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Wann ist Klassik Klassik?+A -A |
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Autor |
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Wilke
Inventar |
#1 erstellt: 24. Apr 2012, 06:54 | |||
Gestern habe ich mir im Konzert das Konzert für Cello und Blasorchester .vom Komponisten Friedrich Gulda angehört. Der erste Satz war ziemlich jazzig, die anderen eher klassisch. Für mich ist zum ersten mal die Frage aufgekommen: wann sind klassische Kompositionen klassische Kompositionen? Wie ist Eure Meinung dazu? Gibt es Kriterien? gruß RAlf. |
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Hörbert
Inventar |
#2 erstellt: 25. Apr 2012, 04:59 | |||
Hallo! Eindeutige Kiterien wird es hier wohl schwerlich geben da man kaum ein Kriterium finden wird das sich im Verlauf der letzten vier Jahrhunderte nicht geändert hat. Selbst schieinbar auffällige Kriterien wie die über den bloßen Unterhaltungs- und Gebrauchswert hinausgehende Qualität der Musik, neue Methoden der Komposition oder auch hohe Komplexität halten bei näherer Betrachtung als Selektionsmwerkmale nicht stand, -So waren z.B. Bachs Kantaten und Oratorien zu ihrer Zeit bloße "Gebrauchsmusik" und auch viele Werke von späteren Künstlern bis hin zu Bartok, Schönberg so wie auch aktueller Komponisten sind zweckgebundene Schöpfungen z.B. Filmmusik (z.B. von Henze, Pettersson oder Kagel) die durchaus zu "Klassikern" werden können. Ich denke mal das einzige was hier zuverlässig wirkt um Werke zu "Klssikern" zu machen ist der Zahn der Zeit. MFG Günther |
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Pilotcutter
Administrator |
#3 erstellt: 25. Apr 2012, 10:07 | |||
Der Terminus "klassische Musik" ist selten dehnbar und selten verunglimpft. Für einige ist alles was vor 17 Hundert und nach 19 Hundert komponiert wurde, keine "klassische Musik", weil klassische Komposistion nur in bestimmten Zeitepochen überhaupt stattgefunden hat, während andere von "klassisch" reden, wenn David Garret "Nothing else matters" fidelt. Sehr, sehr, sehr streng genommen kann Friedrich Gulda - epochal gesehen - keine klassische Komposition verfasst haben, weil er in keiner Epoche der klassischen Musik gelebt hat. Das gleiche gälte dann auch für bspw. Corelli und Purcell. Die haben auch keine klassischen Kompositionen geliefert, weil sie ebenfalls nicht in der "Klassik" gelebt haben. Wenn also jemand 1950 oder am 25. April 2012 etwas für Streicher mit Klavier komponiert, was zum Verwechseln ähnlich nach Beethoven's Tripelkonzert klingt, ist es im grunde genommen keine "klassische Komposition". Es ist - auch epochal besehen - nicht einmal "romantische Musik". Selbst wenn sie im romantischen Restaurant zu romantischem Candlelight-Dinner gespielt wird, ist's keine romantische Musik. Die Epoche der Klassik ist vorbei und die Epoche der Romantik ist vorbei. Also kann heute so gesehen keiner mehr klassische Kompositionen abliefern. Es gibt heute noch Komponisten, die - wie Du meinst - klassische Kompositionen schreiben. Einen, den ich immer gerne nenne, ist Thomas Schmidt-Kowalski, bei mir in der Nähe, aus Oldenburg. 1949 geboren und noch am Leben - also diesseits aller klassischen Epochen.
Gleichwohl er, seiner Meinung nach, romantische Musik schreibt, ordnet man ihn schlichtweg unter Neoromantik ein, weil die Romantik spätestens zur Spätromantik irgendwo nach Mahler Schluss war. Er greift lediglich die Romantik auf und knüpft dort an! Zurückholen kann er sie nicht. Also sind klassische Kompositionen, Kompositionen aus der Zeit-Epoche Klassik, Frühklassik oder Wiener Klassik. Der Begriff klassische Kompositionen ist also eigentlich ein epochaler Begriff und kein - wie Du wahrscheinlich meinst - klanglicher und tonaler Begriff. Also wenn man heute "klassisch" oder "romantisch" komponiert und vorträgt hat man keine klassische Musik oder romantische Musik. Man verwendet bestenfalls klassische Themen oder Stile, oder greift sie auf, oder knüpft an sie an. Einordnen könnte man es wie folgt:
Gruß. Olaf [Beitrag von Pilotcutter am 25. Apr 2012, 12:03 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#4 erstellt: 25. Apr 2012, 13:32 | |||
Hallo! @Pilotcutter Nun ja Neoklassizistisch komponiert heutzutage auch kaum noch jemand, diese Stilrichtung hat genau wie die serielle Musik oder die tradionelle Zwölftontechnik ihre Zeit gehabt. Aktuelle Werke entziehen sich in der Regel einer Einordnung, ihre Wurzeln finden sich zwar in den unterschiedlichen Strömungen des 20. Jahrunderts wieder aber sie sind ihnen nicht verpflichtet. Ein Werk wie z.B. " limitet appoximations" von Georg Friderich Haas läßt sich nicht ohne weiteres in eine der geläufigen Schubladen stecken. Darin steckt aber auch ein gutes Stück Normalität, nach den Umbrüchen des 20. Jahrunderts ist es m.E. wieder einmal an der Zeit das sich die aktuelle Musik mit den neugewonnenen Freiheiten und Erungenschaften allmählich konsolidiert. MFG Günther |
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Klassikkonsument
Inventar |
#5 erstellt: 25. Apr 2012, 13:49 | |||
Wir hatten vor Längerem die Diskussion schon mal. Und da machte sich Aladdin Wunderlampe für eine ganz pragmatische Herangehensweise stark: Klassik ist das, was im Plattenladen darunter eingereiht wird. Na ja, ich finde den Begriff "Kunstmusik" immer noch nicht ganz abwegig. |
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Pilotcutter
Administrator |
#6 erstellt: 25. Apr 2012, 14:24 | |||
Genau, denn Epochen lassen sich auch erst dann einteilen und bennen, wenn sie vorüber sind. Die Menschen in der Bronzezeit wussten genausowenig dass sie in der "Bronzezeit" leben, wie die Autobauer der "Goldenen Zwanziger", dass sie in selbigen leben und "Vorkriegsmodelle" entwerfen Ich wollte eben nur den epochalen Ton anschlagen, weil Ralf's Frage ja in die Richtung ging, dass man Musik gemäß ihrer Tonalität oder Struktur in klassische oder jazzige Musik unterscheidet. Was man natürlich grundsätzlich machen kann, und jeder weiß was gemeint ist. Der Ausdruck "klassische Musik" an sich ist ja auch legitim und zu verwenden für Musik von den gregorianischen Mönchen über Bach und Schönberg bis eben Schmidt-Kowalski. Aber wann Kompositionen Klassik und wann Jazz sind, kann ich nicht sagen. Da geht es wahrscheinlich um die Strukturen und Elemente derer sich der Komponist bedient. Der Jazz hat da wahrscheinlich eher seine Grenzen als die sog. Klassik. Aber grundsätzlich hatte Gulda sich ja genau das auf die Fahne geschrieben, die Überwindung der Trennung von Klassik und Jazz, von ernster Musik und Unterhaltungsmusik. Deswegen trat er ja auch nicht selten sehr unkonventionell auf und hielt sich keineswegs and die "klassische" Aufführungspraxis der klassischen Musik. Auf der von Wilke gehörten CD ist Gulda damit wohl genau zu seinem Ziel gekommen, dass bei Wilke die Frage aufkommt, wo ist denn nun die Grenze und wann ist Klassik Klassik. Gruß. Olaf [Beitrag von Pilotcutter am 27. Apr 2012, 04:39 bearbeitet] |
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Hörbert
Inventar |
#7 erstellt: 25. Apr 2012, 20:17 | |||
Hallo! Das Tanz-/Unterhaltungsmusik in Werken so ziemlich aller Komponisten genau so oft vorkommt wie gerade akktuelle "neue" Musik ist ja nichts bemerkenswertes oder neues, vom Menuett über Walzer bis Jazz und aktueller Popmusik sind in den Kompositionen der vergangenen Jahrunderte immer wieder anklänge aufzufinden ebenso ist es umgekehrt, Atonale und polytonale Strukturen sind auch im Jazz und in der aktuellen Unterhaltungsmusik immer wieder zu finden. Das ist auch gut so, es zeigt das Musik respektive ihre Schöpfung immer noch eine lebendige Kunstform ist und noch nicht in ritueller Zelebration erstarrt. MFG Günther |
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Wilke
Inventar |
#8 erstellt: 26. Apr 2012, 06:54 | |||
Um nicht einen neuen thread aufmachen zu müssen, würdet Ihr die Operette als klassische Musik einordnen. Die Oper gehört für mich zur klassischen Musik - auch wenn ich keine Opern mag. gruß RAlf. |
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Hörbert
Inventar |
#9 erstellt: 26. Apr 2012, 12:35 | |||
Hallo! Nun, die Operette ist ein musikalisches Bühnenwerk daß aus dem tradionellen Singspiel vervorgeganggen ist und das man nicht gering schätzen sollte bloß weil sie eine Komödie statt eines Dramas ist. Ich sehe auch keinen Grund z.B. Jacques Offenbachs Buffonerien oder Paul Linkes "Frau Luna" anders einzuschätzen als Richard Strrausses "Arabella" oder den "Rosenkavalier". MFG Günther |
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flutedevoix
Stammgast |
#10 erstellt: 26. Apr 2012, 22:59 | |||
