Verzerrungen

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richi44
Hat sich gelöscht
#1 erstellt: 10. Jul 2008, 20:23
Wenn man das Wort Verzerrungen hört, denkt man zuerst an einen klirrenden Verstärker. Aber ganz so einfach ist die Sache nicht. Es macht also durchaus Sinn sich die ganze Verzerrerei mal anzuschauen. Ich möchte daher das ganze Thema in einzelne Bereiche unterteilen.

I. Was sind Verzerrungen?
Als Verzerrung kann man alles bezeichnen, was nicht mehr dem Original entspricht. Man kennt vom Rummelplatz die Spiegelkabinette mit ihren Zerrspiegeln, die einen gross oder klein, schlank oder dick darstellen. Und genau so gibt es Verzerrungen in der Akustik. Diese können relativ gutmütig sein, sie können aber auch das ursprüngliche Signal bis zur Unkenntlichkeit verfälschen. In jedem Fall handelt es sich aber um eine Signalveränderung.

II. Mechanische Verzerrungen.
Solche Verzerrungen entstehen an mechanischen Wandlern, etwa Mikrofonen, Lautsprechern oder Tonabnehmersystemen eines Plattenspielers.
Nehmen wir mal den Lautsprecher, so entsteht eine Verzerrung dann, wenn die Membrane nicht das macht, was der vorgegebene Strom erwarten lässt. Dies kann einesteils eine Resonanz der Membran sein, die zu unkontrollierten Schwingungen führt. Dabei reicht es im Grunde aus, wenn durch diese Resonanz bestimmte Töne lauter wiedergegeben werden als andere. Es muss sich also nicht im klassischen Sinne verzerrt anhören, sondern es reicht für den Begriff Verzerrung bereits die unausgeglichene Lautstärke der einzelnen Töne (lineare Verzerrungen). Im Gegensatz dazu stehen Verzerrungen, die ebenfalls durch Resonanzen der Lautsprechermembran entstehen können, die aber durch Töne angeregt werden, deren Frequenz tiefer ist als die Resonanz. So kann ein Ton von z.B. 1kHz eine Resonanz von 2 oder 3 kHz anregen und damit einen zusätzlichen Ton anregen, der im Originalsignal nicht enthalten war. Dies wäre eine nichtlineare Vezerrung, also Klirr.
Derartige Verzerrungen sind auch an Mikrofonen denkbar, wobei durch die geringeren Abmessungen diese Resonanzen in weit höheren Bereichen angesiedelt sind, welche meist ausserhalb des Hörbereichs liegen.
Und bei Tonabnehmersystemen kommt es ebenfalls zu Resonanzen, welche auch zu linearen und nichtlinearen Verzerrungen führen. Man kann sich vorstellen, dass es immer dann zu Verzerrungen kommt, wenn Auslenkungen entstehen, die durch die mechanischen Grenzen des jeweiligen Systems eingeengt werden. Bei einem Lautsprecher oder Mikrofon könnte dies die Membraneinspannung sein, die da einen Schlussstrich zieht oder es ist das nicht mehr homogene Magnetfeld, das die Bewegung hemmt (Lautsprecher) oder die Spannungsabgabe reduziert (Mikrofon). In jedem Fall ist es aber eine Frage der mechanischen Konstruktion, diese Resonanzen zu fördern oder zu verhindern oder die Bewegung einzuschränken oder für ein homogenes Magnetfeld zu sorgen.

So hat das Membranmaterial eines Lautsprechers entscheidenden Einfluss auf seine Resonanzen und somit auf die gesammte Wiedergabe. Gerade hier stehen sich oft gegenteilige Vorgaben gegenüber, die schwerlich vereinbar sind. Eine leichte, steife Membran liefert im Grunde eine getreue Signalform in der Wiedergabe. Andererseits sind solche Membranen intern kaum bedämpft. Wenn es also zu Resonanzen kommt, schwingen diese entsprechend stark und lange aus und beeinflussen den Klang deutlich. Dies ist ganz deutlich bei Lautsprechern mit Metallmembran zu sehen, die nicht zusätzlich bedämpft werden.

Deutliche Verzerrungen sind auch bei Tonabnehmersystemen festzustellen, die für einen störungsfreien Betrieb über eine gewisse Robustheit verfügen sollen. Auch hier kommt es zu Kompromissproblemen zwischen mechanischer Feinheit zur verbesserten Wiedergabe und der Robustheit für die Alltagstauglichkeit.

Neben den mechanischen Verzerrungen sind es vor allem die elektrischen Verzerrungen, die uns beschäftigen.


III. Lineare Verzerrungen.
Die linearen Verzerrungen sind wie bereits erwähnt Frequenzgangfehler. Diese können gewollt sein, wie etwa bei der Frequenzganganpassung beim Plattenspieler.
Man kennt das vom Lautsprecher: Tiefe Töne benötigen eine grosse Membranauslenkung, hohe Töne eine sehr geringe Auslenkung. Würde man dies bei der Schallplatte auch so halten, wären die Rillenauslenkungen bei hohen Tönen fast Null, die Bässe aber hätten Auslenkungen von 10mm zur Folge. Dass sowas nicht praktikabel ist, leuchtet ein. Darum wird der Frequenzgang bei der Aufnahme so beeinflusst (verzerrt), dass die Auslenkung bei allen Tonhöhen ungefähr konstant ist.
Und genau so geht es bei einem Tonbandgerät. Da muss der Aufnahmestrom so beeinflusst werden, dass die magnetische Feldstärke ebenfalls frequenzunabhängig ist. Dies sind also gewollte Verzerrungen des Frequenzgangs, die später bei der Wiedergabe rückgängig gemacht werden.
Ein ähnliches Prinzip kennt man beim „Dolby“ der Kassettengeräte. Auch da wird der Pegel bei der Aufnahme und der Wiedergabe jeweils verändert, um das Rauschen zu verringern. Der wesentliche Unterschied ist, dass bei Tonband und Platte die Verzerrung und Entzerrung fest ist, sich also nicht verändert, während bei Dolby die Verzerrung und Entzerrung je nach Pegel verändert wird. Wir haben es da mit einer linearen Verzerrung zu tun, die aber noch pegelabhängig ist.

