Jan Garbarek - Ein Einstieg

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Mr._Lovegrove
Inventar
#1 erstellt: 19. Jan 2012, 16:07
Auf Nachfrage mehrerer User hier ein paar Tipps, für diejenigen, die sich als Einsteiger mit Jan Garbarek beschäftigen möchten:

Es sei kurz als Einfürung gesagt, dass Garbarek auf weit über 50 ECM Alben als Leader oder Sideman mitgewirkt hat. Er hat dort unterschiedlichste Stile verfolgt und vermischt. Sei es nun Musik des nahen Ostens, sehr freie Sachen, seine Klänge zu klassischen Chorälen oder im klassischen Quartett bei Keith Jarrett, er scheut sich vor kaum einer Fusion mit seinem ureigenen Sound. Das ist im übrigen nicht immer gelungen oder gar passend. Für Einsteiger ist das mit viel reinhören verbunden. Ob das bei 30 sec- Snippets im Netz hilfreich ist, wage ich zu bezweifeln. Deshalb hier nun einige wenige Tipps für "Anfänger":

Zunächst das Dreigestirn:
jpc.de jpc.de jpc.de
Legend of the seven dreams
I took up the runes
Twelve Moons


Diese drei direkt aufeinanderfolgenden Alben mit seiner schon legendären späten Group sind in ähnlichen Besetzungen entstanden und sind typisch für den späten Garbarek und seine hymnisch- melodischen Kompositionen. Jemand, Garbarek in den letten Jahren mal live gesehen hat, wird davon begeistert sein. Die Musik auf diesen Alben ist sehr zugänglich , extrem atmosphärisch und verbindet Garbareks Hingabe zur norwegischen Folklore und deren Mythen.
"Visible World" gehört auch noch zu dieser Phase, ist aber schon sehr pathetisch und teilweise richtig kitschig. Vom letzten Album mit der Group, "Rites", würde ich die Finger lassen. Es ist teilweise unerträgliche und überambitionierte Klangsoße, die sein Konzept ad absurdum führt.

Aus Garbareks 70er und früh-80er Zeit seien empfohlen:

jpc.de jpc.de
Witchi-Tai-To
Dansere


Beides Quartettalben mit dem großartigen Pianisten Bobo Stenson. Mystisch, hymnisch und geheimnsivoll und vorallem spannend. Kein Synthie- Quatsch, sondern nur ein Quartett, was die norwegische Folkloristik mit klassischen Jazzelementen verbindet und dabei unheimlich fesselnde Kompositionen spielt, die den Hörer in einen dichten Nebelsog hineinziehen, der bis zur letzten Note anhält.

jpc.de jpc.de
Solstice
Solstice - sounds and shadows

Beides Alben des Gitarristen Ralph Towner, auf denen Garbarek aber eine zentrale Rolle spielt. Währen ddie erste Platte dieser Gruppe etwas experimenteller ausfällt, so hat Towner auf der zweiten Scheibe ein extrem klares Konzept, was sich in allen Kompositionen wiederspiegelt. Seine volumiges und dominantes Spiel auf der Akustischen verbindet sich dabei hypnotisch mit Garbareks Sound.

jpc.de jpc.de
Paths, prints
Wayfarer

Beides Alben mit Bill Frisell an der Gitarre. Schon etwas für Fortgeschrittene, aber dennoch durchaus noch sehr zugänglich und vorallem wirklich wirklich gut. Vorallem auf "Paths, Prints" entwickelt Garbarek eine Formensprache, die das Klischee, er spiele Kitsch, ad absurdum führt. Für mich ist das die beste aller Garbarek Scheiben, weil er sich auf völlig unpathetische Weise kongenial mit Frisell countryeskejn Gitarrensprengslern verbindet.

