Neoromantik?

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Martin2
Inventar
#1 erstellt: 18. Dez 2007, 18:58
Natürlich, seit es die Romantik nicht mehr gibt, wird es wohl irgendwo auch die Neoromantik geben. Ich habe aber gelesen, daß viele der heutigen neuen Komponisten neoromantisch komponieren ( vielleicht als ein Zeichen der Postmoderne?). Mich interessiert das.

Denn eigentlich war die Romantik, wie es schien, eigentlich schon tot, es gab die Atonalen, Expressionisten und wie immer man sie nannte und die Neoklassizisten. Mein Lexikon subsummiert Hindemith, Strawinski und Prokofjev unter dem Begriff des Neoklassizismus, zum Stichwort Neoromantik fällt ihm nichts ein. Wie es scheint, scheint es im 20. Jahrhundert nur zwei wichtige Strömungen gegeben zu haben, eben die 12 Tonschule und die Neoklassizisten.

Nun taucht der Begriff Neoromantik auf und bezeichnet anscheinend eine Reihe neuer und gelegentlich auch alter Komponisten. Ich habe gehört, daß Penderecki mittlerweile neoromantisch komponieren soll, ich habe das auch von Rautavaara gehört. In einem Interview mit Stockhausen, daß ich kürzlich las, beklagt sich dieser, daß sich ein Großteil seiner Schüler der Neoromantik zugewendet habe. Ist das ein Trend? Kann mir jemand zu diesem Thema etwas Versierteres sagen?

Erstaunlicherweise fällt auch der Wikipedia zu dem Thema Neoromantik rein gar nichts ein. Gibt es hier vielleicht jemandem, dem zum Stichwort Neoromantik etwas einfällt? Hat jemand zu diesem Thema vielleicht sogar eine Meinung? Etwa die, daß die Romantik tot sei wie nur irgendetwas und daß es Leichenfledderei sei, sie wieder zum Leben erwecken zu wollen?

Daß aber neue Komponisten ganz gerne romantisch komponieren wollen, verstehe ich schon. Insgesamt glaube ich nämlich, daß trotz Mozart und Bach, die Romantik immer noch die bei CDs usw. erfolgreichste Musikepoche ist. Man sieht es ja auch in diesem Forum, daß selbst vielleicht nicht ganz erstklassige Komponisten wie Glazunov durchaus Aufmerksamkeit finden, denn sie sind Romantiker und die Romantik steht einem nahe.

Wiegesagt: Ich verstehe gar nichts von diesem Thema und selbst Wikipedia läßt mich alleine, aber vielleicht gibt es hier ja Menschen, die mich weitergehend aufklären können?

Gruß Martin


[Beitrag von Martin2 am 18. Dez 2007, 20:00 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#2 erstellt: 19. Dez 2007, 00:03
Ich habe mir nochmal die englischsprachige Wikipedia angeschaut. Da gibt es einen Text, der möglicherweise als Diskussionsgrundlage herhalten kann. Einen deutschsprachigen Beitrag zur Neoromantik gab es übrigens auch einmal. Der wurde aber aus irgendwelchen Gründen gelöscht.


Neoromanticism (music)
From Wikipedia, the free encyclopedia

Neoromanticism in music is a trend in modern American and, to a lesser degree, European classical music that became prominent during the second half of the 20th century. Neoromantic music is identified by frequent usage of the extended tonality that flourished during the late Romantic era, as well as a frank expression of emotional sentiment equally evocative of the period.

Currently active US-based composers widely described as neoromantic include John Corigliano, David del Tredici and Ellen Taaffe Zwilich, while European composers of the tradition include Nicholas Maw and James MacMillan of Great Britain. It has also been applied to the later works of Ligeti and Penderecki.

While most neoromantic music is (to a varying degree) tonal and pointedly rejective of serialism and other formalistic procedures associated with post-war modernism, other avant-garde elements (aleatoric, sound-mass composition, tone clusters, atonality, quarter-tones) are sometimes juxtaposed within the same work.

Neoromantic styles often overlap with other compositional approaches. Polystylism and musical quotation from other works are sometimes used, within the same work, often evoking nostalgia. For example, in the first movement of John Corigliano's Symphony No. 1, there is a wistful quotation in the orchestral piano of Ediot' "Tango".

John Coolidge Adams has combined post-romantic styles and orchestration of Ravel, early Stravinsky, and Sibelius, with minimalist processes and textures, and Americana-tinged diatonicism evocative of Aaron Copland.

Finnish composer Einojuhani Rautavaara, in such works as "Cantus Arcticus" (a concerto for recorded birdsong and orchestra) and his Symphony No. 7 ("Angel of Light"), has been described as presenting a new Romanticism.


Ich hoffe, es ist OK, wenn ich den Text hier reinkopiere, ich weiß nicht, wie das mit urheberrechtlichen Dingen aussieht, sonst müßte man vielleicht einfach nur einen Link setzen. Aber ich dachte immer die Wikipediainformationen seien frei zugänglich und daher auch frei zitierbar.

Wikipedia hat auch eine "Diskussionsfunktion", in der wurde obiger Text als "unzureichend" abgekanzelt, ohne aber zu sagen warum.

Mich hat er teilweise auch erstaunt. Mich hat etwa erstaunt, daß der Komponist John Adams, dessen zweiter Vorname Coolidge mir völlig unbekannt war, hier als "Neoromantiker" gerechnet wird. Ich finde seine Musik, wiewohl tonal, nämlich als überhaupt nicht neoromantisch. Die 7. Sinfonie von Rautavaara dagegen habe ich auch mal gehört, da paßt das Etikett "Neoromantik" schon eher, aber ich fand die Musik genauso kitschig wie den Titel.

Andere Komponisten kenne ich nur beim Namen. Der Brite Maw ist ja zur Zeit noch im Gespräch, da ich nach seiner Oyssey gefragt hatte. Corigliano lief mal im ARD Nachtkonzert, aber leider habe ich ihn verpaßt. Ligeti und Penderecki kennt man natürlich, denn sie waren mal als Avantgardisten sehr umtriebig. Andere Namen sagen mir wieder gar nichts.

