Hören und messen

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richi44
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 15. Okt 2007, 10:38
Bei der Entwicklung eines Gerätes ist es eindeutig notwendig, Messungen durchzuführen und diese so zu dokumentieren, dass sie reproduzierbar sind.

Wenn der Hifi-Freund ein Gerät vor sich hat, kann er nicht messen, sondern nur hören.

Daraus ergäbe sich doch die Notwendigkeit, Hörerfahrungen und Messwerte einander gegenüberzustellen. Denn es folgt ja immer wieder das Argument: Aber ich hörs doch.
Nur, wenn man weiss, was man hört, kann man auf der messtechnischen Seite danach suchen.

Es würde eindeutig zu weit führen, wenn ich da die wissenschaftlichen Ergebnisse zusammentragen und hier veröffentlichen wollte. Dazu bin ich auch nicht in der Lage. Es gibt aber eindeutig Fragen, die nicht beantwortet sind.
Was die Messtechnik anbelangt, ist sicher nahezu alles untersucht. Offene Fragen gibt es aber im Bereich Hören.
2005 habe ich daher mal die Frage nach der Funktion des Ohres gestellt
http://www.hifi-forum.de/viewthread-8-1444.html
und einige Anntworten erhalten. Nur ist es immer das Gleiche: Eine Antwort enthält 10 Fragen.
Dazu möchte ich hier zwei Fragen stellen: Wie funktioniert das mit den Sinneszellen, die quasi als „Vertsärker“ arbeiten
Und
Ist das mit der Unmöglichkeit des Phasenhörens bewiesen oder ist es eine Annahme?

Der Hintergrund: Man weiss, dass die Sinneszellen in der Mitte der Basilarmembran für das Hören zuständig sind, also die Empfänger darstellen. Und man weiss mittlerweile, dass die äusseren Zellen angeregt werden, mitschwingen und daher den Schall verstärken. Dies mal ganz einfach gesagt.
Weiter hat man festgestellt, dass, die Empfangszellen bei akustischer Anregung Impulse aussenden, wobei die Anzahl der Impulse der Lautstärke entsprechen. Dies ist per Sonde oder EEG messbar. Und diese Impulse werden zum Hirn geleitet und dort im Hörzentrum in für uns erlebbare Signale umgewandelt.

Wenn man dies als Grundlage nimmt, ist ein Phasenhören nicht möglich. Und daher wird auch behauptet, ein Phasenhören gebe es nicht.

Experimentell „bewiesen“ ist das mit den äusseren Sinneszellen, also mit deren „Verstärkerfunktion“.
Zwischendurch schnell etwas anderes. Das Hören hat seinen Ursprung natürlich schon früh in der Entwicklungsgeschichte. Und deshalb ist es auch heute noch auf die natürlichen Geräusche konstruiert.

Angenommen, der Blitz schlägt ein. Ich höre den Knall. Und dieser Knall ist auf beiden Ohren identisch, wenn der Blitz ganz genau vor mir eingeschlagen hat und nichts den Schallverlauf stört.
Ist der Einschlag seitlich, ergeben sich Unterschiede im Klang (Abschattung durch den Kopf), im Pegel und in der Laufzeit. Und es ist bekannt, dass die Laufzeit recht genau erfasst werden kann. Dazu muss das Geräusch aber eine bestimmte Steilheit aufweisen, was bei einem Blitz ja der Fall ist.
Durch die Laufzeit ergibt sich auch eine frequenzabhängige Phasendifferenz der Signale. Und das ist der Kernpunkt: Kann ich dies hören oder nicht?

Wir hatten den Blitz. Wir können beliebige Geräusche nehmen, entweder sind sie auf beiden Ohren identisch, oder sie sind unterschiedlich durch die seitliche „Ablage“. Was es in der Natur nicht gibt, das sind identische Geräusche, aber mit einer Gegenphasigkeit der beiden Ohren. Daher ist eigentlich die Notwendigkeit nicht gegeben, solche Geräusche erkennen zu können. Die Phasenfehler gehen in der Natur immer mit einer Laufzeit, also einer Ablage oder Reflexion einher. Daher werden Phasendifferenzen (sofern sie detektiert werden könnten), mit seitlichen Schallereignissen in Zusammenhang gebracht.