Ein Gedanke, der mir in der Diskussion noch fehlt, ist die Tatsache, daß man den Begriff "klassik" als Abgrenzung von anderen Musikrichtungen ja eigentlich erst im 20. Jahrhundert "erfindet". Bisdahin existierten zwar schon Unterschiede zwischen unterhatlender Musik und "hoher" Kunst. Beides wurde aber durchaus vom gleichen Komponisten geschaffen. - Neben höchst kunstvollen, ausdrucksstarken Madrigalen stehen leichte Frottole oder Vialneele, etwa bei Monteverdi - die Oper des 17. und 18. Jahrhunderts ist eigentlich Unterhaltungsmusik pur, was sowohl Aufführungsbedingungen als auch Zeti (sehr oft im Karneval!) verdeultichen - Menuette oder Deutsch Tänze von Mozart, Beethoven oder Schubert sind nichts anderes als Gebrauchsmusik - Im Liedschaffen des 19. Jahrhunderts scheint die Grenze zwischen Volka- und Kunstlied zumindest durchlässig, so schafft etwa Brahms Vertonungen von Volksliedern oder Lieder im Volkston. Noch heute singen Männerchöre 4 stimmige Liedsätze von Schubert ganz selbstverständlich neben Vertonungen von Friedrich Silcher oder (Volks-)Liedbearbeitungen des 20. Jh. Eine stilistische Grenze im Sinne von Klassik od. Nicht-Klassik läßt sich kaum ziehen. Erst im 20. Jh. grenzt man sich als E-Musik scharf von der U-Musik ab. Mit Schlager, Jazz und spät Rockn-Roll oder Volksmusik will man im klassischen Bereich nichts zu tun, erscheinen doch diese Genres zu wenig kunstvoll. (was natrülcih zumindest für den Jazz und z.T. auch Rock-Musik nicht stimmt). Aber zuurück zur Frage: Was ist Klassik? Ich denke, das ist nur sehr schwer zu beantworten: Formale Baupläne haben auch einfach Schlager (meist aus der Klassik übernommen), kompliziertere hermonische Strukturen finden sich auch im Jazz aber nicht zwangszweise in "Neuer Musik", Virtuosität ist beispielsweise auch inder Volksmusik anzutreffen. Auch ein wie immer gearteter bürgerlicher Anspruch an die Kunst, den Menschen zu bilden, zu sensibilisieren ist kein Alleinstellungsmerkmal der Klassik bzw. ist dort nicht zwangsläufig anzutreffen. Versuchen wir einmal einen Ansatz mit Werkbezug, in unserem Fall etwa das Cellokonzert von Gulda. Ich meine unbedingt, daß dies Klassik ist, da die Bezüge (Wahl der "klassischen".dreisätzigen Konzertfotm, formale Prinzipien im Binnenaufbau der Sätze, rhythmiswce und harmonische Muster) allgegenwärtig sind. |
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biokeks
Hat sich gelöscht |
#11 erstellt: 26. Apr 2012, 23:15 | |||
Rein von der Begrifflichkeit würde ich unbedingt "zeitlos" als Stichwort in die Diskussion werfen. Klassische Musik ist zeitlos, hält sich also über Zeiten/Generationen hinweg. Das würde zumindest erklären, warum eben vieles nicht zur klassischen Musik gehört. Populare Eintagsfliegen oder 70ger, 80ger, 90ger Phänomene haben eine recht kurze "Halbwertszeit" verglichen mit Bach, Mozart, Schütz und Consorten. Klassische Frisuren oder besser noch Klamotten unterstützen diese These ebenfalls. Aktuelle Modetrends, flippige HundM Teile, oder durch gestylte Haarfrisuren gelten nicht als klassisch. Ein weißes, schwarzes oder braunes Hemd dagegen wird schon seit über 200 Jahren getragen. Und das durch Kriege, Krisen und Generationen hindurch. Sowohl in der NS Zeit als auch in heutigen extrem Kapitalwelt ist man mit einem Hemd nie falsch angezogen gewesen. Klassische Musik wurde seit ihrer jeweiligen Entstehung bis heute gespielt, gehört und für "angemessen" empfunden. Als klassische Dramenthemen in der Literatur gelten Dinge, die jeden Menschen, egal aus welcher Zeit, betreffen. Liebe, Tod, Eifersucht, Gier, Vergänglichkeit, Macht, Sex und all die Bekannten Dinge. Die klassische deutsche Wohnzimmereinrichtung ist seit Generationen der große Holzschrank, ein Sofa und des Deutschen liebster Fernseher. Das hat sich bis heute nicht verändert; nur eben das Design des Schrankes, die Farbe des Sofas und die Technik des TVs. An der eigentlichen Sache ist aber alles gleich geblieben. Und so eben all das auch in der klassischen Musik Eine gute Nacht [Beitrag von biokeks am 26. Apr 2012, 23:18 bearbeitet] |
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flutedevoix
Stammgast |
#12 erstellt: 27. Apr 2012, 06:36 | |||
Der Ansatz, Klassik als zeitlos zu definieren, ist auch ambivalent., zumindest in der Musik: - Komponisten, die wir heute als "Klassiker der Klassik" ansehen (.zB. Vivaldi) wurden erst mühsam dieses Jahrhundert wiederentdeckt und mußtens ich auch gegen manche Widerstände 8z.B. Strawinsky) durchsetzen.. Ähnliches gilt für viele (die meisten) Komponisten vom Mittelalter bis zum 19. Jh. - Es gibt viele Lieder im Rock, die "klassisch" geworden sind und von ihrer Art und Weise durchaus als Klassik durchgehen könnten: Bohemian Rhapsody von Queen etwa oder einiges von den Beatles (Eleanor Rigby, Strawberry Fields). Dennoch würden wir sie nicht als Klassik bezeichnen. Verutlich weil sie stilistisch (unter anderem durch die Besetzung und den prominenten durchgehenden Baß) für uns eindeutig mit anderen Genres konnotiert sind. Auch an diesem Erklärungsversuch ist vieles richtig, er allein kann aber auch keine Definition für klassische Musik bieten. |
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Pilotcutter
Administrator |
#13 erstellt: 27. Apr 2012, 07:21 | |||
Wahrscheinlich muss sich dann 'mal ein Sprachwissenschaftler zu Wort melden. Ob der Terminus "Klassiker" (steht ja für ein altbewährtes, zeitloses, allgemeingültiges) denn unmittelbar mit der Epoche des Altertums (oder Musikepoche) in Verbindung steht, oder ob die Zeitgenossen um Vivaldi und Beethoven auch schon altbewährte Dinge des täglichen Lebens - wie Kutschen oder Schuhmodelle - kannten und sie "Klassiker" nannten, wie wir heute Monopoly, Jeanshose oder Passat Kombi etc. Wahrscheinlich nicht. Bei der einstigen Diskussion um die Romantik vs Neoromantik hatten wir "uns ja darauf geeinigt", dass das, was wir heute als "romantisch" bezeichnen, im direkten Zusammenhang mit der Epoche Romantik steht. Gruß. Olaf [Beitrag von Pilotcutter am 27. Apr 2012, 07:48 bearbeitet] |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#14 erstellt: 27. Apr 2012, 08:29 | |||
Die längste Zeit bezog sich "klassisch" in allererster Linie auf Kunst, Literatur und Philosophie der griechischen und römischen Antike, noch heute heißt es ja "klassische Philologie" bzw. im Englischen schlicht "Classics". Denn die galten als Vorbilder für Dichtung, Stilistik, Rhetorik usw. In der Musik dürfte sich die Idee, dass einige Musik als "klassisch" betrachtet werden sollte, erst um die Mitte des 19. Jhds. eingeschlichen haben, selbst wenn Beethoven noch beinahe ein Zeitgenosse war, so galt er als großes Vorbild für viele Komponisten. Und obwohl zeitgenössische Musik das Musikleben bei weitem dominierte, waren Kennern und zunehmend auch einem breiteren Publikum einzelne Werke von Bach, Händel, Gluck, Mozart und Haydn als "Klassiker" geläufig. Dass für Dinge des täglichen Lebens der Ausdruck "Klassiker" verwendet wird, ist vermutlich eine Erfindung von Oldtimerzeitschriften der 70er Jahre (oder so), ziemlich sicher neuen oder allerneuesten Datums. (Inwiefern "Strawberry Fields forevah" als "Klassik" statt als zugedröhnter Popsong gelten können soll, ist mir allerdings rätselhaft.) |
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flutedevoix
Stammgast |
#15 erstellt: 27. Apr 2012, 17:27 | |||
Sorry, Strawberry Fields ist natürlich falsch als Beispiel (auch wenn Ich diesen zugedröhnten Rocksomg schon sehr mag). Man soll eben die mehrere Sachen gleichzeitig machen. Denn Song, den icheigentlich meinte, war Penny Lane, Auch Michelle käme in eine nähere Auswahl. Korrigiert mich bitte, aber ich glaube, ich habe etwas falsch verstanden. Ich bin davon ausgegangen, daß hier der Begriff Klassik als Abgrenzung zum schauen ob wir Frog oder Jazz diskutiert werden soll. Und bezogen auf diese Frage, denke ich immer noch, dass der Begriff Klassik ein Kind des frühen 20. Jahrhundert ist. Auch die soziale Schicht des Bildungsbürgertums und sein Umfeld sind sicher eine heiße Spur, wenn es um die Diskussion dieses Themas geht. Frühere Jahrhunderte hatten es einfach nicht nötig, Unterhaltungsmusik von so genannter ernster Musik, die gleichzeitig als besonders wertvoll angesehen wird, zu unterscheiden. In diesen Zeiten waren Unterhaltungsmusik und Ernste Musik durchaus sehr eng verwandt. Im Zusammenhang mit der Diskussion, um die Entstehung des Begriffes Klassik als Genre könnte man auch noch darüber nachdenken, ob nicht das Auseinanderstreben von Publikumserwartung und einer künstlerischen Selbstverwirklichung der Komponisten entscheidend zur Entstehung der so genannten Unterhaltungsmusiksparten beigetragen hat. Ich möchte das hier übrigens ganz wertneutral verstanden wissen. |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#16 erstellt: 27. Apr 2012, 18:46 | |||
Die Schlagersängerin? |
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Wilke
Inventar |
#17 erstellt: 30. Apr 2012, 07:26 | |||
Vielen Dank für Eure Beiträge. Bei meinem Begriff von Klassik ging es in erster Linie um den Versuch herauszufinden, wann sortiert man sozusagen eine cd im Schallplattenladen unter die Rubrik "Klassik" und wann z.B. unter "Jazz" oder ähnlichem. Mir ging es nicht so sehr um die Abgrenzung zur Romantik als Zeitepoche oder um den Begriff "Klassiker". (Für mich gehören natürlich Bach, Biber und ähnliche in die Rubrik "Klassik", auch wenn sie damals wohl zur Gebrauchsmuik zählten. Warum wird heute nicht mehr klassisch komponiert, es müßte doch ein einfaches sein, im Sinne von sagn wie mal Beethoven oder Tschaikowski zu komponieren. Man könnte doch sicherlich ein breiteres Publikum erreichen als meinetwegen mit Cage oder Stockhausen....?! (ich hatte mal bei uns in der Tonhalle neben Mendessohnssinfonie noch eine Komposition vom Düsseldorfer Komponisten "Baur" gehört, das empfand ich als recht "schräg". Das Konzert von Gulda für Cello und Blasorchester gefiel mir dagegen sehr gut. gruß Ralf. |
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Pilotcutter
Administrator |
#18 erstellt: 30. Apr 2012, 10:35 | |||
Die Abgrenzung muss aber ja in die Diskussion gebracht werden. Man kann es drehen und wenden und wünschen wie man will, die Klassik ist vorbei. Ich glaube für mich, die Klassik ist mehr eine Epoche als Genre. Für eine Sortierung und Präsentation von Tonträgern ist es natürlich ein Genre.
