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Verdi und Orff effekthascherisch?+A -A |
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Autor |
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Dr._Funkenstein
Gesperrt |
#1 erstellt: 25. Aug 2008, 23:28 | |||
Hallo, hatte bisher wenig mit Wagner am Hut. Irgendwie ist bei mir Wagner immer mit Nazi assoziiert. Ja, ja, schon gut. Ich mag ihn jedenfalls nicht. Mit einem Bekannten kam es neulich zur Diskussion. Er findet Wagner gaaaaanz toll. Das Beste. Verdi und Orff sind nach seiner Auffassung effekthascherisch.. Könnte man das irgendwie begründen? Ich frage als Laie. Wie seht ihr’s? Gruß |
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Schneewitchen
Inventar |
#2 erstellt: 26. Aug 2008, 15:17 | |||
Ich sehe das so,daß jeder eine eigene Meinung über Musik und Komponisten hat. Und dabei sollte es auch bleiben. Die Geschmäcker sind eben verschieden. |
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Joachim49
Inventar |
#3 erstellt: 26. Aug 2008, 20:26 | |||
Ich habe lange Zeit Wagner verschmäht und Verdi geschätzt und heute seh ich's eher umgekehrt. Gibt es einen Grund. Natürlich - Wagner ist halt der bessere Komponist. Bei Verdi ist das Orchester oft (nicht immer) nichts anderes als eine Riesengitarre die schöne melodische Gesänge begleitet. (Das mit der Riesengitarre ist geklaut, aber ich weiss nicht mehr von wem.) Bei Wagner gibt's solche Banalitäten nicht. Natürlich gibt's bei Wagner viel effektvolles (zB der Beginn der Lohengrin-Ouvertüre) aber selten Effekthascherei, wenn damit gemeint ist, dass der Komponist mit billigen Effekten kurzfristig Begeisterung erzielen will. Effekthascherei würde ich auch Verdi nicht vorwerfen - von den genannten kommt Orff der Sache wohl am nächsten. Die Verdi'schen Nummernopern eignen sich auch wUnderschön zum zerpflücken in Einzelteile, so dass man sich mit einem Potpourri begnügen kann und den Zuhörer bei weitem nicht so beansprucht, wie es bei den 'durchkomponierten' Wagneropern der Fall ist. Die Sache einfach als eine Frage des Geschmacks abtun, liegt mir nicht so ganz. Orffs 'Carmina' trifft gewiss den Geschmack von viel mehr Leuten als der 'Ring' - aber können wir daraus schliessen Orff sei der bessere Komponist oder Wagner und Orff seien gleichwertig, es sei halt nur eine Geschmacksache, so wie halt der eine lieber Audi fährt, und ein anderer lieber BMW. Auch wenn der eine lieber Cola trinkt und der andere lieber einen französischen cru classé, würde ich nicht daraus schliessen dass der Unterschied nur eine Frage des Geschmacks sei (denn es gibt ja auch zweifellos schlechten Geschmack - oder etwa nicht?). Freundliche Grüsse Joachim |
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Mellus
Stammgast |
#4 erstellt: 27. Aug 2008, 06:37 | |||
Ein Vergleich zwischen Wagner und Verdi - mir fällt übrigens kaum ein gegensätzlicheres Opernkomponistenpaar ein - läuft immer Gefahr, eine Musiktradition, nämlich die deutsche, gegen eine andere, nämlich die italienische, auszuspielen. Es geht dann nicht mehr in erster Linie um Wagner contra Verdi, sondern um Dinge wie Tiefe contra Unterhaltung - "in erster Linie", da man die Komponisten natürlich nicht losgelöst von ihrer Kompositionstradition betrachten kann. Wenn man also "teutsche Tiefe" schätzt, Hingabe an Musik, Erarbeitenmüssen, philosophische Musik, Lebensersatz, dann wird man wohl Wagnerianer werden. Wer brilliante Unterhaltung liebt, Feuerwerk, Maskenball, Lebensillustration, sofort zugängliche Melodien, der wird nur mit Verdi