Jetzt aber zurück zu meinen Fragen: Wie sieht das mit dem „Verstärker“ aus?
Angenommen, wir hätten einen Sinuston, der das Ohr trifft. Und dieser Sinuston startet unvermittelt mit einem Druckanstieg.
Wenn die Verstärkerfunktion einsetzt, muss doch das „Verstärkerhäärchen“ gleich schwingen, wie die Ohrflüssigkeit, um deren Bewegung zu unterstützen. Eine Gegenphasigkeit würde ja die Bewegung des Empfangshäärchens hemmen.
Und was, wenn der Sinus negativ anfängt? Oder mit einer beliebigen Position auf dem Kurvenverlauf? Die Phase des Verstärkerdings muss doch in jedem Fall stimmen.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder besteht eine „Kurzschlussverbindung“ zwischen Empfänger und Verstärker oder die Phase kann bis ins Gehirn mitgeteilt werden und stimmt auch bei der Rückmeldung zur Verstärkerzelle. Dann wäre es auch ganz einfach durch Hirnfunktion möglich, die Stärke der Verstärkung zu beeinflussen, denn schliesslich soll ja damit Quasi eine „Pupillenfunktion“ ausgelöst werden. Mit den reinen Klickimpulsen der Sinneszellen würde das aber noch nicht funktionieren, da muss mehr vorhanden sein, was wir vermutlich bisher noch nicht wissen.

Und es gibt noch etwas anderes: Ich habe gesagt, beim Blitz haben wir identische Signale. Was passiert, wenn ich den Blitz oder ein anderes, beliebiges Signal über einen Kopfhörer anhöre und dabei die Anschlüsse einer Kapsel vertausche?
Wenn ich keine Phase feststellen kann, gibt es keinen Klangunterschied, ob die Ohren gleichphasig oder gegenphasig beschallt werden. Ich persönlich kann aber die Phasenrichtigkeit beim Kopfhörer sehr wohl feststellen. Ob das andere auch können, würde mich mal interessieren. Das wäre doch der Beweis, dass die relative Phase zwischen den Ohren sehr wohl feststellbar ist.

Angenommen, wir kämen zur Erkenntnis, dass Phasenunterschiede sehr wohl hörbar sind (was nach meiner Ansicht eine recht hohe Wahrscheinlichkeit hat), so müsste geklärt werden, unter welchen Umständen (Frequenzen, Frequenzgemische, Pegelunterschiede usw.). Und es müsste ebenfalls geklärt werden, wie hoch der Prozentsatz jener ist, die das hören. Denn es könnte für eine Hifikette Auswirkungen haben.

Wenn dem so wäre, könnten auch Lautsprecher-Unterschiede eine weitere Erklärung erfahren. Sicher ist, dass Frequenzweichen die Phase beeinflussen und aus meiner Erfahrung sind es gerade die mittleren Frequenzen, die sich in der Phase deutlich bemerkbar machen. Das ergäbe auch eine Erklärung dafür, warum von einzelnen Hörern Breitbänder bevorzugt werden, trotz der nachweislichen Nachteile, die sie haben.

Und letztlich könnte es auf die Messtechnik Auswirkungen haben.

Was messen wir und wie?
Der grösste Teil unserer Messungen sind statisch und mehrheitlich eintönig.
Das bedeutet, dass wir dem Prüfling üblicherweise eine Frequenz zuführen und daran innerhalb der Messung nichts verändern.

Wir messen den Pegel, die Verstärkung und die Fremdspannung, also alles Dinge, die mit einer konstanten Frequenz und einem konstanten Pegel zusammenhängen.
Weiter messen wir den Klirr, indem wir das Verhältnis zwischen Vollsignal und Störsignal messen, also die zugeführte Frequenz unterdrücken. Oder wir messen spezifisch K2 und K3 durch eine selektive Messung. Dies alles aber bei nur einer Frequenz und nur einem Pegel. Jede Veränderung von Frequenz und/oder Pegel ist im Grunde eine neue Messung.