Diese erste Abteilung waren Verzerrungen, die gewollt sind und die jeweils bei der Wiedergabe wieder rückgängig gemacht werden.
Zu den linearen Verzerrungen gehören aber noch jene, die gewollt sind, aber nicht rückgängig gemacht werden. Dazu ein Beispiel:
Nehmen wir an, wir hätten ein Studio mit einigen Musikern. Der Raum ist nun nicht ideal und es kommt zu einem Höhenverlust durch starke Bedämpfung. Wenn immer möglich wird der Raum für die Aufnahme so präpariert, dass der Klang an den Studiolautsprechern (Monitoring in der Regie) stimmt. Aber das ist nicht immer möglich, weil keine Eingriffe in die Akustik möglich sind (Denkmalschutz). Jetzt kommt halt der Equalizer zum Zug. Damit werden die Höhen bei der Aufnahme angehoben, um den möglichst idealen Klang über die Lautsprecher zu vermitteln. Dies ist eine gewollte Verzerrung, die nicht rückgängig gemacht werden soll. Man kann aber auch sagen, dass der Raum bereits eine „Verzerrung“ des Klangs bewirkte, welche mit dem Equalizer aufgehoben wurde.

Generell kann man sagen, dass solche linearen Verzerrungen elektrischer Natur einesteils Gesaltungsmittel sein können, andereseits meist im zweiten Arbeitsgang (Aufnahme / Wiedergabe) wieder aufgehoben werden oder drittens vom Anwender selbst eingesetzt werden. Die Auswirkungen sind in der Regel so bemessen, dass sie ohne grosse Nachteile wieder kompensiert werden könnten.

IV. Nichtlineare Verzerrungen.
Diese bilden eigentlich den Teil, den wir gemeinhin als Verzerrung bezeichnen. Daher will ich darauf auch etwas näher eingehen. Hier zwei „Röhrenverstärker“. Beim ersten kommt eine lineare Röhre zum Einsatz, beim zweiten eine sehr unlineare Röhre.


In beiden Fällen haben wir bestimmte Vorgaben angenommen, so ein Arbeitspunkt für die Anodenspannung (bei 2 auch die Schirmgitterspannung) und einen für die Gitterspannung. Dieser Arbeitspunkt befindet sich auf der Röhrenkennlinie und stellt einen Anodenstrom bei einer bestimmten Gitterspannung dar. Die Gitterspannung ist der senkrechte, rote Strich, der Anodenstrom der horizontale rote Strich. Dies ist die Ausgangslage.
Weiter gibt es jeweils zwei blaue senkrechte Striche, welche jeweils eine bestimmte Gitterspannung darstellen. Diese senkrechten Striche sind symmetrisch zum senkrechten, roten Strich. Das bedeutet, dass diese blauen senkrechten Linien einem Eingangssignal (Spitzenwert) entsprechen, welches symmetrisch ist zur Gitterspannung des Arbeitspunktes.
Die horizontalen blauen Linien zeigen den resultierenden Anodenstrom an.

Zusätzlich sind grüne Linien eingezeichnet, welche die Gitter-Steuerspannung und den gesteuerten Anodenstrom darstellen sollen. Es ist offensichtlich, dass die Steuerspannung nach Plus und Minus jeweils gleich gross (also symmerisch) ist, während das Resultat, also der Anodenstrom sehr unsymmetrisch ausfallen kann, wenn die Röhrenkennlinie nicht gerade, sondern gekrümmt ist. Und dies bedeutet, dass eine gekrümmte Kennlinie zu einem unsymmetrischen, also verzerrten Signal führt.

Ich habe hier Röhrenkennlinien verwendet, weil Röhren sowohl linear als auch nicht linear sein können, was bei Transistoren nicht der Fall ist. Die sind immer krumm (wie auch die meisten Röhren). Es würde nun zumindest im Moment zu weit führen, wenn ich auf die Schaltungstechnik eingehen würde, diesen Klirr zu beheben.

Ein Thema in diesem Zusammenhang muss ich aber noch erwähnen, nämlich das Zusammenschalten von zwei solch krummer Röhren.
Ich habe jeweils den Anodenstrom angezeigt. Dieser Strom fliesst durch den Anodenwiderstand und hat dort einen Spannungsabfall zur Folge. Ist der Strom gross, ist der Spannungsabfall gross und damit die Anodenspannung klein und umgekehrt.
Wenn ich also die Ausgangsspannung betrachte und nicht den Strom, so ist diese genau umgekehrt. Dann ist die positive Spitze kleiner und die negative grösser.

Schalten wir nun zwei solche Röhren mit krummen Kennlinien hintereinander (die Verstärkung muss richtig angepasst werden), dann macht die erste Röhre ein Ausgangssignal, das gegenüber dem Eingangssignal phasengedreht ist und das im positiven Teil abgeflacht ist. Dieses bildet nun das Eingangssignal der zweiten Röhre, welch daraus wieder das phasengedrehte Signal macht (entspricht somit dem ursprünglichen Signal in der Phase) das aber ebenfalls im positiven Bereich abgeflacht ist.
Das Resultat ist ein Signal, das durch die beiden Röhren sowohl positiv wie negativ abgeflacht ist.

Diese ganze Herleitung soll erstens zeigen, dass unlineare Verzerrungen an einer unlinearen Übertragungs- oder Verstärkungskurve entstehen und dass eine einfache Unlinearität (das wäre bei der ersten Röhre auch, wenn man den Arbeitspunkt nicht bei 20mA sondern bei 5mA legen würde) eine einfache Unsymmetrie oder Abflachung ergibt, dass aber zwei solche Stufen hintereinander zu einer doppelten Unlinearität und Abflachung führen. Dies sind also die klassischen Verzerrungen, mit denen jeder Verstärker zu kämpfen hat.


V. Sinus.
Der Sinus ist die eigentliche Urform jeder Wechselspannung. Sie hat eine bestimmte Amplitude und eine bestimmte Frequenz. Weiter gibt es da nichts.
Ein unverzerrter Sinus sieht wie folgt aus:

So sieht also z.B. das Eingangssignal der Röhrenstufen aus und auch das Ausgangssignal der linearen Röhrentufe (1).
Das Ausgangssignal der krummen Röhre sähe aber etwa so aus:

Es ist deutlich zu erkennen, dass der Sinus im positiven Teil abgeflacht ist. Dies ist die Folge der einfachen Krümmung.
Hätten wir es mit einer doppelten Krümmung (S-Kurve) zu tun, wäre auch der negative Teil ebenfalls abgeflacht ist.

VI. K2 und Oberwellen
Man kann sich fragen, wie eine solche Abflachung noch dargestellt werden könnte. Dies wäre mit einer Fourier-Analyse möglich. Dabei geht man von der Annahme aus, dass sich jede beliebige Signalform durch Sinusschwingungen unterschiedlicher Frequenzen, unterschiedlicher Pegel und unterschiedlicher Startphasen darstellen lassen.

