Wie definiert ihr Jazz?

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LyleFinster
Ist häufiger hier
#1 erstellt: 20. Feb 2005, 03:12
Es geht mir nicht allgemeine Definitionen, googlen kann ich auch alleine und wenns darum ginge könnte ich ja auch u.a.den Polillo lesen.

Mir geht's darum, wie der User hier den Begriff Jazzmusik für sich definiert.

Und im besonderen, etwas provakativ gefragt, wie zieht der User die Grenzen vom "einzig wahren, echten Jazz" zu unwürdigen Derivaten?


[Beitrag von LyleFinster am 20. Feb 2005, 03:47 bearbeitet]
ollik007
Ist häufiger hier
#2 erstellt: 20. Feb 2005, 03:34
ich bin jetzt eigentlich zu müde, aber ich fange mal an...

ich denke, dass es keine Definition gibt, die eine entscheidungsfähige Mehrheit unterschreiben kann...

Ich denke eher, dass es bestimmte Merkmale sind, die im Jazz vorkommen bzw. die ihn ausmachen (vielleicht auch mindestens 2-3 dieser Merkmale; ein Merkmal alleine wird oft auch von anderen Musikstilen verwendet (z.B. Improvisation) oder alterierte Akkorde)

Merkmale:
-) Instrumente (klassisch: Trio, Quartett). Piano, Bass, Drums; dann Saxophon, Posaune, Trompete, etc.
-) Improvisationsanteil (hoher Anteil). Auch kollektive Improvisation
-) Bestimmte harmonische Ausprägungen (alterierte (im einfachen Sinne) Akkorde; folgend einer bestimmten, sich entwickelnden Harmonielehre)
-) das Merkmal kein Merkmal zu haben (eine gewisse Freiheit)
-) einige Protagonisten sind auserwählt (durch voriges Schaffen z.B.) den Jazz weiterzuentwickeln und zu prägen.
-) die Wurzeln (afroamerkianisch, usw. z.B. aus dem Blues)

..... usw.
tjobbe
Inventar
#3 erstellt: 20. Feb 2005, 11:23
bin schon wach, mache hier weiter ;):

Grenzüberschreitung ist eines der Hauptmerkmale des Jazz (bzw. die Auseinandersetzung von Bewährtem mit neuen, dessen Vermischung und weiterentwicklung), aber auch die Zeitlosigkeit mit der man Jazz hören kann, auch Dixie und BigBand Swing klingt heute noch genauso frisch und mitreissend wie zu seiner Entstehung....

zuerstmal wird/wurde Jazz durchaus immer wieder neu "Interpretiert", so daß ich als ein Stilmerkmal hinzufügen würde das er sich permanent weiter entwickelt hat und durchaus immer noch weiterentwickelt.

Ein anderes eher "weiches Merkmal" wäre die tatsache, dass Jazz immer auch eine Politische/gesellschaftliche
Meinungsäußerung war (und ist ?), die man nicht unbedingt teilen muß, die aber oft für das Verständnis innerhalb ihrer jeweiligen Epoche durchaus wichtig ist... z.b. das Lionel Hamptom mit Benny Goodman zusammen in der CArnegie Hall auftreten durfte und applaudiert wurde war auch 1936 nicht selbstverständlich... und sonst waren Musikalische Strömungen im Jazz auch immer gesellschaftlich verursacht....z.B. FreeJazz, auch die deutsche Jazz-Avandgarde ist ist bereits lange vor den '68 politisch/musikalisch aktiv gewesen..(Man lese mal JE Behrend)

Wenn man also mal den "reinen KommerzJazz" wegläßt hat bisher zumindest sich Jazz auch immer wieder politisch&gesellschaftlich definiert...

Das ist zwar zum Genuß der Musik nicht unbeding nötig, ist aber auch ein Punkt über den es sich mal bei der "definition" des Begriffes nachzudenken lohnt.

Cheers, Tjobbe


[Beitrag von tjobbe am 20. Feb 2005, 12:58 bearbeitet]
ugoria
Hat sich gelöscht
#4 erstellt: 20. Feb 2005, 12:21
Jazz ist für mich unnotierte (oder nur teilweise notierte) Musik, deren auffälligste Merkmale die Synkopierung und der Swing ist.
Dazu gesellt sich die Improvisation und natürlich die Unterscheidbarkeit der einzelnen musikalischen "Stimmen".