Das sind für viele Hififreunde schon alle Messungen gewesen, teils auch für die „Fachblättchen“.

Nun gibt es noch Zweikanalmessungen, wie etwa das Übersprechen oder Phasendifferenzen der Kanäle, wobei dies auch wieder eintönige, statische Messungen sind.

Daneben gibt es zweitönige Messungen, wie etwa die Intermodulation. Da wird nach den Mischprodukten gesucht, die durch eine krumme Kurve aus den beiden ursprünglichen Signalen gebildet werden.

Und schliesslich gibt es noch die einzige dynamische Messung, nämlich TIM. Hier wird einem Sinussignal ein Recheck überlagert und so das „verschlucken“ des Prüflings getestet.

Falls die Erkenntnis reift, dass noch weitere Dinge hörbar sind als jene, die wir bei heute kennen, könnten allenfalls weitere Verzerrungsprodukte an Bedeutung gewinnen, welche bisher nicht beachtet wurden und nur sporadisch, also dynamisch und damit der Musik entsprechend in Erscheinung treten können.

Man kann aber eigentlich heute schon davon ausgehen, dass die Ursachen der verschiedenen Verzerrungen bekannt sind und dass sich kaum neue dazu gesellen werden. Wenn ein Gerät keine krummen Kennlinien aufweist, welcher Art auch immer, können Verzerrungen beliebiger Art eigentlich nicht entstehen.


Jetzt bin ich mal auf die Reaktionen gespannt, einmal, was die Verpolung eines Kopfhörers betrifft, aber auch aus technischer Sicht, welche Verzerrungsprodukte noch zu messen und zu interpretieren wären.
Was ich hier nicht bearbeitet habe ist die Frage, welche Art von Verzerrungen (K2, K3, Imd, TIM, Frequenzgang) welche klanglichen Auswirkungen hat.
Ich möchte die Sache nämlich nicht zu weit treiben, denn es ist ja nicht unsere Aufgabe, der Industrie klar zu machen, was noch alles zu messen und zu beachten sei.
Earl_Grey
Inventar
#2 erstellt: 15. Okt 2007, 21:28
Hallo richi,
schau einmal hier unter 4. - 1. Beispiel. Ist es sowas was Du suchst?
EDIT: Das hier ist noch genauer: Genau gesagt sogar 867 Seiten genau .
(Ernsthaft: Schau einmal auf S. 208 zweiter Absatz von oben ff und S. 374 zweiter Absatz von unten ff)
EDIT2: Tiefe Töne kann man ja von Natur aus schlecht(er) lokalisieren. Ich gehe davon aus dass nur die Urmenschen mit dem entsprechenden Phasendefekt den Bären von der richtigen Seite hatten kommen hören.:D


[Beitrag von Earl_Grey am 15. Okt 2007, 22:12 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 16. Okt 2007, 09:00
Hallo Earl, ich habe die Sache nur mal da gelesen, wo Du sie mir angegeben hast, die restlichen Seiten spar ich mir fürs Altenheim
Nein im Ernst, wenn man die Quellen verfolgt, die aus der Medizin kommen, so wird das Phasenhören bestritten, das Laufzeithören jedoch wird akzeptiert.
Nun kann man aber bei einem reinen Sinus nicht Laufzeit hören, denn je nach Startpunkt (der Sinus könnte ja auch beim maximalen oder minimalen Punkt starten und nicht nur beim Nulldurchgang) ist keine scharfe Begrenzung vorhanden. Beim Sinus kann man tatsächlich nur die Phase wirklich feststellen. Das würde bedeuten, dass nach den Medizinern ein Sinus nicht ortbar ist, wenn er schon einige Perioden vor sich hin pfeift und wenn die Pegel auf beiden Ohren gleich sind.
In den von Dir angegebenen Seiten geht es aber soweit ich gesehen habe nicht ums Ohr, sondern einfach ums Hören. Und somit sind die medizinischen Hintergründe nicht berücksichtigt, sondern es sind die täglichen Erfahrungen Grundlage der Überlegungen. Und damit sind wir da, wo ich eigentlich schon immer gewesen bin, nur wurde dies in meinem seinerzeitigen Thread über das Ohr "bekämpft".

