaupt geht. Es gibt aus meiner Sicht keinen zwingenden Grund eine Originalinterpretation per se als "wahrer", " besser", oder auch nur als "richtiger" anzusehen.

Ntürlich kann im Einzelfall eine Originalinterpretatiom insgesamt stimmiger, transparenter kurz für meine Ohren besser sein, aber sie muß es eben nicht zwangsläufig sein. Für einen anderen Höhrer kann das umgekehrte zutreffen. Somit beibt aus meiner Sicht nur die Einordnung als Geschmackssache übrig.

Persönlich schätze ich die Option auf eine Originalinterpretation von alter Musik zurückgreifen zu können, aber ich stehe der Sache um so skeptischer gegenüber je näher diese Interpretation unserer Zeit rückt.

Mellus brigt es eigentlich hier auf den Punkt:



Wie weit erstreckt sich eigentlich historische Aufführungspraxis? Wird auch Mahler historisch aufgeführt? Oder Schönberg? Ich komme drauf, da in Kings.Singers vorangehenden Beitrag die Antithese "Transparenz vs. Bernstein" angedeutet ist, die auch schon bei "Mahler: Die Sinonien" eine Rolle spielte.



MFG Günther
op111
Moderator
#36 erstellt: 12. Feb 2010, 12:45
Hallo flutedevoix,
vielen Dank für deinen Beitrag aus der Sicht des Ausführenden.

Die HIP-Flut hat vielleicht ein wenig überschattet, um was es wirklich gehen soll um ein Werk optimal in seiner intendierten Gestalt wiederzugeben.
Es war sicher nützlich, dies hier darzustellen.

Ich erinnere mich noch an die ausführliche Darstellung des kommerziellen Durchbruchs der HIP-Welle in Norman Lebrechts "The Maestro Myth: Great Conductors in Pursuit of Power". Jeder, der auch nur ein altertümelndes Instrument halbwegs spielen konnte, spielte gleich ruck-zuck in mehreren Ensembles dieselben Werke ein, die Industrie versah das Ganze mit dem HIP-Siegel der Unantastbarkeit.
Manch ein Dirigent scheiterte aber später kläglich, wenn er sich mit anderem Repertoire dem Orchester bzw. der Konkurrenz stellen musste. Auch da hat es einen Auswahlprozess gegeben.
Ich glaube nicht, dass es, nachdem der Hype abgeebbt ist, noch so viele Perücken- und Kerzenlicht-Nostalgiker gibt, denen es reicht, wenn die Wiedergabe nur eine Anmutung von historischer Informiertheit gibt.


[Beitrag von op111 am 12. Feb 2010, 12:48 bearbeitet]
op111
Moderator
#37 erstellt: 12. Feb 2010, 13:03

Hörbert schrieb:
Ist es somit überhaupt notwendig diese Musik in einem dem Originalzustand nahekommendem Rahmen respektive mit einem dem Originalen angenäherten Instrumentarium zu Leibe zu rücken? ... Es gibt aus meiner Sicht keinen zwingenden Grund eine Originalinterpretation per se als "wahrer", " besser", oder auch nur als "richtiger" anzusehen.


Diese Frage beschäftigt mich bereits seit den Zeiten (1970er), als ich bei zittrigem HIP-Blockflötensound (Teldec "Das Alte Werk") entnervt abgeschaltet habe, da mir dies geradezu physische Schmerzen bereitete.

Manchmal drängt sich der Eindruck auf, man wolle dem Hörer weis machen, als seien viele Komponisten stockkonservative Menschen die sich nostalgisch jedem Fortschritt im Instrumentenbau verschlossen und zusätzlich nur Aufführungen im kleinen höfischen Rahmen mit Winzigbesetzungen wünschten.

Dem ist, wenn meine Quellen nicht lügen, nicht so.
So schrieb Mozart (sinngemäss) begeistert über die Aufführung einer seiner Sinfonien mit einem Orchester in Richard Strauss-Besetzung - somit also eine Originalbesetzung . Beethoven beobachtete den Fortschritt des Klavierbaus genau usw.
Und was gewinnt man bei Debussy mit einem klangarmen Klavier, ausser purer Exotik?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass ganz pauschal Werke durch Historisierung erst verstanden werden können - es ist lediglich eine informative Aufführungsart.


[Beitrag von op111 am 12. Feb 2010, 13:41 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#38 erstellt: 12. Feb 2010, 13:10

Natürlich hat man bei Berlioz keinen Schalter umgelegt und den Musikern auch keine Instrumente in die Hand gedrückt die den heutigen bis in alle Einzelheiten gleichen. Aber spätestens bei Berlioz beginnt das Schreiben großochestraler Werke für ein Massenpublikum und für große Sääle. Hier zeigt sich die im vollem Umfang die schom bei Beethoven begonnene Zäsur die die Europääische Orchester-Musik aus der Intimsphäre der Hofkonzerte hinaus in die Konzertsääle des Bürgertums führt. Und ja. Damals begann der Umbau des Instrumentariums hin zu höherer Lautstärke um die größeren Sääle auch musikalisch füllen zu können. Das es möglich ist mit einem zeitgenössischem Orchester Beethoven und Berlioz verstädlich und im besten Sinne Werktreu zu präsentieren haben m.E. René Leibowitz bei Beethoven und Bernard Haitink bei Berlioz mit ihren Interpretationen schlagend bewiesen.



Ja und nein! Man sollte nicht außer acht lassen, daß die Komponisten für das Instrumentarium schrieben, das sie vorfanden bzw. dessen Entwicklung sie mitgestalten konnten.
Beispiele dafür sind z.B. die so unterschiedlich angelegten Klarinetten-Konzerte und -Kammermusik Mozarts und Weber. Bei Mozart wird meist die tiefe sehr sonor klingende Lage der Klarinette (auch Basset-Lage) genannt bevorzugt, bei Weber die hohe Lage. Beide Komponisten wurden von führenden Klarinettisten ihrer Zeit beraten! Aus dieser Sicht ist auch das Argument, daß die Komponisten die Instrumente, die heute im "normalen Sinfonie-Orchester gespielt werden, bevorzugt hätten hinfällig. Sie haben ihre Intentionen mit den ihnen zu Verfügung stehenden Mitteln realisiert oder sich besser geeignete geschafeen. Ich bin überzeugt davon, daß Bach, Händel, Mozart, Beethoven, Schumann, ja sogar noch Brahms und die französischen impressionisten für das heutige Instrumentarium anders geschrieben hätten. Das kann auch aus den Kompositionen und aus Aufführungskritiken seitens der Komponisten herauslesen und -hören.
Die Beethoven-Sinfonien klingen einfach radikaler mit den Instrumenten dieser Zeit (das hängt hauptsächlich mit dem Obertonspektrum zusammen). Man vergleiche nur einmal die berühmten dissonanten Akkorde in der Einleitung bei Gardiner, Harnoncourt (der ja auch aus der historisch informierten Ecke kommt aber mit dem COE ein weitgehend "modernes" Instrumentarium zu Verfügung hat.
Und ohne den wirklich guten Haitink-Aufnahmen von Berlioz zunahe treten zu wollen. Die Radikalität der Berliozschen Musiksprache kommt z.B. in Gardiners Einspielung der Symphonie fantastique zum Ausdruck eben durch die Verwendung des passenden Instrumentariums.


