Pegel, Einpegeln, Pegeloptimierung

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pelmazo
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#1 erstellt: 03. Jul 2005, 20:43
In der professionellen Tontechnik ist schon seit jeher klar daß man auf korrekte Pegel achten muß um die bestmögliche Aufnahme zu machen. In der HiFi-Technik werden die Geräte in der Regel einfach zusammengesteckt und nur Wenige machen sich über die dabei herrschenden Pegelverhältnisse irgendwelche Gedanken. Man erwartet einfach daß das die Hersteller der Geräte schon so eingerichtet haben daß alles zueinander paßt. Im Wesentlichen ist das auch so, jedoch hält sich nicht unbedingt jeder Hersteller an die einschlägigen Normen (wofür es durchaus gute Gründe geben kann). Wer die technischen Daten einer Gesamtanlage optimieren will, der sollte sich auch um die Pegelverhältnisse Gedanken machen, wozu ein gewisses Vorwissen nötig ist. Als Lohn kann man u.U. seine Anlage mit geringem Aufwand deutlich verbessern, besonders wenn die Komponenten nicht optimal aufeinander abgestimmt sind.

Pegel werden meist in dB angegeben. Als Voraussetzung ist es darum empfehlenswert, sich mit der dB-Rechnung vertraut zu machen, wie z.B. hier beschrieben:
http://www.hifi-foru...orum_id=42&thread=20

Wir brauchen darüber hinaus noch ein paar Begriffe, die ich vorab definieren will:


Pegel:

Die Stärke eines Signals. Es wird normalerweise relativ zu einem definierten Bezugspunkt gemessen, wozu natürlich klar sein muß welcher Bezugspunkt gemeint ist. In der Akustik ist ein mit dB bezeichnetes logarithmisches Maß sehr weit verbreitet, weil das Ohr selbst eine logarithmische Empfindlichkeitscharakteristik hat. Eine Verstärkung um den Faktor 10 wird so zu einer Erhöhung des Pegels um 20dB - aus einer Multiplikation wird so eine Addition, was einfacher ist. Wenn der Bezugspunkt nicht angegeben ist, dann muß er aus dem Zusammenhang geschlossen werden. Wenn also z.B die Verstärkung eines Verstärkers mit 40dB angegeben ist, dann ist damit der Pegel am Ausgang, bezogen auf den Eingang, gemeint. Mit anderen Worten: Der Pegel am Ausgang ist um 40dB höher als der am Eingang.


Nennpegel:

Ein mehr oder weniger willkürlich festgelegter Pegel für ein "normales" Signal. Aussteuerungsanzeigen zeigen oft 0dB bei diesem Nennpegel an, das heißt die Anzeige erfolgt bezogen auf den Nennpegel. Die Idee dabei ist daß bei einem gut ausgesteuerten Musiksignal die Anzeige in etwa um den Nennpegel herum schwanken sollte. Eine solche Situation findet man in der Regel bei analogen Geräten.


Maximalpegel:

Diesen Pegel kann ein Gerät gerade noch verarbeiten, ohne nennenswerte Verzerrungen zu produzieren. Wird dieser Pegel überschritten, dann stellen sich Verzerrungen in einem Maß ein, die als nicht mehr tolerabel angesehen werden, es verschlechtert sich also der Klang. Bei manchen Geräten, insbesondere digitalen, ist die Grenze sehr scharf, und der Maximalpegel kann genau angegeben werden. Bei anderen Geräte, wie z.B. Gitarrenverstärkern, ist die Grenze fließend und hängt davon ab was man noch als akzeptable Verzerrung ansieht und was nicht. In solchen Fällen muß man der Vollständigkeit halber wissen, bei welchen Bedingungen der Pegel gemessen wird und welche Verzerrungen dabei auftreten.