Der Grund für meine Überlegungen ist folgender: Wenn die Phase tatsächlich hörbar ist (kann sein, dass ab einer bestimmten Signalkomplexität = grosses Orchester dies nicht mehr möglich ist), müsste ihr bei der Aufnahme und Wiedergabe mehr Beachtung geschenkt werden. Bei der Aufnahme wird zumindest durch Kondensatormikrofone nichts wirklich verpfuscht, bei der Wiedergabe aber über Mehrwegboxen ist die Beeinflussung doch gegeben.

Und es könnte ja sein, dass erstens die Menschen gerade in diesem "Randbereich" des hörens unterschiedlich reagieren, also mehr oder weniger empfindlich sind und dass zweitens unterschiedliche Kombinationen von Übertragungsfehlern zusätzliche Höreffekte auslösen.
Gerade im Bereich Lautsprecher stellt man doch immer wieder fest, dass verschiedene Marken einen eigenen Klang haben, auch wenn die Daten mit anderen Produkten absolut vergleichbar sind. Wenn ich also eine bestimmte, alte Klein und Hummel mit einer WHD aus der gleichen Zeit vergleiche, habe ich mehr Gemeinsamkeiten, wie wenn ich eine andere Hummel zum Vergleich beziehe. Dies einfach, weil in besagter Box M und H von WHD stammten, in einer anderen Box aber von Peerless.
Oder wenn ich die Genelec untereinander vergleiche, sind die Unterschiede zwischen den Zweiwegmodellen nicht gross, ebenso jene zwischen den Dreiwegern. Aber Zwei- und Dreiwegeriche lassen sich kaum mischen. Da ist die klangliche Differenz zu gross.

Ich will mit meinem Artikel eigentlich auf die Diskrepanz zwischen medizinischer und tatsächlicher Sicht hinweisen. Und ich will vor allem aufzeigen, dass es möglicherweise durch die Kombination unterschiedlicher Fehler zu neuen Hörabweichungen kommt, die wir noch nicht zuordnen können. Es geht auch darum aufzuzeigen, dass die Auswirkungen von Übertragungsfehlern a) nicht überall gleich stark auffallen und b) vermutlich noch nicht vollständig bekannt sind.
Wir kennen K2 und Rauschen als Röhrenklang, wir kennen die Auswirkung von K3 und jene von Bitumschaltungen bei schlechten Digitalgeräten. Und wir wissen, wie sich eine Intermodulation und ein TIM anhört. Aber wir kennen wohl kaum die Auswirkungen dieser Fehler im gemeinsamen Auftritt. Ich könnte mir einfach vorstellen, dass es gerade bei diesen Kombinationen sein kann, dass wir so Erklärungen für den unterschiedlichen Klang einzelner elektronischer Komponenten finden, was aufgrund der einzelnen Messungen nicht zum Ziel führt.
MusikGurke
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 17. Okt 2007, 06:54

Beim Sinus kann man tatsächlich nur die Phase wirklich feststellen.


wenn du den phasengang nach der Frequenz ableitest hast du die laufzeit. das ist beides das gleiche.

die phase ermöglicht die anschauung, wie groß die "laufzeitunterschiede" im vergleich zu einer wellenlänge sind.

die laufzeit ermöglicht das ganze im vergleich zu der zeit welche beim durchschreiten der "laufzeitunterschiede" verstrichen ist. das ist alles.

du kannst die maximalen laufzeiten (je nach frequenz zwischen 2 und 8ms, siehe wikipedia) jederzeit für die zugehörige frequenz in den hörbaren phasendreher umrechnen.

bei periodischen signalen macht die angabe der phase recht wenig sinn, sobald die phasenverschiebung gleich der periodendauer ist. da hast du recht.

phase und laufzeit geben aber genau das gleiche an, nur mit verschiedenen bezugswerten.


dass wir so Erklärungen für den unterschiedlichen Klang einzelner elektronischer Komponenten finden, was aufgrund der einzelnen Messungen nicht zum Ziel führt.