Für diejenigen, die einsteigen wollen, sollte das erstmal reichen.
Aber natürlich möcte ich folgende Doppel- CD nicht vergessen:
jpc.de
ECM: rarum, selected recordings
Eine von Garbarek selbst zusammengestellte Doppel- CD, die einen knappen, aber recht repräsentativen Überblick über seine verschiedenen Schaffensphasen bietet. Auf der ersten CD steht seine Arbeit als Leader im Vordergrund. Auf der zweiten CD sind seine Sideman Arbeiten das Thema. Natürlich ist die Zusammenarbeit mit Keith Jarrett ein zentrales Thema. Da ich aber kein Fan von Jarrett bin, enthalte ich mich dieses Themas mal.
Trotzdem ein guter Einstieg.

So denn, viel Spaß beim Entdecken.
arnaoutchot
Moderator
#2 erstellt: 19. Jan 2012, 16:40
Bis auf die drei erstgenannten (Legend, Runes, Moons) stimme ich zu, meines Erachtens wiederholte sich da Garbarek nur noch. Aber gut, Geschmackssache.

Die aus meiner Sicht zwei besten Platten wurde noch nicht genannt: Die wirklich innovative "Afric Pepperbird", auf der Garbarek auch noch am Bass-Sax zu hören ist, und die gnadenlos depressive "Aftenland", auf der er nur mit einem Organisten in der Kirche spielt. Sind allerdings beide eher nichts für schwache Nerven. Das Klangkonzept der "Officium" finde ich gelungen, aber auf Dauer nervt mich das penetrante Saxophonspiel von Herrn G. da.

jpc.de jpc.de

Hier gab es übrigens schon mal einen längeren (kritischeren) Thread, wer weiterlesen will.
http://www.hifi-foru...rum_id=67&thread=837
Mr._Lovegrove
Inventar
#3 erstellt: 19. Jan 2012, 16:47
Ich habe diese beiden (wie auch einige andere, großartige Scheiben) nicht genannt, da sie unabhängig ihrer Qualitäten für Einsteiger nicht allzuviel greifbares Material beinhalten. "Afric pepperbird" ist so sehr Free Jazz, dass man als Neuling eher weghört und "Aftenland" ist schon auf einem Level, dass eher Fortgeschrittenen vorenthalten ist. Aber herausragend sind die beiden Scheiben allemal...
arnaoutchot
Moderator
#4 erstellt: 19. Jan 2012, 17:01
Ich habe mir - wie am Ende des oben verlinkten Threads zu lesen ist - damals die "Dresden" gekauft. Trotzdem ich kein besonderer Garbarek-Fan bin (im oben verlinkten Thread steht da auch einiges dazu) fand ich die gar nicht so schlecht. Vor allem zwingt der Rahmen des Live-Konzerts Garbarek dazu, sich im relativ engen unveränderlichen Gruppenkontext zu bewegen, und nicht die Tapete hinter seinem Saxophon dauernd auszuwechseln. Ausserdem bringen die neuen Musiker Yuri Daniel und Manu Katché frischen Wind in die Band. Wenn ich es recht überlege, fände ich diese Platte als Einstieg für Garberek nicht ungeeignet.

jpc.de
chriss71
Inventar
#5 erstellt: 19. Jan 2012, 23:03

arnaoutchot schrieb:
Hier gab es übrigens schon mal einen längeren (kritischeren) Thread, wer weiterlesen will.
http://www.hifi-foru...rum_id=67&thread=837


Und da ich dort schon meinen Senf zu Hrn. Garbarek abgegeben habe, werde ich mir hier nicht mehr zu Wort melden.

Daiyama
Inventar
#6 erstellt: 20. Jan 2012, 12:25

arnaoutchot schrieb:
Hier gab es übrigens schon mal einen längeren (kritischeren) Thread, wer weiterlesen will.
http://www.hifi-foru...rum_id=67&thread=837


Jetzt kann man verstehen warum Mr. Lovegrove seine Tipps eher per PM verschicken wollte.

