Intention hinter speziellen „Soundbearbeitungen“ bei Musikproduktionen

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hifi_raptor
Inventar
#1 erstellt: 18. Jun 2023, 13:11
Morgen
In einem anderen Thread zum Thema HiRes habe ich die Frage gestellt welchen Sinn, oder welche Intention, hinter dem Begriff Q-Sound steckt.
Es gab eine Zeit lang CD‘s in dem Format, und ist als solches auch beworben worden. Ich weiß allerdings nicht wie viele Produktionen es mit Q-Sound gab.
Den von mir dabei verwendeten Begriff „Soundverbiegung“ verwende ich jetzt mal nicht.

Es gibt mittlerweile viele Methoden der Soundbearbeitung, die denn auch als solche beworben werden. Das dahinter stehende Marketing verkauft es ja dann als Garant für besonders guten Klang.

Als da wären: MQA, Apple Digital Master, Chesky’s Binaural(+) Recordings, HDCD und andere die mir gerade nicht einfallen. Mit der Bitte um Ergänzung.

Für Q-Sound und Apple Digital Master und letztlich auch für Binaural Recordings brauche ich keine Decoder um mir sie anzuhören. Hingegen MQA und HDCD benötigt Decoder, wobei es bei HDCD eben CD Player mit entsprechender HW brauchte um in den Genuss des „Klangvorteils“ zu kommen.

Wobei die Binauralen Produktion eher für KH gemacht und sich über LS gruselig anhören. Warum gibt es dann aber nicht auch zwei Ausführungen eines Albums?

Meines Wissens ist HDCD aber kein Thema mehr. Womit wir wieder bei den berüchtigten Obsoleszenzen wären.
Man weiß aber auch nicht wie lange MQA ein Thema sein wird.

Wie wir wissen wird ja bei der Produktion von LP der Frequenzgang „verbogen“ und durch die Phonovorstufe wieder entzerrt. Hier ist eine Abgrenzung zu den vg. Verfahren notwendig. Wohl wird aber für LP‘s anders gemastert wie für CD oder moderne rein digitale Produktionen. Auch hier ist eine Abgrenzung notwendig.

Warum werden vom Produzenten der Musik vg. Ansätze verfolgt? DenN es stecken nun mal technische jeweils anders geartete Verfahren dahinter.
Nur Marketing und Abgrenzung zu anderen gleichartigen Produkten (Musik) kann es ja nicht sein.
Und warum werden dann vg. Verfahren nicht Standard wenn sie denn einen wie auch immer gearteten Klangvorteil hätten?

Ich hole mir jetzt erst einmal einen Kaffee

Schönen Restsonntag


[Beitrag von hifi_raptor am 18. Jun 2023, 13:44 bearbeitet]
flexiJazzfan
Inventar
#2 erstellt: 18. Jun 2023, 14:01
Q-Sound ist ja eine Firma, die viele Produkte anbietet (http://www.qsound.com/products/mqfx.htm ) , die wohl in der Abmischung als auch in der Wiedergabe verwendet werden. Ich vermute, dass die Software schon in vielen Smartphones implantiert ist und die Funktionen im „Normalbetrieb“ bereits arbeiten oder aber unter verschiedenen Wunscheinstellungen aufgerufen werden. In der Handyfotografie (und auch bei Kameras) sind ja auch bereits einige, den Kunden nicht bekannte (!), Funktionen z.B. zur Schärfe- und Kontrastverbesserung eingebaut. Es würde mich schon interessieren inwieweit das bei Audiowiedergabegeräten auch der Fall ist.
MQA ist dagegen ein ganzes System, das die Aufnahmetechnik, die Komprimierung, als auch die Wiedergabehardware und die DA Wandlung berücksichtigt. So weit ich verstanden habe, ist der Vorteil für den Anwender, dass HighRes Daten in den normalen wav und flac Containern abwärtskompatibel (!) mitgeliefert werden. D.h. man kann entweder normal in CD Qualität abspielen oder mit den entsprechend vorbereiteten Geräten auch die Highres Qualität abspielen. Wie so oft, bleibt bei festen Software-Hardware Kombinationen der Kunde auf der Strecke – siehe Mikrosoft und Apple oder die Smartphonesysteme.
Gruß
Rainer
srabu
Stammgast
#3 erstellt: 18. Jun 2023, 14:36

hifi_raptor (Beitrag #1) schrieb:
Morgen […] Ich hole mir jetzt erst einmal einen Kaffee