Daß die Musik und die Intentionen der damaligen Komponisten vor 1800 für einen heutigen Menschen eigentlich nicht mehr wirklich nachvollziebar sind liegt wohl weniger an der Aufführungspraxis als hauptsächlich an den seit dieser Zeit stattgefundenen Wertewandel, dem Umbruch durch die politischen und technologischen Revotionen und dem Wissens respektive Bildungsstand der Menschen an sich.


Diese Aussage halte ich für eine gewagte Behauptung.
Wie lange galt Haydn als betulicher Papa Haydn, der zwar nette Einfälle hatte, aber nicht besonders spannend war.
Ich hatte neulich die Gelegenheit eine alte Einspielung der 8. Sinfonie von ihm mit dem Sinfonieorchester des BR zuhören. Ich muß sagen, da wäre ich sanft entschlummert, hätte mich nicht mein berufliches Interesse wachgehalten.
Bei einigen Aufführung dieser Sinfonie mit zeitgenössischem Instrumentarium und historisch informiert interpretiert, waren die Zuhörer aus dem Häuschen, also hatten sie die Musik nachvollzogen, denn sonst wäre keine emotionale Begeisterung entstanden
Ich möchte auch eine gewagte Behauptung aufstellen: Ich meine daß viele Zuhörer durch Sozialisation mit modernem Instrumentarium sich erst an die anderen Klänge gewöhnen müssen und mußten.
Und ich glaube auch, daß die Neigung zum Musik im Hintergrund genießen eine Bedeutung spielt. Offensichtlich möchten viele einfach nicht aufgeschreckt und gestört werden also von den emotionalen Qualitäten der Musik berührt werden.


Ist es somit überhaupt notwendig diese Musik in einem dem Originalzustand nahekommendem Rahmen respektive mit einem dem Originalen angenähren Intrumentarium zu Leibe zu rücken? Das ist doch m.E. der Punkt um den es hier überhaupt geht. Es gibt aus meiner Sicht keinen zwingenden Grund eine Originalinterpretation per se als "wahrer", " besser", oder auch nur als "richtiger" anzusehen.


Ja, das passende Instrumentarium ist nötig. Ich möchte nocheinmal auf die Brandenburgischen Konzerte zurückkommen. Das zweite ist nur mit barockem Instrumentarium zufriedenstellend hinzubekommen. Übrigens auch das 4. und das 6. Ich spreche jetzt hier nicht von einer Hörhaltung, die bewußt eine wie auch immer verstandene barocke Pracht genießen will, sondern die sich für dei emotionalen Qualitäten der werke interessiert.
Grundsätzlich ist die Dissonanzbehandlung in der Barockmusik auch mit barockem Instrumentarium und barocken Stimmsystemen wesentlich einleuchtende und hörbar schlagkräftiger.
Um in die Romantik zu springen: Man hat Schumann immer unterstellt, er konnte nicht instrumentieren. Aus der sich mit "modernem" Instrumentarium völlig nachvollziehbar. Nimmt man aber die Instrumente der Schumannzeit ergibt sich ein wunderbar sinnlicher und durchhörbarer Klang ohne daß man instrumentationsretuschen nötig hätte
Und ja, Du hast recht: eine Interpretation mit "originalem" Instrumentarium ist per se nicht "wahrer", "besser" oder "richtiger", nur hat sie die bessere Voraussetzungen dem Gehalt der Kompostion nahe zu kommen.


Ntürlich kann im Einzelfall eine Originalinterpretatiom insgesamt stimmiger, transparenter kurz für meine Ohren besser sein, aber sie muß es eben nicht zwangsläufig sein. Für einen anderen Höhrer kann das umgekehrte zutreffen. Somit beibt aus meiner Sicht nur die Einordnung als Geschmackssache übrig.


Nicht im Einzelfall, im Regelfall aus oben genannten Gründen. Es gibt überall begabtere und weniger begabte, einfühlsamere und weniger einfühlsame Musiker.
Na ja und Geschmacksache ist natürlich ein sehr subjektives Argument, das aber durchaus richtig ist. Ich möchte auch niemandem seinen Spaß an modernem Instrumentarium rauben, schließlich habe ich ihn ja auch. Ich finde es sehr spannend wie Dirigenten veruschen den Intentionen des Komponisten gerecht zu werden und damit gerade in die Richtung historisch informierte Aufführungspraxis gehen. Für mich sehr interessant bei Carlos Kleiber oder neuerdinge bei Järvi, Abbado, Rattle u. a.
Dennoch halte ich das Verwendung des zeitgenössischen Instrumentarium für zwingend. Man verschenkt einfach sonst Optionen, die man mit modernem Instrumentarium gar nicht hinbekommt!



Mellus brigt es eigentlich hier auf den Punkt:



Wie weit erstreckt sich eigentlich historische Aufführungspraxis? Wird auch Mahler historisch aufgeführt? Oder Schönberg? Ich komme drauf, da in Kings.Singers vorangehenden Beitrag die Antithese "Transparenz vs. Bernstein" angedeutet ist, die auch schon bei "Mahler: Die Sinonien" eine Rolle spielte.




In der Tat, auch hier beginnt man sich Gedanken zu machen! Und das völlig zu recht, wie ich Falle Strawinsky ja bereits angedeutet habe.


[Beitrag von flutedevoix am 12. Feb 2010, 13:42 bearbeitet]
flutedevoix
Stammgast
#39 erstellt: 12. Feb 2010, 13:57

Ist es somit überhaupt notwendig diese Musik in einem dem Originalzustand nahekommendem Rahmen respektive mit einem dem Originalen angenäherten Instrumentarium zu Leibe zu rücken? ... Es gibt aus meiner Sicht keinen zwingenden Grund eine Originalinterpretation per se als "wahrer", " besser", oder auch nur als "richtiger" anzusehen.



Diese Frage beschäftigt mich bereits seit den Zeiten (1970er), als ich bei zittrigem HIP-Blockflötensound (Teldec "Das Alte Werk") entnervt abgeschaltet habe, da mir dies geradezu physische Schmerzen bereitete.


Auch ich stelle mich dieser Frage immer auf das Neue. Im Falle des erwähnten zittrigen Blockflötenklanges spielst Du vermutlich auf die Aufnahmen Brüggens an. nun dazu gibt es eingentlich nur zu sagen, daß das nicht an den Isntrumenten liegt sondern am Interpreten. Wenn man sich anhört, was für eine rasante Entwicklung das Blockflötespiel auch klanglich genommen hat, wird das sehr ohrenfällig. Es werden übrigens noch die gleichen originalen und nachgabuaten isntruemtne verwendet wie in den 70ern


Manchmal drängt sich der Eindruck auf, man wolle dem Hörer weis machen, als seien viele Komponisten stockkonservative Menschen die sich nostalgisch jedem Fortschritt im Instrumentenbau verschlossen und zusätzlich nur Aufführungen im kleinen höfischen Rahmen mit Winzigbesetzungen wünschten.