glücklich. Aber, wie zu Anfang bedacht, die Entscheidung hier drückt eher eine Haltung gegenüber Kunst aus, als eine gegenüber Wagner oder Verdi. Verdi war ein Meister der Melodie und der Form (Szene, Arie). Beides sind Eigenschaften, die man von einem guten Komponisten erwarten darf. Wagner hat Melodie und Form (Harmonik, Unendlichkeit) seinem Gesamtkunstwerkanliegen untergeordnet und so eine eigene, neue Musik geschaffen. Auch das ist etwas, das einen guten Komponisten ausmacht. Wenn wir den Vergleich zwischen Wagner und Verdi auf die Kompositionsleistung herunterkochen, kondensiert er vielleicht in folgende (vereinfachte!) Analogiefrage: Wer ist der bessere Handwerker? Derjenige, der virtuos mit dem bestehenden Werkzeug umzugehen vermag? Oder derjenige, der sich modifiziertes Werkzeug herstellen muss? Soweit der Versuch einer - Achtung: Oxymoron! - "sachlichen Laienantwort". Im Übrigen, das will ich auch noch verraten, neige ich persönlich dazu, mich Joachim anzuschließen: Man kann nicht alles als Geschmacksfrage abtun und Wagner war der bessere Komponist. Viele Grüße, Mellus |
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Maastricht
Inventar |
#5 erstellt: 27. Aug 2008, 06:38 | |||
Mir geht es zum Teil wie dir. Erst Verdi, dann [aber: auch] Wagner, aber deine Beschreibung der Orchestermusik von Verdi finde ich - auf jeden Fall für die Verdi-Opern ab Trovatore, Traviata und Rigoletto - nicht zutreffend. Ich war und bin immer noch begeistert wie kongruent Verdi da die Musik zur fysieken und emotionellen Handlung komponiert hat. Gruss, Jürgen |
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Klassikkonsument
Inventar |
#6 erstellt: 27. Aug 2008, 11:46 | |||
Verdi habe ich mich zunächst über seine beiden letzten Opern, vor allem den Otello genähert, wo er bereits von Wagners symphonischem Durchkomponieren infiziert war. Dann habe ich noch Aida häufiger gehört, mit der Traviata versuche ich noch warmzuwerden. Ich halte es sowohl für falsch Geschmacksurteile für bloß subjektiv zu halten als auch die Prädikate gut, schlecht und besser zu verteilen - beides ist zu abstrakt und wird dem ästhetischen Genuss einfach nicht gerecht. Mir kommt Verdi nicht so schwerfällig wie Wagner vor, eleganter, sozusagen "leichter". Aber man muss ja auch nicht unbedingt alles immanent in der Musik selbst entwickeln und motivieren. Beides hat Vor- und Nachteile. Konkret wird die Diskussion darum, wenn man sich fragt, wozu im Einzelnen diese oder jene Kompositionsstrategie eingesetzt wird, welche Wirkungen sie erzielen. Ein Beispiel: Radamès' Arie 'Celeste Aida' lässt sich gut aus der Oper herauslösen. So isoliert ist sie ein nettes Tenor-Lied mit einer tollen Melodie, vielleicht gar nicht so sehr etwas anderes als ein gelungener, stringenter Pop-Song. Im Zusammenhang der Oper gewinnt dieses Lied für mich ungemein, weil dieses Liebeslied dann fragwürdig wird als naive Hoffnung eines Mannes, der gut kämpfen kann und schließlich vergeblich hofft, dass auch noch ein Raum bleibe für seine Leidenschaft. Abende, bei denen etwa die 3 Tenöre die größten Italo-Hits des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts trällern, sind meine Sache nicht. Aber die nervige Komponente des heldenhaften Tenorwesens bekommt am Anfang der 4. Szene des 3. Akts von Aida eine dramaturgische Funktion: eigentlich viel zu laut platzt da ein gut aufgelegter Radamès in die konspirative Szene ("Dich seh ich wieder, meine Aida.") und hat noch nicht kapiert, was die Stunde geschlagen hat - wunderbar. Klar ist Parsifal "besser" komponiert als Aida - die hat dann halt (als "äußerlichen" Faktor im Gegensatz zur Immanenz der puren Musik) einen Maestro wie Toscanini nötig, der das richtige Timing beherrscht und dem Publikum verbietet bereits nach 'Celeste Aida' zu klatschen. In dem Fall ist dann auch Aida glänzend durchkomponiert. Viele Grüße |