Aber Adams ist für mich jedenfalls kein Neoromantiker, ein solches Etikett empfinde ich als Quatsch. Taveners Musik ( ich habe Yo yo Ma mit Protecting veil auf CD) empfinde ich als sehr viel romantischer. Aber was überhaupt soll Neoromantik bezeichnen? Tonalität allein kann es beim besten Willen nicht sein.

Nun bezeichnet man auch Strawinski und Hindemith als Neoklassizisten und so besonders klassizistisch kommt mir ihre Musik auch nicht vor. Sind also Klassifizierungen wie "Neoklassizismus" oder "Neoromantik" nicht vielleicht doch eher vage Etiketten, die im Grunde doch den Kern des Themas verfehlen?

Gruß Martin
op111
Moderator
#3 erstellt: 19. Dez 2007, 18:28
Hallo Martin,

Martin2 schrieb:
Nun taucht der Begriff Neoromantik auf und bezeichnet anscheinend eine Reihe neuer und gelegentlich auch alter Komponisten.

auf diesen Begriff bin ich in der angelsächsischen Musik-Literatur ebenfalls gestoßen, ohne daß ich bisher eine nachvollziehbare Darstellung oder Abgrenzung gefunden hätte.

Vermutlich soll es sich um die Wiederbelebung der Romantik handeln.
Der Name John Adams in diesem Zusammenhang erzeugt bei mir auch erst einmal Stirnrunzeln.


[Beitrag von op111 am 27. Dez 2007, 21:55 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#4 erstellt: 19. Dez 2007, 19:34
Die Romantik ist ja eigentlich auch ein Riesenklotz und reicht von Schubert ( den manche noch gern der Wiener Klassik zurechnen wollen) bis zum Spätwerk von Richard Strauss ( etwa seinen vier letzten Liedern).

Tonalität als Abgrenzungskriterium reicht wiegesagt nicht aus, neoklassizistische Musik ist auch tonal, auch neobarocke Musik ( wenn es so etwas gäbe) wäre tonal.

Laien wie ich sind ganz auf ihren Höreindruck angewiesen. Um wirklich genau zu werden, müßte man aus Werken eben explizit herausanalysieren, daß sie ( etwa in der Harmonik) zum Beispiel spätromantische harmonische Wendungen und dergleichen verwenden.

Der Begriff "Neoklassizismus" ist vermutlich auch nur ein schwammiger Überbegriff und bezeichnet vermutlich alles, was tonal komponiert ist und sich von der Spätromantik abgesetzt hat.

Insgesamt halte ich wenig von dem Versuch, vergangene Epochen wiederzubeleben. Natürlich käme es trotzdem auf das Werk an. Wenn mich das überzeugte, wäre es mir auch egal, wenn es im Stile von Robert Schumann geschrieben wäre. Ich glaube nur nicht daran. Aber vielleicht tut man neoromantischer Musik ja unrecht, wenn man sie im Sinne einer bloßen Stilkopie sieht.

Natürlich muß man den Stil einer Musik auch nicht notwendigerweise an ihren musikalischen Mitteln festmachen. Romantik als geistesgeschichtliches Phänomen ist ja nicht an musikalischen oder auch literarischen Mitteln festzumachen. Die "blaue Blume der Romantik" kann man also vielleicht auch mit anderen Mitteln suchen. Dann käme natürlich auch der Laie zu seinem Recht, der eine bestimmte Musik, eine bestimmte Literatur eben als "romantisch" empfindet und vielleicht nicht einmal weiß, warum.
Martin2
Inventar
#5 erstellt: 21. Dez 2007, 22:24
Kommt Leute, seid nicht so lahm. Den versierten Fachmann, der mir wirklich erklären kann, was neoromantische Musik ist und wie man sie abgrenzen kann, wird man hier möglicherweise nicht finden ( wobei sich die Experten da vermutlich sowieso streiten werden, wie Experten das womöglich immer wieder tun). Aber eine Meinung werdet ihr zum Thema doch womöglich schon haben.

Zumal dieses Forum wie ich das sehe sowieso eigentlich sehr "romantiklastig" ist, natürlich stehen auch andere Epochen im Vordergrund, aber die Romantik ist doch für viele hier das A und O. Also verwundert es mich dann wieder, wieso hier also keiner eine wenn auch noch so unversierte Meinung zum Thema hat. "Neoromantik" müßte doch eigentlich viele Romantikfreunde hier brennend interessieren. Oder man liebt die Romantik und die Neoromantik interessiert einen eben doch nicht, dann kann man es ja auch sagen und vielleicht begründen.

Ich weiß noch nicht einmal, welche Komponisten sich denn explizit als "Neoromantiker" verstehen und welche nur als solche bezeichnet werden. Nichts genaues weiß man nicht, so ist es leider häufig. Wobei dann offensichtlich der deutsche Beitrag in der Wikipedia gelöscht wurde, weil nicht versiert genug, der englischsprachige angegriffen, trotzdem nicht gelöscht, aber dann soll bitteschön ein anderer etwas versierteres darüber schreiben. Kritisieren ist immer einfach.

Gruß Martin
enkidu2
Inventar
#6 erstellt: 26. Dez 2007, 03:02
Also mir ist der Begriff Neo- bzw. Neuromantik bislang noch nicht untergekommen. Meine Recherchen förderten auch nichts zutage. Der Begriff wird zwar gelegentlich bei anglo-amerikanischen Komponisten gebraucht, aber eine präzise Definition der Neoromantik habe ich nicht gefunden.
Kings.Singer
Inventar
#7 erstellt: 27. Dez 2007, 16:32
Hi.