Man kann heute genauso gut mit Erfolg klassisch wie Beethoven und Tschaikovsky komponieren, wie man heute ein Elvis Presley werden kann. Es mag einige geben, die das kaufen und schön finden. Aber es funktioniert gesellschaftlich und wirtschaftlich nicht mehr. |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#19 erstellt: 30. Apr 2012, 12:28 | |||
Das breitere Publikum bevorzugt Beethoven und Tschaikowsky, nicht jemanden, der 1970 oder 2012 versucht, so ähnlich zu komponieren wie Beethoven oder Tschaikowsky. Und die Liebhaber der Avantgarde bevorzugen avantgardistische Kompositionen, nicht welche im Stile von Tschaikowsky. Es werden in den letzten Jahren ja dutzende von Komponisten aus Romantik und Spätromantik "ausgegraben" und auf Tonträger eingespielt. Da ist sicher einiges Interessante dabei. Das "normale" Publikum will aber lieber nochmal Tschaikowskys 6. hören, der typische Sammler kauft eher noch eine weitere Aufnahme eines Standardwerks, so dass ich kaum glaube, dass sich Sinfonien von Onslow, Wetz oder Weingartner demnächst im Konzertsaal etablieren können. In den gut 20 Jahren, die ich klassische Musik ziemlich aktiv verfolge, sind mir nur sehr wenige echte und bleibende Repertoireerweiterungen aufgefallen. Einmal natürlich die Barockoper, das hat natürlich schon vorher begonnen, aber inzwischen sind eine Reihe von Werken (besonders Händel) beinahe Standard geworden. Dann vielleicht Musik von Zemlinsky, dessen Opern ebenfalls nicht mehr völlig obskur ist und dessen "Lyrische Sinfonie" sich zumindest auf Tonträgern etabliert hat. Und die Sinfonie des früh verstorbenen Bruckner-Schülers Hans Rott. Als ich Mitte der 1990er zum ersten Mal von diesem Komponisten als Geheimtipp hörte, gab es eine einzige CD-Einspielung (auf hyperion) . Inzwischen habe ich das Stück live mit den Berliner Philharmonikern (unter N. Järvi) hören können, es gibt 5-6 Einspielungen und sogar einen Band der "Musik-Konzepte" (1999) zu diesem Komponisten. Rott war ein tragischer Fall, der seinerzeit unbekannt blieb. Zemlinsky wurde dagegen nach drittem Reich und Emigration vergessen. |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#20 erstellt: 30. Apr 2012, 14:14 | |||
Wer sollte zum einen die Klasse von Beethoven haben? Ich meine jemand der in der Qualität wie zB in seinen Sinfonien, vielen seiner Streichquartette - ausgeklügelt bis ins kleinste Detail und nicht nur oberflächlich etwas nach Beethoven klingend - komponieren kann? Man darf nicht vergessen das diese große Komponisten ein ganz anderes Umfeld, einen anderen Zeitgeist hatten und mitentscheidend für die gewisse Qualität war sowieo Authentizität der jeweiligen Stile. Beethoven wuchs mit dieser Tonsprache streng unterrichtet auf, hatte u.a. Lehrer wie Haydn, Salieri, Albrechtsberger,...jeder für sich schon ein exzellenter Komponist wie man sie heutzutage kaum finden kann, sowieso wenn es um diese Tonsprache geht die die Grundlage für die Weiterentwicklung Beethovens bildete. Jemand der es zur Klasse eines Beethovens bringen wollte, müßte zum einen ein ebenso großes Talent besitzen (was natürlich nicht allzu oft vorkommt) und unter ähnlichen Umständen aufwachsen, sich sein ganzes Leben lang regelrecht von anderer Musik abschotten und nur auf Klassik/Frühromantik zu konzentrieren um dann und jetzt kommen wir zum zweiten Punkt eventuell erst nur als billige Beethoven-Kopie zu enden der den Vergleich nicht standhalten kann. Es funktioniert selbst bei den besten Komponisten unserer heutigen Zeit nicht, einfach so mal zu sagen man möchte wie Beethoven komponieren - es hat schon seinen Grund warum sich nie mehr jemand daran versucht hat und falls ja ist er wohl sichtlich in der Versenkung damit verschwunden. Es ist meist so das Kopien nunmal im Regelfall schlechte Kopien sind und bleiben. Sinnvoller wäre es find ich wenn man gewisse Stilelemente in seinen eigenen Stil mit einfliessen läßt. Oder wenn man zum. - wenn man rückwärtsgewandt komponiert - versucht innerhalb dieser Epoche seinen eigenen Stil mit der Zeit zu entwickeln und nicht wie Komponist XY zu klingen. Aber wie Kreisler schon schrieb gibt es schon genug relativ unbekannte Komponisten in jeder Epoche die von Labels wie zB CPO ausgegraben werden und es schon schwer genug das Jemand an diese Komponisten herankommt (möchte wissen welche es schaffen überhaupt mal wie ein Ries oder Burgmüller zu klingen), somit die Frage ob sowas sinnvoll ist und sowieso wenn man sich gleich Beethoven als Messlatte setzt. Was ich mir vorstellen könnte wären so kleinere Werke wie zB Bagatellen - das wäre vielleicht ganz interessant und in Reichweite von talentierten Komponisten, aber wer tut sich bei größeren Werken den (zwangsläufig zu verlierenden) Vergleich mit Beethoven an? |
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Hörbert
Inventar |
#21 erstellt: 30. Apr 2012, 16:28 | |||
Hallo! @Wilke Beethoven war zu seiner Zeit ein fortschrittlicher Komponist und hat für viele seiner Zeitgenossen die Werke a´la Hayden und Mozart gewöhnt waren wahrscheinlich ähnlich schräg geklungen wie diverse zeitgenössiche Komponisten für dich. Natürlich könnte man heutzutage wie ein beliebiger Komponist vergangener Jahrunderte und Stilrichungen komponieren. An Kompositionen in "alter Manier" herrscht auch gewiß kein Mangel, weder heute noch anderswann. Allerdings wirst du kaum einen heutigen Komponisten oder einen der bekannteren älteren Komponisten finden dessen Hauptwerk aus Werken in einer älteren Tonsprache besteht, sowas findest du eher als Fingerübung oder Auftrags-/Gelegenheitswerk (z.B. Hans Werner Henzes "Telemannia" oder -etwas älter-, Schönbergs "Konzert fürStreichquartett und Orchester B-dur") zuweilen auch aus bloßer Freude an den älteren Ausdrucksformen (z.B. Jean Francaix "Mozart new look", Onze variations sur un theme de Hayden") MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 30. Apr 2012, 16:29 bearbeitet] |
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biokeks
Hat sich gelöscht |
#22 erstellt: 03. Mai 2012, 18:42 | |||
Dazu darf ich mal ganz ästhetisch Eduard Hanslick aus seinem "Vom Musikalisch-Schönen" zitieren, dass er neunundzwanzigjährig 1854 schrieb: [...] Es gibt keine Kunst, welche so bald und so viele Formen verbraucht, wie die Musik. Modulationen, Cadenzen, Intervallfortschreitungen, Harmoniefolgen nützen sich in 50, ja 30 Jahren dergestalt ab, daß der geistvolle Componist sich deren nicht mehr bedienen kann und fortwährend zur Erfindung neuer, rein musikalischer Züge gedrängt wird. Man kann von einer Menge Compositionen, die hoch über den Alltagstand ihrer Zeit stehen, ohne Unrichtigkeit sagen, daß sie einmal schön WAREN. Die Phantasie des GEISTREICHEN Künstlers wird nun aus den geheim-ursprünglichen Beziehungen der musikalischen Elemente und ihrer unzählbar möglichen Combinationen die feinsten, verborgensten entdecken, sie wird Tonformen bilden, die aus freister Willkür erfunden und doch zugleich durch ein unsichtbar feines Band mit der Nothwendigkeit verknüpft scheinen. [...] |
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Joachim49
Inventar |
#23 erstellt: 04. Mai 2012, 21:16 | |||
Es ist allerdings immer mal wieder vorgekommen, dass ein Komponist im Stile eines Vorgängers komponiert hat, aber mit der Behauptung es handele sich um ein neu entdecktes Werk. Das Adelaide Konzert Mozarts (für Violine K 294a) ist ein bekanntes Beispiel. Sein Entdecker-Komponist war Marius Casadesus, ein Onkel des berühmten Pianisten Robert C.. Menuhin hat es aufgenommen. Was würde eigentlich passieren, wenn sich ein beliebtes Werk als Fälschung eines Epigonen herausstellen würde? Würde man es von diesem Augenblick an verschmähen? Ich glaube ja. (Das Casadesus-Mozart Konzert ist ja ein solcher Fall. Es wird wahrscheinlich gar nicht mehr gespielt, aber wenn es von Mozart gewesen wäre .....Gewiss spielt hierbei auch mit, dass wir die Imitation eines Stils nicht als eigenständige künstlerische Leistung bewerten (obwohl sie natürlich handwerkliches Können erfordert). |