Moin,
dann sippe ich mal an meinem Tee und versuche zu antworten

QSound und Binaural Recording sind Techniken beim 2ten Schritt der Produktion (1. Recording, 2. Mixing / Production, 3. Mastering). Beide haben als Zielformat einen Stereo-Master, sind also wie du richtig bemerkst ohne Hilfsmittel auf einem Stereo-System abspielbar. Es gibt noch mehr Gemeinsamkeiten: Beide funktionieren sehr gut mit Kopfhörern oder einer guten Nahfeld-Abhöre, aber schlecht im Wohnzimmer. Deshalb haben sich auch beide nicht durchgesetzt, obwohl QSound sogar irgendwann mal Plugins für ProTools & co angeboten hat.

QSound "QSystem II" war ein 19“ Gerät, welches Anfang der 90ger gerne eingesetzt wurde. So schaute das aus:

qsystemii

Man beachte den Joystick. Damit konnte man Monosignale im 3D Raum anordnen und bewegen. Die Ausgabe war Stereo und konnte ins Pult und damit in den Rest des Mixes eingefügt werden. Das Ding war nicht billig und auch nicht trivial zu bedienen, aber ungeheuer spaßig.

Mein Lieblingsbeispiel für den Einsatz des QSystems ist das (wie ich finde technisch brillante) Album „Amuse To Death“ (Roger Waters).

Technisch handelt es sich dabei um einen Filteralgorithmus, ausgeführt auf einem von dem kanadischen Unternehmen selbst entworfenen DSP System. Der Algorithmus nutzt die Tatsache aus, dass ein Mensch alles, was am linken Ohr ankommt, auch mit dem rechten Ohr hören kann. Allerdings mit anderer Lautstärke, mit einem anderen Spektrum (EQ) und natürlich zeitversetzt. Das Hirn kann daraus ableiten, wo die Schallquelle sich im Raum befindet. Weil wir über 2 Ohren verfügen, kann man also Raumklang in der Theorie mit 2 Schallquellen perfekt simulieren. Warum sind dann im Kino Multikanalsysteme installiert und warum gibt es Atmos? Weil wir Menschen den Kopf manchmal beim Hören bewegen, auch zur genaueren Orientierung wo der Schall herkommt. Und weil die Räume nicht perfekt sind.

Es gab noch ein sehr beliebtes System: Roland RSS. Das hat mit Crosstalk-Cancellation gearbeitet und war viel weiter verbreitet als QSound glaube ich, ist aber auf Veröffentlichungen meines Wissens nicht erwähnt worden und daher nur bei Tonschaffenden aus der Zeit ein Begriff.

Die dahinter liegenden Techniken kommen in sehr vielen modernen Produktionen in Form von „Binaural Panning“ und modernen Reverb-DSPs (Hall-Systemen) weiterhin zum Einsatz und war durchaus auch schon vor QSound & co en vogue.
Eigentlich handelt es sich um ausgefeilte Varianten des Stereo-Mixes. Mit dem Pan-Pod regelst du Links / Mitte / Rechts und alles dazwischen. Mit einem Reverb kannst du beeinflussen, ob die Quelle nah oder fern vom Hörer wahrgenommen wird. Die meisten Mixer denken dreidimensional bei der Arbeit, also in "Hoch, tief und weit". Mit Tricks (Phasendifferenzen) kann man bei Bedarf das Signal so massieren, dass es scheinbar von außerhalb der Lautsprecher kommt statt innerhalb des Klangfeldes.

Das ist sehr (!) grob erklärt. Für mehr Details braucht es reichlich Grundwissen.