Also ich habe den Begriff schon einmal gelesen. Wir haben letztes Jahr das "Requiem" von Juraj Filas aufegführt (gibt hier im Forum auch einen Thread dazu) und in diesem Zusammenhang wurde seine Musik irgendwo in den Tiefen des Internets als neoromantisch eingeordnet, was ich durchaus nachvollziehen kann. Aber sonst... Neobarock und -klassizismus sind mir da von Komparsen wie Hindemith etc. schon eher geläufig.


Ich denke, wie von Martin weiter oben angedeutet, dass solche Neo-X Begrifflichkeiten eher schwammig charakterisiert werden müssen. Am Beispiel Hindemith ist mir das am Ehesten deutlich geworden. So lehrte unser Buch in der Schule, dass Hindemith Neoklassizist sei. In zwei Diskussionen mit verschiedenen Chorleitern/Dirigenten (einer davon wurde zeitweise von einem Schüler Hindemiths in Frankfurt ausgebildet) kam für mich heraus, dass seine Musik richtigerweise neobarock sein müsste, er aber wie jeder Musiker der betreffenden Zeit eine Entwicklung durchlaufen habe, die man mit einer einzelnen Begrifflichkeit nicht mehr fassen könne.
Auch diese These klingt in meinen Ohren plausibel, da der klassischen Musik in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts eine absolut rasante und extreme Entwicklung zuteil wurde, wie sie vorher wohl noch nie da gewesen war. Und wer sich den historischen Kontext anschaut, wird etliche Entsprechungen finden. Auf Details möchte ich gar nicht eingehen - weiß glaube ich jeder, was gemeint ist.


Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 27. Dez 2007, 16:41 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#8 erstellt: 27. Dez 2007, 21:04
Hallo Alex,

ich muß gestehen, daß mir der Name "Filas" wirklich überhaupt nichts sagt. Wenn es zu diesem Komponisten einen Thread gab, muß ich ihn verpaßt haben. Ich habe übrigens zu dem Thema "neoromanticism" mal einen Thread im Good music guide forum gestartet. Bin mal gespannt, ob sich in diesem englischsprachigen Forum Erhellendes zu diesem Thema findet. Werde dann eventuell darüber berichten.

Gruß
Martin
op111
Moderator
#9 erstellt: 27. Dez 2007, 22:01
Hallo zusammen

Martin2 schrieb:
die Romantik ist doch für viele hier das A und O. Also verwundert es mich dann wieder, wieso hier also keiner eine wenn auch noch so unversierte Meinung zum Thema hat. "Neoromantik" müßte doch eigentlich viele Romantikfreunde hier brennend interessieren.


mir scheint es so daß die (Spät-)Romantik hier in der Tat beliebt ist, nur mit dem Begriff Neo-Romantik verbindet so recht niemand etwas Spezifisches - das Interesse an einem puren Etikett ist naturgemäß außerordentlich gering.
Martin2
Inventar
#10 erstellt: 28. Dez 2007, 01:11
Hallo Franz,

schon richtig, das sind alles nur Etiketten, aber wenn man schon nicht praktisch über neue Musik informiert ist, so möchte man es wenigstens theoretisch sein.

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#11 erstellt: 28. Dez 2007, 02:35

Martin2 schrieb:
Hallo Alex,

ich muß gestehen, daß mir der Name "Filas" wirklich überhaupt nichts sagt.


Dann hast du auch Nichts verpasst. Mir fiel das eben nur wieder ein, weil dies mein erster und - bisher - einziger Berührungspunkt mit der Begrifflichkeit "Neoromantik" war.

Gruß,
Alex.
Martin2
Inventar
#12 erstellt: 28. Dez 2007, 02:48
Brian hat auf meine Anfrage im Good-Music-Guide- Forum geschrieben ( mein Nick ist dort Martin-Lind)


EDIT: Apologies for length. I just thought a bit too much about all of this. If you're short on time, skip to the last line of the post.

German Wikipedia questions aside, you've brought up a very interesting point Martin, and I am happy to form and offer a few thoughts on the subject.

Quote
Isn't it a kind of awakening a dead corpse to life if you want to be a neoromanticist?
You're thinking of necromancy, not neoromancy. Wink But on a more serious note, there's a valid question here.

One answer is that the "neoromantics" have been, perhaps, more than slightly mislabeled. As an unreformed and unabashed romantic, I listen to James MacMillan and John Corigliano and hear something generally foreign. How can Veni, veni Emmanuel be a grandchild of the romantic era? It is interesting that the neoromantics are labeled (and criticized) as such for "extended tonality...as well as a frank expression of emotional sentiment." Tonality, after all, is the "default setting" of our species' music (and some of our languages); as the philosopher Daniel Dennett and scientist Daniel Levitin have noted, listening to tonal music is "natural", in the sense that say walking or drinking water is "natural", while listening to atonal music, or riding a bicycle, or drinking Vanilla Coke are "unnatural". You have to either be predisposed to like atonal music or cherry Coke, or learn to appreciate them over time (I'm not a big fan of either, but notice that value judgments are not involved in this distinction). Furthermore, there are a lot of emotional "buttons" we have which authors of music can push to elicit certain reactions. That's why so much syrupy pop music sounds exactly the same, and why war movies seem to all have the same darn soundtrack. Flutes can conjure up thoughts of youth or innocence or purity in nearly anyone (in fact, I seem to recall that it was explicitly connected with such in Brahms' plan for his First Symphony - can anyone confirm this?).

It seems peculiar to ask of composers that they avoid "expression of emotional sentiment", since they are or should be artists above all else. What distinguished the good old Romantics, I think, is that they were absolute masters at "pushing listeners' buttons." We don't have to think, "What do I feel? What does this mean? What is going on?" when we hear, say, the first chords of Tchaikovsky's Fourth Symphony. We just know, somehow (and Levitin's book This Is Your Brain on Music contains some fascinating insight into why this is the case). The contemporary composers who uphold this tradition of heart-on-sleeve romanticism are at work outside of the conservatory. A hundred years ago John Williams might have made a violin concerto out of "Schindler's List"; a great example of "neoromanticism" in my mind, meanwhile, remains the Chairman's Waltz from Memoirs of a Geisha - not to be confused with Adams' Chairman Dances! One of my music major friends here at college (music history, specifically) is excited about, of all things, video game music, and in some rare cases he's really been able to impress me ("Guess who wrote this piano piece." "A student of Rachmaninov?" "A Japanese guy last year for X fantasy game.").