Frage meinerseits:
Bei welchen Scheiben wäre denn das Saxophon JG nicht so in den Vordergrund gemixt. Ich selbstbesitze nur die Twelve Moons und möchte auch gar nicht tiefer in Richtung Jazz einsteigen, aber manchmal schmerzt das Saxophon doch schon sehr in den Ohren (Kann natürlich auch meiner Anlage/Raum liegen ;))
Suche also wohl was, was noch mehr in Richtung easy listening geht.
arnaoutchot
Moderator
#7 erstellt: 20. Jan 2012, 12:35

Daiyama schrieb:
Frage meinerseits:
Bei welchen Scheiben wäre denn das Saxophon JG nicht so in den Vordergrund gemixt. Ich selbstbesitze nur die Twelve Moons und möchte auch gar nicht tiefer in Richtung Jazz einsteigen, aber manchmal schmerzt das Saxophon doch schon sehr in den Ohren (Kann natürlich auch meiner Anlage/Raum liegen ;))
Suche also wohl was, was noch mehr in Richtung easy listening geht. :)


Ich wüsste keine. Ich kenne aber natürlich nicht alles, vielleicht ist es bei den neueren Platten besser. Bei aller Kritik meinerseits an Herrn G.: In die Easy-Listening-Schiene würde ich ihn aber nicht stecken wollen, das wird ihm nicht gerecht, dazu ist (war) er zu innovativ.
Mr._Lovegrove
Inventar
#8 erstellt: 20. Jan 2012, 15:29

Daiyama schrieb:

Jetzt kann man verstehen warum Mr. Lovegrove seine Tipps eher per PM verschicken wollte.

Ich habe null Probleme mit Leuten, die einen anderen Geschmack haben. Ich selber bin ja ein extrem kritischer Musikfreund und es gibt Künstler, da bin ich genauso dogmatisch dafür oder dagegen, wie andere User.
Objektiv betrachtet kann ich gut nachvollziehen, warum man Garbarek auch hassen kann. Der Mann hat halt einen extrem eigensinnigen Stil, den man durchaus als nervig und einsilbig empfinden kann.
Da ich aber dogmatischer Garbarek Fan bin, werde ich ihn immer bis auf mein Musikfanblut verteidigen.


Daiyama schrieb:

Frage meinerseits:
Bei welchen Scheiben wäre denn das Saxophon JG nicht so in den Vordergrund gemixt.
Suche also wohl was, was noch mehr in Richtung easy listening geht. :)

Vielleicht solltest du eher Kenny G. oder Walter Beasley oder Dave Koz probieren. Es gibt keine Garbarek Scheibe, wo er nicht prominent abgemischt ist und sich im Hintergrund einreiht. Und mit Easy Listening hat er echt nix am Hut.
chriss71
Inventar
#9 erstellt: 20. Jan 2012, 15:47

Daiyama schrieb:
Jetzt kann man verstehen warum Mr. Lovegrove seine Tipps eher per PM verschicken wollte.


Jetzt muss ich mich wohl doch noch mal in diesem Thread melden.
Na, dass kann es wohl nicht sein! Wie ich zu Hrn. Gabarek stehe, ist wahrscheinlich jedem hier bekannt.

Aber ich bin ebenfalls Voltaire's Meinung: Ich bin nicht deiner Meinung, aber ich werde darum kämpfen dass du sie kund tun kannst!

Daiyama
Inventar
#10 erstellt: 20. Jan 2012, 17:34
@all: sorry ich möchte mit meiner ironische Bemerkung nicht den Thread kaputt machen, Über JG im allgemeinen und die Art der Kritik an ihm sollte in dem verlinkten Thread diskutiert werden.

