Bruckner, Anton: Sinfonie Nr. 6 A-Dur

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teleton
Inventar
#1 erstellt: 23. Apr 2007, 14:08
Hallo vanrolf,

welch ein Zufall das hier in Bezug auf Klemperer gerade von Bruckner: Sinfonie Nr.6 die Rede ist.

Ich habe gerade am Wochenende Klemperers EMI-Aufnahme der Bruckner: Sinfonie Nr.6 auf dem Flomarkt Rheinaue Bonn bei einem TOP-CD-Händler für Klassik-CD´s (der hat immer gute Sachen zur Auswahl):

Bruckner: Sinfonie Nr.6
Klemperer / New Philharmonia Orchestra
EMI 1964/ADD

Die Sinfonie Nr.6 gehört seit der Karajan-Aufnahme und nachdem ich Solti´s Aufnahme kennengelernt habe zu den sehr hochgeschätzten Bruckner-Sinfonien.

Von der Klemperer-Aufnahme war ich dann zu Hause nicht so 100% überzeugt, obwohl Klemperers Sicht schon einige Stärken und Tiefe aufweist. Besonders der 2.Satz, den Klemperer zügiger als andere nimmt, punktet bei mir.

Klanglich bin ich durch Solti (Decca) ohnehin verwöhnt, denn die Streicher und Bläser klangen bei Klemperer(EMI-typisch) quäkig. Besonders bei lauten Stellen wird es dann unangenehm, ausgerechnet wenn mit den wichtigen Blechbläsern eine Steigerung aufgebaut wird. Was müssen die in den 60er Jahren für miese Mikrophone in London an gleicher Stelle verwendet haben, denn den gleichen Negativeffekt hatte ich schon bei den Brahms-Sinfonien mit old Klemp.

Was mir gar nicht gefällt ist die Unterbelichtung der Schlagzeuggruppe - das rhytmische Element geht ganz unter - welch ein leuchten in dieser Beziehung bei Solti (und auch Karajan (DG) steht da kaum zurück). Gleiches hatte ich bei der Chung-Aufnahme, die mir seinerzeit Holger Grinz zur Verfügung stelle auch bemängelt.

Mir gefällt es so jedenfalls so ohne hörbare Pauken nicht !
embe
Stammgast
#2 erstellt: 23. Apr 2007, 15:59
Hallo Wolfgang,
auf der alten CD Fassung aus den 80igern hört man die Pauken lauter.
Hab beide Cds.
Noch ne ordentlich paukende Aufnahme ist die von Wand
amazon.de

Die spätere Aufnahme ist wieder zurückhaltender...

Müsste mir mal wieder meine Sawallisch Aufnahme anhören,
war die 1. Bruckner 6. auf CD für mich.


Wenn ich mich nicht irre war hier auch alles im Lot.

Ich mags auch lieber mit Donner, gerade in der 6.

Gruß
embe
vanrolf
Inventar
#3 erstellt: 24. Apr 2007, 02:31
Hallo zusammen,

die Aufnahmen der 6. Symphonie von Solti, Karajan und Sawallisch kenne ich nicht, kann mir aber zumindest im Fall Karajan gut vorstellen, daß er eine überzeugende Lösung gefunden hat.

Ganz allgemein wundert mich, daß Bruckners 6. Symphonie relativ selten erwähnt wird. Ich finde sie zum Beispiel viel abwechslungs- und einfallsreicher als die No. 4, und für diese, angeblich "beliebteste" Bruckner-Symphonie gibt es hier sogar einen eigenen thread.

Die von Wolfgang gezeigte Klemperer-Aufnahme gehört zu meinen bisherigen Lieblings-Bruckner-CDs überhaupt, seit ihres Erscheinens war sie (neben Günter Wands erster RCA-Aufnahme aus Köln von 1976) meine einzige Aufnahme des Werkes, und meine Begeisterung war - und ist nach wie vor - so groß, daß ich keinen sonderlichen Bedarf nach Alternativen verspürte. Daher möchte ich von vorne herein nicht ganz ausschliessen, daß meine Objektivität sich hier in Grenzen hält.

Seit kurzem verfüge ich auch über die beiden späteren Wand-Mitschnitte sowie über die Aufnahme der Münchner Philharmoniker unter Celibidache.

Ich bin überzeugt, daß Soltis spätere Decca-Aufnahmen einen deutlich höheren Dynamikumfang aufweisen, trotzdem empfinde ich die Klemperer-Aufnahme von 1964 anders als Wolfgang. Sie klingt in meinen Ohren um ein vielfaches durchsichtiger und differenzierter als Klemps frühere Brahms-Aufnahmen, mit denen ich ähnliche (klangliche!) Schwierigkeiten habe. Quäkige Bläser und Streicher? Tut mir leid, aber das ist für mich so absolut nicht erkennbar, weder bei den Blech- noch bei den Holzbläsern. Im Gegenteil, gerade die Holzbläser kommen für eine Aufnahme dieses Alters erstaunlich lebensecht rüber.

Was das Schlagwerk betrifft, unbestreitbar klingen die Pauken im Vergleich zu modernen Aufnahmen verhaltener, die Frage für mich ist aber, ob eine stärkere Betonung hier immer unbedingt nötig ist. Es gibt da zum Beispiel den Beginn des dritten Themas im zweiten Satz (in der Klemperer-Aufnahme bei 04:22 beginnend), die Pauke, die nach einigen Sekunden dezent die Trauerzug-ähnliche Stimmung unterstreicht, wünsche ich mir genau so und nicht anders. Alle drei Wand-Aufnahmen donnern zu Beginn des ersten Satzes gehörig drauf los, so daß es mir schon übertrieben vorkommt. Überhaupt habe ich mit Wands im übrigen sehr schönen Aufnahmen das Problem, daß er den ersten Satz viel zu schnell angeht, als würde er ein nagelneues, PS-starkes Fahrzeug nicht richtig beherrschen und geradeso noch die Kurve kriegen. Das ganze Paukengedonnere mit den aufgesetzt wirkenden Bläsern erinnert mich dann immmer an eine Horde deutscher Touristen, die im Vollrausch eine spanische Stierkampfarena stürmt. Furchtbar! Das war bei Wands erster RCA-Aufnahme der Fall und gilt für die späteren Mitschnitte genauso, am erträglichsten noch im letzten mit dem NDR-Symphonieorchester aus dem Jahr 1995. Ansonsten - vor allem im zweiten und dritten Satz - finde ich Wands Aufnahmen einfach grandios.