Was "tjobbe" über die "Grenzüberschreitung" sagt ist vollkommen richtig. Hier ist Miles Davis ein typisches Beispiel, der beispielsweise dem Bebop die modale Form entgegensetzte und immer wieder auf der Suche nach dem "neuen" Sound war, der aber stets durch Improvisation und Grenzüberschreitung charakterisiert ist.

Miles Davis formulierte es einmal so:
"Aber das war meine Begabung, verstehst du, die Fähigkeit bestimmte Jungs zu finden und damit 'ne chemische Reaktion in Gang zu setzen, die sich von selbst weiterträgt; sie spielen zu lassen, was sie können und darüber hinaus. Wenn ich mir Musiker suchte, wusste ich nie genau, welcher Sound dabei rauskommt. Wichtig ist nur, dass sie intelligent und kreativ sind, denn dann hebt die Musik wirklich ab."
[Quelle: Miles Davis, Autobiographie, Heyne, S. 540]

Jazz ist für mich der freie Dialog von Musikern untereinander auf einer gemeinsamen Bühne, die freie Diskussion und Aussprache in verschiedenen Stilen und Formen. Das Thema mag zwar vorgegeben sein, das Ergebnis oder der Weg zum Ergebnis ist dabei offen.

P.S.: Dazu gehören natürlich auch Jarrettsche Selbstgespräche!

Liebe Grüße

Andi


[Beitrag von ugoria am 20. Feb 2005, 12:22 bearbeitet]
Josser
Stammgast
#5 erstellt: 20. Feb 2005, 17:29
Z.B. das...

"...
- Welche von diesen Tönen soll ich treffen?
- Triff irgendwelche, sagte <Monk> schließlich, seine Stimme ein Gurgelmurmeln.
- Und hier, ist das ein C oder ein Cis?
- Ja, eins von bei'n..."

... ist für mich Jazz...

jazz-freund
Ist häufiger hier
#6 erstellt: 20. Feb 2005, 21:51
hmm... Jazz ist ...

für mich: (mit) tanz- und fühlbarer
Klang- und Lebens(t)raum - am liebsten LIVE!

salü
jazz-freund


[Beitrag von jazz-freund am 21. Feb 2005, 21:08 bearbeitet]
markus3
Ist häufiger hier
#7 erstellt: 21. Feb 2005, 21:58
hi,

darf ich diesen faden anders weiterspinnen - mit einer frage?

sind diese platten "jazz"?

steely dan - gaucho // aja
joni mitchell - hejira
donald fagen - nightfly // kamakiriad
tom waits - swordfish trombone
van morrison, lonnie donegan, chris barber - skiffle sessions
van morrison - moondance // healing game



habe die ehre, markus
Josser
Stammgast
#8 erstellt: 21. Feb 2005, 22:44
Also... Tommy ist es auf gar kein Fall...
Die spätere Joni Mitchell kann man IMHO als Jazz bezeichnen...
Die anderen habe ich nicht gehört (außer Van Morrison, natürlich, der keinen Jazz spielt), aber man sagt "Steely Dan" ist Jazz-Rock...

Das einzige Album, das bei Waits wirklich jazzy ist (weil mit Jazzmusiker aufgenommen und ziemlich spontan in der Form ist), ist "Nighthawks At The Diner". Alles anderes ist wunderschön, aber durchkomponiert...



[Beitrag von Josser am 21. Feb 2005, 22:46 bearbeitet]
Torquato
Stammgast
#9 erstellt: 21. Feb 2005, 23:55
Es gab mal eine Sketch-Reihe mit Diether Krebs, dessen Abspannmusik stets von einem Jazz-Ensemble gespielt wurde, das komplett von Krebs dargestellt wurde (z.B. am Bass als Zacki Zupf). Musik, die mich unwillkürlich dazu hinreißt, sich wie der Bandleader dieser Truppe (ebenfalls dargestellt von Diether Krebs) zu bewegen - vielleicht erinnert sich ja noch jemand daran - das ist meine ganz persönliche Definition von Jazz