Hier sieht man einen grossen Sinus mit der Frequenz 1 und dem Pegel 1. Und dann ist da noch einzweiter, dünner gezeichneter Sinugs mit Frequenz 2 und Pegel 0,25. Ausserdem ist der kleine Sinus von der Phase so gelagert, dass seine negativen Maxima mit den Maxima des grossen Sinus überein stimmen.
Weiter sind Punkte eingezeichnet, die sich aus der Addition der beiden Sinuskurven ergeben.
Die rote Verbindung dieser Punkte ergibt einen Sinus, der im positiven Teil abgeflacht ist, im negativen aber überhöht ist. Wir haben hier also eine zeichnerische Konstruktion, die in etwa dem vorher nur angedeuteten Abflach-Signal entspricht.

MEMO:
Wir haben gesehen, dass an der gekrümmten Kennlinie eine Unsymmetrie entsteht (Röhrenkennlinien) Und wir haben jetzt ein kleineres Signal zugefügt, das die doppelte Frequenz aufweist. Und die Überlagerung dieser beiden Sinusschwingungen führt tatsächlich zu dem Ergebnis, das wir bei genauem Ausmessen auch mit der Röhre mit gekrümmter Kennlinie erhalten würden.

Weil diese zusätzliche Frequenz das Doppelte der ursprünglichen Frequenz ist, also F*2, nennen wir diese Verzerrung Klirr K2.

VII. Wahrheit oder Phantasie?
Man kann sich jetzt fragen, welche Auswirkungen dieses Signal auf die Musik hat und ob da tatsächlich eine neue Frequenz dazu gekommen ist oder ob das nur ein zeichnerischer Trick ist.
Es gibt zwei Indizien für die Existenz der neuen Frequenz:
Wenn man Musik hört, die einen hohen (nicht ZU hohen) Anteil an K2 besitzt, wirkt der Klangvoller und zugleich heller.
Und man kann z.B. das Ausgangssignal der Röhrenstufe auf ein Messgerät geben, das die ursprüngliche Frequenz total unterdrückt. Was bleibt ist ein Ton mit der doppelten Frequenz. Wäre das Ganze also nur ein zeichnerischer Trick, so könnte nicht wirklich eine neue Frequenz entstehen.

Wir können aber aus diesen beiden Frequenzen neben der Abflachung auch noch etwas anderes zusammenfügen. Wenn wir den kleinen F2-Sinus nicht maxima-synchron einsetzen, sondern nulldurchgangs-synchron, bekommen wir so ein Signal.
Da entsteht deutlich ein steilerer Anstieg und dann ein etwas flacherer Abfall. Ob es nun klangliche Unterschiede zwischen diesen beiden Signalen gibt, lasse ich hier mal unbeantwortet. Sicher ist aber, dass wir sowohl bei der Abflachung als auch bei dieser Steilheitsveränderung die selben Ausgangssignale haben.
VIII. K3
Es gibt noch eine häufige Form von Klirr, das ist K3. Die Zahl bedeutet, dass die Klirrfrequenz das dreifache der Grundfrequenz ist. Und diese Klirrform entsteht bei doppelt gekrümmten Kennlinien. Sowas ist der Fall, wenn zwei einfach gekrümmte Kennlinien phasengedreht hinter einander geschaltet sind, also etwa zwei Röhren- oder Transistorstufen. Weiter ist es bei jeder Gegentaktschaltung der Fall und auch bei magnetischen Dingen wie Eingangsübertrager. Der Fall von K3 ist also noch weit häufiger als der reine K2. Hier ein Beispiel dafür:

Natürlich sind in der Praxis die Linien zwischen den Punkten nicht gerade, sondern man müsste mit einem feinen Gitter jeden beliebigen Punkt durch die Addition der beiden Sinussignale berechnen.
Auffällig ist, dass dieses Signal schon eine gewisse Rechteck-Ähnlichkeit aufweist.

IX. THD+N
Ich habe unter 7. von einem Messgerät gesprochen, dass alles misst ausser dem eigentlichen Eingangssignal. Sowas nennt man Klirrbrücke. Und was da gemessen wird, ist die Verzerrung, aber auch Rauschen und Brummen. So ein Signal kann letztlich wie folgt aussehen:

Hier gibt es an den Nutzsignal-Maxima irgendwelche Ungereimtheiten, etwa Schwingungen oder Brummanteile aus dem Netzgerät. Diese Störfrequenzen haben nun nichts mit der ursprünglichen Eingangsfrequenz zu tun.

X. Verzerrung, messen und Musik
Gehen wir mal auf K2 und K3 ein. Diesen Verzerrungen wird heute besondere Aufmerksamkeit geschenkt. So ist eine Messung des THD+N (total harmonic distortion + noice, alle harmonischen Verzerrungen inkl. Geräusche) kaum mehr üblich. Dies hat unter anderem den Grund in den heute üblichen Messereien mittels PC und Soundkarte. Diese Messungen sind nämlich nicht über jeden Zweifel erhaben, weil die Soundkarten oft bei weitem nicht die Anforderungen an ein Messgerät erfüllen. Misst man nun schmalbandig (die zwei- oder dreifache Signalfrequenz, also K2 oder K3), so stören Rauschen oder Eigenklirr des Soundkarten-Eingangs kaum. Bei THD+N muss aber breitbandig gemessen werden und nur die eigentliche Signalfrequenz wird ausgeblendet. Dies stellt viel höhere Anforderungen an das Messinstrument.

Was ist jetzt der Unterschied?
Ich kann z.B. einen Verstärker bis in seine Clipping-Grenze aussteuern, also total überfahren, es entsteht dabei K3 aber kein K2. Was aber besonders entsteht sind Klirranteile höherer Potenz, also K5, K7, K9 usw.
Wenn wir ein Rechtecksignal haben und es per Fourier in die Sinusanteile zerlegen, so kann K3 nur etwa 33% des Maximalsignals erreichen. Aber mit K3 haben wir noch bei weitem kein Rechtecksignal gebildet. Dieses setzt sich nämlich aus allen ungeradzahligen Oberwellen, eben K5, K7 K9 usw. zusammen. Und die Summe dieser Verzerrprodukte liegt bei deutlich mehr als 33%.
Wenn ich jetzt im Prospekt einen Klirr von 10% angebe, so sind dies Anteile für K2 und K3, etwas anderes messe ich ja nicht (ohne es zu sagen). Wäre K3 jetzt 20%, also schon recht nahe am idealen Rechteck, K2 aber Null, so kann ich (wenn ich gute Daten haben will) das Null% des K2 und die 20% des K3 zusammenzählen und durch 2 teilen, weil ich ja zwei Messwerte hab. Dass diese Kiste aber tatsächlich mit über 30% THD+N klirrt, brauche ich auf diese Weise nicht zu sagen.