Wie wohltuend dagegen der erste Satz in Klemps Aufnahme, die Rhythmik ist megapräzise und nichts läuft aus dem Ruder.

Ganz anders wieder Celibidache, der zwar auch mit deutlicheren Pauken aufwartet und ebenfalls zu Beginn des ersten Satzes ein flüssigeres Tempo anschlägt, bei dem man aber nie den Eindruck hat, daß ihm die Sache entgleitet, sondern daß er von einer höheren Position der Gelassenheit aus das Orchester einmal an der langen Leine lässt. Nach Klemps Aufnahme ist diese die erste, die mich ähnlich beeindruckt hat, auch wenn der zweite Satz aufgrund der zum Teil extremen Tempi mehrfach zu zerfallen droht.

Ich bin jedenfalls mal gespannt auf Klemps ältere Live-Aufnahmen der No. 6, die ich hoffentlich demnächst zu hören bekomme.

Gruß Rolf


[Beitrag von vanrolf am 24. Apr 2007, 10:31 bearbeitet]
teleton
Inventar
#4 erstellt: 24. Apr 2007, 11:28
Hallo Bruckner-Freunde,

da der Moderator Hüb nun einen neuen Thread zur Bruckner: Sinfonie Nr.6 eingerichtet hat, was ich zur besseren Zuordnung sehr begrüße, möchte ich noch ein paar Worte zu meinen beiden Favoriten für dieses Werk loswerden.

Bruckner´s Sinfonien habe ich in den 70er/80er-Jahren durch die DG-Jochum-Aufnahmen mit den Berliner PH und teils Bayerisches SO kennen und lieben gelernt.
Die Sinfonie Nr.6 ist mir dabei nicht so herausfallend aufgefallen.

Erst als ich mir dann später auf Einzel-CD die DG-Aufnahmen aller Bruckner-Sinfonien mit Karajan (DG) kaufte kam das AHA-Erlebnis und gerade die Sinfonie Nr.6 gehörte seitdem zu den hochgeschätzten Werken. Ich habe sie nie in irgend einer Form als schwächeres Werk gesehen.

An Karajan´s DG-Interpretation mit den Berliner PH ist für meine Ohren Bruckner – Pur, sie läßt nur klangtechnisch geringe wünsche offen, wenn man die DECCA-Aufnahme mit Solti / Chicago SO kennt.

Diese Solti-Aufnahme der Sinfonie Nr.6 bekam ich durch Kollegenempfehlung einmal ausgeliehen und ich war noch mehr von dem Werk überzeugt. So überzeugt, dass ich mir die Solti-Decca-GA aller Sinfonien gegönnt habe, was ich nie bereut habe, denn hier ergaben sich noch weitere Favoriten.

Solti läßt letztendlich rhythmisch noch prägnanter spielen, läßt die zahlreichen Schlagzeugeinsätze noch intensiver und deutlicher ihren ungehinderten Lauf und hat großartige Blechbläser, sodaß ich die später erworbene Solti – Aufnahme, trotz meiner Karajan/Bruckner-Vorliebe, bei der Sinfonie Nr.6 favorisiere.
JohnD
Stammgast
#5 erstellt: 24. Apr 2007, 22:35
An dieser Stelle möchte ich nochmal meine bisherige Lieblingsaufnahme ins Feld schicken...



Die wird der Brucknerschen Bezeichnung "Keckste" gerecht. Im 1. Satz ist das rhythmische Element auch sehr betont, wie sich das gehört.
Hüb'
Moderator
#6 erstellt: 25. Apr 2007, 06:40
Ich hielt es für eine gute Idee, den Old-Klemp-Thread aufzuteilen. Hoffentlich war's in eurem Sinne...
vanrolf
Inventar
#7 erstellt: 25. Apr 2007, 16:53
Hallo Frank,

ich finde es jedenfalls gut, hatte eh schon länger mit dem Gedanken an einen Bruckner6-thread gespielt.

Gruß Rolf
Joachim49
Inventar
#8 erstellt: 25. Apr 2007, 19:33
Liebe Brucknerfreunde (und die andern meinetwegen auch),
die 6. war die erste Brucknersymphonie, die ich hochgeschätzt habe, ehe ich (beinahe) auch alle anderen lieb gewonnen habe (es wäre vielleichte der Mûhe wert einmal die Frage zu diskutieren, warum die Nullte von den meisten Dirigenten ignoriert wird, obwohl sie zwischen Nr2 und 3 geschrieben ist; das hört man auch, zumindest wenn man es weiss.) Aber zur Sechsten. Es gibt eine verblüffend gute Aufnahme der 6. mit Ricardo Muti und den Berlinern. Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte. (EMI 1988)Kann jemand diese Empfehlung bestätigen?
Mit freundlichen Grüssen
Joachim
JohnD
Stammgast
#9 erstellt: 26. Apr 2007, 17:16
Gähn. Jetzt zählen wieder alle ihre Aufnahmen auf....

Leute, mal grundsätzlich: wenn rennommierte Orchester mit rennommierten Dirigenten große Sinfonik spielen, dann wird das IMMER was. Ob man das so mag ist eine andere Frage.
Warum das dann so ist, erklärt hier leider keiner. Bisher habe ich selten halbwegs aufschlussreiche Beschreibungen einer Interpretation gehört.
Bitte schreibt doch ausführlich warum Euch die Aufnahme so gut gefällt...
vanrolf
Inventar
#10 erstellt: 26. Apr 2007, 17:44

JohnD schrieb:
Leute, mal grundsätzlich: wenn rennommierte Orchester mit rennommierten Dirigenten große Sinfonik spielen, dann wird das IMMER was. Ob man das so mag ist eine andere Frage.
Warum das dann so ist, erklärt hier leider keiner. Bisher habe ich selten halbwegs aufschlussreiche Beschreibungen einer Interpretation gehört.
Bitte schreibt doch ausführlich warum Euch die Aufnahme so gut gefällt...