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Martin2
Inventar |
#7 erstellt: 27. Aug 2008, 14:10 | |||
Ich kenne Verdi noch gar nicht gut genug. Den Otello finde ich allerdings großartig, zweifellos eines der Gipfelwerke der Gattung. Verdi in die Nähe der "Unterhaltung" zu rücken, wie Mellus das getan hat, finde ich reichlich daneben. Von Orff kennt man halt meistens nur die Carmina Burana, vermutlich das bekannteste und meistgespielte Stück des 20. Jahrhunderts überhaupt. Den Rest dann überhaupt nicht mehr. Habe mal irgend etwas von diesem Rest gehört - und fand es reichlich bizarr. Effekthascherisch? Das glaube ich von Orff nun überhaupt nicht. Man kennt ihn ja überhaupt nicht. Ich kenne ihn nicht. Auch Carmina Burana finde ich nicht effekthascherisch. Darüber hinaus gehend vermute ich jedoch stark, daß Orff überhaupt nicht effekthascherisch ist, sondern im wesentlichen "sein Ding" gemacht hat und damit vermutlich zwischen allen Stühlen sitzt, weil Liebhaber spätromantischen Edelklangs mit seiner Musik gar nichts anzufangen wissen, Avantgardismusliebhaber aber auch nicht. Irgendwie finde ich es schon seltsam, daß da jemand den größten Hit des 20. Jahrhunderts heraus haut, dabei mit seinem nicht gerade wenig umfangreichen Gesamtwerk dagegen eigentlich unbekannt bleibt. Im Radio zum Beispiel hört man Orff so gut wie nie. Seine Opern sollen die bizarrste und umfangreichste Instrumentation haben. Deshalb für ein normales Opernhaus so gut wie unaufführbar. Sich von Wagners Antisemitismus abschrecken zu lassen, fände ich schade. Menschlich war Wagner keine besonders einnehmende Gestalt. Aber als Komponist war er großartig. "Ich mag ihn nicht"? Ja, als Mensch mag ich ihn auch nicht, auch wenn vielleicht selbst er ein paar liebenswerte Seiten gehabt haben mag. Aber als Komponist, als Künstler wird er von niemandem übertroffen. |
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Mellus
Stammgast |
#8 erstellt: 27. Aug 2008, 14:26 | |||
Hey, oben steht "brilliante Unterhaltung" und war mit allem Respekt und künstlerischer Wertschätzung gemeint! Das ist vielleicht, entgegen meiner Absicht, im Beitrag, der übrigens versucht Verdi neben und nicht unter Wagner zustellen, nicht deutlich geworden. Ich muss aber zugeben, dass das Wort "Unterhaltung" einen abfälligen Beigemschack hat. Sucht Euch ein passenderes Wort aus, wie wäre es z.B. mit "Oper"? Viele Grüße, Mellus |
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Maastricht
Inventar |
#9 erstellt: 27. Aug 2008, 15:11 | |||
Hilft meiner Meinung nicht wirklich, wenn man dann den Kontext so liest. Der Kern deiner Aussage scheint mir zu sein die Gegenüberstellung 'Tiefe contra Unterhaltung', jetzt auch zu lesen als: 'Tiefe contra Oper', in beiden Fällen: Tiefe contra Nicht-Tiefe. Mhmm. Zurück zur Frage: 'effekthascherisch?'. Das Wort gebrauche ich im Zusammenhang mit Verdi nicht, weil Verdi's Musik viele Facetten hat und eine best als 'effektvoll' angedeutet werden kann (und das ist was anders als effekthascherisch). Gruss, Jürgen |
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Martin2
Inventar |
#10 erstellt: 27. Aug 2008, 15:58 | |||