Sorry die 2.: Mit dem Begriff easy listening meinte ich kein Stilrichtung. Kenny G z.B. ist nicht so,ein Ding.
Ich meinte damit eher "eingängig" oder auch von mir aus " popig", aber primär eigentlich weniger pentrant im Vordergrund. Mir gefallen die Parts am besten, bei denen er mehr im Spiel der anderen integriert ist.
cds23
Stammgast
#11 erstellt: 21. Jan 2012, 13:49
Ich glaube, ich werde wieder etwas Geld lockern müssen, um Euren Empfehlungen Folge leisten zu können. Klingt ja durchwachsen, wenn man die Gesamtschau sieht, aber einzelne bzw. mehrere Alben scheinen ja unentbehrlich zu sein...
arnaoutchot
Moderator
#12 erstellt: 21. Jan 2012, 14:11
Wenn ich Deinen Musikgeschmack richtig einschätze, cds23, dann könnten Dir die o.g. Afric Pepperbird, Ralph Towner Solstice oder die Witchi-Tai-To durchaus gefallen. Ggf. für den neueren Garbarek die "Dresden".

Gruss Michael
cds23
Stammgast
#13 erstellt: 21. Jan 2012, 14:30
Danke für den Tipp, Michael. Ja, die Ralph Towner Solstice ist mir ein Begriff, ich glaube die ist schon öfters Gegenstand euphorischer Empfehlungen gewesen, deswegen bleibt die jetzt mit Sicherheit auf meinem Radar. Afric Pepperbird ist schon allein aufgrund des Titels interessant. Mein armes Portemonnaie... schämt Euch!

Gruß

Milan
arnaoutchot
Moderator
#14 erstellt: 21. Jan 2012, 14:49

cds23 schrieb:
Mein armes Portemonnaie... schämt Euch! Milan


Tja, dann kann ich nur raten, sich hier abzumelden. Ein Verbleib in diesen Threads kann kostpielig sein.
DaewjuSTX
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 04. Jun 2012, 09:16
Entschuldigt bitte, dass ich den Thread wieder ausgrabe. Aber ich finde eine Aussage etwas unpassend.


Vom letzten Album mit der Group, "Rites", würde ich die Finger lassen. Es ist teilweise unerträgliche und überambitionierte Klangsoße, die sein Konzept ad absurdum führt.


Als "Jan Garbarek-Anfänger" war dieses Album mein erstes von Jan Garbarek und es gefällt mir heute noch eigentlich am besten. Ein sehr emotionales und dynamisches Album, dass man sich mal anhören sollte.

Freundliche Grüsse
Mr._Lovegrove
Inventar
#16 erstellt: 05. Jun 2012, 07:44
Du scheinst mir also mittlerweile schon mehrere Alben von ihm zu haben. Ich habe damals mit "Twelve moons" angefangen. Ich höre es heute noch sehr selten und es gefällt mir lange nicht mehr so gut, wie vor 15 Jahren. Wenn man zudem auch ansonsten fast nur Jazz hört, kommt man quasi schon unweigerlich zu seinen früheren Sachen.
Ich bin dennoch der Meinung, das "Rites" kein guter Einstieg ist, denn es repräsentiert nicht den Garbarek, den man hören sollte, um ihn kennen zu lernen.
kopflastig
Inventar
#17 erstellt: 05. Jun 2012, 13:42
Da so ziemlich alles Geschmackssache ist, kann man ruhig auch geteilter Meinung darüber sein, welche Alben von/mit Jan Garbarek sich zum Einstieg eignen, bzw. welche gute Musik enthalten.

Wer noch keinerlei Bezug zu Jazz/Weltmusik o.ä sperriger Musik ( ) hat, dem würde ich durchaus die von Mr. Lovegrove erstgenannten drei Alben emfehlen.
Wer aber ohnehin einen breit gefächerten Musikgeschmack hat, darf ruhig auch mit den an dieser Stelle noch nicht genannten Alben Ragas & Sagas, Rosensfole oder All Those Born With Wings beginnen - natürlich nur imho.

Das typische Garbarek-Album gibt es ohnehin nicht.

Grüße,
Markus
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