Vielleicht eine falsche Deutung. Komponisten waren nicht stockkonservativ sondern meistens sehr innovativ! Aber sie haben für den Klang komponiert, den sie vorfanden oder erzeugen konnten. Nicht für die heutigen Instrumente! Und sie haben doch ihre Werke nicht absichtlich so komponiert, daß sie in "im höfischen Rahmen mit Winzigbesetzung" was der Normalfall war, klangamputiert daher kamen! Dagegen wehre ich mich entschieden, jeder Künstler gibt immer das Optimum unter den ihm zu Verfügung stehenden Voraussetzung!


Dem ist, wenn meine Quellen nicht lügen, nicht so.
So schrieb Mozart (sinngemäss) begeistert über die Aufführung einer seiner Sinfonien mit einem Orchester in Richard Strauss-Besetzung - somit also eine Originalbesetzung .


Was ist daran eine Originalbesetzung außer der Anzahl der Musiker?


Beethoven beobachtete den Fortschritt des Klavierbaus genau usw.


Natürlich, deswegen verändert sich seine Kompositionsweise für Tasteninstrumente.


Und was gewinnt man bei Debussy mit einem klangarmen Klavier, ausser purer Exotik?


Meinst du leiser, dünner oder einfach einen anderen Klang. Ich nehme einen anderen Klang war, leichter durchsichtiger, der der schwebenden Harmonik Debussys wesentlich mehr entgegekommt.


Ich kann mir nicht vorstellen, dass ganz pauschal Werke durch Historisierung erst verstanden werden können - es ist lediglich eine informative Aufführungsart.


Was ist Historisierung, das ist doch gar nicht möglich, wir können uns nicht in 19., 18., 17. oder 16. Jh. zurückversetzen. Und ich will es auch nicht!
Aber das Wissen um die Zusammenhänge ist Voraussetzung! In dem oben zitierten Beispiel der Haydn-Sinfonie bestätigt sich doch, daß durch eine "falsche", nicht informierte Interpretation das Werk nicht beim Zuhörer in seinen emotionalen Qualitäten ankommt
Daß man auch mit modernem Instrumentarium den Intentionen des Komponisten, den Werkqualitäten sehr nahe kommen kann, beweisen doch viele neuere und ältere Aufführungen und Einspielungen.
Aber ich behaupte auch das man mit dem "passenden" Insturmentarium noch näher dran ist.


[Beitrag von flutedevoix am 12. Feb 2010, 14:00 bearbeitet]
op111
Moderator
#40 erstellt: 12. Feb 2010, 14:54
Hallo,


flutedevoix schrieb:
Komponisten waren nicht stockkonservativ sondern meistens sehr innovativ! Aber sie haben für den Klang komponiert, den sie vorfanden oder erzeugen konnten. Nicht für die heutigen Instrumente!
Vielleicht haben sie sich deswegen aber nicht mit de gegebenen materiellen Beschränkungen abgefunden, sondern erhofft, dass es in der Zukunft besseres Werkzeug geben würde.
Vermutlich waren Komponisten, wie Mozart in meinem Beispiel, nicht so dogmatisch, dass sie sich nur die Uraufführungsbesetzungsstärke vorstellen konnten, sondern dem Werk durchaus eine gewisse Robustheit gegen Variationen zugetraut haben.
Wenn ich die Variationsbreite in der Größe der Konzertsäle betrachte, halte ich dies für nicht unwahrscheinlich.

Gibt es nicht auch Werke, die gar nicht für eine genau spezifizierte Instrumentenbauweise konzipiert wurden?

Ich sehe da eine Analogie zum Sprechtheater.
Die Zeit des Globe-Theater ist vorbei, auch wenn das Gebäude und die Kostüme rekonstruiert wurden. Wenn man sich heute von den Originaluraufführungsbedingungen der Shakespeare-Epoche überzeugen kann, ist das informativ zu erleben, einmal, zweimal.
Aber auf Dauer wird nicht jeder mit einer so konservierten Aufführungsweise eines Shakespearschen Stücks zufrieden sein. Die Spachbarriere zum modernen Englisch ist eine weitere gewichtige Hürde zum Verständnis.
Ob der Hamlet im rekonstruierten Gewand - wenn überhaupt - besser verstanden wird, ich bezweifle es.

Diese Robustheit und Materialunabhängigkeit traue ich "Meisterwerken" durchaus auch in der Musik zu.
Beethovens 5. überlebt nicht nur eine Aufführung mit "Tschaikowsky-Orchester" sondern auch mit solistisch besetzten Instrumenten und elektrischer Verstärkung - es lässt sich so auch eine Durchsichtigkeit erzielen, wie man sie auch bei HIP-Aufführungen selten findet.


[Beitrag von op111 am 12. Feb 2010, 15:31 bearbeitet]
Kings.Singer
Inventar
#41 erstellt: 12. Feb 2010, 15:02
Hi.

Ich habe neulich in einem Youtube Video eine Äußerung vom sonst von mir sehr geschätzten Jean Guillou gehört. Es ging dort um Bach (also um Repertoire, bei dem ich auf seine - Guillous - Aufnahmen zugegebenermaßen verzichten könnte). Er meinte, dass es Quatsch wäre Bach so zu spielen, wie es in seiner Zeit üblich war - eben in der Aufführungspraxis des 17./18. Jahrhunderts. Warum? Nämlich weil Bach seiner Meinung nach so berühmt wurde, weil er eben nicht so gespielt hat (und spielen hat lassen) wie es in seiner Zeit üblich war. Weil er dem Publikum Neues präsentierte.
Deshalb könnte man Bach auch heute nicht so spielen, wie es die Tradition seiner Zeit impliziert.

Interessanter Ansatz. Aber ich bezweifle, dass das Alles so wirklich haltbar ist.

Viele Grüße,
Alex.
Hörbert
Inventar
#42 erstellt: 12. Feb 2010, 15:23
Hallo!

@flutedevoix

Nun in letzter Konsequenz wäre bei einer kompromißlosen Auslegung deiner Thesen Musik nur am Ursprungsort der Uraufführung und mit den gleichen Interpreten wiederaufführbar b.z.w. nur als Mittschnitt einer solchen Aufführung statthaft.

Allerdings ist es gerade eine der größten Erungenschaften der klassischen Europääischen Musik die Trennung von Wekt und Interpret respekie Werk und Interpretatio. Nur so wurde es überhaupt möglich daß diese Werke die Jahrhunderte überdauern konnten. Es gibt neben dieser Praxis der Überliefereung durch Notation nur noch die Form der Überlieferung durch die Tradition wie sie in anderen Kulturen üblich ist. Hier gibt es, -wenn überhaupt-, nur eine "Originalinterpretation" zum Preis der Erstarrung, ansonsten stellt sich hier die Frage nicht.