Unterhaltung ist nicht deshalb derogativ, weil es so etwas wie Unterhaltungsmusik gibt, sondern weil sowieso nun wirklich jede gute Musik auch unterhaltend ist, oder wenigstens bei näherer Beschäftigung unterhaltend wird. Eine "unterhaltende" Musik hat insofern eigentlich gar keine Qualitäten, weil es banal ist, daß Musik auch unterhält, sofern sie nur diese eine Minimalqualität hat, nicht allzusehr zu langweilen. Ich finde Verdi hat - was ich von ihm kenne - einerseits die Qualität der Schönheit, anderseits aber auch die Qualität, daß sie einen emotional anspricht und zwar wohl mehr auf einer Ebene einfacherer Menschlichkeit. Ob Wagner "tiefer" ist, weiß ich nicht, in jedem Fall bewegt sich seine Musik mehr in mythischeren Räumen, das "einfach" menschliche kommt bei ihm weniger zum Tragen. Tristan ist sicherlich eine Liebesgeschichte, anderseits hat diese Liebesgeschichte mythische, mystische, ekstatische, ideengeschichtliche Dimensionen, die bei Verdi sicherlich fehlen, was aber nicht heißt, daß Verdi flacher wäre, wobei ich auch glaube, daß es von Verdi schlechteres gibt. Die "Tiefe" bei Wagner liegt im ästhetischen Ansatz. Das kann man wohl schätzen; es ist aber problematisch, Wagner nur deshalb schon für tiefer zu halten, weil er mythischen Ideen folgt. Verdi und Wagner sind einfach auch zwei menschlich ganz unterschiedliche Persönlichkeiten. Vollends problematisch finde ich den von Mellus gebrachten Begriff der "deutschen Tiefe". Oh, ich sehe gerade, er schreibt sogar "teutsche Tiefe", also doch Ironie? Wagner ist für mich in erster Linie ein verdammt guter Komponist und wenn er Tiefe hatte, ist diese in erster Linie seine eigene, nicht unbedingt eine "deutsche". Daß Wagner selbst sich gerne in solchen Dimensionen "deutscher Tiefe" sah ( angeblich kann für ihn Webers Freischütz nur ein Deutscher verstehen), ist für mich eine Tradition der Auseinandersetzung, die ich nicht gerne fortgeschrieben wissen sehe. Wagner war aber selbstverständlich durch und durch Mythiker und es ist dann auch nicht verwunderlich, daß er auch mythisch über das nationale Wesen zu raunen wußte. Ich halte das alles für Wahnvorstellungen; nationale kulturelle Prägungen haben ihre Fakizität, die aber historisch durchaus beweglich ist, aber diese Dinge mythisch-mystisch zu sehen, ist wirklich sehr bedenklich und als Nationalideologe und Antisemit war Wagner wirklich fürchterlich. |
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Mellus
Stammgast |
#11 erstellt: 28. Aug 2008, 05:27 | |||
Das deckt sich doch ganz gut mit meiner bescheidenen Ansicht. Wagner hat diese Art der "Tiefe", die Verdi halt abgeht - was auch immer man nun einsetzt an die Stelle der Pünktchen in "Tiefe contra ...". Aber das hat, wie Martin auch schreibt, mit dem jeweiligen Selbstverständnis oder der Ausrichtung der inneren Notwendigkeit als Musiker zu tun ("ästhetischer Ansatz"). Wenn man versucht, das abzuziehen -- und mehr wollte ich ursprünglich gar nicht -- bleiben beide als gute Komponisten übrig, jeder auf seine Art. "Teutsche Tiefe" war tatsächlich halb ironisch, halb wahr gemeint. Die Tiefe ist nicht genetisch, d.h. hat nichts damit zu tun, dass jemand einfach Deutscher ist. Es gab halt eine Reihe von prägenden Komponisten, die dem betreffenden geographisch-politisch-sprachlichen Gebiet zuzurechnen sind. Das ist auch schon das Körnchen Wahrheit dahinter. Die ästhetische Kategorie der (deutschen) "Tiefe" ist auch schon älter (19. Jh.?). Das altertümliche "T" in "Teutsch" spielt darauf an. (Aber genug der Selbsterklärung. Ich sollte mich bemühen, bedachte und unbedachte Wortwahl weniger zu vermischen.) Viele Grüße, Mellus |