Hi,

Gut gesprochen und ganz meine Meinung

Na denn mal los. Lopez-Coboz seine No. 6 kenne ich z.B. noch nicht, sie interresssiert mich aber (ich besitze nur eine CD mit ihm, das Fauré-Requiem). Wenn diese Deine "Lieblingsaufnahme" der 6 ist, dann kennst/hast Du wahrscheinlich noch weitere. Was macht sie so besonders oder anders? Daß die No. 6 Bruckners "keckste" ist, höre ich in allen mit bekannten Aufnahmen mehr oder weniger heraus, und zumindest der Probeausschnitt bei jpc klingt bezüglich des "rhythmischen Elementes" eher in Richtung "deutlich" als "übertrieben" (wie bei Wand).


Joachim49 schrieb:
Es gibt eine verblüffend gute Aufnahme der 6. mit Ricardo Muti und den Berlinern. Ich hätte es auch nicht geglaubt, wenn ich es nicht mit eigenen Ohren gehört hätte. (EMI 1988)Kann jemand diese Empfehlung bestätigen?


Gleiche Bitte um genauere Informationen bzw. Eindrücke.


Gruß Rolf
JohnD
Stammgast
#11 erstellt: 27. Apr 2007, 19:39
Bei Coboz klingt das Blech einfach sehr frisch und überhaupt nicht schwer. Liegt wohl an den Amis. Das tut dieser Sinfonie ganz gut. DIe straffen Tempi taugen besonders.
So hab ich das nur einmal bei einem Live-Mitschnitt von Norrington gehört, den ich sehr gut fand. Ich weiß aber nicht ob es davon auch eine CD gibt. War schon mit SWR auf jeden Fall.
op111
Moderator
#12 erstellt: 04. Mai 2007, 13:28
Hallo zusammen,
anläßlich Wolfgangs Kritik habe ich mir einige Aufnahmen der 6. nochmal angehört.

teleton schrieb:
Klemperers EMI-Aufnahme der Bruckner: Sinfonie Nr.6...
Besonders der 2.Satz, den Klemperer zügiger als andere nimmt, punktet bei mir. ...
Was mir gar nicht gefällt ist die Unterbelichtung der Schlagzeuggruppe ...
Mir gefällt es so jedenfalls so ohne hörbare Pauken nicht

Gerade im 2. Satz hört man in der EMI-Aufnahme die Pauken noch am deutlichsten, bei Jochum (BR, DGG baßarme Abmischung), Wand (WDR) und Solti kommt da auch nicht wesentlich mehr. Der Phiharmonia-Schlagzeuger scheint aber anderes Notenmaterial zu verwenden.
Was die Balance in den restlichen Sätzen angeht, sind in der Tat die Pauken unterbelichtet, vor allem im Vergleich zur Decca-Aufnahme.


teleton schrieb:
Klanglich bin ich durch Solti (Decca) ohnehin verwöhnt, denn die Streicher und Bläser klangen bei Klemperer(EMI-typisch) quäkig. ...

Den Eindruck einer Verfärbung in diese Richtung habe ich auch, ähnlich bei der 10 Jahre jüngeren aber viel verwascheneren, dumpferen Aufnahme Wands.
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#13 erstellt: 05. Mai 2007, 12:02
Meine Stadtbücherei hält Bruckner 6/Chailly/Royal Concertgedingens für mich bereit. Genauere Daten/ ein Bild habe ich davon nicht. Ist ein schwarzes Cover mit Gold. Kann jemand estwas dazu schreiben?
Moritz_H.
Stammgast
#14 erstellt: 05. Mai 2007, 14:45
Hallo,

Herr D. Hurwitz schreibt dazu in Classicstoday:

"The Royal Concertgebouw Orchestra sounds absolutely glorious on this recording, the magnificently ringing horns in perfect balance with strings and winds. Riccardo Chailly directs a lively, vigorous performance that's a far cry from his soft-edged, disappointingly limp Ninth Symphony of last year. However, he does indulge in one mannerism at two points in the first movement that some listeners may find annoying. At the grand passage leading to the recapitulation, and then again in the movement's last bars, he suddenly drops the dynamic to piano in order to make an unmarked crescendo. The result is more disconcerting than exciting, but it's not a major issue. On the plus side, he turns in as fine a performance of the finale as you're ever likely to hear, with a spectacular coda that for once isn't upstaged by the ending of the first movement. In sum, Chailly's is a superb version of this joyous symphony . . ."

Bewertung: 8/10

Sicher ist es Dir möglich, das entsprechend einzuordnen.
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#15 erstellt: 05. Mai 2007, 18:48
Danke! Die sechste ist mir noch nicht so geläufig, so dass mir diese beiden Stellen wohl gar nicht auffallen würden. Dann spreche ich nicht die Fachsprache: "Piano" steht wohl für "leise/moderat". Was ist ein Crescendo?
Fressbacke
Stammgast
#16 erstellt: 05. Mai 2007, 19:16
Hi!

Ein Crescendo ist eine Steigerung der Lautstärke. Hurwitz kritisiert also, daß Chailly die Lautstärke zurücknimmt um des Effektes Willen einer dann folgenden Erhöhung, die aber vom Komponisten keinesfalls so vorgesehen ist.

Zum Thema Crescendo: Dynamik in der Musik


Ralf
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#17 erstellt: 06. Mai 2007, 17:28
Danke. Hier übrigens (passt irgendwie gerade) ein sehr sehr guter Artikel zur ausufernden Dynamikkompression. Vermutlich seit Ihr nicht gerade die Zielgruppe, aber es dient der Argumentation.

http://www.stylusmag...ct-sound-forever.htm


[Beitrag von Gantz_Graf am 06. Mai 2007, 17:29 bearbeitet]
Joachim49
Inventar
#18 erstellt: 17. Mai 2007, 21:45

JohnD schrieb:

Leute, mal grundsätzlich: wenn rennommierte Orchester mit rennommierten Dirigenten große Sinfonik spielen, dann wird das IMMER was.
Bitte schreibt doch ausführlich warum Euch die Aufnahme so gut gefällt...


Liebe Klassikfreunde,
der oben zitierten Behauptung möchte ich nicht ganz zustimmen. Wenn renommierte Orchester mit renommierten Dirigenten spielen, dann wird das zwar selten schlecht, aber doch meistens die 5O. Aufnahme von der x-ten Symphonie die sich kaum von den anderen unterscheidet.