die werte sind meist unter der hörschwelle.
richi44
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 17. Okt 2007, 09:00
Das ist alles richtig und bekannt, nur kannst Du bei einem Sinus, der genau im Nulldurchgang startet, auch dann eine Differenz hören (Laufzeit zwischen den Ohren), wenn das Gehör die Phase nicht registrieren würde, wie das die Medizin behauptet. Dies einfach darum, weil es bis zum Zeitpunkt X nichts gab, und ab diesem Zeitpunkt der Sinus einsetzt mit einem Gemisch vieler Frequenzen, denn aus dem Nullpunkt startend ist es kein Sinus, sondern ein "Klick".
Es gibt als zwischen den Ohren zwei Klicks mit einer Laufzeit. Dies hat mit der Phase nichts zu tun, erst der eingeschwungene Sinus hat mit der Phase zu tun und da ist die Laufzeit gleichbedeutend mit der Phasendifferenz.

Wenn man also vom eingeschwungenen Sinus ausgeht, wie ich das angedeutet habe und die Phase oder Phasendifferenz nicht hörbar wäre, wäre ein EINGESCHWUNGENER Sinus nicht ortbar. Ortbar wäre demnach alles, was ein Klick ist, weil das Signal einen offensichtlichen Stratpunkt hat, der immer wiederkehrend erkennbar bleibt. Das ist mit der Laufzeitdifferenz möglich und erklärbar. Es geht aber wie gesagt nur bei komplexen Signalformen und nicht mit Sinus, so jedenfalls nach der Medizin.

Meine Aussage:
Beim Sinus kann man tatsächlich nur die Phase wirklich feststellen
bezieht sich auf den eingeschwungenen Zustand, wo es also keine zusätzlichen Frequenzen gibt, welche jeweils den Start einer Signalform darstellen und für eine "Laufzeit" genutzt werden können.

Ich will damit aufzeigen, dass es zwischen dem, was die Medizin annimmt und dem, was wir täglich feststellen, Differenzen gibt. Und es interessiert mich, ob das bei allen Menschen so ist, dass sie den Sinus (500Hz) orten können oder ob es da grosse individuelle Unterschiede gibt.
richi44
Hat sich gelöscht
#6 erstellt: 17. Okt 2007, 10:01
Ich möchte noch etwas hinzufügen: Ich galube, man kann als bewiesene Tatsache annehmen, dass die absolute Phase eines Signals unhörbr ist. Es macht also keinen Unterschied, ob der Lautsprecher zu Beginn nach innen oder aussen ausschlägt.
Was eigentlich unklar ist, sind die Signale, die ich in meinem verlinkten, ursprünglichen Beitrag erwähnt habe. Dort wurde ein bestimmter Klang rückwärts wiedergegeben und veränderte damit (zumindest für mich und einige andere Zuhörer) den Klangcharakter deutlich.

Wenn wir das mit einem Oszilloskopbild vergleichen, so hat eine Y Invertierung keinen Einfluss auf den Klang. Eine X-Invertierung hat dann Einfluss, wenn man die gleiche Kurvenform nicht auch durch eine Y-Invertierung hinbekommen könnte.
Als Beispiel:
Ein Sinus. Den kann ich y invertieren, er sieht zumindest nach einer Periode genau gleich aus wie das ursprüngliche Signal. Ebenso ein Rechteck oder ein Dreieck.
Bei einem Sägezahn sieht das anders aus. Da ist entweder ein langsamer Anstieg oder ein langsamer Abfall. Aber genau das Gleiche passiert, wenn ich die Zeitachse umdrehe. Und daher ändert sich an diesen Signalen klanglich nichts. Dass sich die Teilfrequenzen nicht verändern, steht ja ausser Zweifel.

Wenn ich nun ein komplexeres Signal verwende, das durch Teilfrequenzen mit unterschiedlicher Startphase gebildet wird, ist die Y-Invertierung wie bei allen Klängen wirkungslos. Aber durch das Invertieren der X Achse ändern sich die Startphasen der Teiltöne gegenüber der Grundfrequenz und ich empfinde es als neuen Klang.