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Klassikkonsument
Inventar |
#12 erstellt: 28. Aug 2008, 13:18 | |||
Der Vorwurf der Effekthascherei ist schon eine schwierige Angelegenheit. Die Oper (bzw. das Musikdrama) bringen natürlich ständig effektvolle Musik. Prägnante Beispiele sind Wagners Walkürenritt und die Orientalismen in der Aida. Musik funktioniert nur über Effekte. Gewissermaßen ist auch die planvolle Abwesenheit von Effekten (siehe 3"51 oder wie das heißt von John Cage) wiederum ein Effekt. Wirft man nun Effekthascherei vor, unterscheidet man oft zwischen "wesentlich, notwendig" & "oberflächlich, zufällig". Diese Unterscheidung finde ich zwar nicht ganz falsch, aber führt leicht auf einen antihedonistischen Holzweg. Interessanterweise begegnet einem auch das Gegensatzpaar "zwingend, überzeugend" vs. "billig und abgeschmackt", das sich schon eher auf die Unumgänglichkeit von Effekten in der Musik einlässt. Man kann nicht isoliert vom Zusammenhang irgendeinen Effekt abqualifizieren: noch die grellsten (darum aber nicht unbedingt billigsten) Effekte, die vielleicht zunächst dem Schlager vorbehalten scheinen, können zwingend und überzeugend sein. Damit ist allerdings auch wieder nichts gesagt, weil so die Effekte in ihrer Eigenheit völlig nivelliert sind und gleichgültig nebeneinander stehen. Als bestimmt nicht effekthascherische, aber sehr tiefe "Kopf-" bzw. "Augen"-Musik gilt Bachs Die Kunst der Fuge. Daraus höre ich (trotzdem?) die Kontrapunkte 1, 11 und die unvollendete Fuge am Schluss recht gerne. Viele Grüße [Beitrag von Klassikkonsument am 28. Aug 2008, 13:20 bearbeitet] |
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Maastricht
Inventar |
#13 erstellt: 28. Aug 2008, 15:35 | |||
Hallo Mellus, Ist ja ein Beitrag für ein Forum und kein wissenschaftlicher Beitrag. Gruss, Jürgen |
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Udo*
Schaut ab und zu mal vorbei |
#14 erstellt: 28. Aug 2008, 15:35 | |||
„Die Tiefe ist nicht genetisch, d.h. hat nichts damit zu tun, dass jemand einfach Deutscher ist.“ Puh, das hätte ich nicht gedacht. Das Deutschsein ist also eine Frage der Gene. Wo hast Du das gelernt? Bei den Rassetheoretikern der NSDAP? Nur seltsam, dass du ausgerechnet die teutsche Tiefe davon ausschließen willst. Bei Himmler hätte dein Satz sicherlich folgendermaßen gelautet: „Gerade die Tiefe ist genetisch, d.h. hat damit zu tun, dass jemand einfach Deutscher ist.“ Lieber Mellus, aber mit großer Sympathie lese ich doch den letzten Satz deines Postings! Freundliche Grüße Udo |
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Martin2
Inventar |
#15 erstellt: 28. Aug 2008, 17:44 | |||
Hallo Udo, komm, Mellus hat das mit Sicherheit genau andersherum gemeint. Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#16 erstellt: 28. Aug 2008, 21:14 | |||
Auch ich möchte Melius gegen den Rassismusverdacht in Schutz nehmen. Es gibt ja tausende hochgeschätzte Biologen und Soziobiologen die von Genen sprechen, ohne das sie deshalb gleich Neonazis sind. Melius hat gesagt, dass die Deutschen nicht biologisch zum Tiefsinn disponiert sind, sondern historisch-kulturell. Bach, Beethoven, Schubert, Schumann, Brahms, Mahler, Bruckner etc. haben keine Operetten komponiert, ihre Musik ist selten fröhlich oder ausgelassen, tonmalerische Effekthascherei oder leerer Bombast ist bei den Genannten halt selten. Und wer sich dieser Tradition verpflichtet fühlt, wird nicht gerade hunderte Polonaisen oder Salonstückchen schreiben. Das hat Melius, glaube ich, gesagt. Das Problem bei unseren Vorfahren waren ja auch nicht die Gene, sondern der abstruse Gedanke, dass deutsche Gene irgendwie eine Besonderheit sind, die durch nichts übertroffen werden kann und die so schutzwürdig sind, das man den Rest der Menschheit am besten in die Gaskammern schickt. Melius' Aüsserung mit dieser ekelhaften und perversen Form des Deutschtums in Verbindung zu bringen ist unbedacht oder bösartig. Freundliche grüsse Joachim |