So, die Teetasse ist leer.
Zu MQA und HDCD schreibe ich gerne später mehr, wenn gewünscht.
hifi_raptor
Inventar
#4 erstellt: 18. Jun 2023, 14:49
Gerne mehr dazu haben (wir) ich den Thread eröffnet.

srabu schrieb: Mit Tricks (Phasendifferenzen) kann man bei Bedarf das Signal so massieren, dass es scheinbar von außerhalb der Lautsprecher kommt statt innerhalb des Klangfeldes.

Okay was man z.B. auf der The Superior Sound of Elton John so auch wahrnehmen kann!

Gruß
flexiJazzfan
Inventar
#5 erstellt: 18. Jun 2023, 14:57
Wie mein Link ja schön darstellt, hat QSoundlabs (inzwischen) eine ganze Produktpalette von der ich nicht so richtig einordnen kann in welchen Stufen der Musikproduktion sie verwendet werden. Meiner Meinung nach sind sie wohl nach der ersten AD Wandlung (eigentlich also nach einem USB Mikrofon) schon einsetzbar und später bei allen Digitalfiles !?
Gruß
Rainer


[Beitrag von flexiJazzfan am 18. Jun 2023, 14:58 bearbeitet]
srabu
Stammgast
#6 erstellt: 18. Jun 2023, 16:17

hifi_raptor (Beitrag #4) schrieb:
Mit Tricks (Phasendifferenzen) kann man bei Bedarf das Signal so massieren, dass es scheinbar von außerhalb der Lautsprecher kommt statt innerhalb des Klangfeldes.

Ich versuche mich mal an einer einfachen Erklärung.
Du nimmst ein Mono-Signal und drehst den Pan-Regler langsam von der Mitte (das Signal ist auf beiden Lautsprechern gleich laut) nach links. Am Anschlag ("hart links") hörst du das Signal nur noch aus dem linken Lautsprecher, hast es also im Panorama verschoben.
Du möchtest das Signal aber noch weiter links platzieren. Dazu legst du das identische Mono-Signal auf einen weiteren Kanal des Mixers ("Parallel Channel"). Der Volumen-Regler des neuen Kanals steht auf 0. Dann invertierst du das Signal und drehst den Pan-Regler auf diesem neuen Kanal auf hart rechts. Jetzt langsam den Volumen-Regler hochschieben. Im Kopf wandert das Signal ausserhalb der Bühne weiter nach links, obwohl du technisch das invertierte Signal auf dem rechten Lautsprecher beimischt. Das nennt sich "Crosstalk-Cancellation". In Maßen eingesetzt ein tolles Tool, es hat aber ein paar unschöne Nebenwirkungen ("Mono-Kompatibilität") und sollte daher im Mix mit Bedacht eingesetzt werden.


flexiJazzfan (Beitrag #5) schrieb:
Wie mein Link ja schön darstellt, hat QSoundlabs (inzwischen) eine ganze Produktpalette von der ich nicht so richtig einordnen kann in welchen Stufen der Musikproduktion sie verwendet werden. […]

Ich kann nur aus dem Studioalltag sprechen, und da hat QSound keine Bedeutung mehr beim Mixing. Beim Recording wurde es meines Wissens nie verwendet, macht auch keinen Sinn. Früher war es aus technischen Gründen Usus, bereits beim Recording EQ und Kompression einzusetzen. Da diese technischen Gründe nicht mehr relevant sind wird das immer seltener gemacht. Ein paar Traditionalisten (nettes Wort für "alte Säcke") wie ich setzen das gelegentlich ein, aber eher aus Workflow-Gründen und weil sie es halt mal so gelernt haben.
Wie es bei der Wiedergabe und entsprechenden Geräten ausschaut kann ich nicht einschätzen. Ich sehe aber, dass die Website welche du gefunden hast steinalt ist
Wenn du ein konkretes Gerät überprüfen möchtest, kannst du das mit einem Sum-and-Null Test schnell machen. Mir sind schon lange keine Geräte mit "Sounding" mehr untergekommen. Lediglich bei Software ("Player") fällt mir häufig auf, dass normalisiert (alle Stücke auf einen Pegel gebracht) wird, was mich persönlich nervt. Zum Glück kann man dieses "Feature" häufig ausschalten.
flexiJazzfan
Inventar
#7 erstellt: 18. Jun 2023, 16:54
@ srabu
Sehr erfrischend, deine Antwort, die räumt mit manchen hier gepflegten (Vor)urteilen über den Studioalltag etwas auf. Der „sum and null test“ leuchtet mir augenblicklich ein, ich habe das Invertieren bei Audacity (wie so vieles) noch nie genutzt. Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag.
Gruß
Rainer
srabu
Stammgast
#8 erstellt: 19. Jun 2023, 16:18
Sehr gerne Rainer, danke fürs Feedback!