Wenn wir einen Augenblick den Bereich der Musik verlassen und uns in der Literatur umblicken sehen wir ein recht ähnliches Bild, auch hier gibt es überlieferte Werke die zu ihrer Zeit eine bestimmte Aussage trafen und in der Originalform ihrer Zeiggenössischen Sprache unählige Feinheiten und anspielungen auf das seinerzeitige Leben enthielten die das Lesen für den damaligen Zeitgenossen zum Genuß machten. Soll desegen jetzt dieses Werk jetzt bevorzugt in seiner damaligen Zeit erscheinen?

Für einen heutigen Leser wäre es nur schwerer verständlich und die Sprache erschiene ihn bestenfalls holprig, schlimmstenfalls unzumutbar. Eine modernisierte, behutsam seiner Vorstellungswelt angenährte Version die den Kern des Werkes übermittel wäre doch hier zumindesten genau so angebrachgt.

Natürlich hinkt dieses Beispiel wie jedes andere auch, aber ich denke schon daß es den Knackpunkt der Sache -so wie ich ihn sehe-, trifft. Eine Originalinterpretation auf Originalinstrumenten, wohlmöglich noch in Originalräumen mag eine wünschenswerte zusätzliche Option sein die dem einen oder anderen einen leichteren Zugang zu einem bestimmten Werk erleichtert, kann aber nicht den Anspruch einer größeren Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen als eine modernere Interpretation.

Sehr vorsichtig wäre ich mit der Behauptung daß durch eine Originalinterpretation Zusammenhänge in einem Werk deutlicher werden oder das sich die Durchhörbarkeit verbessern würde. Das sind eigentlich die Domänen jedes guten Dirigenten, unabhängig von der Instrumentierung sollte es in seiner Verantwortung liegen welche Zusammenhänge er verdeutlicht, eine klare Durchhörbarkeit liegt ebenso in seiner Verantwortung. Diesbezüglich möchte ich nur einmal am Rande an die Kontroverse Boulez-Hespos erinnern, Bolez gab seinerzeit Hespos seine Oper als unaufführbar zurück da er der geforderten Eliminierund aller zusammenhänge nicht nachkommen konnte, für jeden eliminierten Zusammenhang ergab sich ein neuer. Im Lichte dessen betrachtet und ausgehend von meiner hier geschilderten Perspektive:



Daß die Musik und die Intentionen der damaligen Komponisten vor 1800 für einen heutigen Menschen eigentlich nicht mehr wirklich nachvollziebar sind ....


Bezweifle ich das heutzutage aufgezeigte Zusammenhänge alter Musik zur Zeitihrer entstehugüberhauptgewolt oder wichtig waren.

Was wir heute Hören hat, -Originalinterpretation hin oder her-, m.E. gar nichts mehr damit zu tun was im 17. oder 18 Jahrhundert zu Gehör gebracht wurde, es löst auch weder die gleichen Empfindungen aus noch wird es Intellekuell so aufgenommen wie seinerzeit. Alleine dadurch daß es die Musik vergangener Zeiten war und durch den Filter der Jahrhunderte zu uns kommt hat diese Musik ihren ursprünglichen Sinn und Zweck eingebüßt. Eine Originalinterpretation ist somit eine reine Geschmackssache die als Höroption zwar eine wünschenswerte Variante darstellt, aber keinen Anspruch auf eine größere Wahrhaftigkeit erheben kann.

MFG Günther
op111
Moderator
#43 erstellt: 12. Feb 2010, 16:33
Hallo zusmmen,

Hörbert schrieb:
Allerdings ist es gerade eine der größten Errungenschaften der klassischen Europäischen Musik die Trennung von Wekt und Interpret respekive Werk und Interpretation. Nur so wurde es überhaupt möglich, daß diese Werke die Jahrhunderte überdauern konnten.

damit hast du m.E. einen wichtigen Aspekt angesprochen. Dass die Werke diese z.T. lange Epoche überdauert haben beweist, dass die fehlenden "Originalaufführungsbedingungen" keinen entscheidenden Einfluss auf ihren Erfolg hatten.

Vergessen sollte man auch nicht, dass die Originalklangwelle von der Schallplatte "gemacht" wurde, einer Industrie, die sonst nur auf fahrende Züge aufspringt.
Auf einmal waren neben den Nachwuchsdirigenten und -ensembles auch (ebenso kostengünstige) Nachwuchssänger mit kleinen Stimmen zu hören, die in einem normalen Opernhaus gegen ein ausgewachsenes Orchester ungehört geblieben wären, auf der Aufnahme lässt sich die Balance ja wie auch die der Instrumentengruppen mühelos am Mischpult herstellen.
Alles Aspekte, die eine kaufmännisch günstigere Kalkulation ermöglichen.

PS:

Hörbert schrieb:
... Berlioz verstädlich und im besten Sinne Werktreu zu präsentieren haben m.E. ... Bernard Haitink bei Berlioz

Nicht etwa Colin Davis, der die Berlioz Renaissance Ende der 1960er vorantrieb?


[Beitrag von op111 am 12. Feb 2010, 16:39 bearbeitet]
Mellus
Stammgast
#44 erstellt: 12. Feb 2010, 17:07

Hörbert schrieb:
Allerdings ist es gerade eine der größten Erungenschaften der klassischen Europääischen Musik die Trennung von Wekt und Interpret respekie Werk und Interpretatio


Die Trennung zwischen Partitur und Aufführung liegt in der Natur der Sache notierter Musik. Und ein Notationssystem für Musik zu entwickeln ist sicher eine Errungenschaft.

Wenn man allerdings einen Werkbegriff ansetzt, der ein musikalisches Werk mit seiner Notation in einer Partitur identifiziert, so wie es Hörbert im Zitat tut, dann sehe ich nicht, warum man überhaupt Interpretationen (= Aufführungen) braucht, um sich einem Werk zu nähern. Die konsequente Form, sich mit einem Musikstück zu beschäftigen, wäre dann das Studium der Partitur. Das ist meines Erachtens eine theoretisch konsistente Haltung. (Ich meine mich zu erinnern, dass Adorno tatsächlich Äußerungen getätigt hat, die in diese Richtung gehen.)

Jedoch ist diese Auffassung nicht diejenige, die hier im Allgemeinen vertreten wird. Das gereadezu kultische Gewese um Interpretationen verrät doch eher die Position, nach der ein Werk die Summe seiner Interpretationen/Aufführungen ist. Da ich Musik als eine sich akustisch mitteilende Kunst verstehe, ist das auch die Position, zu der ich selbst neige. Das Verhältnis von Aufführung und Partitur lässt sich dann am besten als ein Erfüllungsverhältnis begreifen: Eine Aufführung erfüllt die Vorgaben der Notation und kann das besser oder schlechter machen. An anderer Stelle habe ich ja schon darüber schwadroniert, dass es neben den Noten sprachliche Bestandteile in Partituren gibt, deren Erfüllung nicht strikt geregelt ist. Eine Notation lässt also eine Menge Aus- und Aufführungsspielraum. Von den Dingen, die ihn der Partitur gar nicht erwähnt werden mal ganz zu schweigen! Und hier liegt ja wohl auch der argumentative und operative Anknüpfunkspunkt der historisch Informierten.