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Mellus
Stammgast |
#17 erstellt: 29. Aug 2008, 06:32 | |||
Lieber Udo, ich lese das mal so, dass Du schon weißt, wie der erneut unbedachte Satz gemeint war. Es ist trotzdem gut, dass Du ihn herausgegriffen hast. Martin und Joachim, vielen Dank für die Klarstellung! Viele Grüße, Mellus |
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Martin2
Inventar |
#18 erstellt: 30. Aug 2008, 14:57 | |||
Hallo Joachim, na ja, Schubert und Bruckner sind ja keine deutschen, sondern österreichische Komponisten. Es ist natürlich trotzdem legitim, von einer deutschösterreichischen Musikkultur zu reden. Ob es diese gibt, ist natürlich die Frage, aber Kultur gewissermaßen auch als etwas Übernationales zu sehen, ist ja völig legitim. Ich lese aber auch in alten Konzertführern aus den 50ern von deutschen Komponisten, wenn österreichische gemeint sind. Ich finde das problematisch. Von Bruckner als einem Deutschen zu reden vollzieht den "Anschluß" sozusagen sprachlich nach. Dieser Schuß kann nach hinten los gehen. Da könnte ich mir vorstellen, daß da Österreicher sehr empfindlich darauf reagieren. Ansonsten: Ich finde es immer noch legitim, von deutschem Tiefsinn oder ähnlichem zu reden. Man kann nicht jegliches Nachdenken über Nationalkulturen mit der Rassismuskeule zu erledigen versuchen. Das empfände ich auch als Problem. Der Grat zwischen einem vielleicht gerade noch legitimen Stolz auf eine Nationalkulur und Chauvinismus ist schon sehr schmal. Das Reden über Nationalkulturen empfinde ich aber grundsätzlich als sehr interessant und umgekehrt langweilig, auf es verzichten zu wollen. Gruß Martin |
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Joachim49
Inventar |
#19 erstellt: 30. Aug 2008, 15:24 | |||
Hallo Martin, ich würde es sehr merkwürdig finden, wenn ich eine Deutsche Literaturgeschichte lesen würde, und darin kein Wort über Musil, Schnitzler, Zweig etc. zu finden wäre. Ich glaube die Österreicher wären eher empört, wenn man sie auf diese Weise ausschliessen würde. Deutsche Litaratur ist deutschsprachige Literatur - und die Landesgrenzen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz spielen da keine grosse Rolle. Auch deutsche Kultur (und also auch Musik) würde ich nicht nach Kriterien politischer Grenzen einteilen wollen. Ich weiss nicht, ob Österreicher darauf heute empfindlich reagieren. Jedenfalls wäre es mir lieber gewesen wenn sie 'damals' auf den Anschluss empfindlicher reagiert hätten. (Und Beethoven und Brahms - sind das nun deutsche oder österreichische Komponisten. Ist Liszt wirklich ein ungarischer Komponist?)Ich jedenfalls habe überhaupt kein Problem damit Bruckner und Schubert zur deutschen Kultur zu rechnen. Deutschland im Sinne eines Nationalstaates gibt's ja ohnehin noch nicht lange. Gruss Joachim |
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Maastricht
Inventar |
#20 erstellt: 30. Aug 2008, 17:40 | |||
Es zeigt doch auch wie wenig ein nationalstaatliche Denkrichtung angemessen ist an kulturellen Äusserungen. In dem Sinne denke ich eher (minimal) West- und Mitteleuropäisch. Gruss, Jürgen |