Für mich entsteht daraus die Überlegung, dass Phasenfehler hörbare Auswirkungen haben sollten, nämlich dann, wenn der Phasengang über dem Frequenzbereich nicht konstant ist, sondern sich verändert, wenn dabei auch die Gruppenlaufzeit erhalten bleibt. Sowas kann gewollt sein, etwa durch Allpässe, oder mehr oder weniger ungewollt, durch Klangregler.

Die Überlegung ist also letztlich, ob wir nicht z.B. Messungen mit Signalen durchführen sollten, welche aus Teilfrequenzen mit unterschiedlichen Startphasen entstanden sind, um derartige Auswirkungen aufzuspüren.
Wir wissen ja, dass wir mit den üblichen Messung oft nur minimale technische Unterschiede zwischen verschiedenen Geräten und Lautsprechern feststellen können, dass sich aber klangliche Unterschiede mehr oder weniger deutlich ausmachen lassen. Diese Reste möchte ich irgendwie "dingfest" machen.
MusikGurke
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 17. Okt 2007, 15:03

wäre ein EINGESCHWUNGENER Sinus nicht ortbar


doch, da die HRTF der ohren den sinus an beiden ohren unterschiedlich verfärbt. die ortung geht nicht nur über phasendifferenzen.

bei hochfrequentem sinus könnte das mit der ortung ein echtes problem sein, da die HRTF hier nicht mehr greift. die durch die HRTF erzeugten artefakte sind oberhalb der hörschwelle. bei tonhöhen über 10khz wird das orten auch deutlich schwieriger.


denn aus dem Nullpunkt startend ist es kein Sinus, sondern ein "Klick".


das wäre sinus * heavisidefunktion

die heavyside hätte als foriertransformierte (laut google)



und das dann gefaltet mit der fouriertransformierten vom sinus. das ist ein ziemlich buntes frequenzgemisch... das dürfte deutlich besser ortbar sein.
richi44
Hat sich gelöscht
#8 erstellt: 28. Okt 2007, 10:25

MusikGurke schrieb:

wäre ein EINGESCHWUNGENER Sinus nicht ortbar


doch, da die HRTF der ohren den sinus an beiden ohren unterschiedlich verfärbt. die ortung geht nicht nur über phasendifferenzen.

bei hochfrequentem sinus könnte das mit der ortung ein echtes problem sein, da die HRTF hier nicht mehr greift. die durch die HRTF erzeugten artefakte sind oberhalb der hörschwelle. bei tonhöhen über 10khz wird das orten auch deutlich schwieriger.


Wie kann ein Sinus "verfärben"? Es handelt sich um EINE Frequenz. Und wenn ich durch die Ohrmuschel einen nicht linearen Frequenzgang bekomme, so verändere ich folglich bei EINER Frequenz nur deren Pegel.
Bei einem Klang ist das was anderes, oder bei irgendwelchen verzerrten Signalen, also Frequenzgemischen (= Klang). Bei einem reinen Ton kann das aber nicht greifen.
Was ich mit Sicherheit habe ist eine Phasendifferenz durch die Laufzeit. Dass diese frequenzabhängig ist, versteht sich.
Daher nochmals die Frage, ob der Sinus im eingeschwungenen Zustand ortbar sein müsste, wenn ich z.B. die Lautsprecherpegel so ausgleiche, dass (z.B. mit dem Neumann-Kunstkopf gemessen) an beiden Ohren der selbe Signalpegel vorhanden ist. Und da es wie gesagt keine Verfärbung bei nur einer Frequenz gibt und ebenso ein Start des Sinus fehlt, gibt es ausser dem reinen Ton nichts weiter, also keinen Anhaltspunkt für die Laufzeit, lediglich die Phasendifferenz. Und wenn die Phase nicht hörbar ist, weil sie das Ohr nicht zum Gehirn übertragen kann, so ist in diesem Fall eine Ortung unmöglich. Und genau das bezweifle ich.
MusikGurke
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 28. Okt 2007, 13:49

Wie kann ein Sinus "verfärben"?


