Schallplatten-Direktschnitte (Vinylrecorder) - Ein kurzer Erfahrungsbericht

Schon seit vielen Jahren gibt es etliche Anbieter, die den Direktschnitt von Schallplatten-Einzelstücken - meist mit dem Souri Vinylrecorder - anbieten.
Nachdem es im Netz praktisch keine ernsthaften Erfahrungsberichte zu den unterschiedlichen Anbietern gibt, möchte ich hier kurz etwas darüber erzählen.

Ich habe zwischen 2007 und 2015 bislang 5 Platten bei 4 verschiedenen Anbietern schneiden lassen, mit sehr unterschiedlichen Resultaten. Diese reichen von völlig unbrauchbar bis nahe an einer guten Pressung.
Geschnitten wurden die Platten alle mit 33rpm, doppelseitig, Länge pro Seite zwischen 10 und 15 Minuten. Die für den Schnitt eingesandten Titel wurden von mir in keiner Weise speziell für den Vinyl-Schnitt aufbereitet.
Die Preise der Anbieter unterscheiden sich nicht großartig und liegen derzeit bei rund 40€ für eine doppelseitige LP mit 33rpm und ~12 Minuten pro Seite.
Anmerken möchte ich noch, dass seit meinen ersten Aufträgen schon etliche Jahre vergangen sind, die Ergebnisse von damals lassen sich also nicht zwingend auf heute übertragen - Der Mensch lernt ja bekanntlich dazu, Personal kann sich verändern, besseres Equipment wird angeschafft, usw.

Also, hier meine Erfahrungen mit den unterschiedlichen Anbietern, in chronologischer Reihenfolge:

Timitus Records [www.vinyl-recording.de], 2007
Musikrichtung: Bunte Mischung aus Pop, Rock, Hiphop [u.a. Finch, Revolverheld, Smashing Pumpkins, Hubert von Goisern, Fiva MC]
Störgeräusche: Absolut kein Knistern, Rauschen mit durchschnittlicher Pressung vergleichbar. Leichter Pfeifton mit ca. 1kHz auf der gesamten Platte, aber nur bei Stille zwischen den Tracks hörbar und kaum störend.
Frequenzgang: Relativ linear, Bässe geringfügig reduziert. Deutlicher Höhenabfall zur Plattenmitte hin.
Verzerrungen: Im äußeren Bereich sehr gut, zur Plattenmitte hin zunehmende Verzerrungen und Abfall der Höhen, der jeweils letzte Titel auf jeder Seite ist nicht mehr wirklich zu genießen.
Dynamik: Im Vergleich zum Original deutlich reduziert
Kanaltrennung: Insgesamt schlecht; hier gibt es interessanterweise deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Titeln, bei einigen ist die Kanaltrennung ok, andere sind praktisch Mono, hier lassen sich Stereoeffekte nur mit viel Phantasie erahnen.
Sonstiges: Leichte, hörbare Gleichlaufschwankungen ("flattern"), außerdem läuft die Platte insgesamt einen Tick zu schnell. Beides aber noch in tolerierbarem Ausmaß.

Highhat Studios (Wien), 2008
(bieten aktuell m.W. keine Vinylschnitte mehr an)
Musikrichtung: Mischung aus Rock und Hiphop [Tomte, Jan Delay, Angels&Airwaves,...]
Störgeräusche: Im Vergleich zu den anderen Kandidaten etwas stärkeres Rauschen. Kein Knistern, keine sonstigen Störgeräusche.
Frequenzgang: Bässe und Höhen sehr stark beschnitten; gefühlt würde ich sagen, viel mehr als 100Hz - 10kHz gibt der Frequenzgang nicht her
Verzerrungen: Deutliche Verzerrungen auf der gesamten Platte. Zur Plattenmitte hin wird es zunehmend völlig ungenießbar.
Dynamik: Sehr stark reduziert, hier ist der Kompressor wohl durchgehend am Limit gelaufen.
Kanaltrennung: Gut. Das rettet den grauenvollen Gesamtklang aber leider auch nicht mehr.
Insgesamt würde ich diese Platte als unbrauchbar bezeichnen.

Dr. Dub, 2013
Musikrichtung: Hauptsächlich Pop & Rock der 70er-80er [Simon&Garfunkel, Tommy Roe, France Gall, Madonna, Vanessa Paradis,...]
Störgeräusche: Gering, mit guter Pressung vergleichbar. Leichter 50Hz-Brumm im Hintergrund.
Frequenzgang: Bässe leicht und Höhen sehr stark angehoben, Mitten abgesenkt. Die Höhenanhebung ist dermaßen extrem, dass die Platte ohne Einsatz eines Equalizers nur unter Schmerzen zu ertragen ist. Absenkung der Höhen oberhalb von 8-10kHz um 12dB bringt Linderung.
Verzerrungen: S-Laute zischeln ganz extrem, was vermutlich auch an der extremem Anhebung der Höhen liegt. Zur Plattenmitte hin geringfügige Verstärkung der Verzerrungen.
Dynamik: Sehr gut, mit dem Original vergleichbar, keine hörbare Kompression
Kanaltrennung: Sehr gut
Die Platte wäre eigentlich sehr gut, wenn nur dieser grausam verbogene Frequenzgang nicht wäre.
Dr. Dub bietet gegen einen Aufpreis auch das Schneiden auf einer Neumann Mastermashine statt dem Vinylrecorder an, wobei mit einem sehr linearen Frequenzgang geworben wird. Das wäre irgendwann mal einen Versuch wert, auch wenn der Preis schon etwas weh tut.

Duophonic, 2015
Musikrichtung: Rock/Metal, Eigenproduktion mit einer befreundeten Band
Störgeräusche: Sehr gut. Kein einziger Knackser, minimales Rauschen, ganz leises Brummen in den Pausen wahrnehmbar aber keinesfalls störend.
Frequenzgang: Mitten um ca. 3-4dB abgesenkt und im Panorama etwas nach rechts verschoben, dadurch leicht unnatürlicher Klang. Ansonsten sehr gut.
Verzerrungen: Keine. Auch zur Plattenmitte hin keine wahrnehmbare Qualitätsverschlechterung.
Dynamik: Gut. Teilweise gehen manche Instrumente etwas unter, wobei ich mir nicht ganz sicher bin, woran das liegt.
Kanaltrennung: Sehr gut
Insgesamt die mit Abstand beste der geschnittenen Platten. Abgesehen von dem etwas verbogenen Frequenzgang durchaus mit einer guten Pressung vergleichbar.
Hier werde ich das nächste mal versuchen, die Mitten um den entsprechenden Faktor anzuheben, bevor ich das Originalmaterial einsende - Theoretisch sollte sich so der Frequenzgang geradebügeln lassen.
Von dieser Platte habe ich hier eine kleine Hörprobe im Vergleich zum Original anzubieten (aus Platzgründen hier beides als MP3 mit 320kbps). Bei den anderen Platten kann ich leider keine Hörproben öffentlich zur Verfügung stellen, da es sich dort um urheberrechtlich geschütztes Material handelt.
[Abgespielt auf Rega P3-24 mit Goldring 2500, modifizierter Cambridge 540p Preamp, digitalisiert mit Denon DN-500R]
Original | LP

Falls es noch andere Erfahrungen zu Vinyl-Direktschnitten gibt, nur her damit ;-)