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Martin2
Inventar |
#21 erstellt: 30. Aug 2008, 17:56 | |||
Rein rassisch gesehen sind es zweifellos deutsche. |
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Maastricht
Inventar |
#22 erstellt: 31. Aug 2008, 07:28 | |||
Ist für mich aber was anderes als 'Reden über Nationalkulturen' von denen du eher schriebst. Die sind für mich räumlich begrenzt. Nur in dem Sinne interessiert mich dieses Thema. Ach, er ist da geboren, ist da gross geworden, ist nach da umgezogen und man hört das eine oder andere auch zurück in seiner Musik. Kann aber auch weil er einen Musiklehrer hatte der in der Tradition von Z gehört. George Frederic Handel past hier auch rein. Gruss, Jurgen |
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Martin2
Inventar |
#23 erstellt: 31. Aug 2008, 19:29 | |||
Hallo Jürgen, das mit dem "rein rassischen" war nun aber wirklich sarkastisch gemeint. Gruß Martin |
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Kings.Singer
Inventar |
#24 erstellt: 31. Aug 2008, 19:51 | |||
Wie kommt man vom Effekthascherischen auf eine Diskussionen zur Rassenzugehörigkeit?! Wie auch immer... Für mich ist jede Musik effekthascherisch. Jede! Nur versucht jeder Komponist den Effekt anders zu erlangen. Da gibt es schlichte Modulationen von Dur nach Moll bei Mozart und dort setzt ein Tchaikovsky Kanonenfeuer ein... Beides auf seine Weise effekthascherisch. Ist es nicht sogar eine Ehre einem Komponisten Effekthascherei zu unterstellen? Seine Musik bewegt die Leute - sie ruft in ihnen einen Effekt hervor. Wer hört sich Musik an, die in uns Nichts auslöst? Sie ist langweilig. Viele Grüße, Alexander. |
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Joachim49
Inventar |
#25 erstellt: 01. Sep 2008, 03:30 | |||
Hallo Alexander, du hast natürlich nicht ganz unrecht, aber im Begriff der Effekthascherei liegt natürlich ein negativer Ton. Eine Modulation von Dur nach Moll kann sehr effektvoll sein, aber sie ist kein Grund Effekthascherei vorzuwerfen. Ich versuche mal eine andere Illustration ohne Verdi und Wagner zu bemühen. Im Agnus Dei der Missa Solemnis Beethovens gibt es eine besonders effektvolle Passage. Mitten im Agnus komponiert Beethoven eine Schlachtszene, die brutal in die Bitte um Frieden einbricht und danach das Flehen um Frieden noch eindringlicher macht. Das ist, kein Zweifel, äusserst effektvoll, aber nie käme ich auf den Gedanken Beethoven Effekthascherei vorzuwerfen. In Berlioz' Requiem produzieren die Posaunen - ich weiss nicht mehr in welchem Satz - einen schaurigen Ton, der ebenfalls sehr effektvoll ist. Berlioz ist von seinem Fund so angetan, dass er es gar nicht lassen kann, den Effekt immer wieder zu wiederholen. Hier hätte ich die Neigung von Effekthascherei zu sprechen. Auch bei Beethoven gibt es Effekthascherei - aber selten. Zum Beispiel in dem bescheuerten 'Wellingtons Sieg'. Hätte Beethoven 'Wellingtons Sieg' in seine Missa Solemnis eingebaut, es wäre geschmacklose Effekthascherei gewesen. Aber in seiner grossen missa dosiert er die Kriegsmalerei eher zurückhaltend und erzielt damit einen viel grösseren Effekt als wenn er 'Wellingtons Sieg' sozusagen als Intermezzo ins Agnus Dei eingebaut hätte. Beethoven ist hier tief, Berlioz - so scheint mir - nicht schlecht, aber erheblich flacher. Und wenn wir jetzt darüber diskutieren ob die Tiefe zum Nationalcharakter der Deutschen gehört und die manchmal effekthascheriche Tonmalerei eher auf der anderen Seite des Rheins zu finden ist, dann ist auch eine Diskussion über 'Nationalismen' nicht so weit weg. Freundliche Grüsse Joachim |