Es lassen sich offenbar verschiedene Werkbegriffe unterscheiden. Und die Antworten auf die Frage nach Werktreue und HIP werden sicher auch davon abhängen, was man unter einem Werk versteht.

Nach diesem Systematisierungsversuch auch von mir ein herzliches Willkommen hier, flutedevoix! Deine Ausführungen habe ich äußerst interessiert gelesen. (Die der anderen Schreiber auch, aber die wissen das ja bereits.)

Viele Grüße,
Mellus
flutedevoix
Stammgast
#45 erstellt: 12. Feb 2010, 17:15

Nun in letzter Konsequenz wäre bei einer kompromißlosen Auslegung deiner Thesen Musik nur am Ursprungsort der Uraufführung und mit den gleichen Interpreten wiederaufführbar b.z.w. nur als Mittschnitt einer solchen Aufführung statthaft.


Wer behauptet denn das, ich nicht! Bitte einfach mal meine Ausführungen richtig lesen. Ich zitiere kurz:
Daß man auch mit modernem Instrumentarium den Intentionen des Komponisten, den Werkqualitäten sehr nahe kommen kann, beweisen doch viele neuere und ältere Aufführungen und Einspielungen.
Aber ich behaupte auch das man mit dem "passenden" Insturmentarium noch näher dran ist.


Und ja, Du hast recht: eine Interpretation mit "originalem" Instrumentarium ist per se nicht "wahrer", "besser" oder "richtiger", nur hat sie die bessere Voraussetzungen dem Gehalt der Kompostion nahe zu kommen.


Bisher hat aber noch keiner meine Ausführung zu den Bach'schen Brandenburgischen Konzerten widerlegt noch in seiner Argumentation gewürdigt. Ich könnte noch mehr Werke nennen
Ich bleibe dabei: es gibt Werke, die gehen mit modernen Instrumenten gar nicht und man ist mit dem zeitgenössischen Instrumenten immer näher dran, da genau das die klangfarben sind, die der komponist kannte.



Allerdings ist es gerade eine der größten Erungenschaften der klassischen Europääischen Musik die Trennung von Wekt und Interpret respekie Werk und Interpretatio. Nur so wurde es überhaupt möglich daß diese Werke die Jahrhunderte überdauern konnten.


In welcher Form haben sie denn die Jahrhunderte überdauert und welche Werke? Daß wir alte Musik hören ist erst in Ansätzen seit dem 2. Drittel des 19. Jahrhunderts gegeben. Vorher gab es nur zeitgenössische Musik. Das ist eine sehr wichtige Tatsache.
Davor wurde alte Musik nur von Kennern (meistens Komponisten) betrachtet und sehr selten gehört sprich aufgeführt.
Und wenn sie aufgeführt wurde, wurde sie bearbeitet, meistens neu instrumentiert, z.B. Händel Messias durch Mozart oder die Matthäus-Passion durch Mendelssohn oder Fugen für Tasteninstrument in einer Fassung für Streicher. Hier hat eine Anpassung auf den Zeitgeschmack und das Instruemntarium der Zeit stattgefunden.
Das ist meines Erachtens doch der zentrale Punkt: Die Kompositionen wurden nicht einfach gedankenverloren wiedergegeben sondern den Möglichkeiten der Zeit angepaßt. Das hätte z.B. Bach und Händel sehr gefreut!


Es gibt neben dieser Praxis der Überlieferung durch Notation nur noch die Form der Überlieferung durch die Tradition wie sie in anderen Kulturen üblich ist. Hier gibt es, -wenn überhaupt-, nur eine "Originalinterpretation" zum Preis der Erstarrung, ansonsten stellt sich hier die Frage nicht.


Richtig, aber in anderen Kulturen gibt es meines Wissens keine Wiedergabe notierter Musik, Musik ist dort improvisiert oder dem Gedächtnis nach gespielt, entsteht also in jedem Fall als komposition erst in dem Moment indem sie erklingt und ist danach nicht mehr greifbar.


Wenn wir einen Augenblick den Bereich der Musik verlassen und uns in der Literatur umblicken sehen wir ein recht ähnliches Bild, auch hier gibt es überlieferte Werke die zu ihrer Zeit eine bestimmte Aussage trafen und in der Originalform ihrer Zeiggenössischen Sprache unählige Feinheiten und anspielungen auf das seinerzeitige Leben enthielten die das Lesen für den damaligen Zeitgenossen zum Genuß machten. Soll desegen jetzt dieses Werk jetzt bevorzugt in seiner damaligen Zeit erscheinen?


Nein, wieso denn! Aber eine sprachliche Neufassung entspricht doch einer Neuinstrumentierung. Dagegen habe ich doch gar nichts, im Gegenteil ich behaupte ja, daß die Komponisten heute anders instrumentieren würden! Das ist schließlich auch eine jahrhundertealte Tradition in unserer Kultur


Für einen heutigen Leser wäre es nur schwerer verständlich und die Sprache erschiene ihn bestenfalls holprig, schlimmstenfalls unzumutbar. Eine modernisierte, behutsam seiner Vorstellungswelt angenährte Version die den Kern des Werkes übermittel wäre doch hier zumindesten genau so angebrachgt.


Genau! Eine Version, die dem modernen Instrumentarium, dem modernen Orchester entspricht! Dann aber nicht nur einige unwesentliche Retuschen, sondern wirklich anpassen und das Werk nicht als Beethoven pur verkaufen sondern den Bearbeiter nennen. So wie es in der Literatur der Übersetzter bzw. der Herausgeber genannt wird.


Natürlich hinkt dieses Beispiel wie jedes andere auch, aber ich denke schon daß es den Knackpunkt der Sache -so wie ich ihn sehe-, trifft. Eine Originalinterpretation auf Originalinstrumenten, wohlmöglich noch in Originalräumen mag eine wünschenswerte zusätzliche Option sein die dem einen oder anderen einen leichteren Zugang zu einem bestimmten Werk erleichtert, kann aber nicht den Anspruch einer größeren Gültigkeit für sich in Anspruch nehmen als eine modernere Interpretation.


Behauptet ja auch niemand, daß dies nur die Verwendung des entsprechenden Instrumentariums garantiert. Es bleibt aber dabei, daß bestimmte klangliche und strukturelle Aspekte, die nachweisbar sind, mit modernem Instrumentarium nicht darstellbar sind. Finden sich befriedigende, sprich dem Werk entsprechende Alternativlösungen ist das o.k.. Wenn nicht, muß man eben von einer Aufführung des Werkes mit modernem Instrumentarium die Finger lassen. Hochachtung deshalb von allen Dirigenten, die aus diesen Gründen z.B. keine barocken Werke mit Sinfonieorchester aufführen.


Sehr vorsichtig wäre ich mit der Behauptung daß durch eine Originalinterpretation Zusammenhänge in einem Werk deutlicher werden oder das sich die Durchhörbarkeit verbessern würde. Das sind eigentlich die Domänen jedes guten Dirigenten, unabhängig von der Instrumentierung sollte es in seiner Verantwortung liegen welche Zusammenhänge er verdeutlicht, eine klare Durchhörbarkeit liegt ebenso in seiner Verantwortung.