Grüße,
Torquato
tjobbe
Inventar
#10 erstellt: 22. Feb 2005, 01:20

markus3 schrieb:
...
sind diese platten "jazz"?

steely dan - gaucho // aja
joni mitchell - hejira
donald fagen - nightfly // kamakiriad
tom waits - swordfish trombone
van morrison, lonnie donegan, chris barber - skiffle sessions
van morrison - moondance // healing game


nun die Aja und Hejira werden allgemein als Fusion, Jazz-Rock einsortiert. Auch die Musiker sind eher Jazzlastig. Die Moondance hat ein paar "Jazzhocks", das wars aber auch...Die Waits ist wenn eher Blues, die healing game eher neeee und die Skiffle wären dann schon Tradional jazz...

Cheers, Tjobbe

EDIT: ich würde die Aufnahmen aber alle in die Kategorie "Kurzweilige, gute Musik" einordnen, womit sich das Schublanden Problem schlagartig gelöst hat... die Aja und die Hejira gehören im Übrigen zu den bei mir sehr oft u nd immer wieder seit ihrem Erscheinen gerne gespielten Alben

EDIT2: im übrigen hatte Joni Mitchell durchaus eine exessive Jazzphase die mit dem Mingus album, bzw dem Live Album gipfelte auf dem nebem Wayne Shorter auch Pat Metheny mitspielt.. denke das adelt


[Beitrag von tjobbe am 22. Feb 2005, 11:57 bearbeitet]
markus3
Ist häufiger hier
#11 erstellt: 22. Feb 2005, 22:24
hi,

auch wenn das jetzt fast gänzlich off topic ist: joni mitchell hat ja nicht nur 2 oder 3 saugute scheiben gemacht - aber jeden tag vertrag ich die doch nicht - zumindest eine gemeinsamkeit mit manchen "eindeutigen" jazz-scheiben

habe die ehre, markus
tjobbe
Inventar
#12 erstellt: 23. Feb 2005, 10:19

markus3 schrieb:
hi,

.....joni mitchell hat ja nicht nur 2 oder 3 saugute scheiben gemacht -


sagt ja auch keiner (meine so 8 oder 9 im Regal als CD oder LP zu haben..), es gibt aber nur 2 die ich regelmäßig höre, eine eben die Hejira

Cheers, Tjobbe

Zurück zum thema Definition von Jazz: meine ganz persönliche Definition ist die:

Jazz ist vielfälltig, immer modern und der komplexe Rhythmus und die nie eindeutige Harmonie spiegelt mein eigens Lebensgefühl gut wieder...

Ich finde mich in anderen Musikstilen nicht so einfach wieder


[Beitrag von tjobbe am 23. Feb 2005, 10:29 bearbeitet]
Bassig
Stammgast
#13 erstellt: 23. Feb 2005, 15:34

LyleFinster schrieb:
Mir geht's darum, wie der User hier den Begriff Jazzmusik für sich definiert.


Groovig - und damit eine Grundvoraussetzung für Jazz - ist es für mich, wenn ich beim Hören irgendwie zum mitwippen und mitschnippsen angeregt werde. Es groovt bei mir aber auch bei anderen eher jazznahen Richtungen, wie Funk.
Aber jazz gehts los, wenn einzelne Talente zu einem tollen Ensemble verschmelzen, sich gleichberechtigt ergänzen. Dabei wechseln sie sich im improvisieren ab.
Die Stücke sind i.allg. synkopiert und habe gewisse Phrasen. Es darf ruhig auch eingängig - böse Zungen sagen fahrstuhlmäßig - sein.

Und im besonderen, etwas provakativ gefragt, wie zieht der User die Grenzen vom "einzig wahren, echten Jazz" zu unwürdigen Derivaten?