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Hörbert
Inventar |
#24 erstellt: 05. Mai 2012, 06:05 | |||
Hallo! @Joachim49 M.E. sollte man das ein wenig differenzieren. Ich wäre nicht sonderlich erstaunt wenn sich gerade bei einem der Komponisten die sich vom Barock bis zu Mozart und Hayden als Vielschreiber hervorgetan haben ein Teil des Œuvres als "Nachschöpferisch" erweisen würde. Zumindestens im Barock dürfte es -wie z.B. auch in der Malerei-, zuweilen ohnehin vorgekommen sein das der Meister einen Teil der Arbeit ohnehin seinen begabteren Schülern untergeschoben hat. Seinerzeit betrachtet man Komponieren eher als eine Handwerkliche Tätigkeit denn als Kust in unserem heutigen Sinne. Ganz anders sieht es mit Werken ab etwa 1800-1830 aus hier sind die Wurzeln unseren heutigen Kunstverständnisses zu finden, Werke ab dieser Zeit wären in diesem Sinne eher mit einem der "großen" Namen versehen worden um ihren Absatz zu fördern, als eigentliche Fälschungen im heutigen Sinne kann und würde ich sie aber auch noch nicht sehen, eher würde ich hier noch von "Ettikettenschwindel" reden da diese Werke immerhin mit den Mitteln der Zeit erschaffen wurden. Als bewußte Fälschungen sehe ich persönlich eigentlich nur sogenannte "Endeckungen" wie das besagte Mozart-Konzert an, hier wird bewußt etwas in Umlauf gebracht das mit heutigen Mitteln relativ leicht zu erstellen ist und mit einem promineten Namen der Vergangenheit geschmückt weil es sonst keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken würde. -Die Beweggründe dafür einmal aussen vor-. MFG Günther |
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flutedevoix
Stammgast |
#25 erstellt: 05. Mai 2012, 07:49 | |||
Das ist ja dann aber nicht nachshöpferisch, sondern mit den Mitteln der Zeit im Stil der Zeit erschaffen. Außerdem paßt mir der abwertend konotierte Begriff "Vielschreiber" nicdht, um es mal salopp zu sagen. Beruhigend ist nur, daß einige der größten Komponisten aller Zeiten "Vielschreiber" waren wie etwa Bach, Händel oder Mozart. Interessanterweise ist der Prozeß bei der Entdeckung einer falschen Zuschreibung Komponist-Werk ja gerade die andere. Eigentlich handelt es sich bei solchen Entdeckunge immer um eher "fragliche" Werke. Werke von denen man weiß, daß ein bekannter Komponist ein solches werk geschrieben hat, von dem aber keine Noten oder Abschriften vom Komponist erhalten sind. Meist erfolgte die Zuschreibung dann via "Stilanalyse", was ein gefährliches und dünnes Eis ist, wenn es als einzige Identifizierungsmerkmal herangezogen wird. Wie schwierig die korrekte Zuschreibung im Sinne einer "Werkstattarbeit" ist, erfahren wir ja Kunstbereich öfters, z.B. "Der Mann mit dem goldenen Helm", der definitiv nicht von Rembrandt ist, obwohl jahrhundertelang so bezeichnet. Solche ähnliche Fälle gibt es auch in der Musik als Lehrer-/ Schüler-Verhältnis, etwa bei den Flötensonaten Bachs, bei denen die ein oder andere definitiv nicht vom Vater sondern von C.P.E. ist. Anders als im Kunstbereich wurden diese Werke jedoch nicht kommerziell veröffentlicht sprich unter diesem falschen Namen gedruckt. Das wurde mit dem Werk unbekannterer Komponisten getan, dann aber bewußt als Fälschung, eben um erfolgreicher verkaufen zu können. Gerade der Nme Haydns wurde hierzu gerne "mißbraucht" |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#26 erstellt: 05. Mai 2012, 08:26 | |||
War das gefälschte "Mozart"-Konzert tatsächlich ein bekanntes Stück? Meinem Eindruck sind selbst von den authentischen Violinkonzerten allenfalls 3,4 und 5 ziemlich bekannt. Es gibt zwei Beispiele, nicht von späteren Fälschungen, aber von Fehlzuschreibungen, bei sehr berühmten Komponisten. Die "Jenaer" Sinfonie wurde (wenn auch wohl immer mit Zweifeln behaftet) dem jungen Beethoven zugeschrieben, bis.sie sich als ein Werk von Friedrich Witt entpuppte. Sie war vorher aber nie als zentrales Werk des jungen Beethoven gesehen worden. In der Tat wird man sich schwer tun, bei dessen frühen Werken welche zu finden, die so eng und ohne Beethovensche Zutaten an ein Haydn-Vorbild angelehnt sind (hier dessen C-Dur-Sinfonie #97). Es ist dennoch ein hörenswertes Stück. Berühmter ist "Haydns" Quartett op.3/5 (bzw. das ganze Opus). Die Serenade daraus dürfte eines der bekanntesten Klassikstücke (gewesen) sein und das ganze Quartett findet sich bis in die 1960er ziemlich häufig aufgenommen (zB vom Vegh, italienischen oder Janacek-Quartett), noch häufiger sicher die Serenade, mitunter auch als Arrangement. Dieses Opus stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von dem Mönch Romanus Hofstetter aus Amorbach, nicht von Haydn. Stilistisch ist es zumindest für Laienohren nicht weit von dessen frühen Divertimenti op.1 und 2 entfernt. Allerdings passt die Erscheinungs/Entstehungszeit des Opus sehr schlecht zu Haydns Entwicklung, da "op.3" auf Mitte oder zweite Hälfte der 1770er datiert wird, was nach den epochalen Quartettserien 9,17 und 20 wäre. Natürlich wäre vorstellbar, dass ältere Werke aus den 1760ern später veröffentlich wurden oder das Haydn aus anderen Gründen einen solchen "Rückschritt" vollzogen hätte. Ich weiß nicht, ob man die Datierung vor der mutmaßlichen Autorschaft rausbekommen hat, aber da hätte man selbst als Laie skeptisch werden können. Das Stück hat seinen Beliebtheitsgrad deutlich eingebüßt. So weit ich sehe, hat in neuerer Zeit nur das Kodaly-Q. sich über op.3 "erbarmt", die anderen Gesamtaufnahmen der Quartette lassen es weg. Das mag etwas unfair sein, allerdings passte m.E. die unproportionale Beliebtheit der "Serenade" zu dem verzerrten Bild des gemütlich-harmlosen "Papa Haydn", nicht zu einem Schöpfer intellektuell herausfordender (nicht nur) Kammermusik. Das Verschwinden des hübschen Werks mag daher auch einem grundsätzlicheren Wandel in Haydn-Bild und -Rezeption geschuldet sein. Denn für ein "großes" Werk in der Reihe der Haydn-Quartette kann niemand, der diese Werke kennt, die "Serenade" gehalten haben. (In der Tat ist deren Berühmtheit beinahe unfair gegenüber seinen authentischen ganz frühen op.1 und 2). |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#27 erstellt: 06. Mai 2012, 00:01 | |||
Die fälschlichen Zuschreibungen sind eigentlich kein seltenes Phänomen in der Klassik. Es wurden sogar noch zu Lebzeiten Haydns einige Sinfonien und andere Werke unter seinem Namen von Schülern veröffentlicht um eine bessere Öffentlichkeitswahrnehmung der Werke zu erreichen. Das hat dann natürlich später als man das genauer zuordnen wollte zu Irritationen geführt.Werke wie zB Hob II:46 (ein Divertimento) wird mittlerweile Pleyel zugeschrieben, Hob XXVIa:c1 "Die Teilung der Erde" (Komponist ein gewisser Roser von Reiter), Streichquartett C-Dur MH 187 (von Michael Haydn und lange als eines von Joseph galt) ebenso das Te Deum in C das von Michael Haydn stammt usw. hat man lange für Werke von J.Haydn gehalten. Die Liste bei den Werken Mozarts ist mind. ebenso lange - darum gibt es zB keine 37.Sinfonie (wo er nur die Einleitung zu einer Sinfonie M.Haydns neu komponierte, Rest Abschrift zu Studienzwecken und die ganze Sinfonie fälschlicherweise lange als eine Mozarts galt) einige Messen wie zB KV 116/90a eine Messe von L.Mozart, KV Anh.C1.03 (Anh. 186) kann mich sich nicht zwischen W.A.Mozart und Vanhal entscheiden, KV Anh.C1.07 (Anh. 223 a) von Johann Michael Demmler ...ganz zu schweigen der ganzen Werke denen man keinen Komponisten zuordnen kann. Übrigens ist die 2005 veröffentlichte CD von Capriccio unter dem Namen Michael Haydn - Requiem in c-moll in Wahrheit von seinem früheren Lehrer Georg von Pasterwitz. Natürlich darf man das dann nicht überbewerten, es beweist