Das bedeutet, dass eigentlich die meisten Klirrangaben heute fragwürdig sind. Erst, wenn da steht, wie gemessen wurde, haben solche Prospektangaben Aussagekraft. Die Prospektdaten allein bieten also wenig Hilfe bei der Gerätewahl. Das wäre ein Feld für seriöse Messsungen der Hifi-Publikationen. Aber Messgeräte sind teuer und Leute, die damit umgehen können, sind auch nicht sooo leicht zu kriegen. Und vor allem wollen die Hersteller und Importeure gar nicht, dass die Bauernfängerei publik wird.

Was hat das alles aber mit Musik zu tun?
Mechanische Verzerrungen sind in erster Linie irgendwelches Scheppern. Das hört sich IMMER besch(eiden) an.
Und Clipping-Verzerrungen sind hauptsächlich hohe Frequenzen, die so im Musikstück nicht vorhanden sind. Diese Verzerrungen sind also absolut abzulehnen. Und bei Verstärkern kann man Clipping am Besten umgehen, indem man Verstärker mit genügend Leistung einsetzt. THD+N ist also auch meist eine Verzerrung im Bereich von Clipping, also Überlastung.

Bleibt noch K2 und K3.

Nehmen wir mal ein Klavier. Da haben wir die Tasten, weisse und schwarze. Und schlagen wir eine beliebige weisse Taste an. Jetzt zählen wir die Angeschlagene und noch 7 Tasten nach oben oder unten und schlagen diese Taste an. Der Klangeindruck ist ähnlich, nur heller oder dunkler.
Wir haben eine beliebige Taste angeschlagen, die z.B. einen Ton von 400Hz erzeugt hat. Die total 8 Tasten höher (eine Oktave) lassen einen Ton von 800Hz erklingen, die 8 Tasten tiefer (wieder eine Oktave) einen Ton von 200Hz. Wir haben damit den einfachsten Intervall dargestellt, nämlich ein Verhältnis von 1:2 oder 2:1.

Jetzt nehmen wir uns eine Kirchenorgel und versuchen da mal so einiges. Da gibt es mehrere Tastenreihen (Manuale) und auch Fusstasten (Pedal). Ausserdem gibt es noch Zugriegel oder Schalter mit unterschiedlichen Bezeichnungen. Das sind die Register. Wenn wir jetzt im Pedalregisterwerk einen Hebel ziehen, der mit Subbass 16 bezeichnet ist, so haben wir Basspfeifen vorgewählt, die sehr wenig Oberwellen enthalten. Beim Spiel auf den Pedaltasten erklingen diese Basstöne, aber das ganze bleibt ein Gegrummel.
Jetzt können wir weitere Register ziehen, etwa ein Gedackt 8. Die ( im Verhältnis zur 16 sagt, dass diese Pfeife eine Oktav höher spielt als die 16. Das Spiel wird lebendiger, ist aber immer noch extrem basslastig. Jetzt wählen wir noch ein Prinzipal 4 und ein Oktävlein 2 hinzu. Wir haben also oben nochmals 2 Oktaven „angebaut“ und erst noch Pfeifen gewählt, die von sich aus einen grösseren Klangfarbenreichtum haben.

Wir haben also an diesem Instrument nichts weiter gemacht, als zusätzliche Oktave (K2, K4, K8) anzufügen. Und damit haben wir das Instrument erst zum Leben erweckt.
Wenn man das so liest, müsste man meinen, K2 wäre ein Hilfsmittel und sollte angewendet werden. Denn in der Tat, wenn wir nur den 16er Subbass einschalten, haben wir ein Gebrummel. Kommt ein 8er hinzu, wird es schon voller und lebendiger. Also würde K2 dies auch bewirken.
Und in den höheren Lagen wird durch die jeweilige hohe Oktave (Oktävlein 2) dem Ganzen ein Glanzlicht aufgesetzt.
Lassen wir dies jetzt mal so stehen, wir haben ja noch K3.

K3 wäre bei einer Grundfrequenz von 400Hz eine Frequenz von 1200Hz. Die Oktav liegt bei 800Hz, also ist dieser Ton noch höher. Er enstpricht muikalisch der reinen Oberquint (das sind letztlich 12 Tasten über der Gewählten). Und die Quint wie auch die Oberquint (eine Oktave über der Quint) sind musikalisch ein ebenfalls unproblematischer Intervall. Und es spielt keine Rolle, ob das Musikstück in Dur oder Moll geschrieben wurde, dieser Intervall bleibt unverändert (im Gegensatz zur Terz).
Dumm ist nur, dass das mit den Oktaven und Quinten nicht aufgeht. Nehmen wir der einfacheren Rechnerei wegen die verschiedenen Töne a’. Das ist der sog. Kammerton mit einer Frequenz von 440Hz. Das zweigestrichene a (a’’), wäre demnach 880Hz.
Die reine Quint dieses a’ wäre 660Hz, also das e’’. In Tat und Wahrheit hat dieser Ton aber nur 659,255114Hz. Er ist also ganz leicht verstimmt. Wenn wir nämlich 12 mal (12 ist die Tastenzahl weisser und schwarzer Tasten innerhalb einer Oktave) 1,5 rechnen, so bekommen wir 18, in der Oktavenreihe bekommen wir aber 1, 2, 4, 8, 16.
Damit die Rechnung aufgeht, wird die Quint etwas tiefer gestimmt (verstimmt) und damit gibt es musikalisch eine Diskrepanz zwischen dem Ton des K3 und der auf dem Klavier gespielten Oberquint.
Dies hat zur Folge, dass sich Schwebungen ergeben. Daher klingt K3 oft leicht verstimmt.

DIE KONSEQUENZ:
K2 kann musikalisch als unbedenklich betrachtet werden, K3 eher weniger. Und K2 fällt auch weniger auf.
ABER Jeder Klirr ist eine Veränderung des Klangs, die entgegen den linearen Verzerrungen nicht rückgängig gemacht werden kann.