Ich habe viel Verständnis für den Wunsch musikalische Geschmacksurteile sollten motiviert werden, nur ist nicht jedem die Fähigkeit gegeben seine - oft auch emotionalen - musikalischen Eindrücke in Sprache umzusetzen. So etwas ist wirklich nicht leicht. Vor allem ist es schwierig die Begeisterung für die Komposition von der für die Interpretation zu trennen, denn oft ist es die Komposition, die uns gefällt (dies gilt so ziemlich für alle Beiträge in denen jemand ohne Interpretationsvergleich urteilt).

Was Muti und Bruckner betrifft: ich war erstens überrascht , da mich die meisten Muti-Aufnahmen die ich kenne nicht gerade begeistert haben. Ich wünsche mir bei Aufnahmen spätromantischer Musik viel Transparenz, aber ohne dass das Resultat unterkühlt wirkt. Die Mischung aus vollem Klang und analytischer Durchhörbarkeit schien mir in Muti's Bruckner sehr gelungen (was wohl auch mit an der Tontechnik und dem Saal liegt. Auch hat in Muti's Aufnahme der Bruckner 6 die Spannung keinen Augenblick nachgelassen (ausser wo sie nachlassen muss, damit sie wieder aufgebaut werden kann). Allerdings hängt es auch vom Hôrer mit ab ob er von der Ausführung in den Bann gezogen wird oder nicht.

Jedenfalls fand ich's eine überraschung dass Muti's einziger Bruckner (?) so gelungen ist.

Joachim
Audiodämon
Inventar
#19 erstellt: 17. Mai 2007, 23:32
Hallo zusammen,

bisher habe ich leider erst eine einzige Bruckner Doppel-CD in meiner Sammlung:



Doch leider will sich bei mir keine besondere Begeisterung, wie ich sie etwa für die Beethoven-Sinfonien verspüre, einstellen. Bruckner klingt annehmbar, es spielt Musik, mehr jedoch nicht. Da wird noch einiges an Arbeit vor mir liegen, oder aber Bruckner berührt mich einfach nicht. Ich bleibe am Ball und werde mir wohl einige Einspielungen unter Wand besorgen.

Viele Grüße
Hüb'
Moderator
#20 erstellt: 18. Mai 2007, 07:26

Audiodämon schrieb:
(...)Bruckner berührt mich einfach nicht.(...)

Gerade Dich - als Ösi - schäm Dich!
Audiodämon
Inventar
#21 erstellt: 18. Mai 2007, 10:43

Hüb' schrieb:

Audiodämon schrieb:
(...)Bruckner berührt mich einfach nicht.(...)

Gerade Dich - als Ösi - schäm Dich! :D


Jaaa, das ist ja der Graus dabei. Aber ich vermute, dass ich einfach noch meine Zeit brauche...
op111
Moderator
#22 erstellt: 18. Mai 2007, 13:27

Gantz_Graf schrieb:
Danke. Hier übrigens (passt irgendwie gerade) ein sehr sehr guter Artikel zur ausufernden Dynamikkompression.

Ich möchte auf folgenden Thread verweisen,
Loudness race bzw. loudness war
dort insbes. auf die fundierten Beiträge von pelmazo, Heinrich, Hyperlink u.a.

Aufschlussreich auch der Vergleich der schrittweise hingerichteten "Brothers In Arms (Dire Straits)"-Remasters, den HiFi_Addicted beigesteuert hat:
Brothers In Arms

Ich werde mal im Bekanntenkreis nach ähnlich üblen Remasters mit klassischer Musik suchen.
Gantz_Graf
Hat sich gelöscht
#23 erstellt: 18. Mai 2007, 17:42

Franz-J. schrieb:
Ich werde mal im Bekanntenkreis nach ähnlich üblen Remasters mit klassischer Musik suchen.

Übel gemasterte CDs im Allgemeinen ist auch Thema eines alten Threads bei hydrogenaudio.org, Whats is the worst mastered CD [your opinions] ?
Denjo_
Ist häufiger hier
#24 erstellt: 18. Mai 2007, 23:26

Joachim49 schrieb:

Jedenfalls fand ich's eine überraschung dass Muti's einziger Bruckner (?) so gelungen ist.


Moin,

es gibt mit Muti noch Bruckners 4. bei EMI. Auch wieder mit den Berlinern. Allerdings gefällt mir seine 6. wesentlich besser.



Diese Aufnahme stammt von 1984 und enstand nicht in der Philharmonie sondern in der Jesus Christus-Kirche, was nicht zu überhören ist.

Also mich hat die Aufnahme nicht sonderlich beeindruckt, klangbildlich häufig zu unausgewogen, für meinen Geschmack zu viele Tempowechsel.

Was das Orchester betrifft, sind die Streicher hier eher unterrepäsentiert, bei gleichzeitig schneidigem Blech. Also quasi das Gegenteil von dem, was bei heutigen EMI-Aufnahmen mit Rattle häufig der Fall ist .

Allerdings bin ich auch verwöhnt von Günter Wands Berliner Bruckner .

Aber falls sie dich interessieren sollte, sie ist quasi überall äußerst günstig zu erwerben.


Gruß Denjo
vanrolf
Inventar
#25 erstellt: 25. Mai 2007, 23:16

Audiodämon schrieb:
Hallo zusammen,

bisher habe ich leider erst eine einzige Bruckner Doppel-CD in meiner Sammlung ... Doch leider will sich bei mir keine besondere Begeisterung ... einstellen. Bruckner klingt annehmbar, es spielt Musik, mehr jedoch nicht. Da wird noch einiges an Arbeit vor mir liegen, oder aber Bruckner berührt mich einfach nicht ...


Hi,

Von Inbals Bruckner-Aufnahmen hatte ich anfangs auch einige, unter anderem die 3,5 und 7. Den Eindruck des bloßen, kraftlosen Dahinplätscherns hatte ich damals auch, besonders die 3 und 5 waren mir durch diese Höreindrücke lange verleidet, erst andere Aufnahmen dieser Werke haben daran - grundlegend - etwas geändert.
Daher kann ich hier auch nur zum Erwerb von Alternativen ermuntern.

