Dynamik - Überbewertet?

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kron
Stammgast
#1 erstellt: 18. Apr 2008, 12:55
Hallo,

ich lese und schreibe schon seit einiger Zeit hier im Forum,
und sehr oft sehe ich die Bestrebung, größtmögliche Dynamik
beim Musik/Filmhören zu erzielen.
Es wird genörgelt, dass Musik immer mehr komprimiert wird,
und dass Filmeffekte nicht die nötige Knalldynamik haben.

Bin ich der einzige, der das eher positiv sieht?

Also die Dynamik ist ja grob gesagt das Verhältnis zwischen
dem leisesten und dem lautesten Ton/Geräusch.

Wenn ich Musik höre, möchte ich, unabhängig vom Genre, alles hören,
was die Musiker in ihr Werk eingespielt haben, von der zartesten Harfe bis zur verzerrtesten E-Gitarre.
Damit das aber noch genießbar bleibt, brauche ich unbedingt
ein gewisses Maß an Komprimierung (also Dynamikveringerung).

Wenn ich mir jetzt z.B. statt meiner Anlage eine echte Band/Orchester im Zimmer vorstelle,
kriege ich von der Dynamik, die da kommen dürfte, schon Kopfschmerzen.
Die akustische Gitarre zupft am Anfang leise, dann setzt das Schlagzeug ein. Gitarre ade.
Der Sänger singt je nach Tonhöhe ganz angenehm oder in unerträglicher Schreilautstärke.
Wenn nach der leisen Stelle für Harfe und Geige das ganze Orchester loslegt, drückt es mich flach an die Wand.

Bei Filmen das gleiche, wenn Explosionen, Schuss- oder Motorengeräusche oder Schlachtenlärm nur halb so laut wären wie "in echt",
könnte sich jeder Mensch nur ein paar Filme anschauen, bevor das Gehör weg ist.
Ich will doch auch bei Helms Klamm noch Gimlis billige Witze hören können,
während die Orks rundherum donnern, ich will im Cockpit des Kampfjets jedes Wort hören, was gefunkt wird.

Mit maximaler Dynamik ist das alles ungenießbar.
Die meiner Meinung nach absolut angebrachte Dynamikveringerung macht Musik und Filmton überhaupt erst genießbar.
Sie verhindert, dass man ständig die Lautstärke regulieren muss, um in leisen Stellen alles mitzukriegen und in lauten Stellen nicht taub zu werden.

Wie seht ihr das? Dynamik über alles oder gut so, wie es ist?
piccohunter
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 18. Apr 2008, 13:21
Ich bin ganz klar und eindeutig für maximal machbare (sinnvolle) Dynamik und gegen Komprimierung über das aufnahmetechnisch notwendige Maß hinaus.

Im Gegensatz zu Dir nervt es mich und ich vermisse Grundlegendes, wenn z.B. ein Musikstück leise (ak. Gitarre, Gesang) anfängt, dann die gesamte Band oder Orchester einsteigt und dies nicht auch in der Intensität und Lautstärke dementsprechend spürbar ist. Dann bleibt z.B. einfach auch oft der Gänsehautfaktor auf der Strecke.
Oder wenn der Schlagzeuger in unterschiedlicher Stärke seine Drums bearbeitet, um z.B. Akzente zu setzen, dann will ich dies auch genauso hören.

Bei Filmton genauso: Es ist einfach nicht natürlich, wenn die Explosion, der Jet, Sturm, usw mehr oder weniger genausolaut sind wie ein normaler Dialog. Auch da geht eine Menge Atmosphäre verloren, die dramatische Wirkung nimmt ab.

Für mich ist eine möglichst naturgetreue Dynamik (soweit technisch sinnvoll machbar) sehr sehr wichtig.
kron
Stammgast
#3 erstellt: 18. Apr 2008, 13:31
Warst du schonmal in einem Proberaum? Oder standest du schonmal neben einem startenden Jet?

Zu den Akzenten muss ich sagen, dass das man unabhängig von der Lautstärke hört, ob z.B. eine Gitarre oder ein Schlagzeug laut oder leise angeschlagen wurde, weil sich eben nicht nur die Lautstärke ändert, sondern auch der Klang(charakter).
Diese Information ginge dir also nicht verloren.