"verfärben" ist zugegeben etwas unglücklich ausgedrückt. ich hoffe, du kannst einem Gelegenheitslegastheniker verzeihen.

Beide ohren empfinden das geräusch als unterschiedlich laut. instinktive kopfdrehungen werden die pegelunterschiede je nach kopfposition verändern, die ortung klappt imho ganz gut.

bei hohen frequenzen klappt die HRTF nicht mehr, deine bisherigen beiträge sind eine gute erklärung warum diese frequenzen nicht mehr geortet werden können.


wenn ich z.B. die Lautsprecherpegel so ausgleiche, dass (z.B. mit dem Neumann-Kunstkopf gemessen) an beiden Ohren der selbe Signalpegel vorhanden ist.


ich bezweifle, dass das möglich ist. mit kopfhörern würde es leichter gehen. wenn beide frequenzen gleich laut an beiden ohren "gemessen" werden würde man den sinus vermutlich auf der meridianebene orten. ich hoffe mal "meridianebene" ist das richtige wort, also oben, unten, vorne, hinten. oder im kopf.

habs gerade malt mit meinem kopfhörer und nem 400hz sinus ausprobiert, ich orte den mitten im kopf. ein 1khz orte ich merkwürdigerweise etwas weiter links (?). nen 15khz orte ich merkwürdigerweise auch im kopf... merkwürdig, über lautsprecher kann ich sehr hohe frequenzen nicht sauber orten
richi44
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 28. Okt 2007, 18:06
Du hast sicher gemerkt, es geht mir in erster Linie um das "Phasenhören".

Wenn keine Pegeldifferenz an den Ohren vorhanden ist und es keine Laufzeit gibt, gibt es eigentlich nur das mittige Hören. Ob das dann im Kopf stattfindet oder auf der Lautsprecherbasis lassen wir mal offen.

Und wenn wir den eingeschwungenen Zustand bei einem Sinus haben, gibt es die zusätzlichen Frequenzen nicht, also weder Verfärbung noch irgend eine art von "Klick", der andeutet, da ist etwas geschehen und da muss es jetzt eine Laufzeit geben. Damit ist definitiv nichts.

Wenn ich also irgend eine "Ablage" aus der Mitte feststellen kann (das kann auch durch einen unterschiedlichen Frequenzgang meiner Ohren geschehen), muss entweder ein Pegelfehler vorliegen oder es müsste dem Ohr möglich sein, die Phasendifferenz auszuwerten.

Wenn ich persönlich nun einen Kopfhörer verwende und eine Kapsel verpolt betreibe, so habe ich nicht den gleichen, diffusen Eindruck wie bei Lautsprecherwiedergabe, aber ich habe ebenfalls ein unterschiedliches Hörerlebnis gegenüber der nicht verpolten Anschlussart.

Und das wird wohl unbestritten sein, dass sich ausser der Verpolung, also der Phase nichts weiter ändert, weder der Pegel noch irgendwelche Verzerrungen noch Laufzeiten.
Daher meine ursprüngliche Frage: Wer ausser mir hört diese Verpolung als klanglichen Unterschied?

Das wäre noch kein eindeutiger Beweis, aber ein Indiz, dass die Phasenrichtigkeit oder Gegenphasigkeit an den Ohren sehr wohl irgendwie registriert wird. Und dazu müsste das Ohr ja irgendwie die Phase detektieren. Ohne Laufzeit, selbstverständlich.
MusikGurke
Hat sich gelöscht
#11 erstellt: 28. Okt 2007, 18:38

Du hast sicher gemerkt, es geht mir in erster Linie um das "Phasenhören".


jep. das würde ja auch bei hohen frequenzen funktionieren, wo der mensch aber kaum noch orten kann.

bei "niedrigen" frequenzen, wo die HRTF noch klappt, kann der mensch noch orten. so zumindest mein versuch zu argumentieren.