Der „Sum-and-Null“ Test (auch „Sum to Zero“) erlebte seine Blütezeit im Studio, als Hybrid-Studios üblich waren.
Das war an der Schnittstelle zwischen analogem Studio und digitalem Studio. Aufnahme und Schnitt funktionierten sehr gut in der digitalen Welt und lange Cut-Nächte mit verlustbehafteten Kopien einzelner Spuren wurden durch wenigen Stunden an der Workstation ersetzt, digital und verlustfrei mit „Undo-Funktion“, ein riesiger Schritt. Aber das Mischen und die Nachbearbeitung funktionierten noch nicht in der Workstation, zumindest nicht in der gewünschten Qualität und Flexibilität. Man nutzte also die digitale Workstation als Ersatz für die Bandmaschinen und dazu das alte Pult und 19“ Schränke voll mit „Outboard“, teuren Geräten wie EQs, Kompressoren, Reverb, Delay, …
Einige davon waren digital und verfügten über eigene Wandler (Reverb, Delay), andere analog. Also baute man regelmäßig je nach Bedarf neue Ketten aus DAC (aus der Workstation), diversen Outboard-Geräten in der gewünschten Reihenfolge, ADC (zurück in die Workstation). Probleme mit Clock, Sync, inkompatiblen Formaten und noch nicht wirklich guten Wandlern waren an der Tagesordnung, also musste man jede neu zusammengesteckte Kette testen.

Im modernen Studio ist der Test hilfreich um zu prüfen, was Plattformen wie Spotify, Apple, Amazon mit dem gelieferten Master anstellen.

Für Hifi-Enthusiasten finde ich den Test spannend, weil man damit Geräte, Verbindungsarten, Kabel und Formate selbst erproben kann.
srabu
Stammgast
#9 erstellt: 19. Jun 2023, 16:55
@hifi_raptor
Ich habe dir noch meine 2 Cent zu MQA und HDCD versprochen.

HDCD war bei Tonschaffenden und Labels populär und man hoffte eine Zeit lang, damit die CD gegen mp3 Downloads zu verteidigen. Im Vergleich zum CD Format erhält man einen erweiterten Dynamikumfang, was technisch unnötig ist, aber zu der Zeit seine Fürsprecher hatte. Das Format benötigte einen HDCD Decoder im Player und hielt sein Versprechen, auch auf Standard CD Playern abspielbar zu sein, nur bedingt ein: Ohne den Decoder gab es Verzerrung bei Peaks. Obsolet wurde das Format denke ich weil (i) Microsoft es gekauft hat und (ii) SACD und DVD-Audio im Anmarsch waren, bevor dann (iii) die silberne Scheibe ganz aus der Mode kam.

MQA lehne ich persönlich ab, wie auch jeder Tonschaffende, den ich kenne. Ich denke, dass die Welt kein weiteres „HiRes“ Format braucht und schon gar kein verlustbehaftetes Format mit Lizenzgebühren. FLAC z.B. kann Audio verlustfrei komprimieren und kommt ohne Lizenzgebühren aus. Man kann sich das vorstellen wie eine ZIP Datei auf dem Rechner. Bei FLAC Kompression kommt beim Auspacken genau das heraus, was eingepackt wurde. Bei MQA nicht und es fallen zusätzlich Lizenzgebühren an.
hifi_raptor
Inventar
#10 erstellt: 19. Jun 2023, 17:28
Merci
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