Diese Aussage ist einfach faktisch falsch. In bestimmten Werken kann diese Durchhörbarkeit mit dem falschen Instrumentaroum nicht hergestellt werden, völlig unabhängig von den Fähigkeiten der Instrumentalisten und Dirigenten.
Grundsätzlich recht gebe ich dir aber, daß es Aufgabe des Dirigenten ist, Durchhörbarkeit zu schaffen.


Diesbezüglich möchte ich nur einmal am Rande an die Kontroverse Boulez-Hespos erinnern, Bolez gab seinerzeit Hespos seine Oper als unaufführbar zurück da er der geforderten Eliminierund aller zusammenhänge nicht nachkommen konnte, für jeden eliminierten Zusammenhang ergab sich ein neuer. Im Lichte dessen betrachtet und ausgehend von meiner hier geschilderten Perspektive:


Richtig so, Boulez hatte erkannt, das die Vorstellungen nicht gehen. Deswegen hat er die Aufführung abgelehnt. Das entspricht genau dem, was ich meine



Daß die Musik und die Intentionen der damaligen Komponisten vor 1800 für einen heutigen Menschen eigentlich nicht mehr wirklich nachvollziebar sind ....


Subjektive Meinung. Wir haben ja genügend Anhaltspunkte in den Noten! z.B. barocke Figurenlehre etc.


Bezweifle ich das heutzutage aufgezeigte Zusammenhänge alter Musik zur Zeitihrer entstehugüberhauptgewolt oder wichtig waren.


Bitte spezifizere doch genauer, was du meinst.


Was wir heute Hören hat, -Originalinterpretation hin oder her-, m.E. gar nichts mehr damit zu tun was im 17. oder 18 Jahrhundert zu Gehör gebracht wurde, es löst auch weder die gleichen Empfindungen aus noch wird es Intellekuell so aufgenommen wie seinerzeit. Alleine dadurch daß es die Musik vergangener Zeiten war und durch den Filter der Jahrhunderte zu uns kommt hat diese Musik ihren ursprünglichen Sinn und Zweck eingebüßt.


Na, ich glaube, daß Emotionen jenseits einer Intelektuellen Erfahrung bleiben. Es wird ja niemand ernsthaft behaupten wollen, daß der Halleluja-Jubel in Händels Messias heute anders als vor 250 Jahren aufgefaßt wird. Oder daß Bach'sche Passionen heute weniger als zu seiner Zeit Tod, Trauer und Leid als bestimmenden emotionalen Grundzug haben.
Das läßt sich auch auf Instrumentalmusik übertragen!



Eine Originalinterpretation ist somit eine reine Geschmackssache

Nein, denn dann sind in letzter Konsequenz alle Interpretationen reine Geschmacksache, egal ob sie Emotionen transportieren oder nicht


die als Höroption zwar eine wünschenswerte Variante darstellt, aber keinen Anspruch auf eine größere Wahrhaftigkeit erheben kann.


Nicht per se, aber sie hat die besseren Ausgangsposition und ist in manchen Fällen unerläßlich, z.B. das von mir immer wiedergenannte 2. Brandenburgische Konzert!
flutedevoix
Stammgast
#46 erstellt: 12. Feb 2010, 17:57

Vielleicht haben sie sich deswegen aber nicht mit de gegebenen materiellen Beschränkungen abgefunden, sondern erhofft, dass es in der Zukunft besseres Werkzeug geben würde.

Sie haben aber in ihren Kompositionen nicht auf die Zukunft spekuliert, sondern für das hier und jetzt geschrieben.
Und wie schon spezifiziert habe, es gibt Werke die gehen nicht mit modernen Instrumenten. Und eigentlich immer sind moderne Instrumente bei gleichem Interpretationsansatz kein Vorteil. Auch widersprche ich energisch, daß moderne Isntrumente "besseres Werkzeug" für Kompositionen vergangener Epochen seien. Sie sind anderes Werkzeug, die aber nicht das können was barocke oder klassische oder romantische Instrumente konnten, dafür anderes!


Vermutlich waren Komponisten, wie Mozart in meinem Beispiel, nicht so dogmatisch, dass sie sich nur die Uraufführungsbesetzungsstärke vorstellen konnten, sondern dem Werk durchaus eine gewisse Robustheit gegen Variationen zugetraut haben.
Wenn ich die Variationsbreite in der Größe der Konzertsäle betrachte, halte ich dies für nicht unwahrscheinlich.


Na ja, eine gewisse Robustheit gegen Stümperei haben alle Werke. Eine Beethoven-Sinfonie oder eine Händel-Oper bleibt auch noch bei schlechter Aufführung tolle Musik. Das ist in meinen Augen kein Argument. Und es geht in unserer Diskussion ja gerade nicht, darum daß es die Werke gerade so überstehen, nicht wahr?


Gibt es nicht auch Werke, die gar nicht für eine genau spezifizierte Instrumentenbauweise konzipiert wurden?


Welche Werke meinst Du? Es gab zu der jeweiligen Zeit immer nur die jeweiligen zeitgenössischen Instrumente. Den Luxus Werke vergangener Epochen auf Nachbauten von instrumenten dieser Zeit spielen zu können, gibt es erst seit Mitte des 20. Jahrhundert



Ich sehe da eine Analogie zum Sprechtheater.
Die Zeit des Globe-Theater ist vorbei, auch wenn das Gebäude und die Kostüme rekonstruiert wurden. Wenn man sich heute von den Originaluraufführungsbedingungen der Shakespeare-Epoche überzeugen kann, ist das informativ zu erleben, einmal, zweimal.
Aber auf Dauer wird nicht jeder mit einer so konservierten Aufführungsweise eines Shakespearschen Stücks zufrieden sein. Die Spachbarriere zum modernen Englisch ist eine weitere gewichtige Hürde zum Verständnis.
Ob der Hamlet im rekonstruierten Gewand - wenn überhaupt - besser verstanden wird, ich bezweifle es.


Ja! Ja! Aber wir reden von Musik! Und ich glaube auch, daß man Shakespeare in der Sprache unserer Zeit besser verstehen würde als im Original. Aber die Sprache setze ich in der Musik mit der Instrumentation gleich. Da wurden die Kompositionen in der Vergangenheit der jeweiligen Epoche angepaßt!
Und wenn wir uns auf Shakespeare Sprache einlassen wollen, müssen wir uns informieren, das heist diese Sprache lernen oder doch zumindest zu verstehen lernen. Das ist selbstverständlich. Mit Schulenglisch wird niemand Shaespeare-Dramen im Originallesen können.
Oder anders: auch Goethe oder Schiller sind für uns heute nicht so ohne weiteres verständlich!
flutedevoix
Stammgast
#47 erstellt: 12. Feb 2010, 18:11

Wenn man allerdings einen Werkbegriff ansetzt, der ein musikalisches Werk mit seiner Notation in einer Partitur identifiziert, so wie es Hörbert im Zitat tut, dann sehe ich nicht, warum man überhaupt Interpretationen (= Aufführungen) braucht, um sich einem Werk zu nähern. Die konsequente Form, sich mit einem Musikstück zu beschäftigen, wäre dann das Studium der Partitur. Das ist meines Erachtens eine theoretisch konsistente Haltung. (Ich meine mich zu erinnern, dass Adorno tatsächlich Äußerungen getätigt hat, die in diese Richtung gehen.)