As I said, I'm an ardent and unapologetic romantic, and I have a hard time giving Corigliano et. al. credit for the type of romantic genius that is exhibited by, say, Jean Sibelius or Johann Kalliwoda. I also have a hard time giving the same credit to the composers of Hollywood film scores, like Williams, and to composers like Jennifer Higdon who seem to me to embody the art of writing cheese. Higdon's "blue cathedral" joins the soundtracks of dozens of movies in the category of over-the-top talentless sentimentality and, to alter Wikipedia's phrase, excessively or disingenuously "frank expression of emotional sentiment." [Incidentally, my favorite movie score of 2007 was "Ratatouille" - go ahead and laugh!]

In any case, all this presupposes that there are only two ways of writing music nowadays, and that all the other ways are, well, "dead corpses". We can either produce atonal "new" stuff, or kitsch. It's true that there IS a lot of atonal stuff, and there is a lot of kitsch (these categories are not mutually exclusive!), but surely other music can be written. And it is. A large school of modern composers borrow inspiration not from the romantics, but from the baroque and renaissance eras. (Are Respighi's Ancient Airs and Dances an example of digging up the dead?) Some compose with the influences of centuries-old eastern folk styles in mind. For some reason these composers are not so much "reviving corpses" as "looking to the past for inspiration". Are we musically bankrupt and forced to look backwards, or are we merely finding that our musical past contains keys to our movement into the future? I hope it's the second option.

And in either case the line still needs to be drawn between "neoromanticism" and downright "necromancy". One could argue, for instance, that the neoromantics apply what we learned about music in the twentieth century to the styles of the romantic era, or vice versa. In this view neoromanticism is not exhuming the remains of Rachmaninov so much as it is borrowing one or two of his bones for the creation of an altogether new beast - for better or worse. One could also argue that the neoromantics are writing cheesy, kitschy music because it sells. Well, it doesn't sell me, but that's beside the point; this argument is downright reactionary in its "atonal protectionism"; ie its promotion of atonality at the expense of both unoriginal and original thought. There are, as Schonberg said and Sibelius proved, still so many beautiful things to be said in C major. The problem is that, as this criticism rightfully points out, there currently aren't many beautiful things being said in C major or any other old-fashioned key. A lot of it is formulaic, boring, or bad. The challenge facing the romantic revival movement, which also faced the composers who drew their inspiration from the renaissance and baroque eras, is to write music which deserves the label - to take the lessons of the romantics and use them well.

Or as the literary agent Eric Simonoff told me about the craft of novel-writing:

"It's simple. All you have to do is write a masterpiece."


Ein sehr interessanter Text zu diesem Thema. Ich habe ihn - soweit mein Englisch es zuließ - mit großem Genuß gelesen.

Gruß Martin
Mellus
Stammgast
#13 erstellt: 28. Dez 2007, 14:30
Hallo Martin und alle anderen Interessierten,

der DTV-Musikatlas kennt Neoromantik auch nicht. Aber Ulrich Dibelius (Moderne Musik. München: Piper, 1998). Im Kapitel "Rückgriff auf die Tradition" (S. 534) stellt er zunächst fest, dass das musikalische "Kostümieren", also das Anleihen-nehmen aus vergangenen Musikepochen, sei es nun Barock oder Klassik oder etc., nicht unüblich war und ist. Allerdings wurde diese stilistische Verfremdung immer deutlich und daher aus die zeitliche Distanz immer mitreflektiert. Strawinsky ist dafür wohl der Kronzeuge. Das änderte sich, so Dibelius, bei einigen Komponisten, die um 1950 geboren wurden. In Abgrenzung zur Avantgarde komponierten sie unter Etiketten wie beispielsweise Neoromantik. Da die Avantgarde hauptsächlich in Deutschland (BRD) stattfand, ist das auch ein primär deutsches Phänomen gewesen.

Dennoch konstatiert Dibelius im Folgenden einen nationenübergreifenden Wandel im musikalischen und historischen Bewusstsein, der sich in den verschiedenen Neo-Musikrichtungen niederschlägt. Er diagnostiziert vier Charakteristika der "neuen Komponisten" (S. 536):

1. Sie wurden groß in einer glänzenden, subventionierten "Integrationskultur". Sinnfragen werden in "ästhetischem Wohlbehagen" ertränkt.

2. Ein Künstler kann sich im "gleichmacherischen Angebotsstrom für Freizeitbewältigung" nicht durch Einspruch und Kritik behaupten.

3. "gesellschaftliche Spannungen oder weltpolitische Krisen bleiben demnach am besten unbedacht, damit niemand und nichts stört, um das Ende der Aufklärung auch in der Musik zu besiegeln."

4. Die Punkte 1.-3. beudeuten nicht unbedingt, dass die betreffenden Künstler nicht dazu in der Lage wären, solche Strukturen, Prozesse und Haltungen nicht intellektuell zu reflektieren. Aber ihnen geht der Wille, der Drang ab, ihre Erfahrungen und Einsichten zu analysieren. Anstatt sich aufklärerische Mühe zu machen, wählen sie den weniger anstregenden Weg und durchziehen alles, in diesem Falle ihre Kompositionen, mit "einer Welle ungescheuter, unmittelbarer Emotionalität".

Hier endet Dibelius zu den Neo-Strömungen. Er ist wenigstens deutlich in seinem Urteil. (Ironisch Aufgelegte könnten allerdings seine Position als eine neo-adornische bezeichnen.) Mit den vier Kennzeichen oben haben wir immerhin eine erste Bestimmung davon, was Neoromantik ist. Etwas aus dem Kontext gerissen, hat das aber der von Martin zitierte Brian auch schon geschrieben: "the neoromantics are writing cheesy, kitschy music because it sells."