Wenn ich persönlich nun einen Kopfhörer verwende und eine Kapsel verpolt betreibe, so habe ich nicht den gleichen, diffusen Eindruck wie bei Lautsprecherwiedergabe, aber ich habe ebenfalls ein unterschiedliches Hörerlebnis gegenüber der nicht verpolten Anschlussart.


das ohr kann phasenunterschiede auswerten, es kann nur nicht die absolute phase auswerten. wenn du eine kapsel verpolst hast du 180° unterschied zum anderen signal. das hör ich auch.

habe gerade wegen dir diverse sinustöne gehört, ich orte die töne je nach frequenz an unterschiedlichen orten im kopf. meine ohren sind irgendwie komisch...
richi44
Hat sich gelöscht
#12 erstellt: 28. Nov 2007, 12:51
Jetzt mal etwas ganz anderes. Und zwar geht es um die Wahrnehmung, was natürlich klingt und was nicht. In einem anderen Thread geht es unter anderem um Breitbänder. Und da ist bekannt, dass diese Intermodulationen erzeugen, wenn zwei Signale unterschiedlicher Frequenz (angenommen 100Hz und 2kHz) gleichzeitig wiedergegeben werden.

Meine Überlegung ist folgende:
Wenn ich in einem Raum zwei Lautsprecher habe, wovon einer die 100Hz wiedergibt, der andere die 2kHz, so ist im Raum keine Intermodulation vorhanden.
Mein Ohr aber muss am Trommelfell der Schalldrucksumme folgen. Ich gehe mal davon aus, dass ich diese Überlagerung nicht als Intermodulation höre (ist mir jedenfalls noch nie aufgefallen).

Frage: Wie verhält es sich tatsächlich? Und ist es letztlich eine Frage der Auslenkung, also der Lautstärke der beiden Signale und ihr Verhältnis zu einander, ob ich es höre oder nicht?

Und wenn ich es nicht hören würde, müsste es doch mit einem Mikrofon, das meine Trommelfellbewegungen "nachahmt" und einem Lautsprecher auch keine IM geben, denn die beiden kann man ja als starre Kopplung verstehen.

Oder hängt dies jetzt von der Abhörlautstärke, also dem Lautsprecherpegel ab?

Oder passiert das erst, wenn ich dem Lautsprecher zwei getrennte elektrische Signale zuführe (diese können am Eingang der Endstufe addiert werden).
Das würde dann bedeuten, dass es immer dann passiert, wenn zwei getrennte Signale elektrisch addiert werden, also bei jeder Multimikrofonieaufnahme und nicht bei einer Aufnahme mit nur einem Mikrofon.

Weil: Im Grunde wäre der Breitbänder zumindest theoretisch vom Phasenverhalten her ideal. Immer vorausgesetzt, dass er linear arbeitet, nicht klirrt, keine Resonanzen aufweist und eine ideale Abstrahlung zeigt ohne starke Schwankungen im Pegel bei abweichender Richtung über den Frequenzgang (also etwas, das es leider nicht gibt).
richi44
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 28. Nov 2007, 13:02
Und gleich noch eine Überlegung. Dazu eine kurze Vorgeschichte:
Ich habe mal ein Dixiekonzert digital aufgezeichnet. Das ging ohne Limiter oder sonstige "Klangmörder". Und im Gegensatz zu einer Tonbandaufnahme war die Wiedergabe ohne irgendwelche Phasendrehungen.

Jetzt meine Feststellung: Wenn ich diese Aufnahme über eine kräftige, hochwertige Anlage abhörte, sodass ich im Abhörraum in etwa Originallautstärke erreichte, war das Gefühl so, als spielte die Band wirklich in dem Raum. Bei geringerer Lautstärke wurde die Wiedergabe mehr und mehr das übliche, hochwertige Gedudel.
Ich muss sagen, dass ich die Aufnahme nur mit einem Hauptmik gemacht habe.

Nun meine Frage: Ist eine "originalgetreue" Wiedergabe nur möglich, wenn ich Limiter und Kompressoren und dergleichen weg lasse und halt in Originallautstärke abhöre?

Ist eine Multimikrofonieaufnahme überhaupt "originalgetreu"?

Und wie steht es da mit den Intermodulationen und dem Klirr der Lautsprecher? Oder werden diese Effekte vom Eigenklirr des Ohrs überdeckt?
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