zwar das genaue Stilistiken jeweiliger Komponisten auch von der Fachwelt bei manchen Werken nicht immer und manchmal garnicht eindeutig zuzuordnen sind insofern es keine exakten schriftlichen Nachweise dafür gibt - aber es sind keine Werke die jetzt so sensationell gut wären das man vieles nochmal beim jeweiligen Komponisten überdenken müßte. Und die besseren Werke der bekannten Komponisten sind sowieso im Regelfall eindeutig nachgewiesen (Original-Niederschrift, vl. sogar persönliche Erwähnung in einem bzw. mehreren Briefen, div. andere Quellennachweise aufgrund von Veröffentlichungen usw.) Die hypothetische Frage wäre natürlich ob ein bekanntes Werk wie zB Jupiter-Sinfonie Mozarts oder die Eroica von Beethoven bewußt oder unbewußt an gewisser Wertschätzung bei Klassikhörern verlieren würde wenn sie plötzlich ein zB "Hansi Suppenlöffel" komponiert haben soll, aber ich persönlich denke nur bei Denjenigen die sich nicht näher mit diesen Werken befasst und die Genialität dieses Werkes unabhängig vom Komponisten nicht verstanden haben. Eine andere berechtigte Frage wäre es wie dieser besagte Herr Suppenlöffel so lange in der Versenkung bleiben konnte und inwieweit diese unglaubliche Qualität (aufgrund seiner Biographie und Werdegang) erklärbar wäre...ach...viel mehr Fragen aber das ist doch zu müssig weil es ja völlig unrealistisch erscheint. Es gab übrigens mal einen gewissen Winfried Michel der 1994 angab 6 neue Klaviersonaten Haydns entdeckt zu haben der in Wahrheit selber komponierte. Es wird angegeben er hätte damit sogar Experten wie Robbins-Landon und Badura-Skoda täuschen können. Leider sind die wohl nirgendwo eingespielt worden so das ich mir selbst ein Urteil machen könnte. Bei Henri Casadesus (keine Ahnung wie mit Marius verwandt, verschwägert,...nehme mal an das dürfte irgendwie eine Familien-Marotte gewesen sein) hat man sogar mehrere Werke mehr oder weniger bekannten Komponisten zugeschrieben wie Händel, C.P.E.Bach und J.C.Bach. Fritz Kreisler hatte anscheinend ebenso die Eigenheit (wie es mir scheint kleinere) Werke im Stile gewisser Komponisten aus der Vergangenheit zu imitieren und damit Leute täuschen zu wollen. Nachdem er das anscheinend schaffte hatte er sich gewisse Zeit darauf dazu bekannt. Auch wenn das interessante teils amüsante Versuche und Experimente sind so sind es doch immer mehr oder weniger relativ kleine Werke. Wie schon weiter oben geschrieben wäre es etwas anderes und viel gewichtiger sich an zB in der Stilistik eines Beethovens oder Bruckners an eine Sinfonie oder der Stilistik Mozarts, Brahms an einem Klavierkonzert zu trauen. Das kann ich mir aber schwer vorstellen weil das würde soviel Studienaufwand über viele Jahre sowie enorm außergewöhnliches Talent wie es zB ein Beethoven oder Mozart hatte, erfordern, das es für heutige Zeiten sehr unwahrscheinlich ist. gruß Thomas |
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Hörbert
Inventar |
#28 erstellt: 06. Mai 2012, 06:39 | |||
Hallo! Einige echte Fälschungen könnten natürlich aus finanziellen Gründen entstehen, wenn so z.B. das Autograph einer besser gefälschten 7. Symphonie von Schubert auftauchen würde, (ich meine die berühmte Gmunden-Gasteiner Sinfonie) als der Fälschungsversuch aus den 70ger Jahren des letzten Jahrunderts des Musikologen Gunter Elsholz könnte ich mir vorstellen das erhebliche Summen den Eigentümer wechseln könnten bevor diese Fälschung aufgedeckt würde. Inwieweit Stiladaptionen in vergangenen Jahunderten zu fälschlicher Zuordnung geführt haben die heute noch unerkannt sind kann man kaum übersehen, hier sollte man m.E. auch nicht zu strenge Maßstäbe anlegen, es ist in der Tat letztlich gleichgültig ob ein bestimmtes Werk tatsächlich aus der Feder eines bestimmten Komponisten stammt oder ihm fälschlich zugeschrieben wird, -hier sollte man einfach die Musik für sich selbst sptrechen lassen-. Schließlich ist sie die einzige Kunstform die das tatsächlich auch kann. MFG Günther [Beitrag von Hörbert am 06. Mai 2012, 06:39 bearbeitet] |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#29 erstellt: 06. Mai 2012, 14:53 | |||
Hallo, ich denke hier muß man unterscheiden ob jemand eine Stiladaption unter eigenem Namen veröffentlicht hat oder die Öffentlichkeit bewußt täuschen will indem derjenige vorgibt ein anderer bekannter Komponist wäre der Urheber. Da wäre das Mindeste ihn auch an seiner eigenen vorgegebenen Messlatte zu messen - ich kenne leider keines der erwähnten Beispiele um jetzt sagen zu können inwieweit sie wirklich den Originalstil getroffen haben. Prokofiev zB hatte mit seiner 1.Sinfonie die laut Selbstangabe wie Mozart klingen sollte ziemlich daneben gelegen - ich finde sie zwar sehr gut komponiert aber er hat soviel den Originalstil getroffen wie der Film "Amadeus" ein wahrheitsgetreues biographisches Bild von Mozart übermittelt. Aber ich kritisiere ihn hierfür sicherlich nicht weil er dieses Werk ja nicht unter Mozarts Namen veröffentlichte. Sollte aber zB besagte Sinfonie von Elsholz nicht wirklich gut und vollkommen authentisch nach Schubert klingen finde ich Kritik mehr als angebracht, denn er selber will ja auch glaubhaft machen er wäre in der Lage genau so wie Schubert zu komponieren. Habe übrigens bei meinem vorigen Beitrag etwas verwechselt - Michael Haydn war kein Schüler von Pasterwitz sondern Süßmayr, hab da etwas in der Schnelle vertauscht. gruß Thomas |
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flutedevoix
Stammgast |
#30 erstellt: 06. Mai 2012, 20:08 | |||
Winfried Michel, seines Zeichens studierter Blockflötist, hat sich keineswegs nur auf das "Nachmachen" Haydns konzentriert. Ebenso erfolgreich hat er einen barocken Komponisten namens Simonetti "wieder ausgegraben", der niemand anders als Winfried Michel ist. Auch hier hat er einige Fachleute düpiert. Man muß dazu aber auch wissen, daß sich Michel eingehend mit der Musiklehre des Barock und der frühen Klassik beschäftigt hat und einige wirklich herausragende Generalbaßaussetzungen veröffentlicht hat, die den erhaltenen originalen barocken in Nichts nachstehen. Man muß dazu sagen, daß die Stilkopien sehr gut sind. Ich beziehe mich jetzt auf den Fall Simonetti. Das hätte durchaus ein Komponist des frühen 18. Jh. in Oberitalien sein können. In Bezug auf Melodiebildung, formale Gestaltunf der Sätze, Tessitura der Melodie und harmonische Gestaltung hält sich Winfried Michel an die Charekteristika dieser Zeit und dieser Gegend. Herauskommen sind sogar durchaus inspirierte Werke, die nicht zu Unrecht den Eingang in professionelle Konzertprogramme fanden. |
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Hörbert
Inventar |
#31 erstellt: 07. Mai 2012, 07:20 | |||
Hallo! @flutedevoix [quoteIn Bezug auf Melodiebildung, formale Gestaltunf der Sätze, Tessitura der Melodie und harmonische Gestaltung hält sich Winfried Michel an die Charekteristika dieser Zeit und dieser Gegend. Herauskommen sind sogar durchaus inspirierte Werke, die nicht zu Unrecht den Eingang in professionelle Konzertprogramme fanden.][/quote] Das wäre ja dann ein schlagendes Beispiel von nachschöpferischer Kunst die den alten Originalkomositionen gleichwertig wäre. Warum aber das ganze unter einem Fake laufen muß ist mir nicht einsichtig, Kompositionen in älteren Stilen gab und gibt es doch schon immer auch ohne das dafür eigens ein unbekannter Komponist erfunden werden muß. Hier entzieht sich mir wohl der tiefere Sinn oder der etwaige dahinterstehende Humor ist mir schlicht und ergreifend zu fremdartig das ich ihn als solchen erkennen kann. MFG Günther |
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Wilke
Inventar |
#32 erstellt: 07. Mai 2012, 09:40 | |||
Vielleicht hätte Michel sonst keine Chance gehabt, dass "seine Werke" aufgeführt werden. gruß Ralf. |
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Kreisler_jun.