Gruß Rolf
Audiodämon
Inventar
#26 erstellt: 26. Mai 2007, 11:00
Hallo Rolf,

das werde ich tun, ich denke da an die Einspielungen mit Wand, die ja doch sehr guten Ruf haben.

Grüße

René
Martin2
Inventar
#27 erstellt: 03. Mrz 2008, 11:00
Ich habe Bruckners 6. mit Jochum und Inbal.

In den letzten Tagen hat mich folgende Passage aus Robert Simpsons Buch über Bruckner beschäftigt:


Of all Bruckner symphonies the Sixth has been the unluckiest of interpreters. The outer movements have suffered most, most depending on an unhurried grandeur of motion hardly ever achieved ( ...)


Ich habe jetzt keine Lust, die ganze Passage, die über anderthalb Seiten geht, abzuschreiben. Simpson fordert langsamere Zeiten ein, besonders für den ersten Satz und das Finale. Er geht dann auch ins Deteil, zum Beispiel wo ein Tempi beibehalten gehört. An sich findet gar kein Dirigent Gnade in seinen Augen bzw Ohren, nur Horenstein und der hat keine Einspielung von Bruckners 6. herausgebracht, was Simpson als Schande ansieht. Alles nachzulesen in Simpsons Buch von 1992, Seite 168 und 169.

Gibt es im Lichte der Simpsonschen Kritik andere Aufnahmen, die der Simpsonschen Kritik gerecht werden? Ich denke etwa an Tintner, der ja in der Regel langsame Tempi wählt.


We can only hope someone else will manage it. In the meantime the listener who understands Bruckner will time after time, especially in this work, be sore tempted to snatch the stick from the conductor's hand.


schreibt Simpson.
teleton
Inventar
#28 erstellt: 03. Mrz 2008, 14:25
Hallo martin,

Simpsons Beschäftigung mit Bruckner in allen Ehren.
Aber was soll ein langsamer 1.Satz und 4.Satz bringen ?
Zeitliche Auseinanderfallpolitik a´la Tintner kann es mit Sicherheit nicht sein. Das ist für mein Empfinden kein Bruckner mehr (ich weis das jetzt viele Gegenstimmen kommen --- egal !)

Mein erster Bruckner war auch Jochum (DG-LPs). Die Sechste fiel bei mir damals nicht groß ins Gedächtnis.

Erst als ich Karajan (DG) auf CD kaufte, kam bei mir der Durchbruch für die Sinfonie Nr.6 - ich war total begeistert über den fesselnde Interpretionsansatz.

Eine weitere Aufnahme, die später auch zum Kauf der GA führte, war die fantastische Interpretation der Bruckner: Sinfonie Nr.6 mit Solti/Chicago SO (Decca, 1979, ADD).

Wie packend und dramatisch Solti dieses Werk entwickelt hat für mich den Rang des einmaligen.
Ich möchte hier die Frage in den Raum stellen: Kann es noch besser gehen ???
Für mich nicht.
Wer jetzt Alternativen nennt, die besser wären, hat einfach andere Kriterien, die für ihn zählen.

Für die "Simpson-Zeit-Fetischisten" hier die Spielzeiten, die ich als höchstangemessen empfinde:
Solti / Chicago SO
17:41 - 19:22 - 08:52 - 15:14
Karajan / Berliner PH
15:16 - 18:58 - 07:52 - 15:13


Zwischenzeitlich hatte ich auch die Klemperer-Aufnahme (EMI).
Da diese aber die Pauken und damit den rhytmischen Drive im ersten Satz verschleiert, habe ich mich von dieser wieder getrennt. Die Interpretation konnte mich nicht fesseln.
Martin2
Inventar
#29 erstellt: 03. Mrz 2008, 15:36
Hallo Wolfgang,

Bruckner "dramatisch", nein, das reizt mich überhaupt nicht. Übrigens sind die Zeiten bei Solti im Vergleich zu Inbal, Jochum und Karajan ja vergleichsweise moderat. Ich hätte ihn viel schneller eingeschätzt. Die Geschmäcker sind halt verschieden.

Gruß Martin
Joachim49
Inventar
#30 erstellt: 03. Mrz 2008, 21:49

Martin2 schrieb:
Hallo Wolfgang,

Bruckner "dramatisch", nein, das reizt mich überhaupt nicht.