Viele Grüße,
Mellus
Martin2
Inventar
#14 erstellt: 29. Dez 2007, 00:19
Hallo Mellus,

danke, daß Du uns diese interessante Diskussionsgrundlage geliefert hast. Nun muß ich allerdings sagen, daß sie mich nicht sonderlich überzeugt. Die Verbindung von Musik und "Aufklärung" leuchtet mir überhaupt nicht ein. Soll es so etwas wie eine "aufgeklärte Musik" geben? Das wäre mir neu.

So wie es auch kürzlich in einem Parallelthread geschrieben wurde, ist Musik eigentlich inhaltslos. Mir kommt die Stellungnahme von Dibelius auch reichlich "adornitisch" vor.

Ich habe ein gewisses Mißtrauen gegenüber Komponisten, die ihre Musik "weltanschaulich reflektieren". Die Reflexion von Musik muß eine musikalische sein. Was alleine zählt, ist das musikalische Werturteil.

Ich halte auch wenig davon, die alte Romantik sozusagen ganz naiv "wiederaufleben" zu lassen. Ein Komponist muß die gesamte Musikgeschichte reflektieren und sich zu eigen machen, er kann nicht Dinge, die in der Welt der Musik passiert sind, sozusagen wegblenden wollen. Ich weiß aber auch nicht, ob Neoromantiker dies tatsächlich tun.

Die "cheesy music" mag sich auch nur im Rahmen der Filmmusik wirklich gut verkaufen. Ob sie sich jenseits dessen wirklich gut verkauft, möchte ich eher dahingestellt sein lassen.

Gruß Martin
Mellus
Stammgast
#15 erstellt: 30. Dez 2007, 00:16
Hallo Martin,

wahrscheinlich wird Dir niemand in der folgenden Aussage widersprechen:

Martin2 schrieb:
Was alleine zählt, ist das musikalische Werturteil.


Schwieriger wird es wohl zu bestimmen, was denn das "musikalische Werturteil" ausmacht, welche Parameter es hat und wie sie bewertet werden. Wahrscheinlich gibt es hierzu (wenigstens) zwei grundsätzlich verschiedene Haltungen -- das zieht sich ja auch durch den atonale/serielle-Musik- und den Neue-Musik-Thread. Ich fühle mich gerade nicht in der Lage dazu, das mal systematischer aufzuschrieben. Vielleicht schaffe ich das aber in Bälde nochmal; es aufzuschreiben hilft ja zu verstehen oder wenigsten die Gedanken zu ordnen. Die Grundfrage wird wohl sein: Was macht Kunst (und damit Musik) aus? Es ist also die Frage nach der ästhetischen Position, die wir bewusst oder unbewusst einnehmen. Adorno hat sicher so eine Position formuliert. Der Beitrag von Brian, den Du freundlicherweise hier wiedergegeben hast, zeichnet den Umriss einer anderen Sicht, nämlich das "innere Knöpfe drücken" (das ist wohl in etwa das, was Dibelius mit dem Wort vom "ästhetischen Wohlbefinden" diskreditieren wollte). Wenn man tatsächlich überzeugt eine dieser gegensätzlichen Positionen einnimmt, kann man die jeweils andere klarerweise schlecht gutheißen. Das ist dann der Bodensatz der Meinungen und Geschmäcker, auf dem wir argumentieren, der aber selbst nicht argumentierbar ist. Ich halte das nicht für besonders schlimm, man muss sich nur darüber im Klaren sein.

Vor diesem leider nur äußerst kurz umrissenen Hintergrund ist es leicht nachvollziehbar, dass zumindest einer ästhetischen Position nach die Angemessenheit des musikalischen Ausdrucks oder Idioms an das aktuelle kulturell-gesellschaftliche oder gar politische Bewusstsein ein Qualitätsmerkmal von Kunst ist -- die Ergiebigkeit historisch-kulturell informierter Analyse von Kompositionen und anderer Kunsterzeugnisse, also ihre Interpretation im Kontext ihrer Zeit, ist sicher kein Zufall. Vielleicht kannst Du "weltanschauliches Reflektieren" oder "aufklärerische Musik" in diesem Sinne verstanden weniger misstrauisch betrachten -- freilich ohne es deswegen gleich unterschreiben zu müssen.

Kurz vor diesem Eintrag habe ich mir die Klassik-Charts angeschaut, Du weiß schon wegen der "selling music". Zwar findet sich dort keine CD mit den Neoromantik-Verdächtigen, die oben genannt wurden; die Top Ten werden von Pavarotti, Netrebko und Villanzon beherrscht. Dennoch trifft Dibelius' Beschreibung auf die Art und Titelzusammenstellung der meistverkauften Alben ganz gut zu, findest Du nicht? (Ich halte Dich in keinster Weise für "Charts-gefährdet", daher erlaube ich mir diese leicht unhöfliche Frage einfach mal.)

Beste Grüße,
Mellus


[Beitrag von Mellus am 30. Dez 2007, 15:19 bearbeitet]
pt_concours
Stammgast
#16 erstellt: 30. Dez 2007, 16:54
Durch diesen Thread geht man ja jetzt in Bezug auf das Wort Neoromantik wacher durch die Welt:
Rezension in Klassik-heute über eine CD von ELgar:
"... durch die von ihm meisterhaft beherrschten, klangvollen, ausdrucksreichen und ästhetisch animierenden, jedoch niemals gefühlstriefenden Satztechniken der Neo-Romantik um 1900. .."

hier wäre der ganze Artikel (die CD interessiert mich auch):
http://www.klassik-heute.com/kh/3cds/19990701_4778.shtml

also ein Beispiel für die bereots erwähnten anglo-amerikanischen Komponisten.
Aber sind dann Penderecki, Rautavaara und co. Neo-Neoromantiker?
Mellus
Stammgast
#17 erstellt: 30. Dez 2007, 17:06
Hallo pt_concours!


klassik-heute schrieb:
Neo-Romantik um 1900

Aber da war doch noch die echte (Spät-)Romantik, oder nicht?