XI. Intermodulation.
Dies ist eine Verzerrungsart, die dann entsteht, wenn mindestens zwei verschiedene Frequenzen gleichzeitig am Verstärkereingang anliegen.
An jeder gekrümmten Kurve entstehen aus diesen (mindestens) zwei Frequenzen Mischprodukte.
Nehmen wir mal eine Frequenz von 110Hz an und weiter eine Frequenz von 7040Hz, so sind beides eigentlich Töne aus der Tonreihe des Kammertons a. Sie unterscheiden sich aber in ihrer Oktav-Lage.
Am Verstärker-Ausgang haben wir mit Sicherheit wieder die 110Hz und die 7040Hz. Aber wir haben auch 7040 + 110 = 7150Hz und wir haben 7040 – 110 = 6930Hz. Wie stark diese neuen Mischtöne werden, gängt von der Stärke der Krümmung der Kennlinie ab und vom Pegelverhältnis der beiden Signale zueinander. Man wählt die hohe Frequenz normalerweis bei 25% Pegel der tiefen Frequenz für die Messungen.

Das Perfide an der Sache ist, dass diese neuen Töne nun geringfügig gegenüber den nächsten Klaviertönen verschoben sind und daher auffallend falsch klingen. Diese falschen Töne fallen vor allem dem geübten Musikerohr auf, sind aber auch für Laien deutlich wahrnehmbar und stören weit mehr als K2 oder K3.
Und man muss ja davon ausgehen, dasses nicht nur zwei Frequenzen sind, die gleichzeitig wiedergegeben werden sollen, sondern eine Vielzahl, wenn man alle Oberwellen der Instrumente hinzu rechnet. Das führt eigentlich zu einem Geräuschteppich, der so gar nicht zur Musik passen will. Sowas ist extrem störend.

Die Konsequenz daraus ist, dass vielleicht ein K2 als sinnvoll betrachtet werden kann, dass dazu aber eine gekrümmte Kennlinie nötig ist, die eben auch Intermodulationen erzeugt. Gerade aus diesem Grund ist die Forderung nach geringem Klirr (lineare Kennlinien) durchaus sinnvoll, ganz im Gegensatz zur Ansicht, Röhrenklang mit seinem deutlichen K2-Anteil sei erstrebenswert.

XII. TIM
TIM (Transient-Intermodulation) ist eine spezielle Art von Intermodulation. Dabei wird einesteils eine hohe Frequenz (15kHz) dauernd auf den Verstärker gegeben, gleichzeitig wird ein Rechtecksignal zugeführt, sodass die Summe am Eingang ein Sinus mit unterschiedlichem „Gleichspannungsanteil“ ist. Das Signal springt also dauernd um einen festen Betrag in der Höhe. Man kann sich das etwa so vorstellen:

Hat man nun einen Verstärker vor sich, der langsam arbeitet, führt jeder Sprung durch seine sehr hohe Steilheit zu eine Übersteuerung der Schaltung. Erst nach einer gewissen Zeit erholt sie sich wieder und ist damit auch erst dann in der Lage den Sinus korrekt wiederzugeben.
Natürlich könnte man die Steilheit des verikalen Versatzes beliebig steigern, aber man legt diese Steilheit auf die höchste zu übertragende Frequenz fest und die liegt heute bei rund 100kHz.
In der Praxis ist also die vertikale Linie nicht genau vertikal, sondern zwischen Anfang und Ende dieses Sprunge vergehen rund 10 Mikrosekunden.

Damit also da nichts passiert, das allenfalls zu einer Rauhheit des Klanges führen könnte, muss der Verstärker schnell genug sein. Diese Schnelligkeit ist bei Transistorgeräten eine Frage der Endtransistoren. Röhren wären prinzipiell schnell genug, aber da bilden die Ausgangsübertrager einen Schwachpunkt. Röhrengeräte ohne Gegenkopplung (sowas gibt es zu hauf) werden durch diese Signale nicht übersteuert, aber sie strotzen von Verzerrungen, welche vor allem die lästige Intermodulation beinhalten.
Andererseits ist der Ausgangstrafo zu träge, um eine Gegenkopplung zu erlauben, welche alle normalen Verzerrungen auf ein erträgliches Mass reduziert, aber kein TIM erzeugt. Bei Transistorgeräten ist diese Gefahr eher in den Giff zu bekommen. TIM ist leider wie auch die normale Intermodulation eine Verzerrungsform, über die man selten Herstellerangaben in den Prospekten liest. Geräte herzustellen, welche in diesen Disziplinen glänzen ist nicht ganz so einfach. Es ist also einfacher, das Problem tot zu schweigen, als entsprechende Versuche bei der Entwicklung zu machen.

XIII. Phasenverzerrungen
In jedem Verstärker gibt es frequenzbestimmende Glieder. Kein Verstärker funktioniert gleich gut als Gleichstromlieferant oder HF-Verstärker. Und wenn man solche frequenzbestimmenden Bauteilgruppen einsetzt (einsetzen muss), kann es zu Phasenproblemen kommen.
Angenommen, ich beschränke den Frequenzgang meines Verstärkers auf 100kHz (wegen dem TIM), so bedeutet dies, dass bei dieser Frequenz ein Pegelabfall von 3dB vorhanden ist und dass es einen Phasenfehler von 45 Grad im Minimum zur Folge hat.

Jetzt kann man sich streiten, welche Phasenfehler hörbar sind und welche nicht. So, wie man das Ohr heute erklärt, ist es nicht in der Lage, eine Phase zu erkennen.
Das Ohr hat Sinneszellen, welche durch den Schall (vereinfacht) bewegt werden. Diese Zellen geben ein Impulssignal ab, das schneller aufeinanderfolgende Impulse bietet, wenn es lauter wird und weniger Impulse, wenn es leiser wird. Wenn das Ohr tatsächlich so funktioniert, gibt es tatsächlich keine „Aussage“, mit welcher Phasenlage ein bestimmter Ton zu einem anderen liegt. Ich erinnere hier mal an die Erklärungen über K2 (6. und 7.) Da sind zwei unterschiedliche Signale gezeigt, einmal das Abgeflachte und einmal das mit dem steileren Anfang. Und in beiden Fällen ist der Anteil K2 identisch, nur haben wir eine Phasenverschiebung des K2 von 90 Grad. Und meine Versuche haben gezeigt, dass Signale, die in der Zeitachse oder in der Amplitude symmetrisch sind, bei einem Umpolen des Ausgangssignals oder einem rückwärts abspielen keine Veränderung hörmässig erfahren. Und so sind auch die beiden K2-Signale mit Abflachung oder versteilerung akustisch nicht auseinander zu halten.