Inventar |
#33 erstellt: 07. Mai 2012, 10:24 | |||
Kompositionen in älteren Stilen gab es m.E. nicht "schon immer", höchstens sehr eingeschränkt als Übung für angehende Komponisten. Griegs Holberg-Suite oder Prokofieffs Symphonie Classique oder Strauss' Couperin-Suite würde kaum jemand mit Musik des 18. Jhds. verwechseln und sie waren natürlich auch nicht als Kopien gedacht (selbst wenn Thomas das bei Prokofieff anscheinend immer noch glaubt...) |
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flutedevoix
Stammgast |
#34 erstellt: 07. Mai 2012, 14:55 | |||
[quote]Das wäre ja dann ein schlagendes Beispiel von nachschöpferischer Kunst die den alten Originalkomositionen gleichwertig wäre. Warum aber das ganze unter einem Fake laufen muß ist mir nicht einsichtig, Kompositionen in älteren Stilen gab und gibt es doch schon immer auch ohne das dafür eigens ein unbekannter Komponist erfunden werden muß. Hier entzieht sich mir wohl der tiefere Sinn oder der etwaige dahinterstehende Humor ist mir schlicht und ergreifend zu fremdartig das ich ihn als solchen erkennen kann. [/quote] [quote]Vielleicht hätte Michel sonst keine Chance gehabt, dass "seine Werke" aufgeführt werden.[/quote] Es ist durchaus nicht so, daß Michels Kompositionen im avantgardistischen stil nicht aufgeführt würden. Auch hat Winfried Michel keineswegs "ernsthaft" Stilkopien eben im Sinne einer Kopie auf den Markt gebracht. Vielmehr sthet ein gewisser Humor und eine gewisse Kritik hinter diesem Unterfangen. Michel hat mit seinen Kompositionen im barocken Stil vielmehr die Jagd vieler Interpreten und Musikwissenschaftler nach neu zu entdeckenden und auszugrabenden Komponisten, z.T. mit bescheidener kompositorischer Qualität, auf die Schippe genommen. Meines Wissens hat er auch selbst die Autorschaft nach dem Erscheinen der Werke bei einem namhaften Musikverlag (Amadeus) mit seiner Person als Herausgeber und dem entsprechenden Echo der Fachwelt aufgeklärt. Hintergrund sind also keineswegs Stilkopien oder kommerzielle Erwägungen! [Beitrag von flutedevoix am 07. Mai 2012, 15:04 bearbeitet] |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#35 erstellt: 07. Mai 2012, 16:12 | |||
Schon wieder der allseits besserwissende Kreisler Da weißt du scheinbar nicht das Prokofiev in seinem Tagebuch über die Sinfonie schrieb "Wahre Freunde würden doch verstehen dass der Stil meiner Sinfonie echte Mozartsche Klassik ist..." und jetzt bitte nicht mit irgendwelchen Hypothesen (Ausreden) kommen das hätte er ironisch gemeint...ich nehme diese Aussage ernst und mein Urteil darüber bezog sich nunmal auf seine eigene Einschätzung. @ flutedevoix, Hörbert Es gibt hier in Österreich einen weiteren Komponisten namens Friedemann Katt der unter dem Pseudonym Franz Xaver Frenzel ebenso im Barockstil komponiert (da dürfte wohl Einer den Anderen inspiriert haben?) Ich habe auszugsweise in Hörbeispiele Beider reingehört - auch wenn es nur anhand von Hörbeispielen nicht ganz gerecht erscheinen mag aber ich denke man kann die Tendenz erkennen das Wienfrid Michel mehr Substanz hat. Katt klingt für mich eher so wie Barock zum abgewöhnen. Für mich scheint es so wie eine Art "Projektname" zu sein (so wie sich Bands halt nach einem Fantasienamen benennen der zu ihnen passen soll) eventuell auch als Abgrenzung zu ihren modernen Werken die sie unter eigenem Namen veröffenlichen, aber können natürlich auch andere Intentionen dahinterstecken (auf Wikipedia steht "wird von ihm mittlerweile, teils auch in selbstironischer Weise, wie eine zweite Existenz betrachtet") |
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Kaddel64
Hat sich gelöscht |
#36 erstellt: 07. Mai 2012, 18:33 | |||
Als "Barock zum Abgewöhnen" empfinde ich auch das Adagio g-moll für Streicher und Orgel, das der italienische Musikwissenschaftler Remo Giazotti 1958 aus dem Fragment einer angeblich verschollenen Triosonate Tomaso Albinonis arrangiert haben will. Danach sind lediglich sechs Takte der 1. Violinstimme sowie der bezifferte Bass überliefert gewesen. Aus diesem motivischen Material hat er eine Fassung für Streichorchester und Orgel (anstelle des originalen Cembalo) entwickelt, die interssanterweise als "Originalwerk" einen höheren Bekanntheitsgrad erlangte als sämtliche Werke Albinonis zusammen. Immerhin haben Dirigenten wie Iona Brown, Neville Marinner und Karajan den Satz eingespielt. Auf diversen "Adagio-Samplern" und Best-of-Baroque-Kompilationen ist er bis heute unverzichtbar. Später verstrickte sich Giazotti bei der Aufklärung der tatsächlichen Umstände in Widersprüche und konnte keine Belege für seine Quellen liefern, so dass man heute davon ausgehen darf, dass selbst das erhaltene Fragment eine plumpe Erfindung Giazottis ist. Ich persönlich empfinde beim Hören, dass dieses Adagio mit Albinonis überaus reizvoller Melodik etwa soviel gemein hat wie Orffs "O Fortuna" mit einem Oratorien-Chorsatz Händels. Gruß, Kaddel |
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Hörbert
Inventar |
#37 erstellt: 07. Mai 2012, 19:23 | |||
Hallo! @Kreisler_jun Na ich weiß nicht, z.B hat Michel Correte, -ein Zeitgenosse Mozarts-, einige Werke komponiert die sich eher an Vivaldi und Corelli orientieren als am Stil der Zeit, Recht bekannt sollte auch Fritz Kreislers "Präludium und Allegro von Gaetano Pugnani" sein das allerdings vollständig aus Fritz Kreislers Feder stammt. Auch die polyphonen Motteten von Schütz sind eigentlich in einem schon abgeschlossenen älteren Stil geschrieben. Ich denke mal da gibt es so einiges mehr aks nur ein paar kleine Übungsstücke. MFG Günther |
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flutedevoix
Stammgast |
#38 erstellt: 07. Mai 2012, 20:26 | |||
Also, zunächst zur Klarstellung: die Lebensdaten von Michel Correte sind 1707 - 1795. Er ist somit zwar 4 Jahre nach Mozaret gestorben aber knapp 50 Jahre vor ihm geboren, ist also mehr als eine Generation älter! Somit kann man ihn wohl kaum als (stilistischen) Zeitgenossen Mozarts bezeichnen! Darüber hinaus war Corette alles andere als ein konservativer Komponist, ganz im Gegenteil, er ist einer derjenigen, der in seinen theoretischen Werken und seinen Kompositionen dafür sorgte, daß der itaslienische Stil in Frankrecih Einzug hielt und somit die ganz spezielle Spielart der französischen Barockmusik zurückdrängte. Wenn man ihn schon am Stil der Zeit messen will, dann sollte man das am musikalischen Stil seiner Jugend messen und das war unter italienischen Vorzeichen eben der Stil Corellis und Vivaldis, Telemann veröffentlichte etwa seine Pariser Quartette in den 1730er Jahren, zu einer Zeit also, als Corettte ein erwachsener Mann und gestandener Musiker war!
Das ist Unsinn, dieser Stil war nicht abgeschlossen! Noch Bach hat in diesem Stylus gravis (z.B. Motetten, Kantaten, h-moll-Messe geschrieben), ebenso Telemann, ... (ich spare mir jetzt alle bekannten und bedeutenden Barockkomponisten aufzuzählen). Dieser Stil war Ausdrucksmittel des ganzern Barock und darüber hinaus! Man kann die Gegenüberstellung noch krasser gestalten: Monteverdi schreibt im gleichen Jahr seine Marienvesper, musikalisch mit das Modernste damals und gleichzeitig seine Missa "in illo tempore", die eben ganz im alten Stil geschrieben ist. Beides übrigens Meisterwerke! Soviel zu den Fakten den Barock betreffend! Darüber hinaus darf man durchaus mit Recht die Fragen, inwiefern hier bitte Stilkopien vorliegen? In allen Fällen schreiben die Komponisten im Stil ihrer Zeit! Schütz, Bach etc. kopieren ja nicht Machaut oder Perotin (die sie vermutlich nicht gekannt haben). [Beitrag von flutedevoix am 07. Mai 2012, 20:40 bearbeitet] |
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Szellfan
Hat sich gelöscht |
#39 erstellt: 09. Mai 2012, 01:36 | |||