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Maastricht
Inventar |
#26 erstellt: 01. Sep 2008, 06:29 | |||
Dann ist's ja gut. Gruss, Jürgen |
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Dr._Funkenstein
Gesperrt |
#27 erstellt: 01. Sep 2008, 11:07 | |||
Ich habe zu diesem Thrad nichts beizutragen, verfolge ihn dennoch mit großem Interesse. Gruß |
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Klassikkonsument
Inventar |
#28 erstellt: 01. Sep 2008, 21:22 | |||
Meinem Eindruck nach gibt es das Bemühen um eine spezifisch nationale Musikkultur erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Vorher war die Kunstmusik in Europa international (mal ganz abgesehen von der Einengung durch den europäischen Tellerrand, über den man wohl zu der Zeit nur ausnahmsweise und gefiltert durch europäische Wahrnehmungsgewohnheiten geguckt hat). Zwar gab es Nation vorher auch schon als Thema (gibt es da nicht so ein Werk "Les Nations" von Louis (oder doch Francois?) Couperin?), aber dann doch wohl eher als Hinweis auf die Herkunft mancher Spezialitäten. Nach der französischen Revolution wird "Nation" jedoch ein politischer Begriff, und die Herren (und wenigen Damen) von der musikalischen Komposition haben sich europaweit zwar immer noch gegenseitig rezipiert und zu übertreffen gesucht, aber doch auch irgendwie ihr nationales Süppchen gekocht. Allerdings hat Verdi in seinen 2 letzten Opern keine Rücksicht darauf genommen, dass sein Publikum Abstriche in der Italianità und eine Zunahme an teutonischer (wagnerscher) Schwere beklagen könnte. Wagner hat ja auch schon seine unfreiwillig komischen, schwerfälligen Seiten. Aber selbst in der Abgrenzung von und dem Sich-Abarbeiten an ihm übt er gewissermaßen einen Einfluss z. B. auf Debussy aus. Wobei dessen Péllèas & Mélisande wohl nicht zufällig mit Wagners Tristan und Parsifal verglichen wird. Nach dem Krieg 1870/71 gegen Deutschland hat sich in Frankreich ein gesteigertes Nationalbewusstsein wohl auch im Musikleben niedergeschlagen. Davor hatten die einheimischen Komponisten, zumindest auf dem Sektor "Kammermusik" so gut wie keine Chance. Danach hört man durchaus nationalistisch gefärbte Polemiken gegen die deutsche Tiefgründigkeit der deutschen motivischen Arbeit oder umgekehrt Ressentiments gegen welsche Melodieen-Seligkeit und französische Oberflächlichkeit. Oft natürlich auch fein differenziert. Da hie wie dort Leute mit Nationalbewusstsein komponiert haben, ist an diesen Klischees womöglich auch noch wirklich etwas dran. Der National-Stil ist eine abstruse Chimäre. Einerseits beansprucht er, sich durch "Lokalkolorit" auszuzeichnen, durch eine geografisch bestimmbare Herkunft. Andrerseits ist diese geografische Angabe viel zu weit - sie ebnet pauschal wirkliche lokale Spezialitäten ein, wirft sie mit ganz anderen in den einen Topf der großen (eben politischen) Sache. Nach den Äußerungen, die ich so von Beethoven mitgekriegt habe, hat für ihn dieser ganze nationalistische Quatsch noch keine Rolle gespielt bzw. noch gar nicht existiert. Er äußert sich über Kollegen, egal, ob die halt irgendwo geboren sind und karrierehalber irgendwo anders gelebt haben (neben Händel Haydn, wie auch Cherubini (bis 1800 führender Opernkomponist ohne den es Fidelio wohl kaum gegeben hätte) oder Clementi, Vater des Klaviers in spiel- wie herstellungstechnischer Hinsicht) oder ob sie ihren "Lebensmittelpunkt" nicht so weit verschoben haben (Mozart). Viele Grüße |
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