Es gibt im Ohr aber etwas Besonderes. Da sitzen nicht nur Sinneszellen, die hören, sondern auch solche, die anregen. Wenn also ein Schallereignis die mittleren Sinneszellen bewegen, so wird einerseits ein Höreffekt ausgelöst, andereseits werden dadurch die am Rand befindlichen Zellen zum aktiven Mitschwingen angeregt, um den Schall zu verstärken.
Nehmen wir an, dies sei so, dann müssen aber die Verstärkerzellen phasensynchron zu den Hörzellen schwingen. Nur dann tritt eine Vertärkung ein. Können die Hörzellen aber keine Phase detektieren, ist es doch rein zufällig, ob die Verstärkerzellen gleichphasig oder gegenphasig oder wie auch immer schwingen. Das würde also heissen, dass da doch ein Phasenmechanismus besteht. Und wenn ich ein nicht zu komplexes Signal habe, das weder im Pegel noch in der Zeit wirklich symmetrisch ist, kann ich tatsächlich einen Unterschied hören, ob dieses Signal in der richtigen Laufrichtung abgespielt wird oder ob es rückwärts läuft. Dass dabei alle möglichen Indizien (Abfallender Pegel, Ein- und Ausschwingen) beseitigt werden, ist selbstverständlich.

Man könnte also erklären, die Phase spiele keine Rolle. Das kann richtig sein, weil ein Beweis dafür fehlt. Es kann aber auch so sein, dass unter bestimmten Umständen die Phase registriert werden kann und dass es Sinn macht, darauf zu achten. Dies hat natürlich nichts mit dem Verpolen der Lautsprecher zu tun, sondern mit der Phasenproblematik durch Equalizer und ähnlichem.

Mir erscheint einfach wichtig, dass man generell erkennt, dass jede Art von Verzerrung (besonder jene, die nicht rückgängig gemacht werden können, also die nichtlinearen) eine Beeinflussung des Ausgangssignals ist und daher im Hifi-Bereich eigentlich nichts verloren hat.

Auf die Ohr-Empfindlichkeit bin ich bewusst nicht eingegangen. Das ergäbe schon einen eigenen Thread.
Es ist aber bekannt und im Rahmen der Entwicklung von MP3 erneut untersucht worden, welche Verzerrungen wie stark sein müssen um gehört zu werden und welche Kombinationen welche Auswirkungen haben.
Skeptisch
Hat sich gelöscht
#2 erstellt: 11. Jul 2008, 21:08
Hallo Richi,
danke, dass Du Dir hier so viel Arbeit machst. Das Orgel-Beispiel war mir ein bisschen zu knapp, aber den Rest habe ich verstanden (glaube ich wenigstens )

Nachtrag: na ja, vielleicht doch nicht. Ich glaube zwar, verstanden zu haben, was TIM ist, aber nicht, wodurch das entsteht. Wo kommen die 15kHz her, und wo das Rechtecksignal?

Gruß Walter


[Beitrag von Skeptisch am 11. Jul 2008, 21:11 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#3 erstellt: 13. Jul 2008, 14:54
Hallo Walter, was war am Orgelbeispiel zu knapp? Bezw. was hast Du daran nicht verstanden?


Das TIM-Testsignal wird mit zwei gesonderten Generatoren erzeugt, deren Signale z.B. über Widerstände addiert werden.
Die Generatoren sind so verkoppelt, dass die Rechteckflanke jeweils mit dem Nulldurchgang des Sinus verknüpft ist. Es ist zwar nicht zwingend, aber mit der Verknüpfung entsteht auf einem Oszilloskop ein stehendes Bild, was ohne diese Verknüpfung nicht der Fall wäre.

TIM selbst entsteht im Verstärker durch Übersteuerung. Nehmen wir mal an, unser Verstärker hätte eine Leerlaufverstärkung (also ohne Gegenkopplung) von 1000. Mit der Gegenkopplung hat er eine Verstärkung von 10.
Wenn ein Signal wie das TIM-Testsignal anliegt, so wird der Verstärker versuchen, das (angenommen)1V Rechtecksignal zu übertragen. Im ersten Moment wird er den 1V Sprung (bei unendlicher Steilheit) versuchen, als 1000V Sprung am Ausgang wiederzugeben. Das muss misslingen, weil eine so hohe Spannung nicht entstehen kann. Also geht das Ausgangssignal so hoch, wie es die Speisung zulässt. Und erst wenn etwas am Ausgang ankommt, kann dieses Ausgnagssignal per Gegenkopplung wieder zurückgeführt werden. In der Zeit, bis die Gegenkopplung greift, ist der Ausgang einfach voll hoch und da hat es nicht noch "Platz", die Wechselspannung zu übertragen.


Ich habe hier mal prinzipiell das mögliche Ausgangssignal ins Ansteuersignal hinein gezeichnet. Die obere schwarze Linie stellt die Plus-Speisung des Verstärkers dar und die rote Linie ist das Ausgangssignal. Da wird also der Ausgang an der Speisung "kleben" und erst nach der Erholungszeit kann der überlagerte Sinus einsetzen.
Diese Erholungszeit ist bei heutigen, guten Geräten so kurz, dass ein Rechtecksignal mit einer Flankensteilheit von 10 Mikrosekunden keine derartigen Verzerrungen macht.

Zu erwähnen ist vielleicht der Ursprung des ganzen Problems:
Die ersten Transistorgeräte hatten einen recht hohen Klirr und waren damit deutlich schlechter als Röhrengeräte.
Dann hat man versucht, diese Klirrwerte zu verbessern. Und wenn wir am Anfang von einem Klirr von 10% ausgingen mit einer Gegenkopplung von 1:3, so erreichte man mit einer Gegenkopplung von 1:100 einen Klirr von 0,3%. Dieser gute Wert war ja schön und recht, aber die Transistoren waren zu langsam und damit bekam man diese transienten Probleme. Das war so in den 70ern.
Damals wurde man auf diese Problematik aufmerksam und versuchte, die Verstärker schneller zu machen und andererseits verringerte man den Frequenzumfang bewusst. Ist nämlich das Rechtecksignal nicht mehr so steil, so reicht auch eine etwas längere Reaktionszeit aus, die Wiedergabe verzerrungsfrei zu halten. Die Verstärker waren zu jener Zeit vielfach linear bis 15kHz, aber darüber wurde deutlich beschnitten. Dies war zulässig, weil Kassettengeräte, Platte und Radio ebenfalls da etwa dicht machten. Man hätte von einer höheren Bandbreite in der Praxis nichts gehabt.

Erst im CD-Zeitalter musste man die Geschwindigkeit wieder erhöhen und das Selbe nochmals mit den SACD.
Heute sollte TIM bei anständigen Geräten kein Thema mehr sein.

Nachzutragen ist, dass jeder Lautstärkesprung im Grunde so eine Überlagerung hervorbringen kann oder dass bei Musik mit zusätzlichen extremen Impulsen diese Impulse hörbar sind, die Musik darunter aber verschluckt werden kann. Und solche Aufnahmen gibt es (Telarc/ Tschaykowsky Overtüre 1812).