Viele Grüße,
Mellus


[Beitrag von Mellus am 30. Dez 2007, 17:07 bearbeitet]
pt_concours
Stammgast
#18 erstellt: 30. Dez 2007, 18:11

Mellus schrieb:


klassik-heute schrieb:
Neo-Romantik um 1900

Aber da war doch noch die echte (Spät-)Romantik, oder nicht?
Mellus


Spontan, ja! Allerdings ist ja Spätromantik nicht gleich Romantik, also Reger oder Strauus nicht gleich Mendelssohn oder Schubert. Wer also um 1900 in Sinne der Romantik um 1820 schrieb, der wäre vieleicht ein Neo-Romantiker? Ob das allerdings auf Elger zutrifft, bezweifel ich doch ein wenig!
Bin aber auf diesem Gebiet kein Fachmann, und reime mir das jetzt auch nur so zusammen

Gruß B.
Martin2
Inventar
#19 erstellt: 31. Dez 2007, 16:37
Elgar als "Neoromantiker" zu titulieren ist Wichtigtuerei. Damit macht man sich interessant. Elgar war ein Spätromantiker reinsten Wassers. Dazu muß man auch kein "Fachmann" sein, das hört man.

Ich habe allerdings auch schon den Begriff "Nachromantik" gehört angewendet auf Leute wie Mahler und Strauss. Eine interessante Klassifikation. Ich kann mir schon vorstellen, daß es eine Generation von Spätromantikern gegeben hat, zum Beispiel Strauss und Reger, die vom musikalischen Impressionismus eben doch auch beeinflußt waren, dabei aber Spätromantiker blieben. Mit Neoromantik hat das aber nichts zu tun. Der Begriff Neoromantik impliziert, daß die Romantik eben schon eine Zeit tot gewesen sein muß. Leute wie Elgar aber wurzeln in Generationen gelebter Romantik, sie erwecken doch nicht die Romantik zum neuen Leben, das ist doch Quatsch.
Mellus
Stammgast
#20 erstellt: 02. Jan 2008, 21:07
Hallo!

Martin: d'accord!

Aber nun zu etwas ganz Anderem...
Gestern habe ich mal wieder in Jean-Noel von der Weids Handbuch Die Musik des 20. Jahrhunderts (Insel: Frankfurt a.M., 2001) geschmökert und bin dabei auf das Etikett "Neoromantik(er)" gestoßen, und zwar im Abschnitt über Wolfgang Rihm. Offenbar wurde ihm vorgeworfen (ja, vorgeworfen), ein Neoromantiker zu sein (zumindest zu Beginn seines Schaffens). Das hat mich dann doch erstaunt. Zwar kannte ich im Zusammenhang mit Rihm die Label "Neo-Expressionismus" und "Neue Einfachheit", doch "Neoromantik" war mir neu. Expressiv finde ich einige seiner Werke schon, einfach meinetwegen auch; aber romantisch? Vielleicht meint das Etikett "neoromatisch" doch noch etwas leicht anderes als bisher vermutet. Wenn auch Rihm ein Neoromantiker sein soll, dann ist Neoromantik wohl negativ zu bestimmen, in Abgrenzung zur seriellen Schule (wie es ja auch Dibelius in einem Merkmal formuliert). Neoromantiker sind dann Komponisten, die Ausdruck nicht scheuen, deren Musik auch Außermusikalisches zulässt/bedeutet (NB: ich schätze, dass das Gegenteil nur den strengen, "reinen" Serialismus zutrifft).

Viele Grüße,
Mellus
pt_concours
Stammgast
#21 erstellt: 02. Jan 2008, 21:56

Martin2 schrieb:
Elgar als "Neoromantiker" zu titulieren ist Wichtigtuerei. Damit macht man sich interessant. Elgar war ein Spätromantiker reinsten Wassers. Dazu muß man auch kein "Fachmann" sein, das hört man.


Nun ich kenne nur wenige Stücke von Elgar, so daß ich keine Beurteilung "ins Blaue" abgeben wollte. Der Satz der Rezension bezog sich allerdings auf das Chorschaffen Elgars, und da würde mich schon interessieren: Kennst Du denn diese Stücke überhaupt, dass Du hier so selbstsicher bist? (ein Anderer könnte es vielleicht auch Wichtigtuerei nennen). Irgendwie gefällt mir dieser Ton nicht.
Ich kenne immerhin drei dieser Stücke, und schon bei diesen drei Stücken fällt es mir nicht leicht alle in eine "Schublade" zu legen. Allerdings mag ich auch Schubladen nicht sehr, weshalb ich mit solchen Kategorien immer etwas schwer tue.
Martin2
Inventar
#22 erstellt: 08. Jan 2008, 16:21
Hallo Pt Concours,

nein so furchtbar selbstsicher bin ich gar nicht. Ich halte nur auch nicht viel davon, seine ganz persönliche Meinung mit tausend kleinen Einschränkungen zu versehen. Ich will wirklich nicht selber "wichtigtuerisch" erscheinen, sondern nur meine Meinung klar, direkt und ohne Umwege zum Ausdruck bringen. Es könnte sein, daß ich diese speziellen Werke nicht kenne, aber ich kenne von Elgar schon eine Menge: Seine Oratorien, Sinfonien, Konzerte, drei CDs verschiedene Orchesterstücke, Kammermusik. Ich schätze Elgar sehr. Ich zähle ihn zur Spätromantik.

Ich habe allerdings für Mahler und Strauss auch schon das Etikett "Nachromantik" gehört, was immer das sein soll. Nur halte ich Elgar zweifellos für konservativer als Mahler und Strauss. Auch das mag wieder angezweifelt werden.