Es gibt sicher viele, die sagen, Jazz darf nicht gefällig und schon gar nicht erfolgreiche "Kommerzkacke" sein, aber das sehe ich für mich nicht so. Für mich gibt es keinen einzig wahren Jazz, es gibt nur Richtungen, die ich nicht gerne höre.
Ich mag es eigentlich nicht so, wenn es gar zu bopig wird oder (noch viel schlimmer) ins organisierte Chaos ala Alexander von Schliepenbach oder Globe Unity Orchester abdriftet.
Böse Zungen behaupten auch immer wieder, daß Dixieland kein Jazz wäre. Die Gegenseite sagt das immer wieder von "Modern".
timmkaki
Hat sich gelöscht
#14 erstellt: 26. Feb 2005, 13:09
Hi

genau wie LyleFinster schon andeutet:

wie zieht der User die Grenzen vom "einzig wahren, echten Jazz" zu unwürdigen Derivaten?


es ist so individuell, so gänzlich ohne Fixierung, dass in dieser Subjektivität die Grundsubstanz des Jazz liegt.

Dabei gibt es m.E. keine "unwürdigen Derivate"; eine Grenzziehung erübrigt sich dadurch.

Allein schon die Antworten hier im Thread zeigen doch, dass es dieses individuelle Empfinden der Konsumenten ebenso ist wie die genauso individuelle Ausprägung und Interpretatin der Musizierenden.

"Jazz ist Freiheit" - mit dieser knappen Definition gebe ich mich zufrieden.

Gruß Timm
LyleFinster
Ist häufiger hier
#15 erstellt: 27. Feb 2005, 20:19
Das war ja recht aufschlussreich.
Vielen Dank für Eure Antworten.
Diese schwanken ja doch sehr zwischen sehr strengen und recht offenen Kriterien die für Euch erfüllt sein müssen um Musik als Jazz gelten zu lassen.

Ausser "Jazz ist Freiheit" & "Jazz ist vielfälltig" die oben genannt wurden hat Jazz für mich auch immer einen hohen Wipp und Schnipp Faktor.
Dragonsage
Inventar
#16 erstellt: 27. Feb 2005, 21:51

LyleFinster schrieb:
Ausser "Jazz ist Freiheit" & "Jazz ist vielfälltig" die oben genannt wurden hat Jazz für mich auch immer einen hohen Wipp und Schnipp Faktor.


Wipp und Schipp Faktor nenne ich mal einen eindringlichen Rythmus.

Dazu kommt die Möglichkeit der Improvisation. Während man eigentlich das Wiedergeben von bestehenden Werken und das Komponieren in allen anderen Musikrichtung nur gelten lässt, so ist es beim Jazz erwünscht zu improvisieren.

Dazu kommt eine Portion hörbare Spontanität.

Ansonsten ist Jaaz eher so vielfältig, daß eine Aussage wie "ich mag Jazz" entweder ein generelles Bekenntnis (zur Musik?) ist oder doch nur eine Spielrichtung meint.

LG DA
Goatmilk
Ist häufiger hier
#17 erstellt: 24. Mrz 2005, 15:22
Da habe ich auch meine Schwierigkeiten mit - ich trau mich z.B. nicht sagen 'Ich liebe Jazz' weil alle anderen darunter etwas verstehen, womit man mich jagen kann.

'Mein' Jazz ist der, der zum ersten Mal so genannt wurde - der ganze Kram von King Oliver, Bunk Johnson, Freddie Keppard, Clarence Williams, Fats Waller und so weiter. Der frühe Louis Armstrong, als er noch bei Oliver spielte. Die Grenze zum Blues war noch fließend - Bessie Smith hat mit Oliver und Louis gespielt. Das war halt eine goldene Zeit, bevor dieser unsägliche Swing aufkam (ich hasse Glenn Miller!) und Louis Armstrong die Hitparade entdeckte.

Man kann auch 'Ragtime' sagen, um Mißverständnissen vorzubeugen, aber eigentlich war's Jazz *trotzigguck*.

Na ja, ich hab eh so meine Schwierigkeiten mit den Musikbezeichnungen. Bei 'Heavy Metal' fällt mir immer noch als erstes Steppenwolf ein, und die Island-Klamotten von Bob Markley sind für mich immer noch 'das moderne Zeugs' (welches unnötigerweise seinen schönen Ska abgelöst hat) - ich glaube, heute nennt man das 'Klassik'..

Dabei wollt' ich nie alt werden...

Goatmilk


[Beitrag von Goatmilk am 24. Mrz 2005, 15:26 bearbeitet]
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