[Beitrag von richi44 am 13. Jul 2008, 15:02 bearbeitet]
Hmeck
Inventar
#4 erstellt: 18. Jul 2008, 09:03
Hallo richi44,

danke für den Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Einiges war mir komplett neu, wie die Ausführungen zur eventuellen Hörbarkeit von Phasenverschiebungen, vieles eine Präzisierung meines HiFi-Wissens.

Ein Problem, auf das ich schon lange eine Antwort suche, ist das von Digitalisierungsartefakten. (Digitalisierungsrauschen und so) (Ich rede hier noch gar nicht von Kompression wie mp3, sondern nur von sog. verlustlosen Formaten wie wav)

Die Quantisierung mit 16-bit-Samples klingt ja zunächst ganz toll und ausreichend, aber was bleibt schon davon bei -20 dB? Auch wenn beim digitalen Mischen und so mit real-Größen gerechnet wird, vorm Speichern bzw d/a-Wandeln wird dann doch wieder gerundet ...

Dann die doch relative geringe Sampling-Rate, wieso gibt es nicht hörbare Interferenzen (Überlagerungen, Schwebungen) zwischen den hohen bzw den Obertönen und der Abtastfrequenz? Wenn ich mit einem Sound-Editor eine hohe Frequenz generiere (etwa Abtastfrequenz/3 +10) und mir das auf Sample-Ebene zoome, sehe ich eine kammartige Struktur. Und erst das umcodieren auf andere Abtastraten, die dann doch wieder interpolierte Zwischenwerte nehmen müssen.

Evtl. versuche ich mal meine Fragen etwas präzisier zu formulieren und in einem eigenen Tread darzustellen.

Ich glaube fast, wenn man heute (auf höchstem technischen Stand!) eine Übertragungskette rein analog aufbauen würde, so könnte das Ergebnis immer noch besser sein als eine mit digitalem Zwischenspiel. Da es aber die entsprechend weiterentwickelten analogen Geräte gar nicht gibt, ist das wohl schwer zu überprüfen ...

Gruße, Hmeck
richi44
Hat sich gelöscht
#5 erstellt: 18. Jul 2008, 10:38
Ein eigener Thread wäre nicht verkehrt, denn die digitalen Verzerrungen sind sicher etwas anders gelagert als die analogen, wobei letztere natürlich in der Digitalkette (vor und nach der Wandlung) ebenfalls vorhanden sind.
Im Moment nur mal so viel: Wenn Du 16 Bit Digitalaudio hast, so ist der minimal darstellbare Pegel bei -96dB. Das bedeutet, dass eine Frequenz von 1kHz nur noch als Wechsel eines Bits daher kommt und folglich keinen Sinus, sondern einen Rechteck darstellt. Nun hat ein Rechteck maximal 50% Klirr, also wäre der Klirr nochmals 6dB tiefer als das Nutzsignal, entsprechend -102dB. Ein beliebiges analoges Speichermedium ist glücklich, wenn es einen Klirr von 1%, also -40dB erreicht. Und das mit einem Fremdspannungsabstand von 60dB. Natürlich nimmt analog der Klirr mit dem Pegel ab, bei digitalen Signalen nimmt er zu. Aber irgendwann, so bei -60dB ist Schluss mit Musik, da ist nur noch rauschen. Und wenn ich nicht K2 oder K3 sondern THD+N nehme, komme ich folglich analog nicht unter diese 60dB.
Dies gilt also für analoge oder digitale Aufzeichnungen. Wenn es sich um einen reinen Verstärker handelt, wird ja üblicherweise noch analog gearbeitet, es sei denn, es handle sich um irgend ein Surroundprodukt. Da ist aber die Quelle mit Sicherheit digital (etwas anderes gibt es ja nicht), sodass es Sinn macht, die ganze Verarbeitung auf der digitalen Ebene vorzunehmen und erst möglichst spät zu wandeln. Und meist funktionieren die internen Bearbeitungen mit der doppelten oder gar viefachen Samplingfrequenz und einer deutlich höheren Bitrate (24 bis 36 Bit), um die Versluste gering zu halten.
Hmeck
Inventar
#6 erstellt: 18. Jul 2008, 12:40
Hallo richi44,

danke für die prompte Antwort! Dein Low-Pegel-Beispiel liefert eine prima Argument dafür, was ich mit "Artefakten" meine. Tatsächlich entsünde nämlich nicht ein Rechtecksignal, sondern alle 500 msec ein Peak, abwechselnd positiv und negativ, falls gerade die jeweiligen Spitzen die Bit-Schwelle zwischen zwei Werten überschreiten. Das betrachte ich jetzt mal wie eine Triggerschwelle.
(mir ist völlig klar, daß dies eine rein theoretische Betrachtung ist, und daß es in der Praxis nichts besseres gegen Rauschen gibt als die Digitalisierung wesentlicher Teile der Übertragungskette)

Aber es kommt noch schlimmer: da die Abtastrate (A) und die Signalfrequenz (S) in irgendeinem einem recht "krummen" Verhältnis stehen, kommt es zu periodischen Veränderungen
(S * n +/- A) der Analog-nach-Digitalwandlung. Vielleicht werden die Peaks periodisch ein- und ausgeschaltet, wie die Phasenlage gerade so ist, daß die Triggerschwelle nicht erreicht ist oder nicht.

Man kann natürlich sagen: das ist alles unhörbar, 1-bit-Fehler. Oder vielleicht doch nicht? Ich meine, gerade für regelhafte, periodische Vorgänge ist das Ohr doch optimiert, wie es auch Dein Hinweis auf Unterschiede für das vorwärts / rückwärts abgespielte phasenverschobene Signal zeigt. Wie dem auch sei - keine Ahnung, ob ich hier woodo oder ernsthafte Überlegungen ausbreite.

Grüße, Hmeck


[Beitrag von Hmeck am 18. Jul 2008, 12:42 bearbeitet]
pelmazo
Hat sich gelöscht
#7 erstellt: 18. Jul 2008, 12:50

richi44 schrieb:
Das bedeutet, dass eine Frequenz von 1kHz nur noch als Wechsel eines Bits daher kommt und folglich keinen Sinus, sondern einen Rechteck darstellt.


Diese Beobachtung ist der "Motivator" für das sog. Dithering. Dithering ist das kontrollierte Hinzufügen von Rauschen, um diese signalabhängigen Artefakte zu verhindern. Mit korrektem Dithering entstehen keine Harmonischen, oder andere Effekte. Man hat bloß ein gleichmäßiges Grundrauschen, und das menschliche Gehör schafft es dabei sogar, Töne noch wahrzunehmen die einige dB tief im Rauschen begraben sind.