Ob die Titulierung Elgars als Spätromantiker musikwissenschaftlich korrekt ist, weiß ich selbstverständlich nicht. Ich denke nur, daß jenseits aller Musikwissenschaft Begriffe einfach ihre Entwicklungsgeschichte haben. Sie dienen in erster Linie nicht der musikwissenschaftlichen Einordnung sondern der ganz einfachen und simplen Verständigung der Musikliebhaber untereinander. Wenn ich Elgar als Spätromantiker bezeichne, meine ich es eben so. Etwa in dem Sinne: Wer Brahms mag wird Elgar vielleicht auch mögen, jedenfalls stilistisch keine allzu großen Probleme haben.

Ich glaube in jedem Fall, daß die Musik seit Ende des 19. Jahrhunderts bis heute eine äußerst komplizierte Gemengelage darstellt. Ob Musikwissenschaften diese Gemengelage gut begrifflich durchleuchten kann, bezweifle ich. Der einfache Musikliebhaber, zu denen ich mich zähle, behilft sich da mit einfachen Begrifflichkeiten: Spätromantik, Impressionismus, Moderne. Selbst so ein Begriff wie "Neoklassizismus", der anscheinend ja ein sehr wichtiger Begriff ist, war mir neu und ich finde es zum Beispiel nicht wirklich glücklich Bartok und Hindemith als Neoklassizisten zu titulieren.

Was ist zum Beispiel Skrjabin? Irgendwie spätromantisch in seinem Frühwerk, dann schon doch moderner, dann doch schon sehr modern, irgendwie doch nicht impressionestisch, aber wie ist seine Modernität eigentlich zu umschreiben, etwa die der 4. und 5. Klaviersonate?

Und übrigens der Rezensent bezieht den Begriff ja nicht nur auf Elgar, sondern spricht gleich ganz von der "Neoromantik um 1900". Und den Begriff der Neoromantik finde ich eben unglücklich. Der Begriff "Nachromantik" finde ich da schon besser, aber auch nicht besonders glücklich.

Der Laie wie ich wird viel lieber von Spätromantik reden, aber schon zweifellos mit Beziehungen zur Moderne, wie etwa im Falle Mahlers. Spätromantisch, aber doch auch schon irgendwie modern - das ist es wie eben ein Laie redet. Er wird Sibelius spätromantisch finden, in seinen frühen Werken sowieso, er wird auch Nielsen eigentlich noch spätromantisch finden, andererseits dann aber doch modern. Er wird bei Ives spätromantische Wurzeln finden, die auch immer wieder durchschlagen, ihn aber ansonsten sehr modern finden. Et cetera. All das mag ja musikwissenschaftlich Geschwätz sein, nur dient es zweifellos der Verständigung. "Neoromantik" für Elgar dagegen dient nicht der Verständigung sondern nur der Verwirrung.

Der Laie wie ich ist auch kein Analytiker, er ist in erster Linie Hörer. Und ihm geht es in erster Linie darum, sich verständlich zu machen. Und man macht sich denke ich hervorragend verständlich, wenn man Elgar einen Spätromantiker nennt, der jeglichem Modernismus abhold war.

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#23 erstellt: 08. Apr 2008, 17:59
Hallo zusammen!

Ich möchte, falls weiter oben nicht schon geschehen ( ), auf die Serie "Stilkunde der Musik des 20. Jahrhunderts" in den aktuellen Fono Forum Ausgaben hinweisen. In der Ausgabe vom April 2008 wird in der Folge 4 der Serie der Neoklassizismus besprochen.
Vielleicht kommen sie in späteren Ausgaben auch noch auf die Neoromantik zu sprechen (die Webseite des Magazins gibt leider nicht all zu viel darüber her).


Viele Grüße,
Alex.


[Beitrag von Kings.Singer am 08. Apr 2008, 18:00 bearbeitet]
Martin2
Inventar
#24 erstellt: 09. Apr 2008, 22:57
Hallo Alex,

hast Du mal rein geguckt? Lohnt sich das?

Gruß Martin
Kings.Singer
Inventar
#25 erstellt: 09. Apr 2008, 23:06
Hi Martin.

Ich habe die Artikel bisher nur überfliegen können (ein Frevel - schließlich handelt es sich um die April-Ausgabe ), so auch den Stilkunde Teil.

Fand ich aber sehr ansprechend. Immerhin zwei Doppelseiten werden hier der 'modernen Klassik' gewidmet. Genauer: Eine recht fundierte aber verständliche Beschreibung (um da ins Detail gehen zu können müsste ich den Artikel genauer lesen), viele Bilder und Namen von - dem interessierten Klassikhörer keineswegs unbekannten - Komponisten (z.B. Stravinsky, Poulenc, Hindemith), ein kurzes interessantes Stichwortverzeichnis in dem Begrifflichkeiten wie "Isorhythmie", "Fauxbordon" oder "Groupe des Six" erklärt werden, eine stichwortartige Auflistung der wichtigsten Stilkriterien und ein paar CD-Tipps.
Jetzt ist bei meiner Aufzählung doch allerhand zusammen gekommen. Scheint sich wohl doch zu lohnen.

Allerdings muss man sich eben gewiss sein, dass man die Zeitschrift nicht wegen dieser vier Seiten kaufen sollte. Gemessen an ihrem Umfang (122 Seiten ohne Werbeteil im Anhang) ist es doch ein relativ kleiner Teil, der der Stilkunde zukommt. Aber um einen Überblick über die Epochen zu kriegen sicher empfehlenswert.

Viele Grüße,
Alex.
Martin2
Inventar
#26 erstellt: 10. Apr 2008, 11:15
Hallo Alex,

danke für den Hinweis. Na ja, vielleicht halte ich mal nach der Fonoforum Ausschau.