Gruß Martin


Hallo Martin,
mir ist nicht deutlich, warum du dich an dem Ausdruck 'dramatisch'im Zusammenhang mit Bruckner störst. Den Schlussatz der 8 z.B. empfinde ich stellenweise als äusserst dramatisch. Es ist als ob der Himmel aufreisst und der Tag des jüngsten gerichts gekommen ist (von Bruckners bescheurten Selbstkommentaren halte ich überhaupt nichts). Aber auch in den anderen Brucknersymphonien geht's oft dramatisch zu. Auch den Beginn der 6. finde ich nicht frei von Dramatik. Da sitzt vom ersten Augenblick an eine gewaltige Spannung drin. Ich muss teleton übrigens zustimmen: Karajans Bruckner 6 verdient alles Lob. Seine Aufnahme hat mich aus jahrzehntelanger Brucknerabstinenz gerettet und weiter oben im selben thread habe ich (zu meiner eigenen Überraschung) Mutis Aufnahme mit den <berrlinern sehr empfohlen. Simpson hin, Simpson her. Ich hatte keinen Augenblick das Bedürfnis die Aussensätze der Sechsten langsamer zu hören als z.B. bei Karajan, Muti, Klemperer oder Barenboim etc. Wer darauf Lust hat wird ja von Celibidache gut bedient (dessen Sechste ich nicht kenne). Ich hatte nie das Gefühl das die üblichen Aufnahmen der bruckner'schen Nr. 8 korrumpiert sind und Simpson wird mich wahrscheinlich nicht vom gegenteil überzeugen.
Freundliche grüsse
Joachim
kvs
Ist häufiger hier
#31 erstellt: 04. Mrz 2008, 16:15
Ich freue mich zu entdecken, daß es einen Sechste-Bruckner-Thread gibt. Muß mir Karajans Aufnahme mal anhören, der konnte ja Bruckner, allerdings weiß ich nicht, ob er die Sechste nicht schönen wird. Die Sinfonie trat früher, d.h. bis in die Fünfziger/Sechziger ganz zurück, dann erschien plötzlich eine wahnsinnig zart-kraftvolle Aufführung von Keilberth mit den Berliner Philharmonikern auf LP. Für mich immer noch das Non plus ultra. Jochum fehlt für diese Sinfonie ein bißchen die Härte und Trockenheit, vor allem im 1. Satz, den niemand so stählern-herb-innig bringt wie Keilberth. In Heidelberg machte Jochum (Eugen) mal nach Keilberths Tod die Sechste mit den Bambergern, da klang sie noch fast wie bei Keilberth, die Bläserakkordketten im Finale. Das hatte das Orchester einfach noch so intus, daß auch Jochum es nicht ins Weichere ziehen konnte. Der ältere Jochum war ja so ein kollegialer Einspringer, wenn die Jüngeren wegstarben: genauso half er dem Concertgebouworchester nach Eduard van Beinums Tod.
Ja, zur Sechsten: von Muti habe ich sie auch ganz früh gehört, in Florenz mit dem Orchester del Teatro comunale. Vermutlich hat sein Meister Vittorio Gui ihm die Sinfonie nahegebracht. Und für Muti spricht, daß er nicht denkt, er müsse immer gleich alles können. Ebenso der alte Furtwängler, der die Sinfonie erst mit 57 1943 kennengelernt hat: viermal in Wien und dreimal in Berlin. Und von der Berliner Aufführung sind aus Moskau der 2. bis 4. Satz "heimgekehrt", u.a. bei der Société Wilhelm Furtwängler in Paris erst auf LP, dann auf CD erschienen, von DGG uns leider vorenthalten. Es ist, bei klanglichen Grenzen, ein Aha-Erlebnis: Fu kann die Sinfonie auf Anhieb - ohne Tempofreiheiten im 2. bis 4. Satz, die vorgeschriebenen Tempowechsel im Finale unfehlbar genau erfaßt. Es ist ein Jammer, daß man den phantastischen Kopfsatz nicht hat. Die Spitzenleistung für diese Sinfonie - neben der Neunten für mich von Bruckner die vollkommenste - bleibt für mich Keilberth. Keilberth hat eine "philosophische" Ruhe, macht keine Mätzchen, übertreibt die schnellen Parttien im Finale nicht. Ich hoffe, seine Aufnahme ist bald auch auf CD zu haben. Orfeo hat jetzt seine letzte "Achte" aus Köln von 1966 gebracht, auf die Fünfte warte ich noch, denn die habe ich auch als eine hochdramatische Offenbarung in Erinnerung. Seine Neunte Bruckner mit der Hamburger Philharmonie fiel dagegen ab. Aber Keilberth war ohnehin live - in guten Stunden - am stärksten. M.E. war er im ganzen der "Entdecker" der Sechsten für die Konzertprogramme nach dem Krieg. Der heutige Bruckner- wie Mahlerboom ist ja überhaupt etwas vor 40 Jahren noch Unvorstellbares. Bloß Jochum ging doch an eine Gesamtaufnahme für DG, keineswegs aber bei Reisegastspielen. Hat auch etwas Ungesundes, alles so nacheinander herunterdudeln lassen zu können, wo doch das Schöne eigentlich die Entdeckerfreude ist.
So entdeckt Keilberths Bruckners Sechste. Vielleicht hat er eine der 1943-Aufführungen von Furtwängler gehört gehabt. Und ebenso kann die "Entdeckung" für den Konzertsaal über Vittorio Gui zu Muti gelaufen sein. Schade, daß der sich so zurückgezogen hat. Vielleicht ist ihm der "Betrieb" zuviel geworden. Wands Live-Aufnahmen sind respektabel, aber eine Spur weniger kraftvoll als Keilberth (der die Grenze hatte, manchmal aufs Einzelne nicht genug Sorgfalt zu verwenden: das große Ganze sollte herauskommen. Ist ja auch für Live ein ganz richtiges Prinzip. Bloß bei der Wiederholung fängt es an zu stören, was etwas unter dem Standard liegenbleibt, wie z.B. irgendein Blechgeschiebe in der neuen Kölner Achten. Ist aber nur ein Moment).
Nochmal zur Begründung meiner Präferenz: die (auch von mir) vielgeliebte Siebte ist doch eigentlich in den ersten beiden Sätzen übergewichtig, im Scherzo trivialitätsanfällig, im Finale fällt sie bei aller Schönheit zurück. Die Fünfte wird im Finale streckenweise etwas akademisch-streicherselig. Die Achte hat ihre ganz richtige Gestalt doch nicht gefunden. Der Fortissimo-Schluß des Kopfsatzes aus der Erstfassung gehört doch eigentlich als Gegengewicht zur Final-Coda zur richtigen Architektur hinzu (wird ja fast nie aufgeführt: Gielen sei Dank, daß er die Fassung mal zu Gehör brachte).
Gruß an alle Freunde der Sechsten, KVS.


[Beitrag von kvs am 04. Mrz 2008, 17:33 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#32 erstellt: 07. Mrz 2008, 21:11
Hallo KVS,

danke für Deine Tips. Nun ja, solange der Keilberth noch nicht auf CD erschienen ist, nutzt mir dieser Tip natürlich wenig.

Es kann natürlich auch sein, daß Wolfgangs Tip mit dem Solti wirklich ein guter Tip ist. Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß ich zwei Interpretationen der 6. habe: Inbal und Jochum, und ich irgendwie das Gefühl habe, hier müßte es doch noch etwas besseres geben.

Bezüglich des "dramatischen" Bruckners. Ich kann mir Bruckner halt sehr schwer "dramatisch" vorstellen. Bruckner ist für mich sehr spirituelle, sehr mystische Musik. Es ist für mich keine Musik, die dramatisch wäre, da denke ich eher an Tschaikovski. Aber gut: "Dramatisch" ist natürlich ein weites Feld. Im Sinne dieses weiten Feldes mag auch Bruckner mal dramatisch sein. Für mich ist diese Musik aber doch eher spirituell objektiv als dramatisch subjektiv.