Eine sehr gute Bemerkung, ich möchte sie nur noch etwas verdeutlichen. Jede Aufführung ist eine Interpretation der Noten und vermittelt somit die subjektive Sichtweise des Interpreten. Sogar mein eigenes Partiturlesen ist eine Interpretation! Damit ist der Begriff der Werktreue sehr schwierig
Im Gegenzug können aber die Noten alleine nicht, die Intentionen des Komponisten wiedergeben sondern nur eine gewisse Annäherung. Unter einer verantwortungsvollen Interpretation verstehe ich nun unter Einbeziehung alles verfügbaren Wissens um die Entstehung, die Musizierpraktiken dieser Zeit, u.a. sich dieser Annäherung (der Partitur) zu nähern und zum Klingen zu bringen, was sie meiner Meinung nach aufgrund meines Wissens um die obengenannten Dinge zum Ausdruck bringen soll. Daß ich damit ganz weit weg von den Intentionen liegen kann, liegt in der Natur der Sache. Aber wenn ich um die wesentlichen Musizierpraktiken (dazu gehören auch die Instrumente) der Zeit weiß, dann verringert sich dieses Risiko erheblich.



Jedoch ist diese Auffassung nicht diejenige, die hier im Allgemeinen vertreten wird. Das gereadezu kultische Gewese um Interpretationen verrät doch eher die Position, nach der ein Werk die Summe seiner Interpretationen/Aufführungen ist. Da ich Musik als eine sich akustisch mitteilende Kunst verstehe, ist das auch die Position, zu der ich selbst neige. Das Verhältnis von Aufführung und Partitur lässt sich dann am besten als ein Erfüllungsverhältnis begreifen: Eine Aufführung erfüllt die Vorgaben der Notation und kann das besser oder schlechter machen.


Richtig, aber die Vorgaben der Notation erfüllen sich nicht mit den Noten sondern rechnen natürlich auch mit dem Wissen des Ausführenden um die Musik seiner Zeit. Das ist ja gerade unser NAchteil, daß wir nicht zeitgenössische Musik interpretieren sondern Musik vergangener Zeiten. Da müssen wir uns entsprechend einarbeiten und informieren.


An anderer Stelle habe ich ja schon darüber schwadroniert, dass es neben den Noten sprachliche Bestandteile in Partituren gibt, deren Erfüllung nicht strikt geregelt ist. Eine Notation lässt also eine Menge Aus- und Aufführungsspielraum. Von den Dingen, die ihn der Partitur gar nicht erwähnt werden mal ganz zu schweigen! Und hier liegt ja wohl auch der argumentative und operative Anknüpfunkspunkt der historisch Informierten.


Genau!
flutedevoix
Stammgast
#48 erstellt: 12. Feb 2010, 18:24

Vergessen sollte man auch nicht, dass die Originalklangwelle von der Schallplatte "gemacht" wurde, einer Industrie, die sonst nur auf fahrende Züge aufspringt.


Da wurde nichts von der Schallplatte gemacht, die Zeiten einer historisch informierten Aufführungspraxis gehen zurück an den Anfang des 20. Jahrhunderts. Sind also fast so alt wie die Beschäftigung mit alter Musik!
Die ersten Ensembles und Orchester haben aus Neugierde angefangen zu experimentieren, das was sie gelesen hatten umzusetzen, ohne daß sie von der Schallplatte aufgefordert wurden.
Die historisch informierte Aufführungspraxis hat sich ja niemand einfallen lassen oder wurde verordnet. Sie beruht einfach auf dem Studium der Quellen, die auch erst im 20. Jahrhundert wieder zugänglich wurden!


Auf einmal waren neben den Nachwuchsdirigenten und -ensembles auch (ebenso kostengünstige) Nachwuchssänger mit kleinen Stimmen zu hören, die in einem normalen Opernhaus gegen ein ausgewachsenes Orchester ungehört geblieben wären


Ein Peter Pears hatte das nicht nötig, ein Fritz Wunderlich, der auch sehr an historischer Aufführungspraxis interessiert war, ebensowenig. Und als letztes Beispiel vielleicht noch Kurt Equiluz. Und wenn man sich die heutigen Sänger anhört, die schaffen locker den Spagat zwischen Alter Musik und Richard Strauß (z.B. Magdalena Kozena).
Daß es unbekannte Musiker waren, hängt sicher damit zusammen, daß all das Wissen erarbeitet werden mußte. Es gab ja keine oder eben nur sehr wenige Lehrer für Alte Musik. Ich glaube auch, daß das eine Zeitfrage war.
Außerdem waren die Pioniere der historisch informierten Aufführungspraxis meistens Musikern aus ersten Orchestern, z.B. Harnoncourt als Cellist der Wiener Sinfoniker!


, auf der Aufnahme lässt sich die Balance ja wie auch die der Instrumentengruppen mühelos am Mischpult herstellen.
Alles Aspekte, die eine kaufmännisch günstigere Kalkulation ermöglichen.


Man fragt sich dann nur, warum das nicht bei herkömmlichen Orchestern gemacht wurde bzw. wird.

Ich finde wir haben da eine sehr interessante Diskussion, die wir weiter führen sollten
Hörbert
Inventar
#49 erstellt: 12. Feb 2010, 19:09
Hallo!



Bezweifle ich das heutzutage aufgezeigte Zusammenhänge alter Musik zur Zeit ihrer Entstehug überhaupt gewollt oder wichtig waren





Bitte spezifizere doch genauer, was du meinst.


Eine Betrachtung der Musik vergangener Zeiten ist zwangsläufig eine Nachinein-Betrachtung, also eine rückwärts gewande Sicht der Dinge, die Zusammenhänge und Intentionen die aus dieser Perspektive "erkannt" werden ist eine durch den Filter des Jetzt-Bewußtseins erstandene Einsicht die zur Zeit der Werksentstehung so gar nicht existieren konnte.

Das bringt mich gleich zum nächsten Punkt:



Na, ich glaube, daß Emotionen jenseits einer Intelektuellen Erfahrung bleiben. Es wird ja niemand ernsthaft behaupten wollen, daß der Halleluja-Jubel in Händels Messias heute anders als vor 250 Jahren aufgefaßt wird. Oder daß Bach'sche Passionen heute weniger als zu seiner Zeit Tod, Trauer und Leid als bestimmenden emotionalen Grundzug haben.
Das läßt sich auch auf Instrumentalmusik übertragen!


Doch, gerade das behaupte ich, Händels Halleluja-Jubel wird heutzutage aus einer ganz anderen Distanz betrachtet als zur Entstehungszeit. Es besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einem tiefreligiösen Bewußtsein in einem Stadium der Kultur in dem die gesellschaftlichen Parameter festgefügt sind und jeder seinen Platz kennt ('um es einmal etwas vergröbert auszudrücken) und einem Bewußtsein das in unserer heutigen Pluralistischen Welt geformt wurde. So könnte nicht mal ein Zeuge Jehovas heute beispielsweise die tiefreligiösen Empfindungen eines damaligen Menschen nachvollziehen.