...wilde Diskussion inzwischen und fast vom Thema weg. Aber gerade Corette ist hier ein an richtiger Stelle genannter Name. Will man über den Begriff "Klassik" diskutieren, lohnt sich allemal, sich die französische Musik zwischen 1770 und 1800 anzusehen. Und sei es, daß so mancher schlicht, seinen Hals zu retten seine Musiksprache wandelte! Bekannt sind ja Corettes Orgelkonzerte op.26, noch fast völlig im Barock verwurzelt, sehr französisch noch, wenn auch Vivaldi-durchweht. Spätere Kompositionen Corettes kennt man kaum, das wenige, das ich kenne, ist dann schon viel mehr klassisch zu nennen in seiner Musiksprache, Stilistik und Instrumentation. Da haben sich manche Komponisten innerhalb von zwei, drei Jahren von der barocken Musiksprache gelöst, der relativ festgefügten französischen besonders, und sich recht plötzlich an Haydn und Mozart orientiert. Siehe Gossec, Mehul etc. Daß zu dieser Zeit, im Ringen sozusagen um die Öffnung nach außen in der französischen Musik, eher Kuriosa entstanden, ist schon hörenswert. So eine große Motette für das Concert Spirituell, die auf nichts anderem basiert als Vivaldis Vier Jahreszeiten. Das ist keine Stilkopie, eigentlich auch nicht kurios, das wirkt nur heute so, sondern eine sehr ernsthafte Auseinandersetzung mit einer "fremden" Musiksprache. Eine Epoche, in der nicht nur musikalisches Perlentauchen höchst lohnend ist. Grinsen mußte ich noch wegen Hörberts Nennung von Schönbergs Konzert B-Dur und mich daran erinnern, daß Otto Klemperer in LA Schönberg ins Programm nehmen wollte und auf große Ablehnung stieß. Nachdem dann die Orchestrierung von Brahms Klavierquintett verklungen war, meinte der Kritiker, so schlimm würde ja Schönberg doch nicht klingen. Wohl ebensowenig wie eben das von Hörbert genannte Konzert nach Händels op.6 Nr.7 oder dem Cellokonzert von Monn in der Schönberg-Fassung. Und glücklicherweise hat Johannes den Anflug von Ärger ja besänftigen können als die Rede kam auf die Vielschreiber im 18. Jahrhundert. Kann mich ihm nur anschließen: glücklicherweise waren Bach, Mozart und Haydn, Telemann besonders, solche Vielschreiber! Auch solche, die sich selbst schon gern zitieren, aber auch Kollegen damit ihre Wertschätzung erwiesen, einen musikalischen Gedanken durch die eigene Kunst zu veredeln. Was hat nicht Bach mit "Tilge Höchster" aus Pergolesis Stabat Mater für eine wundervolle Musik gearbeitet und ganz sicher etwas anderes fabriziert als eine Stilkopie. Gerade auf dem Gebiet des Zitierens herrschten damals andere Gepflogenheiten als heute und wir tun den Komponisten sehr unrecht, unsere heutigen Maßstäbe anlegen zu wollen. Nun denn, eins wird klar: es gibt einen Unterschied zwischen "Klassik" und "Klassikern", siehe Beatles-Songs in diesem Zusammenhang. Nun also auch noch mein Beitrag und einer Klärung der Frage sind wir damit kein Stück näher gekommen. Sorry. Herzliche Grüße, Mike |
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Wilke
Inventar |
#40 erstellt: 09. Mai 2012, 08:38 | |||
Danke für Deinen Beitrag. Schön, dass Du wieder schreibst. Ja, der thread hat sich von meiner Ausgangsfrage ein wenig entfernt. Wahrscheinlich gibt es keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, wann Klassik Klassik ist. gruß Ralf. |
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flutedevoix
Stammgast |
#41 erstellt: 09. Mai 2012, 19:24 | |||
Wahrlich, wahrlich, das eigentlich Thema des Threads haben wir völlig aus den Augen verloren! Wenn alle einverstanden sind, könnte man auch die Beiträge zu "Stilkopien - Warum schreibt man heute nicht mehr im Stile Mozarts" unter einem eigenen Thread durch eine Moderator ausgliedern. Ich will in meinem Beitrag auch nun wieder zum eigentlichen Thema zurückkehren und dazu eine Bemerkung Mikes aufgreifen: es gibt einen Unterschied zwischen Klasssikern und Klassik, siehe Beatles-Song in diesem Zusammenhang Was unterscheidet eigentlich sagen wir einmal eine barocke Opernarie von Queens Bohemian Rhapsody? Wenn man sich die formale Anlage näher betrachtet, erinnert Queens Klassiker durchaus an eine da-capo-Arie mit thematisch gleichem Rahmenteil und kontrastierendem Mittelteil. Es findet sogar so etwas wie motivisch-thematisch Arbeit statt, wenn man sich den "Opern-Mittelteil" anschaut, der mit Techniken arbeitet, die auch in der Durchführung des ersten Satzes einer klassischen Sinfonie zu finden sein könnten. Auch der "Rock-Mittelteil" läßt sich als eine Art virtuose Kadenz im Sinne einer klassischen Arie rechtfertigen. Denooch werden wir uns alle einige sein, daß wir Bohemian Rhapsody ncht als klassische Komposition ansprechen! Das bringt mich dann zu folgenden Fragen, aus denen sich vielleicht ein Kriterien-Katalog erarbeiten ließe. Diese Arbeit könnte schließlich entscheidend zu der Frage "Was sit Klassik?" beitragen. Entschuldigt bitte den Wissenschaftler in mir ;-) Selbstverständlich könnte man einen Vergleich wagen, natürlich ohne Äpfel mit Birnen zu vergleichen! 1.) Musikalische Parameter Es stellt sich die Frage nach - der Melodieführung - der Harmonik - der formalen Anlage - der rhythmischen Gestaltung - der Instrumentierung in der klassischen Musik und in anderen Genres 2.) Soziale und sozio-kulturelle Aspekte - Welches Publikum sprechen die einzelnen Genre an? - Welche Hörerwartung wollen die Kompositionen befriedigen? - Welche Absichten hegt der Komponist mit seiner Komposition? - Welcher Ruf haben die einzelnen Genres? - Wie sieht/ denkt/ ... der Hörer der einzelnen Sparten? - Warum gibt es Hörer, die mehrere (z.T. ganz verschiedene) Genres hören? Warum tun sie dies? 3.) Selbstverständnis des Komponisten/ Künstler - Wie sieht sich der Schaffende in den einzelnen Sparten - Welche Ansprüche hat er an sich und seine Werke 4.) Historische Aspekte der einzelnen Genres - Welche historischen Entwicklungen haben die einzelnen Genres - Auf welchen Quellen fußen sie? - Aus welchen Veranlassungen sind sie entstanden? - Wie ist die momentane Entwicklung unter künstlerischen, kommerziellen und rezeptorischen Gesichtspunkten? Das ist jetzt nur ein in aller Kürze gefaßter Fragenkatalog, der noch differenzierter ausgearbeitet werden könnte und müßte. Falls dieser Fragenkatalog Grundlage einer Seminararbeit werdne sollte, bitte ich um korrektes Zitat (heute ganz wichtig ;-) )und Zusendung der fertigen Arbeit ;-) So, und zum Schluß möchte ich allen noch die Angst nehmen vor diesem Fragenkatalog! Ich denke jede Formn der Auseinandersetzung kann zur Entwicklung der fragestellung beitragen und natürlich müssen nicht alle Punkte abgearbeitet werden. Es handelt sich hier lediglich um den Versuch einer Systematik! |
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*Raccoon*
Ist häufiger hier |
#42 erstellt: 21. Jun 2012, 11:28 | |||
Hallo, dieses Thema ist seeehr interessant, habe ich mir diese Frage als Freund von Soundtracks auch schon unendlich oft gestellt. Für mich ist Musik von Howard Shore, Alexandre Desplat, Hans Zimmer usw. auch zum Teil klassische Musik. Für mich würde ich klassische Musik zum größten Teil daran fest machen, welche Instrumente in dem Stück verwendet werden und in welcher Form. Ein wenig gewagt würde ich evtl. sogar so weit gehen und sagen, daß klassiche Musik mit Instrumenten gemacht wird, welche keinen Strom brauchen. Ebenso finde ich die Auflistung von flutedevoix passend:
Raccoon |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#43 erstellt: 21. Jun 2012, 15:02 | |||
Sehe ich für mich nicht so, ich habe als Teenager und etwas darüber hinaus viel Filmmusik gesammelt unter Anderem waren auch einige Soundtracks von Hans Zimmer dabei. Er ist durchaus sehr gut wenn es um die Symbiose Eleketronik (Synthies, Samples) mit Orchester geht aber die Kompositionen für sich sind meist nicht sehr kunstvoll (wenn ich es mit dem Großteil der Klassik vergleiche) angelegt. Wenn dann ist es meist eindeutig von einem klassischen Stück abgekupfert - zB König der Löwen das Hauptthema von "to die for" - Ave Verum Corpus - Mozart, Hannibal "to every captive soul" - Adagietto 5.Sinfonie Mahler. Gladiator "The Battle" - kann man sowieso schon x-fach nachlesen das es eine Kopie von Holst´s The Planets - Mars bringer of war, ist. Gladiator "The Might of Rome", "Am I not merciful?" Wagners Siegfried und Götterdämmerung usw. und Zimmer wo es Zimmer pur zu sein scheint wie Mission Impossible 2, die Fluch der Karibik-Teile, Inception,... liegen von der Kompositionskunst Welten von mind. 95 % des Klassikrepertoires auseinander (wer das nicht glaubt sollte sich erstmal tiefer mit klassischen Werken und ihrem Kompositionsgefüge beschäftigen und dann diese Musik erneut hören), da wäre für mich der Begriff "Instrumental-Pop" noch passender wie Klassik weil es dem noch näher kommt. Da werden oft die immer wiederholenden Harmoniefolgen wiederholt und diese für sich nicht abwechslungsreich sondern einfältig, langatmig gestaltet...klar ein Filmkomponist hat auch seine oftmals knappe Deadline und kann dann nur schaun so schnell wie möglich den Film zu unterstützen auf Kunst kann man da nicht mehr sonderlich achten, insofern man dazu überhaupt in der Lage wäre. Unlängst habe ich mir wieder John Williams E.T.-Soundtrack angehört - das steckt Komponisten wie Hans Zimmer locker in die Tasche und Zimmer hat selbst schon oft seine Bewunderung für ihn ausgesprochen. Wenn etwas von der Filmmusik noch mit Klassik ähnelt dann solche, aber nicht Instrumental-Pop von Zimmer & Co. Dein Kriterium das klassische Musik dann gegeben ist wenn es Instrumente sind die kein Strom brauchen finde ich - sorry - sowieso unsinnig. Nicht die Wahl des Klangerzeugers macht die Qualität einer Komposition aus und das sollte das Hauptkriterium sein - was für eine Kunst steckt in der Komposition. Man kann sowohl mit einem reinen Orchester bzw. kammermusikalisch besetzten Klangkörper als auch elektronischen Klangerzeugern Mist als auch Kunstwerke erschaffen. Wie der jeweilige Klang angeordnet ist, nicht der Klang für sich macht eine Komposition aus. Deswegen finde ichs auch genauso stumpfsinnig wenn man zB von vornherein über von Synthies oder Computer generierte Musik die Nase rümpft...der Unterschied ist nur das die Klänge elektronisch erzeugt werden und der einzige Nachel das man in diesem Fall keine Interpretationskunst erleben kann (falls diese Komposition nicht für akustische Instrumente gedacht wäre), aber von den Voraussetzungen einer Komposition vollkommen gleichwertig. gruß Thomas |