Aber stell dir mal unkomprimierte Musik z.B. bei einem Weckradio vor, wenn ein ruhiges Lied käme, würde ich gar nicht aufwachen, und beim Discoknaller danach falle ich aus dem Bett, wenn mit maximaler Dynamik gesendet würde.
piccohunter
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 18. Apr 2008, 13:41

kron schrieb:
Warst du schonmal in einem Proberaum? Oder standest du schonmal neben einem startenden Jet? ;)


deswegen schrieb ich ja auch "maximal machbare (sinnvolle) Dynamik" und "gegen Komprimierung über das aufnahmetechnisch notwendige Maß"

Ja, ich bin desöfteren in einem Proberaum bzw. Studio.



Zu den Akzenten muss ich sagen, dass das man unabhängig von der Lautstärke hört, ob z.B. eine Gitarre oder ein Schlagzeug laut oder leise angeschlagen wurde, weil sich eben nicht nur die Lautstärke ändert, sondern auch der Klang(charakter).
Diese Information ginge dir also nicht verloren.


Dieser Teil der Information bleibt erhalten, stimmt. Aber die Wirkung ist ungleich schwächer, mein Ohr erwartet dann mehr, bekommt es aber nicht. Für mich klingt es grausam.


Aber stell dir mal unkomprimierte Musik z.B. bei einem Weckradio vor, wenn ein ruhiges Lied käme, würde ich gar nicht aufwachen, und beim Discoknaller danach falle ich aus dem Bett, wenn mit maximaler Dynamik gesendet würde.


Ich sehe Musik nicht primär als Weckton Für diese genannten Zwecke wurde Musik nicht gemacht.

Musik ist primär da, um sie ANZUHÖREN, und nicht um als Wecker oder Hintergrundberieselung zu dienen. Das wird ihr nicht gerecht. Mein Wecker weckt mich gänzlich unmusikalisch.
Entweder ich höre Musik, oder ich mache etwas anderes. Zumindest zu 90%.
kron
Stammgast
#5 erstellt: 18. Apr 2008, 13:48

piccohunter schrieb:
"maximal machbare (sinnvolle) Dynamik" und "gegen Komprimierung über das aufnahmetechnisch notwendige Maß


Und wo genau ist da die Grenze?
So wie im Proberaum willst du es doch sicher auch nicht, oder?

Früher war Musik vielleicht mal so, wie du sie beschreibst.
Heute ist das aber nicht mehr so, dafür wird viel zu viel davon produziert.
Dass das deine persönliche Einstellung ist, ist ja ok, aber
damit bist du ganz sicher bei einer sehr großen Minderheit.
(Siehe auch Verkaufszahlen von MP3-Playern und Anzahl von Radiosendern mit Weckprogramm).
piccohunter
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 18. Apr 2008, 14:04
[quote]Und wo genau ist da die Grenze?[/quote]


Die Grenze ist da, wo es nicht mehr ohne Komprimierung sinnvoll augenommen werden kann, weil die Originaldynamik über der maximalen Dynamik der Aufnahme- und Wiedergabekette liegt.

[quote]
So wie im Proberaum willst du es doch sicher auch nicht, oder?[/quote]

Doch, bei Musik wünsche ich mir das schon genau so.

[quote]Früher war Musik vielleicht mal so, wie du sie beschreibst.
Heute ist das aber nicht mehr so, dafür wird viel zu viel davon produziert.
Dass das deine persönliche Einstellung ist, ist ja ok, aber
damit bist du ganz sicher bei einer sehr großen Minderheit.[/quote]

Das glaube ich nicht.
Es ist zwar Fakt, das die Mehrzahl der heutigen Mainstream-Musikproduktionen bis zum Erbrechen komprimiert sind, aber das ist mit Sicherheit nicht aufgrund der mehrheitlichen Entscheidung der Musikhörer der Fall. Es sit vielmehr eine Marketing-entscheidung der Industrie, die der Meinung ist "Laut verkauft sich besser".
Leider hat man als Konsument in den wenigsten Fällen die Wahl. Es ist oftmals bei älteren Aufnahmen klanglich besser, zur ursprünglichen LP oder CD-Erstausgabe zu greifen, da sehr viele "remasterte" Neuauflagen" zu Tode komprimiert sind. Die alte Version klingt in vielen Fällen besser.

Natürlich ist das nur meine Meinung.
Die beste Lösung wäre, die Aufnahmen möglichst unkomprimiert zu erstellen und es dem einzelnen Hörer in seinen Wiedergabegeräten selber zu überlassen, in wie weit er die Dynamik komprimiert haben möchte. Bei Dolby Digital z.B. funktioniert das schon recht gut, auch bieten manche AV-Receiver diese Funktion signalunabhängig (z.B. viele Yamaha-Receiver).


[Beitrag von piccohunter am 18. Apr 2008, 14:14 bearbeitet]
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