Korrektes Dithering sollte zu einem ordentlichen CD-Mastering selbstverständlich dazugehören.


Hmeck schrieb:
Dann die doch relative geringe Sampling-Rate, wieso gibt es nicht hörbare Interferenzen (Überlagerungen, Schwebungen) zwischen den hohen bzw den Obertönen und der Abtastfrequenz? Wenn ich mit einem Sound-Editor eine hohe Frequenz generiere (etwa Abtastfrequenz/3 +10) und mir das auf Sample-Ebene zoome, sehe ich eine kammartige Struktur.


Solche Effekte entstehen wenn die Bandbreite nicht korrekt auf die halbe Abtastfrequenz begrenzt wird. Der Sound-Editor müßte das eigentlich ebenfalls tun, aber viele tun das nicht und zeigen die Samples als treppenartige Struktur. Das ist aber falsch und zeigt nicht die Kurve die bei der Rekonstruktion tatsächlich herauskommen würde. Es gibt Sound-Editoren, die das richtig zeigen, und da verschwindet der Effekt.
Hmeck
Inventar
#8 erstellt: 18. Jul 2008, 21:37
Hallo pelmazo,

wieder was gelernt, denn "Dithering" verband ich bislang nur mit Grafik - aber klar doch, Kantenglättung auch bei Audio! Vor längerer Zeit las ich mal was über einen CD-Spieler, dessen D/A-Wandler auch das letzte Bit flattern ließ - ich dachte mir dabei: das kann doch bei der Wiedergabe nix mehr bringen, oder?

An dieser Stelle eine Anmerkung zu Deinem blog: Wirklich eine ganz köstliche Geschichte, diese "audiophile Lautsprecherentwicklung" Und als die Silberkugel hervorgeholt wird - man meint fast, einen Tropfen Hexenblut darin zu riechen.... pardon, zu hören!

Grüße, Hmeck
Skeptisch
Hat sich gelöscht
#9 erstellt: 18. Jul 2008, 21:51

richi44 schrieb:
Hallo Walter, was war am Orgelbeispiel zu knapp? Bezw. was hast Du daran nicht verstanden?

Hallo Richi, ich war eine Woche offline, daher kann ich erst jetzt antworten. Ich kenne mich mit Orgeln ja nicht aus, und daher sagt mir
Jetzt können wir weitere Register ziehen, etwa ein Gedackt 8. Die ( im Verhältnis zur 16 sagt, dass diese Pfeife eine Oktav höher spielt als die 16.
und
Jetzt wählen wir noch ein Prinzipal 4 und ein Oktävlein 2 hinzu. Wir haben also oben nochmals 2 Oktaven „angebaut“ und erst noch Pfeifen gewählt, die von sich aus einen grösseren Klangfarbenreichtum haben.
nicht so viel. Was ist ein Prinzipal 4 und ein Oktävlein 2? Meinst Du mit "angebaut", dass das die nächsten zwei Oktaven nach Gedackt 8 und Gedackt 16 sind? Und wieso wird das jetzt reicher an Klangfarben?

Gruß Walter


[Beitrag von Skeptisch am 18. Jul 2008, 21:59 bearbeitet]
richi44
Hat sich gelöscht
#10 erstellt: 19. Jul 2008, 08:54
Das wird jetzt ziemlich OT.
Wie gesagt bezieht sich die Zahl 16, 8 usw. eigentlich auf die Pfeifenlänge einer offenen Pfeife beim tiefsten Ton. Und das wurde früher in Fuss gemessen. Damit ist eine 16 Fuss Prinzipal (so nennen sich die bei einer Orgel sichtbaren Pfeifen aus Zinn-Blech) etwa 4,8m lang.
Jetzt gibt es die Pfeifen, die oben zu sind und damit kann die Luft nicht eine ganze Schwingung innerhalb der Pfeife ausführen, sondern nur eine halbe, wie etwa eine Klaviersaite. Damit ist dieser Ton eine Oktave tiefer und folglich ist eine geschlossene Pfeife (gedeckt oder aus der alten Sprache gedackt) trotz einer Länge von 2,4m gleich in der Tonhöhe wie die 16 Fuss Prinzipal mit 4,8m.
Dass natürlich die höheren Töne auf der Tastatur kleinere Pfeifen aktivieren ist klar, trotzdem gehören sie zum selben Register (16 Fuss).

Alle Register, welche als 8 Fuss bezeichnet werden, entsprechen der Tonhöhe, die man bei der gleichen Spieltaste auf dem Klavier hören würde. Also sind die 8 Fuss Register eigentlich der musikalische Grundton und müssen (ausser es wird etwas anderes verlangt) immer mit spielen.

Jetzt sind die hölzernen geschlossenen Pfeifen recht obertonarm. Um den Klang aufzuhellen fügt man "künstliche" Obertöne zu, indem man eben Register dazu schaltet, die eine Oktave (4 Fuss) oder 2 Oktaven (2 Fuss) oder drei Oktaven (1 Fuss) höher spielen. Und man kann andere Flötenarten wählen, eben etwa die Prinzipal, die auch als Oktave in den höheren Registern oder Oktävlein bei noch höherem Klang bezeichnet werden können.

Die Bezeichnungen sind teils sehr phantasievoll, so gibt es ein Register, das sich Vox Angelis nennt. Das bedeutet Engelsstimmen, was immer man sich darunter vorstellen soll.

Andererseits gibt es noch andere Bauarten von Pfeifen, die mit der eigentlich flötenartigen Konstruktion nichts mehr zu tun haben. Das sind sogenannte Zungenstimmen, wo nicht die Luft schwingt, weil sie an eine Kante geblasen wird wie bei der Flöte, sondern wo ein Metallplättchen durch die Luft zum schwingen gebracht wird wie bei einer Mundharmonika oder (mit anderem Material) einer Klarinette. Diese Zungenstimmen haben einen ganz anderen Klangcharakter und werden entsprechend als Trompeten, Posaunen, Fagott oder ähnliches bezeichnet.

Je nach Klang, den der Organist erreichen will (mehr dunkel oder hell, eher glanzvoll oder eher "trüb") wählt er zu einem 8 Fuss noch weitere Register dazu, teils in der gleichen Stimmlage, teils in höheren Lagen.

Ich will dieses Kapitel hier nicht weiter ausführen, denn erstens gäbe dies einen eigenen Thread, der nicht eigentlich hierher gehört und zweitens gibt es dazu auch Literatur im Internet wie etwa Wikipedia.
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