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*Raccoon*
Ist häufiger hier |
#44 erstellt: 24. Aug 2012, 15:06 | |||
Hallo Thomas, hallo zusammen "Instrumental-Pop" finde ich einen interessanten Begriff, wobei er mir bei den Stücken, welche ich bei "moderner" Klassik nicht passend erscheint. Ich weiß jedoch denke ich genau, was Du damit ausdrücken möchtest. Im Besonderen stört mich bei der "neuen Klassik", die Länge der Stücke, welche in vielen Fällen nicht über 4min hinaus gehen. Hat man erst einmal angefangen das Stück zu genießen, ist es schon wieder am Ende. An diesem Punkt ist mir die "aktuelle Klassik" um noch einen Begriff einzubringen, zu kommerziell oder die Komponisten kommen einfach mit Ihren Ideen nicht mehr weiter. Freue mich sehr über Kommentare und Deine / Eure Meinung. Grüße Raccoon |
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Klassikkonsument
Inventar |
#45 erstellt: 24. Aug 2012, 15:28 | |||
Ach, Anton Webern hat sich auch oft kurz gefasst, und trotzdem würde ich ihn nicht unbedingt für kommerziell halten. Bergs Altenberg-Lieder sind auch nicht sonderlich weitschweifig. Das wäre vielleicht mal ein Slogan für derlei kurzangebundenen Expressionismus: "Der kleine E-Musik-Snack für zwischendurch". |
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Thomas133
Hat sich gelöscht |
#46 erstellt: 24. Aug 2012, 21:48 | |||
Hallo, ich habe übrigens Instrumental-Pop nicht abwertend gemeint, sondern einfach als passenderen Begriff für diese Art von Musik - wobei das auch nur eine ganz grobe Untergliederung gesehn werden kann, da es immer auf den jeweiligen Filmscore (von Zimmer oder ähnlichen Komponisten wie Trevor Rabin, John Powell, Craig Armstrong,...) ankommt der ja je nach Film mehr oder weniger davon abweichen kann, doch so im Schnitt gesehn ist dieser Begriff sicher passender als Klassik. Die Musik ist teilweise je nach Stimmung für mich durchaus anhörbar - gerade wenn ich mal nicht so Lust habe mich auf komplexere klassische Werke zu konzentrieren aber auch nicht gerade einen seichten Song hören möchte ist das für mich persönlich manchmal passend. Aber man sollte halt nicht mehr hineindeuten als drinnen ist. Zu der "Moderne" kann zB Hörbert mehr Informationen liefern, aber es gibt doch sicher genügend sinfonische Werke (habe selbst ein paar) die über 4 Minuten hinausgehen. Was der tonale Bereich anbelangt zB die Sinfonein von Villa-Lobos oder Schostakowitsch. gruß Thomas |
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Hörbert
Inventar |
#47 erstellt: 25. Aug 2012, 06:27 | |||
Hallo! Ich möchte hier an dieser Stelle einen kleinen "Ad hoc" Unterschied machen, -und zwar zwischen "neuer" Musik und "aktueller" Musik im Gewand der klassischen Manier. "Neue" Musik ist ein Begriff der schon zu Anfang des 20. Jarhunderts geprägt wurde und im wesentlichen aussagt das diese Art Musik nicht den davor üblichen Schemen entsprach, Musik dieser Art gibt eas immer noch und kann heutzutage gut und gerne als ein eigenes Genre betrachtet werden das seine Wurzeln in der Musik der Klassik und Romantik hat. Ein guter Teil dieser Musik dürfte allerdings für einen Teil der Hörerschaft tradioneller "klassischer" Musik unverständlich oder sogar als Musik gar nicht kenntlich gelten. Das was ich als "aktuelle" Musik im Stile Mozarts bis Mahlers bezeichnen möchte ist zum Teile "Gebrauchsmusik" (z.B. Filmmusik) woraus sich auch die Kürze einzelner Partien erklären mag da diese Musik dem jeweiligen Zweck angepasst wird. Ein anderer Teil ist Konzertmusik die bewußt im alten Stil gehalten wird um einerseits durch ihre "Verständlichkeit" ein größeres Publikum anzusprechen andererseits aber auch weil sich der jeweilige Komponist den vorherrschenden Strömungen der neuen Musik nicht beugen will. Ein bekanntes Beispiel wäre hier Harald Genzmer oder Joaquim Rodrigo. Diese Art Musik wird allerdings immer seltener da diese Komponistengeneration allmählich wegstirbt und es nur wenige jüngere Komponisten gibt die sich nicht zur neuen Musik bekennen oder eben "Gebrauchsmusik" machen. MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#48 erstellt: 25. Aug 2012, 09:25 | |||
Hallo, Günther! Solche bewusst vereinfachten Umrisse, wie Du sie in Deinem Posting formuliert hast, mag ich durchaus. Mit dem zitierten Abschnitt bin ich aber nicht wirklich einverstanden. Ich glaube eher, dass die Neue Musik seit wenigen Jahrzehnten immer mehr aufgeweicht wird und Komponisten eines Typus, zu denen Du Genzmer und Rodrigo zählst (wobei ich unterstelle, dass das eine Zufallsauswahl ist), eher immer mehr werden. Rodrigo ist wohl ein Volksromantiker und Genzmer ein unmissverständlicher Epigone des neoklassizistischen Hindemith. Aber gerade solche Tendenzen - die sich naturgemäß sehr unterschiedlich äußern können - finden wir heute vorwiegend. Der umstrittene Begriff der "Postmoderne" bietet sich an und widerlegt Deine Position bis zu einem gewissen Grad. Ich nenne ein paar Namen: die amerikanischen Minimalisten oder ein Komponist wie Michael Daugherty, Rautavaara, Claude Vivier, eigentlich auch die Spektralisten. Selbst Ligeti in seiner Spätphase würde ich nennen. Dann gibt es noch die echten Epigonen wie Schmidt-Kowalski - gut, das weist in der Tat Züge einer Gebrauchsmusik auf. Auch muss ich zugeben, wenn ich darüber nachdenke, dass es die Richtung eines Genzmer wohl wirklich kaum mehr gibt. Eine Neue Musik, die die Radikalität von Leuten wie Lachenmann fortsetzt - in welcher Weise auch immer - halte ich jedoch gegenüber der Postmoderne für unbedeutender als noch vor dreißig, vierzig Jahren. Wolfgang |
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Schneewitchen
Inventar |
#49 erstellt: 25. Aug 2012, 09:54 | |||
Neue Musik,aktuelle Musik,zeitgenössische Musik. Ein Auftragswerk des WDR ist die Istanbul Sinfonie von Fazil Say. Für mich ein Beispiel für klassische Musik von heute. Istanbul]www.google.de/url?sa...R7LQYpdzXIA]Istanbul Sinfonie Die Sinfonie in Anwesenheit des Komponisten beginnt etwa bei 16.Minuten dieses Youtube-Beitrages. |
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Hörbert
Inventar |
#50 erstellt: 25. Aug 2012, 16:15 | |||
Hallo! Als Besucher von Darmstadt und Donaueschingen sehe ich das anders, zwar gibt es die früher typische "Avantgardemusik" wie sie Boulez und Stockhausen vertreten haben schon längst nicht mehr, aber Musik im Stile eines Rautavaara o.ä. ist ebenso hinter ihrer Zeit her. Gute Beispiele für neuere Werke liefern z.B. Kompositionen wie Georg Friderich Haas mit "limitet approximations" oder Philippe Manoury mit "Stringendo" ab. Werke wie das von Fazil Say halte ich -ähnlich wie seinerzeit z.B. die beiden Konzerte für Sitar und Orchester oder die "klassischen" Werke des Jazzers Terje Rypdal- für typische Werke aus der Periperie des zeitgenössischen Musikgeschehens. Helmuth Lachenmann, Heinz Hollinger oder Klaus Huber -um mal die Komponisten einer ganz bestimmten Richtung zu nennen- repräsentieren allerdings auch nur noch einen Zweig der aktuellen Musikszene, -genau wie z.B. Gil Kancheli, Sofia Gubaidulina und Wolfgang Rihm- die einen deutlich anderen Zweig repräsentieren. Insgesamt ist die heutige Musiklandschaft wesentlich inhomogener als noch zu den Zeiten Stockhausens und Bernd Zimmermanns. Stringent tonale Komponisten und/oder Komponisten vom Typ Rautavaaras sind in dieser Musiklandschaft aber nicht sehr häufig vertreten, selbst die Hinwendung von Komponisten wie Philip Glass oder John Adams zu quasitonalen Strukturen ändert hier eigentlich nicht wirklich etwas, zumal das ja nichts neues ist. Schon Krzysztof Penderecki der sich in den 80ger Jahren als "Meister der fallenden Terz" etablierte konnte damit zwar seinen Bekanntheitsgrad steigern aber Auswirkungen auf das Musikgeschehen hatte es nicht. Legendlich seinen Ruf in der Musikszene hat er dadurch eingebüßt und Lachenmann z.B bezeichnet ihn als: "Penderadetzky, der die tonalen Paarhufer anführt". (Das letztere möchte ich legendlich als Zitat verstanden wissen, meine eigene Sicht der Dinge ist hier wesentlich weniger extrem) MFG Günther MFG Günther |
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WolfgangZ
Inventar |
#51 erstellt: 25. Aug 2012, 17:38 | |||
Danke, Günther, für Deinen Beitrag! Es ist offenkundig, dass Du Dich in der Szene besser auskennst als ich. In jedem Fall liegen wir nicht weit auseinander. Ganz aktuell scheint die Szene so vielfältig zu sein wie kaum je zuvor. Überdies liegt es ja auf der Hand, dass man nach den Versuchen eines Cage, der elektronischen oder der aleatorischen Musik nicht mehr im Sinne einer "Avantgarde" nach Belieben nur nach vorne schreiten kann. (Sehr offtopic: Wichtiger wäre ein solcher Prozess des Umdenkens freilich im Bereich des sogenannten "Wachstums" ... ) Besten Gruß, Wolfgang |
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