Clipping (Übersteuern):

Der Effekt, der sich bei den meisten Geräten einstellt, wenn der Maximalpegel überschritten wird. Signalspitzen werden abgeschnitten. Der Klang wird dadurch "härter" und unangenehm. Bei Digitalgeräten ist der Einsatz des Clipping abrupt, das heißt unmittelbar unter der Grenze treten noch keine Verzerrungen auf, darüber sind sie deutlich merkbar (hard clipping). Manche Analoggeräte haben einen Übergangsbereich in dem die Verzerrungen allmählich zunehmen bevor die absolute Pegelgrenze erreicht ist (soft clipping). In den meisten Analoggeräten ist die interne Betriebsspannung der begrenzende Faktor, durch den die Clippinggrenze gegeben ist. In Digitalgeräten ist es der für die Codierung verfügbare Zahlenbereich - es gibt immer eine größtmögliche Zahl, die noch darstellbar ist, und die die Clippinggrenze markiert.


Headroom (Aussteuerungsreserve):

Unterschied zwischen Nennpegel und Maximalpegel. Headroom ist erforderlich, damit nicht sofort Clipping auftritt wenn einmal eine etwas lautere Stelle im Musiksignal auftritt. Es ist von der Art des Signals abhängig, wieviel Headroom in der Praxis nötig ist, daher gibt es dafür keine allgemeingültigen Normen, bzw. es gibt mehrere verschiedene Normen.


Rauschpegel:

Pegel des immer vorhandenen Grundrauschens. Dieses entsteht in der Anlage, und es verdeckt oder beeinträchtigt unter Umständen leise Stellen im Audiosignal.


Signal-Rausch-Abstand:

Unterschied zwischen Rauschpegel und Maximalpegel. Das ist der für das Audiosignal nutzbare Bereich.


Dynamik:

Unterschied zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Pegel in einem Audiosignal. Diese ist sehr stark von der Art des Signals abhängig. Popmusik kommt z.B. üblicherweise mit wesentlich weniger Dynamik aus als klassische Musik. Die Dynamik eines Musiksignals erzeugt einen gewissen "Bedarf" an Signal-Rausch-Abstand und an Headroom in der Anlage, denn die höchsten auftretenden Pegel sollen nicht durch Clipping beeinträchtigt sein, während bei den niedrigsten Pegeln das Grundrauschen noch nicht stören soll.


Footroom:

Pegelunterschied zum Grundrauschen, bei dessen Überschreitung das Musiksignal nicht mehr merklich durch das Grundrauschen beeinträchtigt wird. Die leiseste Stelle (die mit dem geringsten Pegel) eines Audiosignals sollte also im Pegel um mindestens den Footroom über dem Rauschpegel liegen, sonst rauscht es in den leisesten Stellen zu stark. Daraus ergibt sich die Beziehung, daß die für das Audiosignal zur Verfügung stehende Dynamik gleich dem Signal-Rausch-Abstand abzüglich dem Footroom ist. Für den Footroom gibt's keine Norm, es ist dem Geschmack des Einzelnen überlassen, welche Werte hier noch tolerabel sind.


Effektivwert:

Der Pegel wird nicht gemessen, indem man die Momentanwerte der Signale mißt, denn diese änder sich ja ständig. Schon im einfachsten Fall ist ein Audiosignal ja eine Sinuskurve, und reale Audiosignale sind noch viel komplizierter. Man mittelt also das Signal über die Zeit in geeigneter Weise. Für stationäre Signale (z.B. ein konstanter Ton wie von einer Orgelpfeife) mißt man den Effektivwert, indem man die quadrierten Amplituden über die Zeit aufsummiert. Der sich ergebende Wert pro Zeiteinheit ist der Effektivwert. Bei nicht stationären Signalen wie realer Musik muß man Kompromisse zwischen Genauigkeit und Reaktionszeit machen, weil man nicht beliebig lange mitteln kann.


Spitzenwert:

Die höchste aufgetretene Amplitude (Momentanwert) des Signals in einer Zeitperiode.


Crestfaktor (Scheitelfaktor):

Verhältnis von Spitzenwert zu Effektivwert. Ein Rechtecksignal hat einen Crestfaktor von 1, ein Sinussignal von 1,41 (= Wurzel(2)). Musik hat oft Crestfaktoren von 5 oder höher. Der Crestfaktor eines Audiosignals stellt bestimmte Anforderungen an den Headroom der beteiligten Geräte. Für Sinussignale mit Crestfaktor von 1,41 ist kein Headroom nötig, ein Headroom von 20dB erlaubt Crestfaktoren von bis zu 14,1.