Gruß Martin
s.bummer
Hat sich gelöscht
#33 erstellt: 08. Mrz 2008, 18:10
Nö, nun nicht noch Keilbert!!
Ihn gegen Günni Wand auszuspielen mit einer absolut dünn klingenden und viel zu lärmenden Aufnahme, ne das geht nun wirklich nicht. Der dritte und vierte Satz ist vergurkt, der Kopfsatz leidet unter lärmenden Attacken, das Adagio ist zu langsam im Gesamtkontext.
Das wird auch ne CD nicht helfen. Keilberth ist heute eher zweite Wahl, aber eingehüllt im Kontext der Restauration in der BRD der 50iger und 60iger Jahre.
Wie revolutionär dagegen sein Wagner! (Martin2 schrieb übern Ring. Da sei gute Musik dabei. Ich ergänze: Genau, so ca. 2-3 Minuten. Mehr gute Musik gibt es bei Wagner nicht! Egal wer es aufführt!)

Zum Thema.
Eines der Hauptprobleme der 6. steckt im Anfang des Kopfsatzes.
Da sind nämlich gleich am Anfang zwei unterschiedliche Rhythmen zu beachten.
Wer dieses so im Lärm wegbürstet wie Solti, hat es halt nicht verstanden, "Setzen, Sechs".
Und selbst Wand kämpft mit der Beachtung.
Celi ist da wesentlich genauer!!
Die Rhythmuswechsel betreffen auch die Pauken, daher mag die Klemp Aufnahme hier so seltsam neutral sein, die Architektur hat er wie immer im Griff.
Es gab ne Aufnahme bei Music and Arts, wo Klemp die 6. mit dem Concertgebouw Orchester aufführt und genau dort ist die extrem aufwendige Rhythmusverschränkung wie nirgends sonst zu spüren.
Und überhaupt: Furtwängler und Bruckner. Die Sinfonien 5,7,8, und 9 kenne ich.
Eher was Kurioses, denn Authentisches. Seltsames Gebleier.
Hat nix mit Bruckner von heute zu tun, eher mit Dr. Willem

Gruß S.


[Beitrag von s.bummer am 09. Mrz 2008, 02:19 bearbeitet]
teleton
Inventar
#34 erstellt: 09. Mrz 2008, 16:25
Gegendatstellung zu unserem geschätzten s.bummer:

Wer wie Solti (Decca) die Sechste gleich von Anfang an so präzise und rhymisch pointiert mit absoluter Spannung (höchstem Gänsehautfaktor)interpretiert, dass bei der weiteren Architektur der Sinfonie Nr.6 nirgendwo eine Langatmigkeit entsteht, für den gilt - "Aufstehen. Eins !"
Besser geht es nicht.


Ja, ich hatte die Sechste zunächst als Einzel-CD von einem Kollegen ausgeliehen (in den 80er-Jahren) und war äußerst positiv überrascht. Dies führte sogleich zum erfolgreichen und höchsterbaulichem Kauf der Bruckner-Sinfonien-GA als LP-Kassette mit Solti.
Heute habe ich diese GA natürlich auf CD !
s.bummer
Hat sich gelöscht
#35 erstellt: 10. Mrz 2008, 00:10
Geht in Ordnung Wolfgang!
Wir sollten mal gemeinsam nen Abend für Fans die Musik auflegen.
Wird sicherlich lustig und herrlich kontrovers.
Nur so geht es vorwärts!

Gruß aus Kiel
s.bummer
Hat sich gelöscht
#36 erstellt: 20. Mrz 2008, 02:42
Nachtrag:
Habe heute Celis Version von 1991 gehört (Wie man sich irren kann! s.o.):
Enttäuschend. Die Themen des 1. Satzes sind nicht prägnant genug hervorgebracht, der Anfang (Achtung!) ist für den Rhythmus zu schnell, es ist ein Herzschlagen, nicht ein Gehetze (und das bei Celi 1991!), dennoch wird der Satz lang und länger, das liegt an den ruhigen Teilen, wo er gerne mal pausiert und rumtrödelt.
Kein Vergleich mit Klemp Live in Holland 1961 oder abgemildert 1964.
Das Adagio stirbt in Schönheit, doch völlig ohne Zusammenhang mit dem Ganzen und so geht es weiter.
Kurz und gut. Nix Dolles.
Im Konzertsaal mag sowas gaaanz anders gewirkt haben (Ich erinnere mich an die 4. in NMS)
Auf CD? NEE!

Über Ostern hole ich nochmal das Band mit der Keilberth Aufnahme außm Keller hoch. Mal sehen, ob ich mich da auch geirrt haben könnte.

Gruß S.

PS. Ach, dazu habe ich noch die 7 mit Wilhelm Steinberg, Pittsburg (Super!! Da habe ich nur gestaunt.) und die 8. mit Kna (München) gehört.
Knas Achte kannste den Hasen geben, braucht man auch nicht mal grün anstreichen. Völlige Disproportion in den Sätzen 1,2 und 3 und 4. Das passt vorne und hinten nicht. Sind aber tolle Momente dabei.


[Beitrag von s.bummer am 20. Mrz 2008, 02:55 bearbeitet]
kvs
Ist häufiger hier
#37 erstellt: 20. Mrz 2008, 16:10
Na, da hab ich ja mit meiner Schätzung von Keilberths Sechster Bruckner mit den Berlinern anscheinend schwer vertan. Gegenargument: meine Ohren. Jetzt habe ich mir auch seine bei Orfeo erschienene Achte Bruckner mit dem Kölner RSOrchester (live) besorgt. Ich finde Keilberth hat eine Ruhe und Architektonik, die den Werken sehr gut tut. Bei der Sechsten besonders auch im Finale. Es ist dies eben die einzige gute Studioaufnahme von K für Bruckner. Die Achte zeigt das im Finale auch. Nun gebe ich aber noch einen Gegentipp: gestern abend gab es in der Berliner Philharmonie vom RSB unter Marek Janowski (nicht ausverkauft) eine atemberaubend lebendige und begeisternde Achte. Da konnte man sehen: Bruckner hat auch Puls und drängende Dramatik: es kommt auf die Ausführenden an.Wenn die sich die Seele aus dem Leibe spielen, bleibt man nicht kalt und vergißt die Ewigkeitskünder und Buchstabierer wie Wand.
Keilberth war natürlich im Grunde kein Mann für die bis ins Letzte ausgefeilte Tonkonserve. Insofern paßt er gar nicht in ein HiFi-Forum.
s.bummer
Hat sich gelöscht
#38 erstellt: 21. Mrz 2008, 13:46
Hallo
gegen die Erinnerung an früher mal Gehörtes, welches je nach Ausgangslage bekanntlich in der Rückschau immer besser oder schlechter wird, hilft ein gelegentliches "Erneuthören" längst vertrauter Werke.
Ich hatte oben an Keilberths Aufnahme herumgenörgelt, aus der Erinnerung von ca. 10-20 maligem Hören, das letzte war aber ca. 10 Jahre her.
Gestern abend hole ich also das gute alte TDK Audua L-3600P Band 26cm von 1973 aus dem Keller, auf der sich besagte Keilberth Aufnahme mit dem BP von 196x befindet.
Einmal duchspulen und dann von vorne beginnen.
Die Erinnerung hat nicht getrogen, ich habe nur etwas übertrieben:

Zunächst mal ist Tonqualität nicht überragend, das Blech zu schrill und die Geigen zu dünn, es fehlt der Aufnahme zudem ein Bassfundament, deshalb klingt sie auch so dünn. Das kann aber Keilberth nicht angelastet werden. Ein CD Remastering könnte hier helfen.
(Dem Bandmaterial kann das nicht angelastet werden, unmittelbar dahinter kommt Bruckner 4 mit Buno Walter bei fantastischem Klang)

Der 1. Satz beginnt viel zu schnell, die 8-tel Noten sind zwar noch keine 16-tel, aber, wenn es das gäbe, wohl sowas wie 12-tel, was nach Ende des Hauptthemas auch zum Tempozusammenbruch führt, denn der Satz kann so nicht weitergehen.
Ich will das nun nicht Satzweise ausführen, sondern zusammenfassen.
Meiner Meinung nach ist diese damals Anfang der 60iger Jahre möglicherwiese neuartig klingende Aufnahme, da schärfer und nüchterner als andere, inzwischen überholt. Obwohl es bei der 6. nicht so viel Konkurrenz gegeben haben mag.
Auch Keilberth ist nicht davon frei, wenns leise wird, im Tempo noch besonders nachzugeben und bei lauten Passagen der Temposteigerung, die sich bereits aus Verkleinerung der Notenwerten ergibt, noch eins draufzusetzen, wenn auch durchaus gemäßigt.
Aber manchmal geht ihm auch wohl sein Temperament durch.
Das führt dazu, dass der Schluss des 1. Satzes so abrupt einsetzt, als würde jemand sagen. "Genug jetzt, nun macht mal fertig" und dann geht es auch hurtig mit Rekordgeschwindigkeit ans Ende.
(Oder hat jemand aus der Regie gerufen: "Joseph, mach hin, die Plattenseite ist gleich voll!")

Das Adagio ist für mich viel zu langsam, es fängt ja noch fließend an, aber spätestens beim Eintritt des zweiten Themas nach ca. 4 1/2 Minuten wird die Musik langsam und schwerfällig wie ein Laster, der die Kasseler Berge hochkriecht.
Die Kritik am dritten Satz ziehe ich zurück, da habe ich mich kollossal geirrt, es ist der best gelungene Satz der Sinfonie.
Und im Finale wiederholt sich das seltsame Wechselspiel von hervoragend ausgeführten Momenten gemischt mit Minuten, wo man nicht weiß, wie es weitergehen soll.
Dafür wird der Schluss dann so angelegt, dass man förmlich rausgeschmissen wird.

Allerdings die Bläser: Ob man heute noch die Trompeten so ungeniert volle Pulle schmettern läßt, wage ich zu bezweifeln.
Dazu kommt es mir so vor, dass Keilberth vorrangig Instrumentengruppen dirigiert und in diesem Zusammenhang geschieht es des öfteren, das Begleitfiguren der Bläser irgendwie nur da sind.

Die 8, die jetzt wiederveröffentlicht wurde, habe ich nicht gehört. In einer Kritik stand nur, dass die Aufnahme mit zwei rasch gespielten Eingangssätzen und extrem langsamen Adagio und Schlussatz nicht überzeugen könne.
Mir geht es mit Keilberths Aufnahme der 6. ahnlich.
Aus dem Eingangstempo heraus müßte der 1. Satz in 12 Minuten gespielt werden, ich schätze ihn aber auf mind. 15 Minuten, das Adagio geht nicht unter 18 Minuten, das Scherzo ist schnell, der Schlusssatz wieder lang.
Dabei ist Keilberth in den schnellen Passagen des 1 und 4. Satzes deutlich schneller als Wand. Er verliert die Zeit unterwegs. Und damit verlieren viele Stellen ihren Zusammenhalt.
Kein Zweifel. Es gibt großartige Stellen, aber ich finde, dass das nicht reicht.

Gruß S.


[Beitrag von s.bummer am 22. Mrz 2008, 00:42 bearbeitet]
kvs
Ist häufiger hier
#39 erstellt: 14. Jun 2008, 19:39
Da habe ich mich entschuldigen wollen, einen so sorgfältigen Beitrag vom 21.März nicht früher gelesen und dafür gedankt zu haben, und dann ist mir der Text offenbar zu lang geraten und war plötzlich futsch. Also was ich sagen wollte, war kurz, daß man m.E. Bruckner nicht einfach buchstabieren kann, sondern eine gegliederte und auch abschattende Profilierung zustandebringen muß, deren Recht sich im Live-Höreindruck erweisen muß. Beispiel war mir Marek Janowskis jüngste großartige Aufführung im akustischen so schwierigen Berliner Schauspielhaus ("Konzerthaus"), bei der alles zugleich klingen sollte und dann doch leider ziemlich breiig wurde. Was für ein Wunder dagegen die alte Keilberthaufführung, hochdramatisch, zart und meditativ zugleich. Und meine Hoffnung, daß auch die Fünfte mit dem Kölner Rundfunksinfonieorchester noch auf CD gebracht wird, die Kontraste von Leise und laut habe ich bei allen auch großartigen anderen Aufführungen seitdem so nicht wieder gehört.
Jetzt hoffe ich auf einen Braunfels-Thread; denn da ist offenbar etwas an musikalischer Erfahrung nachzuholen. Oder hat einer schon damit angefangen?
Trotz Dissens Danke für interessante Belehrungen. Gruß KVS
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