Gruß Martin
*CS*
Neuling
#27 erstellt: 11. Mai 2009, 21:44
Eine kurze Frage von mir zu diesem Thema: Zählt denn Erich W. Korngold dann zur Romantik oder zur Neoromantik? Theoretisch wäre ja beides möglich...Seine Anfangsjahre als "Wunderkind" müssten dann zur Spätromantik zählen (geb. 1897) und seine späteren Werke laut Definition zur Neoromantik (gest. 1957). Problematisch wäre natürlich die Einordnung der Filmmusik obwohl sie stark romantische Einflüsse besitzt und schließlich im weiteren Sinne auch nur eine Verbindung der Musik mit außermusikalischen Ideen (siehe Oper). Seine anderen Werke bezeichnete er ja selber als "absolute Musik".
Sir_Henry0923
Stammgast
#28 erstellt: 14. Mai 2009, 17:12
Hi,

das Schubladendenken ist wohl aus euch nicht rauszukriegen. Überlaßt das doch gefälligst den Systematikern und Taxonomen, wo jemand hingehört. Ob sich einer Neoromantiker schimpft oder besser geschimpft wird, ist doch wohl kackegal. Hauptsache, die Musik gefällt uns, euch. Aber wen interessiert eigentlich noch das, was unter der Rubrik Ernste Musik heute abgeht? Mich jedenfalls nicht. Kunst kommt schließlich von Können und nicht von Wollen. Ich denke da vor allem an Hape Kerkeling, dem mit seinem "Hurz" die ganze Ratlosigkeit der Bildungsbürger angesichts moderner oder vermeintlich moderner Musik bestens zu dokumentieren gelungen ist. Überlaßt im übrigen das feuilletonistische Gequatsche vor allem denen, die es besser können!

Gruß

Henry
Hüb'
Moderator
#29 erstellt: 14. Mai 2009, 17:14


Hallo Henry,

ich finde Schubladen ganz hilfreich, bei diesem unüberschaubaren (Über-)Angebot an (guter) Musik.
So kann man wenigstens ausschließen, womit man sich so gar nicht befassen will.

Grüße
Frank
cr
Inventar
#30 erstellt: 14. Mai 2009, 23:38
:
Alfred Hill ist ein gutes Beispiel für Neoromantik - einfach anhören, klingt ein bißchen nach Brahms, ein bißchen nach Schumann, Dvorak etc.
6 seiner 12 Sym. gibts bei Naxos.
Mehr über sein Leben auch dort (was in der Wiki (dt/eng) steht, ist eher mager)
Thomas133
Hat sich gelöscht
#31 erstellt: 15. Mai 2009, 00:57
Hallo,

Wenn mit "Neoromantik" damit gemeint ist, das jemand unüblich seiner Epoche bzw. Zeit auf großteils romantische, zeitmäßig "überholte" Stilmittel bzw. Tonsprache zurückgreift (wobei das hier auch ziemlich relativ sein kann) so könnte man ja eventuell Max Bruch als einen solchen nennen? Zwar lebte er natürlich noch innerhalb der Spätromantik doch galt er schon damals zu seinen Lebzeiten als konservativ und altmodisch.
Vielleicht wäre hier ja angebrachter "Neo-Frühromantik" zu sagen um es noch deutlicher abzugrenzen.
Ich kenne mich in der Moderne zu wenig aus um hier Komponisten auszumachen die sich großteils romantischer Stilmitteln bedienen, kann mir aber durchaus vorstellen das man hier fündig
werden könnte.
Eventuell könnte man sagen das Arvo Pärt teilweise ein wenig in seiner 3.Sinfonie spätromantische Anklänge hat.
Ich habe auch gerade in Hörbeispiele von dem eben vorgeschlagenen Alfred Hill hineingehört (4.+6.Sinfonie) und kann dem nur zustimmen - klingt in der Tat ziemlich romantisch für die Entstehungszeit. Wie steht es eigentlich mit Richard Strauss? Nach der neuesten Mode hat der ja damals - vor allem gegen seine letzten Lebensjahre hin - auch nicht gerade komponiert. (manches seiner Werke für Bläser kann man fast schon Neoklassizistisch nennen )
gruß
Thomas
flodo90
Ist häufiger hier
#32 erstellt: 20. Sep 2016, 22:20
Ich möchte noch eine Definition aus meiner Musikgeschichtevorlesung beisteuern. Frau Prof. Seils schreibt folgendes:

Neoromantik bezeichnet eine stilistische Tendenz der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts, die für die Wiederentdeckung der sinnlichen und emotionalen Qualitäten der Musik steht und die Kluft zwischen Komponist und Publikum zu überwinden sucht. Zum Teil in bewusstem Gegensatz zur antiromantischen und konstruktivistischen Haltung der Darmstädter Schule komponieren Musiker wie Manfred Trojahn und Wolfgang Rihm im Rahmen einer (stark erweiterten) Tonalität und knüpfen an traditionelle musikalische Gattungen wie Oper, Sinfonie und Streichquartett an. Im Schaffen anderer Komponisten wie Arvo Pärt und Krzysztof Penderecki zeigt sich in dieser Zeit die Entwicklung von einer experimentellen Komponierhaltung zu einer Vereinfachung der Mittel, zum Teil durch Anknüpfen an traditionelle Kompositionsprinzipien. Eng verbunden mit dem Begriff Neoromantik ist der Begriff Postmoderne als eine nicht nur die Musik betreffende Strömung, die generell Abschied nimmt von der Vorstellung einer ständigen Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Kunst, auch der Kultur und der Gesellschaft überhaupt zugunsten eines Pluralismus sowohl in den Lebensstilen als auch in den künstlerischen Äußerungen. Komponisten im späten 20. Jahrhundert verzichten zunehmend auf den Anspruch, zu einer bestimmten Gruppe bzw. Schule und darüber hinaus zur Avantgarde überhaupt gehören zu wollen. Der stilistische Pluralismus in der Musikgeschichte des späten 20. Jahrhunderts ist auch bedingt durch eine wachsende Intemationalität. Auf dem Gebiet der liturgischen Musik zeigt sich dies besonders an Hand der Fülle von Chormusik aus dem anglikanischen, skandinavischen und baltischen Raum, die - durch Druck und Tonträger bekannt gemacht - auch von unseren Chören gern gesungen wird.

Das muss jetzt aber keine Diskussion aufkommen lassen. Der Thread ist ja schon so alt
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