Mit diesem Vokabular bewaffnet können wir jetzt unsere Pegelbetrachtungen anstellen. Ziel des Einpegelns ist es, die beteiligten Geräte bestmöglich auszunutzen, um Signalverschlechterungen zu vermeiden. Damit verbunden ist die Frage, wie sich die technischen Daten wie Signal-Rausch-Abstand entwickeln, wenn man einzelne Geräte miteinander kombiniert. Wir rechnen das daher anhand eines einfachen Beispiels einmal durch. Das Beispiel sei ein CD-Spieler, der an einen Vollverstärker angeschlossen ist. Der Vollverstärker bestehe bloß aus einem Lautstärkepoti mit nachfolgendem Endverstärker, das heißt wir ignorieren eine eventuelle Klangregelung und/oder Signalumschaltung.

Die relevanten technischen Daten seien wie folgt (aus der Dokumentation der Geräte oder durch Messung gewonnen):

Der CD-Spieler hat einen Ausgangspegel von 6dBV = 2V eff für ein Sinussignal mit maximalem Pegel (0dBFS). Der Signal-Rauschabstand beträgt dabei 95dB. Lautstärkeeinstellung gibt's im CD-Spieler nicht.

Der Verstärker produziert 250W an 4 Ohm pro Kanal bevor das Clipping einsetzt, und braucht bei voll aufgedrehtem Lautstärkesteller dafür ein Eingangssignal von 245mV eff = -12,2dBV. Der Signal-Rausch-Abstand ist dabei 100dB.

Daraus folgt:

o Der maximale Ausgangspegel des Verstärkers ist 30dBV = 31,6V eff

o Die Verstärkung beträgt 42,2dB

o Der Pegel des Eigenrauschens am Verstärkerausgang ist -70dBV. Auf den Verstärkereingang umgerechnet ist das -112,2dBV

o Der Rauschpegel am Ausgang des CD-Spielers ist -89dBV

o Bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler überwiegt also das Rauschen des CD-Spielers bei weitem.

o Der CD-Spieler bringt den Verstärker leicht zum Übersteuern, wenn der Lautstärkeregler voll aufgedreht ist. Um den vollen Dynamikumfang der CD zu nutzen, muß man den Laustärkesteller auf eine Abschwächung von 18,2dB einstellen. Dann gehen CD-Spieler und Verstärker zugleich in die Übersteuerung.

o Das Zurückdrehen des Lautstärkereglers auf 18,2dB Abschwächung reduziert auch das Rauschen entsprechend, weil es das Rauschen des CD-Spielers ist, welches überwiegt.

o Wenn der Lautstärkesteller auf 23,2dB Abschwächung heruntergedreht wird, dann ist der Rauschbeitrag des CD-Spielers und des Verstärkers gleich groß. Bei noch weiter heruntergedrehtem Regler dominiert das Rauschen des Verstärkers.


Wir haben also 3 Bereiche des Lautstärkereglers:

o Für ganz heruntergedrehte Lautstärke bis hin zu 23,2dB Abschwächung hört man das Eigenrauschen des Verstärkers, und die technischen Daten des CD-Spielers werden nicht voll ausgenutzt.

o Für Einstellungen zwischen 23,2dB und 18,2dB Abschwächung werden die Möglichkeiten des CD-Spielers voll ausgenutzt, ohne den Verstärker zu übersteuern.

o Für Abschwächungen unter 18,2dB kann man den Dynamikumfang des CD-Spielers nicht mehr voll ausnutzen, weil sonst der Verstärker übersteuert.

Wenn also der mittlere Fall eine normale Abhörlautstärke produziert, die im täglichen Gebrauch benutzt wird, dann ist die Anlage bestmöglich eingepegelt. Wenn das nicht so ist, dann sind die im praktischen Betrieb erreichten technischen Daten der Gesamtanlage deutlich schlechter als die der Einzelkomponenten.

Es fällt auf, daß die besten Werte nicht unbedingt bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler erreicht werden. Entsprechend kann man unter Umständen durch Einsatz eines geeigneten Abschwächers die Daten einer Anlage verbessern, auch wenn das auf den ersten Blick paradox erscheint. Bei komplizierteren Konstellationen wird es daher immer wichtiger, die Pegel an den verschiedenen Verbindungsstellen passend auszulegen.
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