Zudem ist bei einem reinen Zuhörer der alten Musik keine Spur mehr von der Kenntnis des Emotionalen Gehaltes der alten Musik zu finden. Auch die Musiksprache und ihre Deutung hat sich gewandelt. (Was glaubst du denn wie oft heute gerade Barockmusik als reine Erbauungsmusik eingesetzt wird? Dabei ist den Rezipienten der eigentliche -ursprüngliche-, Emotionsgehalt der gehörten Musik schnurzegal, die Eigene Emotionalität nutzt in so einem Falle die Musik als reines Vehinkel.)

Und ja, alle Interpretationen sind reine Geschmackssache, -zumindestens seit es Musikkonserven gibt-. Der Wert einer Interpretation bemißt sich schließlich und endlich an ihrer geschmacklichen Akzeptanz der jeweiligen Käuferschicht. Das ist beileibe kein Werturteil, sondern eine schlichte beschreibung der Realität des Kulturbetriebes.




Nicht per se, aber sie hat die besseren Ausgangsposition und ist in manchen Fällen unerläßlich, z.B. das von mir immer wiedergenannte 2. Brandenburgische Konzert!


Wenn dem so ist hat die Originalinterpretationspraxis ja beste Voraussetzungen sich als die Qualitativ hochwertigere Interpretationspraxis auf breiter Linie (für alte Musik) durchzuisetzen und alle anderen zu verdrängen. Nun ist das aber weder in den letzten 30 Jahren schon geschehen noch sieht es so aus als würde sie es in absehbarer Zeit können. Was glaubst du denn was da schiefläuft?

Ist dem aber nicht so besteht kein Erklärungsbedarf, dann ist sie eine Interpretationsmöglichkeit unter vielen die eigentlich nichts auszeichnet ausser ihrem eigenen Anspruch. Das aber wäre dann keine Qualitative Frage sondern bloß eine Ideologische.

MFG Günther


[Beitrag von Hörbert am 12. Feb 2010, 19:10 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#50 erstellt: 12. Feb 2010, 20:50

Hörbert schrieb:
Wenn dem so ist hat die Originalinterpretationspraxis ja beste Voraussetzungen sich als die Qualitativ hochwertigere Interpretationspraxis auf breiter Linie (für alte Musik) durchzuisetzen und alle anderen zu verdrängen. Nun ist das aber weder in den letzten 30 Jahren schon geschehen noch sieht es so aus als würde sie es in absehbarer Zeit können.
MFG Günther


Also ich habe durchaus den Eindruck, dass sich die 'Originalinterpretationspraxis' auf breiter Linie durchgesetzt hat und alles andere verdrängt hat. ("Und das ist auch gut so" - könnte ich als provokativen Wowereit-Aphorismus hinzufügen). Diese Beurteilung hängt natürlich davon ab, was 'Alte Musik' heissen soll. Wenn damit Barockmusik gemeint ist, dann scheint mir dies - mit wenigen Ausnahmen - eine Tatsache zu sein. Gibt es noch Aufnahmen der Bach'schen, Telemann'schen, Händel'schen, etc. Passionsmusiken, die nicht 'historisch informiert' sind? Werden die Concerti Grossi diverser Komponisten noch von nicht-Hip Ensembles gespielt? Händel oder Rameau Opern von den selben Ensembles, die ein paar Tage später Verdi oder Wagner spielen? Um die nicht-HIP Kammerorchester ist es doch eher still geworden (das English Chamber Orchestra oder die Academy of St. Martin ....). Die einzige wichtige Ausnahme scheint mir Bach auf dem modernen Klavier zu sein (und ich gebe gerne zu, dass ich barocke Musik für Tasteninstrumente viel lieber auf dem modernen Flügel höre, als auf dem Cembalo.) Aber die Frage ist auch nicht so sehr, was meine Vorlieben sind, sondern ob es nicht wahr ist, dass in der Alten Musik HIP schon eine zeitlang deutlich dominant ist - oder wenn es Ensembles wie die Bremer Kammerphilharmonie oder das European ChO sind, ob die nicht viel aus der HIP-Praxis gelernt und übernommen haben (die beiden genannten Orchester sind allerdings ohnehin nicht für Alte Musik zuständig)
Freundliche Grüsse
Joachim
Kreisler_jun.
Inventar
#51 erstellt: 12. Feb 2010, 21:27

Joachim49 schrieb:

Hörbert schrieb:
Wenn dem so ist hat die Originalinterpretationspraxis ja beste Voraussetzungen sich als die Qualitativ hochwertigere Interpretationspraxis auf breiter Linie (für alte Musik) durchzuisetzen und alle anderen zu verdrängen. Nun ist das aber weder in den letzten 30 Jahren schon geschehen noch sieht es so aus als würde sie es in absehbarer Zeit können.
MFG Günther


Also ich habe durchaus den Eindruck, dass sich die 'Originalinterpretationspraxis' auf breiter Linie durchgesetzt hat und alles andere verdrängt hat. ("Und das ist auch gut so" - könnte ich als provokativen Wowereit-Aphorismus hinzufügen). Diese Beurteilung hängt natürlich davon ab, was 'Alte Musik' heissen soll. Wenn damit Barockmusik gemeint ist, dann scheint mir dies - mit wenigen Ausnahmen - eine Tatsache zu sein. Gibt es noch Aufnahmen der Bach'schen, Telemann'schen, Händel'schen, etc. Passionsmusiken, die nicht 'historisch informiert' sind? Werden die Concerti Grossi diverser Komponisten noch von nicht-Hip Ensembles gespielt? Händel oder Rameau Opern von den selben Ensembles, die ein paar Tage später Verdi oder Wagner spielen? Um die nicht-HIP Kammerorchester ist es doch eher still geworden (das English Chamber Orchestra oder die Academy of St. Martin ....). Die einzige wichtige Ausnahme scheint mir Bach auf dem modernen Klavier zu sein


Das scheint mir auch so.
Bei vorbarocker Musik ist es ohnehin gar keine Frage. Gewiß werden einzelne, sehr bekannte Werke wie die Bachschen Passionen auch oft noch auf modernen Instrumenten gespielt, aber dann fast immer mehr oder weniger stark von der HIP-Bewegung beeinflußt. Zu den neuesten verbreiteten Aufnahmen auf modernen Instrumenten gehören Rillings aus der Mitte der 1990er und die sind, verglichen mit den älteren Einspielungen dieses Dirigenten, sehr deutlich HIP-geprägt, was Tempi usw. betrifft, selbst wenn noch ein deutlicher Unterschied zu Koopman u.a. bestehen mag.
Selbst bei Haydn und Mozart zeigt sich dieser Einfluß, wenn von modernen Sinfonie-Orchestern gespielt.
Bei Plattenaufnahmen dominieren ganz klar die alten Instrumente bzw. beeinflußte Spielweisen bis in die Wiener Klassik hinein.

JK jr.
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